Frauen des Herrn S., Die
- Regie:
- Paul Martin
- Jahr:
- 1951
- Genre:
- Musical / Musik
- Land:
- BRD
1 Review(s)
30.07.2006 | 13:56Musicalkomödie mit Kabarettambitionen
Im antiken Athen schmieden Parlamentarier im "Haus der Freude" heimliche Pläne gegen die Besatzungsmächte. Nebenbei hat Philosoph Sokrates ein Auge auf die hübsche Euritrite geworfen, die seine Liebe nur erwidern will, wenn er sie ehelicht. Doch Sokrates ist bereits verheiratet: mit Xanthippe. Mit politischem Kalkül und einem Seitenblick auf seine Angebetete schlägt er als Geheimwaffe die Einführung der Doppelehe vor. Die bio-logische Rechnung dabei: mehr Kinder - mehr Soldaten. Doch beim politischen Ränkespiel des weisen Sokrates läuft nicht alles wie geplant … (Verlagsinfo)
Filminfos
O-Titel: Die Frauen des Herrn S. (D 1951)
Dt. Vertrieb: e-m-s (Verkauf: 22.06.2006)
FSK: keine
Länge: ca. 94 Min.
Regisseur: Paul Martin
Idee und Drehbuch: Gustav Kampendonk
Musik: Lothar Olias mit dem Sunshine Quartett
Liedertexte: Kurt Schwabach
Tanz: D’A Lal
Darsteller: Paul Hörbiger, Sonja Ziemann, Walter Giller, Rudolf Platte u.a.
Handlung
Hinweis: "Alle Personen und Zustände sind frei erfunden. Ähnlichkeit mit der damaligen Zeit (1951) sind rein zufällig." (Dieser Hinweis steht sinngemäß am Ende des Films.)
Athen hat den Krieg verloren und ist von den vier alliierten Siegermächten besetzt; Mazedonier, Kreter, Korinther und Perser. Die Friedenskommission der Alliierten tagt ständig im Rathaus. Deshalb müssen sich die politisch aktiven Athener woanders versammeln, wenn sie etwas beratschlagen wollen. Sie haben das "Haus der Freude" gewählt, wo Musarion (Rudolf Platte) seine Hetären beaufsichtigt – und die gerade stattfindende Versammlung.
General Perikles (Oskar Sima) betrachtet sich immer noch als Ministerpräsident und will immer noch die Demokratie durch eine Diktatur ablösen. Das wird ihm nicht erlaubt. Bei der Versammlung ist man ständig auf der Hut vor einer Razzia der Alliierten und politisch kommt man auf keinen grünen Zweig. Perikles wünscht sich mehr Soldaten, um die Alliierten wieder zu vertreiben, aber wie soll das gehen? Er kann sie ja nicht herbeizaubern. Vielleicht weiß der weiseste Mann von Athen einen Rat: Sokrates. Perikles schickt nach ihm.
Sokrates (Paul Hörbiger) hat gerade andere Dinge im Kopf. Er hat sich in die schöne Korintherin Euritrite (Sonja Ziemann) verliebt, die besonders als Wasserträgerin im Minirock eine gute Figur macht. Doch auf sein Bitten und Flehen antwortet sie nur, dass er sie heiraten müsse, wenn er sie haben wolle. Doch dann müsste er sich von seiner Frau Xanthippe (Loni Heuser) scheiden lassen. Außerdem hat Euritrite in Sokrates’ Schülern Platon (Walter Giller) und Pachulles (Ralf "Hadschi Halef" Wolter) zwei weitere Verehrer. Da wird Sokrates ins Parlament geholt.
Beim Nachdenken fällt sein Blick unweigerlich auf die ausnehmend hübschen Hetären im "Haus der Freude" und seine Gedanken kreisen um Euritrite. Das tief schürfende Ergebnis seiner Ruminationen: Jeder athenische Mann solle zwei Frau heiraten, auf dass die Zahl der Nachkommen verdoppelt und folglich Perikles’ Armee schneller wachsen werde. Eine bio-logische Geheimwaffe sozusagen. Perikles und Co. sind ob dieser Geistesleistung völlig von den Socken, und per Akklamation wird der Vorschlag angenommen. Aber Sokrates stellt zwei wichtige Bedingungen. Man möge kund und zu wissen tun, dass der Vorschlag nur von einem "Herrn S." kam und dass es eine – natürlich geheim gehaltene – Nein-Stimme gegeben habe. Auf diese Weise bleiben ihm gleich zwei Schlupflöcher, falls die Sache wider Erwarten schief gehen sollte.
Perikles trägt das Gesetz getarnt als soziale Nothilfe vor. Die Siegermächte akzeptieren es, auch wenn die Perser ihr 50. Veto einlegen. Es gilt der Mehrheitsbeschluss. Jeder Athener muss dem Gesetz binnen 90 Tagen Folge leisten. Platon weigert sich. Er hat Liebeskummer …
Sokrates kann nun Euritrite heiraten, aber Xanthippe lässt die beiden keine Sekunde allein, und wenn Euritrite im Bett auf Zärtlichkeiten wartet, tut Xanthippe dies ebenfalls. Selbst als eine List Platons den Drachen aus seinem Lager lockt, hat Sokrates nichts davon: Xanthippe hat ihn eingesperrt und später gibt sie ihm ein Schlafmittel. Dafür kommt nun endlich Platon bei Euritrite zum Zuge …
Der Haussegen hängt auch im Hause von Perikles’ frisch verheirateter Tochter Asaria (Inge Stoldt) schief. Sie würde zu gerne mit Philtas (Heinz Engelmann) in die Kiste hüpfen, doch das Doppelehegesetz macht ihr einen Strich durch die Rechnung. Ihre Kammerzofe Stabila (Fita Benkhoff), eine selbsternannte "vollreife Kirsche" (kein Wunder, denn die Benkhoff ist schon 50!), meldet ihre Ansprüche an. Philtas weigert sich zunächst und protestiert heftig bei Schwiegervater Perikles, doch der schmettert diesen Antrag wie viele andere mit einem Federstrich ab. Es wird geheiratet – basta! Also geht Philtas mit Stabila eine Proforma-Ehe ein, die aber hinten und vorne nicht funktioniert, egal was sich die Damen einfallen lassen.
In ganz Athen hängt der Haussegen nicht mehr in Ruhestellung. In ganz Athen? Der alte Organtes (Willi Rose) hat sich noch nie so wohl gefühlt, und selbst Pachulles (Ralf Wolter) hat sich zwei schnuckelige Damen geangelt. Das aber kann die Frauen von Athen nicht davon abhalten, das Parlament zu stürmen und die Zurücknahme des Gesetzes zu verlangen. Asaria verrät den Alliierten, dass das Doppelehegesetz in Wahrheit eine Geheimwaffe gegen sie sei. Und auf den Kopf des Herrn S. sind mittlerweile bereits 3000 Drachmen Belohnung ausgesetzt. Nun muss sich erweisen, wie viel Sokrates Schlupflöcher wert sind …
Mein Eindruck
Es ist unschwer zu erkennen, dass diese leichte Komödie nichts mit den Tragödien und Satiren der griechischen Antike zu tun hat, nicht einmal mit französischen Bearbeitern wie bei "Antigone". Deshalb erscheint der Blickwinkel der Komödie wesentlich kleiner, eher zugeschnitten auf die lokalen Verhältnisse im Nachkriegsdeutschland als auf die Weltbühne. Am Schluss blieb ein gewisser Nachgeschmack von Provinztheater. Das hat auch mit der Fülle der Rollen und der ganzen Präsentation zu tun.
~ Musical ~
Denn dies ist nicht einmal eine Komödie im klassischen Sinne, sondern ein Musical. Es wird gesungen, was das Zeug hält. Die Siegermächte geben den Marschrhythmus vor, doch die Athener haben andere Sorgen: "Du bist der Traum meiner schlaflosen Nächte" singen sie (Walzertakt; Text ist im Programm abgedruckt: gerade mal vier Zeilen). Die Hetären trällern ein verführerisches Nichts von einem Lied, und selbst ihr Herr und Meister Musarion (Rudolf Platte) gibt ein Lied zum Besten – wahrscheinlich zu Playback, denn ich bezweifle, dass Platte jemals eine Gesangsausbildung hatte.
Wen wundert’s, dass auch die intrigante Stabila ein Chanson mit dem anzüglichen Refrain "Ich möchte mal" schmettern darf? Nur an einer Stelle wird aus dem Musical ein Grusical, nämlich dann, als Stabila ein Orakelweib – vulgo "Sibylle" genannt – in seiner Höhle besucht und diese Sibylle (Ursula Herking) ein richtig schmissiges Lied mit bösen Worten schmettert. Stabila probt daraufhin den Aufstand. Selbstredend endet das ganze Stück mit einem Festlied beim Ringelpietz. Es ist ein Graus.
Als wäre der Gesang noch nicht genug Ohrenfolter, so werden auch noch die Augen des männlichen Publikums "malträtiert". Das ist aber eher ironisch zu verstehen, denn der Anblick von Oben-ohne-Tänzerinnen und Hetären in durchsichtigen Gewändern bringt die Augen wohl kaum zum Tränen. Über die Halbnackten habe ich mich sehr gewundert, passt sie doch gar nicht zu dem verbreiteten Vorurteil über die prüden Fünfziger.
~ Relevanz ~
Ich habe mich absichtlich der geschichtlich verbürgten Terminologie der Besatzungszeit bedient. Denn die Ähnlichkeit mit jenen Zuständen ist im Film überdeutlich und offensichtlich gewollt. Der Perser, der aus Prinzip ständig sein Veto einlegt, wenn die Friedenskommission etwas beschließt, ist unschwer als Russe zu erkennen. Das wird unterstrichen durch das Angebot, das die drei anderen Alliierten Sokrates machen: Sie bieten Athen das Bündnis gegen Persien an. In der Folge kam es bekanntlich zu einer Blockbildung des gespaltenen Deutschland, nachdem 1949 die beiden deutschen Staaten gegründet worden waren: Im Westen (BRD) haben die Amis, Briten und Franzmänner den Ton an, im Osten (DDR, Ex-SBZ) die Russen. Schließlich kam es 1956 zur Gründung der Bundeswehr.
Nun kann man natürlich lange rätseln, ob es in der jungen BRD eine "Geheimwaffe" à la Doppelehe gab. Mir ist nichts dergleichen bekannt. Aber die Geburtenzahlen schnellten ohne Zweifel wieder in die Höhe, mehr Jungen als Mädchen wurden geboren – wie nach jedem Krieg. Viel wichtiger als diese Frage ist jedoch die Darstellung des politischen Verhaltens der "Athener" Bevölkerung.
~ Die Politiker ~
Da ist zum einen die imposante Figur des Perikles (Oskar Sima). Obwohl er drei Schlachten verloren hat, fühlt er sich doch berechtigt, eine Diktatur einzurichten und weiterhin Ministerpräsident zu sein. Diese Selbstüberschätzung hat sicher die eine oder andere Parallele in der jungen BRD. Zum Glück nimmt man den aufgeblasenen Gernegroß in Athen nicht ernst.
Etwas gewichtiger ist da schon der Fall des Herrn S. Er ist ein scheinheiliger Tugendbold, ein Taktierer, der sich für das Erreichen egoistischer Ziele – die Hand von Euritrite – allerlei Tricks einfallen lässt. Darunter leiden ob der Autorität des Herrn S. alle in Athen. Und somit muss auch das Urteil über ihn von allen gefällt werden. Die Strafe für sein Fehlverhalten wäre sicherlich hart, doch zum Glück hat er in weiser Voraussicht zwei Schlupflöcher eingebaut.
Abstimmungen sind in einer Demokratie zwar nicht immer anonym – in einer Szene werden Scherben gezählt – aber in seinem Fall besteht er darauf. Es ist ein Wunder, dass keiner der Ehrenmänner seinen Namen verrät, und hätte er ein Ehrgefühl im Leib, so würde er verhindern, dass die Frauen Organtes als den vermeintlichen Herrn S. beinahe lynchen.
Das zweite Schlupfloch erlaubt ihm eine Revision seiner eigenen Meinung, ohne dass sein Ruf Schaden nimmt. Jemand habe anonym mit Nein gestimmt, und das sei er gewesen, behauptet er. Sofort hat er die Kritiker auf seiner Seite, und da seine Stimme das Zünglein an der Waage darstellt, wird das Gesetz zurückgenommen. Dies sind die Tricks, die jeder Politiker in petto haben muss, sozusagen als Rettungsleine, wenn’s brenzlig wird. Parallelen zum BRD-Tagesgeschehen und zur Zeit nach der Wiedervereinigung 1990, als so genannte "Wendehälse" auftraten, sind nicht rein zufällig.
Doch so clever verpackt die Kritik an tatsächlichen Zuständen ist, so sperrig ist für den heutigen Betrachter die Präsentation. Alles Weitere findet sich oben formuliert.
Die DVD
Technische Infos
Bildformate: 4:31 (Vollbild s/w)
Tonformate: D in DD 2.0
Sprachen: D
Untertitel: keine
Extras:
- 12-seitiges Booklet
- 4 Seiten Reprint des verkleinerten Original-Filmprogramms
- "Musik-Box"
- Trailershow
- Nostalgie-Reklame
Mein Eindruck: die DVD
Die Bildqualität des Schwarzweißfilms ist recht annehmbar, aber natürlich nicht dem Vierfarbstandard vergleichbar. Der Sound in DD 2.0 ist weit von dem entfernt, was der Zuschauer und –hörer heute erwartet. Aber immerhin versteht man das meiste, was gesagt, gesungen oder gebrüllt wird. Aber man kann sich nie sicher sein, richtig gehört zu haben, denn so etwas wie Untertitel bietet die DVD nicht.
Unter den Extras sind auf der DVD mehrere Punkte aufgeführt. Unter "Nostalgie-Reklame" finden wir a) Theo Lingens (ein beliebter Schauspieler) Reklame für Rasierapparate von Philips; b) Mercedes-Benz-Reklame für den neuen Typ 220 S; und schließlich c) Rudolf "Musarion" Platte, der für das deutsche Limonadengetränk Sinalco wirbt. Weil das ja so gesund ist.
Die "Musikbox" bietet acht Filmschlager mit entsprechenden Film-Clips zur Auswahl, darunter auch Rex Gildo und Esther Ofarim aus den 60er Jahren. Die Trailershow hat neunmal Filmwerbung vorzuweisen.
Weitaus informativer sind das Filmprogramm und das Booklet. Das nur 4 Seiten umfassende Programm ist ganz in bräunlichem Schwarzweiß gehalten und zeigt zahlreiche Filmszenen in Montage. Hier findet der Kinokenner die einzige vollständige Übersicht über die Rollen und ihre Darsteller, z. B. die Sibylle und "Das Persönchen" (ich hab’s nicht gesehen, aber es muss wohl da sein).
Etwas weniger kryptisch ist da schon das Booklet. Neben dem üblichen Serienmantel findet der Interessierte die Credits sowie Biografien von Paul Hörbiger (1892-1981), Alice Toni Selma Ziemann (geb. 1926) und Fita Benkhoff (1901-1967). Den Abschluss bildet wie stets in der Reihe "Filmpalast" die Rubrik "Was erregte und bewegte die Welt im Jahre 1951". Mehr Infos findet man unter http://www.filmpalast-dvd.de.
Unterm Strich
Story top, Umsetzung flop – so könnte man diese Musical-Komödie grob zusammenfassen. Die Zielrichtung, die politisch-gesellschaftlichen Zustände in der frisch gegründeten Bundesrepublik auf die Schippe zu nehmen, ist zwar unverkennbar und löblich, doch ein Kabarett hätte den Job ja auch erledigen können. Kandidaten wie "Die Stachelschweine" gab es damals schon genug. Doch Paul Martin & Co. wollten unbedingt ein Musical machen. Das Ergebnis ist sehr vom Geschmack des Betrachters abhängig. Meinen trifft es nicht. Als cineastische Kuriosität kann man sich den Film zu Gemüte führen – und sich über die Oben-ohne-Tänzerin freuen –, doch bei dem einen Mal wird’s wohl bleiben.
- Redakteur:
- Michael Matzer