Kovak-Labyrinth, Das
- Regie:
- Daniel Monzón
- Jahr:
- 2006
- Genre:
- Thriller
- Land:
- Großbritannien / Spanien
- Originaltitel:
- La Caja Kovak | The Kovak Box
1 Review(s)
15.02.2008 | 10:14Ein guter Ansatz: SF-Psychothriller
David Norton ist Romanautor und reist nach Mallorca zur Schriftstellerkonferenz, doch sein Aufenthalt wird von einer furchtbaren Mordserie überschattet. Seine Lebensgefährtin stürzt sich nach einem mysteriösen Telefonanruf von dem Hotelbalkon in den Tod. War es Selbstmord oder gezielter Mord? Auf der Suche nach Antworten muss David allmählich feststellen, dass die Spur direkt zu ihm führt. Gemeinsam mit Silvia, einer der Überlebenden, beginnt ein tödliches Katz- und Maus-Spiel ... (Verleihinfo)
Filminfos
O-Titel: La Caja Kovak | The Kovak Box (Großbritannien / Spanien 2006)
Dt. Vertrieb: e-m-s new media
Veröffentlichung: 17.01.2008 (Kauf-DVD)
EAN: 4020974164078
FSK: ab 16
Länge: ca. 104 Minuten
Regisseur: Daniel Monzón
Drehbuch: Daniel Monzón, Jorge Guerricaechevarría
Musik: Roque Baños
Darsteller: Timothy Hutton (D. Norton), Annette Badland, David Kelly (F. Kovak), Gary Piquer, Georgia Mackenzie (Jane), Lucía Jiménez (Silvia) u. a.
Handlung
Der Science-Fiction-Autor David Norton hat es nach 26 Jahren Schufterei und 25 Bestsellern endlich geschafft. Er kann sorglos mit seiner Verlobten Jane Graham nach Mallorca fliegen. Allerdings geht des Öfteren seine Einbildungskraft mit ihm durch. Er stellt sich vor, wie ein Mann im Erster-Klasse-Sitz vor ihm eine Nabelschnur mit seinem Laptop verbunden hat, um so seine Gedanken direkt auf die Tastatur zu übertragen. Die Tasten bewegen sich wie von Geisterhand. David ahnt nicht, dass auf diesem Flug noch anderes geschieht ...
Er besucht die Tagung eines Schriftstellerverbandes, die in einem wunderschönen Hotel an der Küste stattfindet. Im Publikum, das seiner eigenen Präsentation lauscht, bemerkt er einen großen Glatzkopf, der auf den Knöcheln Tätowierungen aufweist. David weiß gleich, dass es sich um einen russischen Killer handelt, denkt sich aber nichts dabei. Er wird dem Mann noch häufiger begegnen.
Danach bittet ihn ein alter Mann um ein Autogramm in ein Buch, das dieser Fan vor rund 30 Jahren erstand. Da war David gerade mal 20 Jahre alt. Der Titel des Buches lautet "Gloomy Sunday" und handelt von einem Überwachungsstaat, der seinen Bürgern Chips einpflanzt, um sie orten zu können. David schaut auf dieses krude Machwerk mit Verachtung herab. Erst später erfährt er, dass der alte Fan der Präsident des Autorenverbandes ist, der ihn eingeladen hat - autsch! Nach dem Autogramm macht er Jane einen Antrag, den sie dankbar annimmt. Alles läuft prima.
Während David am Abend eine unbekannte DVD auf seinem Bett findet und in das Laufwerk seines Laptops steckt, besuchen die junge Spanierin Silvia Mendes und ihr Freund Kelly die Disco. Danach haben sie Lust auf ein wenig Bettsport, doch als sie am nächsten Morgen aufwacht, ist Kelly verschwunden. Sie geht gerade duschen, als das Handy klingelt. Doch niemand ist dran, nur ein Musikstück ist zu hören. Es heißt "Gloomy Sunday". Wenig später fällt Silvia durch die Markise des Cafés drei Stockwerke unter ihrem Hotelzimmer. Sie ist nackt, als wäre sie immer noch duschen.
Die DVD in Davids Laptop zeigt einen merkwürdigen Film. Ein Äffchen steckt in einem Glaskäfig. Als bestimmte Töne erklingen, gerät es zunehmend in Aufregung, die sich so weit steigert, dass es sich schließlich gegen die Wände seines Käfigs wirft, bis es stirbt. Yuck!, das ist ja eklig, findet David. Dann schaut er nach, wo Jane geblieben ist. Sie wollte ans Telefon gehen. Er sucht sie überall, sogar auf dem Balkon. Da hört er die Schreie aus der Tiefe der Steilküste unter dem Balkon ...
Mein Eindruck
Für die Story dieses Thrillers gibt es eine Reihe von Vorbildern. Der Anfang, wie ich ihn oben beschrieben habe, erinnert eindeutig an gewisse Hitchcock-Filme. Der Regisseur selbst verweist auf "Der unsichtbare Dritte", und stellenweise erinnert die romantische Musik von Roque Banos an Bernard Herrmanns Musik für "Vertigo".
Allerdings gibt es einen bedeutenden Unterschied zum "Unsichtbaren Dritten": Die zwei Hauptfiguren können nicht vor der Gefahr weglaufen, weil in Silvia eine Art Zeitbombe tickt, nämlich der Selbsteliminierungs-Chip, der ihr in der Nacht nach der Disco von einem Unbekannten eingesetzt worden ist. Dieses teuflische Ding ist nicht nur ein Peilsender, sondern enthält auch eine ferngesteuerte Botschaft, die zum Selbstmord des Opfers führt - das Lied "Gloomy Sunday" ist der unterbewusst wahrgenommene Auslöser für den Selbstmord. Der Chip lässt sich nicht zerstören oder entfernen, genau wie Dave Norton es beschrieben hat. Versucht man es, tötet der Chip den Träger mit einem direkten Selbstmordbefehl, auch ohne Auslöser. Teuflisch.
Zwar gibt es heute schon unter die Haut implantierbare Chips die für Funkfrequenzen empfindlich sind und passiv oder aktiv senden, doch sie verfügen meines Wissens nicht über die nötige Verbindung zum Gehirn des Trägers, um es zu Selbstmord zu veranlassen. Dieses Detail ist pure Science-Fiction.
Der Chip führt zum zweiten Vorbild: David Cronenberg. Schon David Nortons erste Vision von einem Passagier, dessen Nabelschnur eine Laptoptastatur bedient, während deren Besitzer gerade träumt - erkennbar an den REM-Bewegungen seiner Augen unter den Lidern - verweist auf Motive, die in "Naked Lunch" und "eXistenZ" auftauchen: semiorganische Maschinen. Die Schnittstelle zwischen Fleisch, Psyche und Maschine erzeugt Horror, die sich mit nichts Dagewesenem vergleichen lassen. Und Regisseur Monzón macht reichlich Gebrauch von diesem Horror.
Diese wenigen Elemente reichen noch nicht für einen Plot. Diesen gibt es aber, und er wird uns genauso häppchenweise enthüllt wie David Norton, der nach des Rätsels Lösung sucht. Als Silvia entführt wird, liegt ihr Leben auch in seinen Händen. Doch sein Wohlverhalten wird gesteuert. Von dem alten Fan, der sich ein Autogramm von David besorgte. Sein Name ist Frank Kovak.
Kovaks Biografie verbirgt sich in der titelgebenden roten Kovak-Box: Dokumente, Zeitungsausschnitte usw., die ihn als Mediziner mit einem Hang zur Grenzüberschreitung beschreiben. Der Tabubruch, der ihm die Verstoßung aus der Gemeinde der Wissenschaftler einbrachte, besteht in der Schaffung jenes subkutanen Selbsteliminierungschips, den David so genial in seinem Roman beschrieb. Und offenbar hat Kovak auch böse Experimente mit unschuldigen Äffchen zu verantworten ...
Nun dreht Kovak den Spieß um. Da er bald an Krebs sterben wird, sieht er eine letzte Chance, sich unsterblich zu machen. Dafür muss er David dazu bringen, ein neues Buch über ihn, Kovak, zu schreiben. Den Inhalt gibt Kovak selbst vor: Es ist die Handlung des Films, in der er David und Silvia steuert. Kovaks Dokumente sollen David die faktische Grundlage für seinen Roman liefern, die Erlebnisse auf Mallorca die Handlung. Der Leser manipuliert seinen Autor. (Es wird nicht klar, ob Kovak auch eine Figur im Roman "Gloomy Sunday" ist, wie der Regisseur andeutet.)
Das ist eine wunderbare Ironie, leider wirkt sie sich ziemlich horrormäßig aus. Und das mag David überhaupt nicht. Kovak hat ihm eine Pistole zugespielt. Soll er ihn damit erschießen - oder lieber Silvia verteidigen? Für Silvia, die er liebgewonnen hat, gibt es hingegen kein Entrinnen. Sie hat durch den Chip keinen freien Willen mehr, ganz im Gegensatz zu David.
Dieser Horror lässt sich ohne weiteres steigern, allerdings nicht hinsichtlich Qualität, sondern Quantität. Kovak scheut nicht davor zurück, Hunderte von ahnungslosen Touristen - sie waren alle mit David und Silvia auf dem Flieger - in den Selbstmord zu treiben. Schauplatz dieses möglichen Massakers sind die Höhlen, die man die "Höhlen der Hölle" nennt (es gibt sie wirklich, denn sie konnte man nicht nachbauen). David muss sich beeilen ...
Die DVD
Technische Infos
Bildformate: Widescreen (2.35:1 - anamorph)
Tonformate: Dolby Digital 5.1 in Deutsch, DTS Digital 5.1 in Deutsch, Dolby Digital 5.1 in Englisch
Sprachen: D, Englisch
Untertitel: D
Extras:
1. Originaltrailer
2. Making-of
3. Bei den Dreharbeiten
4. Musikvideo
5. Artworkgalerie
6. Trailershow
Mein Eindruck: die DVD
Die Qualität des Bildes könnte nicht besser sein und die Qualität des Tons ist Top-Standard, sowohl in DTS als auch in DD 5.1. Hier gibt es also nichts zu meckern.
1. Der Originaltrailer liegt in Deutsch und Englisch vor. Die Bilderfolge ist identisch, so dass die Länge jedes Mal 1:28 Minuten beträgt. Wie üblich bietet der Trailer Highlights, die neugierig machen.
2. Making-of (15:40)
Regisseur Daniel Monzón erklärt ein wenig, was ihn dieser Produktion reizte. Die kontrastreiche Landschaft der Insel Mallorca, vor allem deren felsige Nordküste, bildet einen mitspielenden Charakter in der Handlung: das trügerisch sonnige Meer, die Küste, die Höhlen. An der Story des Thrillers fand er die Idee faszinierend, dass eine Figur bzw. Idee aus einem Roman lebendig werden und ihren Schöpfer manipulieren könnte. Außerdem sei dies nicht "Der unsichtbare Dritte", denn vor dem drohenden Tod, der im eigenen Körper lauert, könne man schließlich nicht weglaufen.
Hutton war sofort Feuer & Flamme für das Skript und traf Daniel Monzón binnen drei Tagen in Paris. Lucía Jiménez, die Sängerin im Musikvideo "Gloomy Sunday", ist The Girl Next Door, mit der sich jede spanische Frau identifizieren kann. Sie hatte im Film jedoch englisch zu sprechen, was für sie ungewohnt war. Hutton half ihr dabei. Monzón lobt Kameramann Charles Gusi und den Bühnenbildner.
Alles in allem bekommt man ein paar Eindrücke, Statements und Hinweise, aber das Rätsel, das dem Thriller die Spannung verleiht, wird nicht verraten. Ganz brauchbar.
3. Bei den Dreharbeiten (10:45)
Die B-Roll zeigt die Darsteller und Crew bei der Arbeit an mehreren Locations. Da die Bilder ohne Untertitel und Kommentar sind, tendiert der Unterhaltungs- und Informationswert gegen null.
4: Musikvideo (3:30)
"Gloomy Sunday", gesungen von Lucía Jiménez, ist nicht das Original, das man im Film in der Jazz-Version zu hören bekommt - diese ist viel gruseliger. Aber die neue Version, die man auch im Abspann hört, ist rhythmischer und durch die tiefen Bässe nicht ohne emotionalen Reiz. Ich habe aber schon besseren Gesang gehört.
5. Artwork-Galerie (2:00)
Darunter ist eine selbstablaufende Diaschau von Standfotos sowie diverse PR-Plakate zu verstehen.
6. Trailershow: Backwoods; Kill Bobby Z; Lonely Hearts Killers; Der Tod einer Bestie; Chumscrubber; Evil.
Unterm Strich
"Das Kovak-Labyrinth" konnte mich über eine lange Strecke hinweg fesseln, denn wie die Hauptfiguren wollte ich herausfinden, was des Rätsels Lösung hinter der Serie von Selbstmorden ist. Je mehr ich erfuhr, umso mehr ließ mein Interesse nach. Es gibt zwar jede Menge Action und Timothy Hutton ist ein glaubwürdiger Hauptdarsteller, doch was dem Thriller zur Vollendung fehlt, sind tiefere Emotionen zwischen Hutton und Silvia, die deutlich machen würden, dass es für David von größter Bedeutung ist, Silvia zu behalten. Allerdings hat dies einen Haken: Er hat gerade seine eigene Frau verloren, daher könnte es als frivol aufgefasst werden, wenn er sich wenige Tage später eine neue Geliebte nimmt. Das lässt der Regisseur also lieber bleiben und David am Schluss alleine nach Hause fliegen. Diese Gratwanderung ließ mich etwas unbefriedigt zurück.
Wichtiger für die Logik der Handlung ist der Schurke im Stück. David Kelly als Frank Kovak tritt jedoch meist als netter alter Knacker auf, dem David jederzeit den Hals brechen könnte (mit gewissen Risiken). Der Regisseur hat genau erkannt, dass ein Thriller nur so gut wie sein Bösewicht ist, und hier hapert es Kelly eindeutig an Bedrohlichkeit. Oder der Regisseur macht dies nicht deutlich genug, beispielsweise fehlt eine Art Mann am Drücker oder eine Fernbedienung, welche die Gefahr sinnfällig macht. Stattdessen bleibt die Gefahr stets unsichtbar und kommt nur im selbstmörderischen Verhalten von Silvia und den Touristen zum Vorschein.
Der Streifen mag als spannender Zukunftsthriller ein guter Ansatz sein, aber - ganz egal, was die Darsteller und der Regisseur aussagen - er stellte mich nicht völlig zufrieden. Vielleicht auch deshalb, weil ich genau Bescheid weiß, was mit heutigen Chips alles möglich ist - und was nicht. Die Grundhypothese könnte auch aus den paranoiden 1950ern stammen. Vielleicht macht ja David Cronenberg ein Remake.
Das Bonusmaterial hat nur begrenzt zur Erhellung des Problems dieses Films beigetragen, aber man kann dem Regisseur und Drehbuchautor nicht handwerkliches Können und intelligente Umsetzung absprechen. Die spanische Filmindustrie hat bislang einige beachtliche Psychothriller hervorgebracht, z. B. "Hypnos", und wir dürften noch einiges von diesen Regisseuren hören und sehen.
- Redakteur:
- Michael Matzer