Birdcage Inn
- Regie:
- Ki-duk Kim
- Jahr:
- 1998
- Genre:
- Drama
- Land:
- Südkorea
- Originaltitel:
- Paran daemun
1 Review(s)
21.08.2008 | 18:29Daten:
Regie: Ki-duk Kim
Buch: Ki-duk Kim, Jeong-min Seo
Darsteller:
Ji-eun Lee als Jin-a
Hae-eun Lee als Hye-mi
Jae-mo Ahn als Hyun-woo
Hyeong-gi Jeong als Gecko
Min-seok Son als Jin-ho
Musik: Moon-Hui Lee
Kamera: Jeong-min Seo
Schnitt: Im-Pyo Ko
Ein paar Details über den Regisseur:
~ Filmografie des Regisseurs Ki-duk Kim: ~
2009: Sad Dream
2008: Arumdabda
2006: Time
2005: Hwal - Der Bogen
2004: Bin-jip - Leere Häuser
2004: Samaria
2003: Frühling, Sommer, Herbst, Winter... und Frühling
2002: The Coast Guard
2001: Address Unknown
2001: Bad Guy
2000: Real Fiction
2000: Seom - Die Insel
1998: Birdcage Inn
1997: Wild Animals
1996: Crocodile
~ Das Werk von Regisseur Ki-duk Kim: ~
Der koreanische Regisseur Ki-duk Kim, geboren am 20.12.1960, brachte sich das Filmhandwerk größtenteils selbst bei, er genoss aber zusätzlich auch eine Ausbildung in Paris. Bereits seine ersten Werke wurden aufgrund der teilweise harten, für westliche Augen fast geschmacklosen Bilder sehr kontrovers diskutiert. Seine frühen Werke waren geprägt von Gewalt, Tierquälerei und misshandelten Frauen und Prostituierten, aber Asia-Fans konnten sich bereits in diesen frühen Werken von der technischen Brillanz und von der Poesie seiner Bilder überzeugen.
Der Durchbruch folgte mit „Frühling, Sommer, Herbst, Winter... und Frühling“, mit dem Ki-duk Kim sich ein breiteres Publikum erschloß. Von nun an hagelte es regelmäßig höchste Bewertungen für seine Filme und der Regisseur wurde aufgrund seiner massentauglicheren Werke zum Festival-Liebling der Arthouse-Fans. Leider muss ich hinzufügen, dass gerade in diesen hoch gelobten neueren Werken nach „Frühling, Sommer, Herbst, Winter... und Frühling“ zwar die technische Ausführung auf dem gleichen hohen Niveau rangiert, wie in den frühen Werken, aber die Aussagen werden dem Zuschauer weniger drastisch serviert, wie beispielsweise in „Seom“, oder „Samaria“. Diese „Abschwächung“ der gezeigten Bilder mag zwar massentauglicher sein und für gute Kritiken sorgen, doch Fans der ersten Stunde vermissen die klaren harten Aussagen der ungestümen ersten Werke.
Zum Glück hat sich mit Visimundi jetzt ein deutsches Label gefunden, das den Mut aufgebracht hat, gleich zwei der frühen Filme Ki-duk Kims zu veröffentlichen: „Crocodile“ und den hier besprochenen „Birdcage Inn“.
Die Handlung:
Die hübsche 24-jährige Prostituierte Jin-a (Ji-eun Lee) musste vor ihrem brutalen Zuhälter fliehen und mietet in der Herberge "Birdcage Inn" ein Zimmer an, um dort ihren Lebensunterhalt zu verdienen. In dieser Herberge werden neben den wenigen Zimmern, falls gewünscht auch Jin-a's Dienst angeboten.
Es ist eine arme Familie, die dieses kleine Gasthaus betreibt - alle Bewohner wohnen unter einem Dach, das Ehepaar mit ihren beiden Kindern und die junge Prostituierte teilen sich die wenigen Räume. Bei dieser häuslichen Enge bleiben Streitigkeiten unter den Bewohnern nicht lange aus. Die Mutter ist dabei noch die neutralste Person in diesem Spiel. Vater und Sohn fühlen sich von der jungen hübschen Jin-a magisch angezogen und wollen Sex mit ihr, die fast erwachsene Tochter des Hauses Hye-mi (Hae-eun Lee) empfindet bei ihrem Anblick von Anfang an nur Verachtung. Dabei hatte sich Jin-a in der etwa gleichaltrigen Tochter des Hauses eine Freundin erhofft.
Die gespannte Lage ändert sich noch einmal dramatisch, als Hye-mi erfährt, dass sogar ihr Freund die Dienste der Prostituierten in Anspruch genommen hat.
Kritik:
„Birdcage Inn“ ist ein typischer früher Ki-Duk Film mit allen Zutaten, die Fans seiner frühen Werke so unverwechselbar und genial an den Filmen des Ausnahmeregisseurs fanden – Der Film stellt aber auch nicht so hohe intellektuelle Anforderungen an den Zuschauer wie vergleichbare Werke aus dieser frühen Schaffensphase.
~ Die Optik ~
Ebenso wie in seinen späteren Werken, misst Ki-duk bei der Umsetzung der Handlung der Optik eine besonders große Bedeutung zu. Hier in „Birdcage Inn“ verwendet er kalte, bläuliche Farben und Sets mit großen bedrohlich wirkenden Industrieanlagen im Hintergrund. Auch der Strand nahe dem Gasthaus ist voller Müll und Unrat. Trotz dieser gewollten optischen Trostlosigkeit schafft es Ki-Duk, diese Bilder poetisch und malerisch schön aussehen zu lassen, ein Zwiespalt, der sich auch in der Handlung wiederfindet. So werden die Aussagen des Films für den Zuschauer nachvollziehbar unterstützt. Farbige Akzente, wie der orange-farbene Goldfisch (Fische spielen in Ki-Duks Filmen fast immer eine tragende, symbolische Rolle) lenken die Aufmerksamkeit des Zuschauers auf Details, die für die Handlung besondere Bedeutung haben. Für diese effektive optische Ausgestaltung seiner Filme ist Ki-Duk Kim auch bekannt geworden. Einfach wunderschön…
~ Die Inszenierung ~
Ki-Duk Kim erzählt die Geschichte der Familie langsam, meist in statisch wirkenden Bildern. Trotzdem dient jede Szene der Handlung, keine Szene ist überflüssig – Ki-Duk erreicht dadurch eine äußerst effektive Erzählweise, in der es keine unnötigen, oder zu langen Einstellungen gibt. Jede Szene ist mit Bedacht gewählt und verfolgt einen bestimmten Zweck. Ki-Duk verwendet viel Zeit darauf, die einzelnen Figuren mit ihren Wertvorstellungen und Vorurteilen einzuführen, um deren Reaktionen für den Zuschauer besser nachvollziehbar zu machen. Die guten Schauspieler vermögen diese feinen Charakterzüge übrigens auch sehr schön wiederzugeben.
Hauptziel dieser Bemühungen ist die korrekte Darstellung der patriarchisch organisierten Familie mit ihrem Konversationsdefizit und die Wandlung der Charakterzüge der einzelnen Protagonisten hin zum Besseren. Klar, dass hier einige Dinge auch vereinfacht und überzeichnet dargestellt werden, aber das ist für die klare Aussage des Films auch nötig um den Zuschauer nicht zu verwirren. Dafür bleibt Ki-Duk erfreulicherweise immer ein neutraler Beobachter und schiebt keiner Figur eine Schuld zu – er vermeidet es auch allzu sehr beim Zuschauer auf die Tränendrüsen zu drücken, wie das bei Hollywoodfilmen bei diesem Thema sicher der Fall wäre.
~ Die Aussagen ~
Normalerweise spare ich mir eine Deutung der Handlung, in diesem speziellen Fall versuche ich aber einmal meine empfundenen Eindrücke zu vermitteln.
Der Regisseur behandelt in „Birdcage Inn“ verschiedene Themen der koreanischen Gesellschaft. Als zentraler Ankerpunkt für diese Aussagen dient die Beziehung zwischen der Prostituieren Jin-a und der etwa gleich alten Tochter des Wirtsehepaars. Anfänglich von Vorurteilen geprägt, braucht es erst ein Schlüsselerlebnis, damit sich die gesellschaftlich höher stehende Hye-mi mit dem Leben der Prostituierten beschäftigt und erkennt, was für ein wertvoller Mensch hinter der vermeintlich minderwertigen Person steckt. Es geht also um Vorurteile und um die Tatsache, dass man sich viel zu wenig für seine Mitmenschen interessiert.
Es geht aber auch um die Hoffnung, um zerstörte Träume und die scheinbar ausweglose Lage der Prostituierten Jin-a. Auf der Flucht vor ihrem Zuhälter, wird sie vom Vater der Familie von der sie sich eigentlich Schutz versprochen hatte, vergewaltigt und vom jungen Sohn sexuell bedrängt. Von der Tochter des Hauses erntet sie für ihre missliche Lage dann nur Hass und Missgunst. Trotzdem gelingt es Jin-a langsam ein einigermaßen geregeltes Leben zu führen – ihre Liebe zur Kunst und ein Freund geben ihr die nötige Kraft dazu. Es gibt also immer auch ein Stück Hoffnung – selbst in der ausweglosesten Situation – eine ausgeprägte Leidensfähigkeit vorausgesetzt. Ki-Duk Kim lässt in seinen anderen Filmen normalerweise nicht so viel Hoffnung aufkeimen.
Ki-duk Kim stellt aber auch die Moral der koreanischen Familie auf den Prüfstand. Eine Familie, die sich füreinander nicht interessiert, die nicht miteinander kommuniziert, ein Vater, der vergewaltigt, ein Sohn, der seine ersten sexuellen Erfahrungen mit einer Prostituierten machen muss und überall lauern Vorurteile, Misstrauen und Betrug. Jeder Familienangehörige hat sein schwarzes Geheimnis mit sich zu tragen – nur die Prostituierte Jin-a ist die einzige unbefleckte Person in diesem Intrigenspiel, sie ist gebildet und hat einen guten Charakter – als Dank dafür muss sie für alle aber als Sündenbock herhalten.
Ki-Duk stellt in „Birdcage Inn“ der koreanischen Familie ein Armmutszeugnis aus. Trotzdem gibt es am Ende einen Hoffnungsschimmer – das „Prinzip Familie“ scheint doch nicht zum scheitern verurteilt. Mauern fallen - Ki-Duk beschließt den Film versöhnlich und bleibt als Erzähler erfreulich neutral.
Die DVD:
In der Hülle der DVD liegt neben einem kleinen Booklet ein Flyer, auf dem sich Visimundi für die minderwertige Bildqualität entschuldigt. Und es stimmt – die Bildqualität ist wirklich schlecht – das Bild ist unscharf, blass und wirkt ausgewaschen – gerade bei Filmen aus Asien habe ich aber schon viel schlechtere Bildqualitäten gesehen. Zu allem Überfluss wurde aber das Bild auch noch auf ein Seitenverhältnis von 4:3 beschnitten. Laut Visimundi stand für die DVD kein besseres Master zur Verfügung – mag schon sein, aber warum gibt es dann im Ausland von Bitwin eine bessere Version, mit dem richtigen Bildformat? Dem guten Film tut die minderwertige Bildqualität keinen großen Abbruch, so lange man sich das Werk auf einem kleineren Ausgabegerät ansieht (kleiner 82 cm). Besitzer mit großen Ausgabegeräten und guten Englischkenntnissen sollten jedoch einen Import ins Auge fassen.
Den Ton gibt es in Dolby Digital 5.1 in Koreanisch mit deutschen Untertiteln ins heimische Wohnzimmer serviert. Für eine Vollpreisveröffentlichung war diese DVD für mich eine kleine Enttäuschung, obwohl ich es Visimundi hoch anrechne, überhaupt in den Genuss einer deutschen Version dieses Films zu gelangen.
DVD Vergleich der ausländischen Fassungen: http://www.wicked-vision.com/tabellevergleich.php?ID=280
Die Extras:
- Filmographie, Biographie Kim Ki-duk
- Booklet
- Dokumentation über Kim Ki-duk: Cineaste Of The Wild Beauty (Frankreich / Südkorea 2007) mit deutschen Untertiteln
Fazit:_
Dieser dritte Film Ki-Duk Kims weist bereits alle Merkmale seiner bekannteren Werke auf, für die er später auch im Westen berühmt geworden ist. Die radikale Bildersprache, hoffnungslose Protagonisten, eine Prostituierte und andere tabubrechende Zutaten fanden auch in „Birdcage Inn“ Verwendung.
Allerdings ist „Birdcage Inn“ auch noch nicht so schockierend, wie zum Beispiel „Seom“ oder „Bad Guy“. „Birdcage Inn“ ist einer der einfacheren frühen Filme in Ki-Duks Filmhistorie, er stellt weniger intellektuelle Ansprüche an den Zuschauer und unterhält mit der ruhigen Handlung perfekt.
Viele Gesellschaftsthemen werden in „Birdcage“ kritisch betrachtet – ein Film, der Schicksale erzählen kann und der noch nicht für den Geschmack der Kritiker aufbereitet wurde, so wie die späteren Werke Ki-Duks – eben ein Film für echte Filmfreunde. Arthouse-Fans werden ebenso gut bedient, wie Asia-Cineasten.
- Redakteur:
- Detlev Ross