Leben des David Gale, Das
- Regie:
- Alan Parker
- Jahr:
- 2003
- Genre:
- Thriller
- Land:
- USA
- Originaltitel:
- Life of David Gale, The
1 Review(s)
22.03.2003 | 11:01Betrachtet man das bisherige Werk von Regisseur Alan Parker, so stößt man zwar auf keine unantastbaren Meisterwerke, aber dennoch muss man ihm zugestehen, dass er in einer Vielzahl von Genres immer wieder kleine interessante Nischen für seine Filme gefunden hat. Rockmusik-Fans dürfte insbesondere seine Verfilmung von Pink Floyds Jahrhundertalbum „The Wall“ (1982) in positiver Erinnerung geblieben sein. Mit den beiden Charakterdarstellern Kevin Spacey und Kate Winslet im Gepäck macht er sich nun an einen Film über die Todesstrafe, der eine Mischung aus Drama und Thriller darstellt.
Der Philosophie-Professor Dr. David Gale (Kevin Spacey), ein bekannter Aktivist gegen die Todesstrafe, wird wegen Mordes und Vergewaltigung seiner Mit-Aktivistin Constance Harraway (Laura Linney) zum Tode verurteilt. Etwa eine Woche vor der geplanten Vollstreckung des Urteils gewährt er der renommierten Reporterin Elizabeth Bloom (Kate Winslet) ein letztes Interview. Ihr offenbart er seine Lebensgeschichte. Er erzählt ihr, wie er durch eine fingierte Vergewaltigung zum ersten Mal in Konflikt mit dem Gesetz kam, vom daraufhin beginnenden Zerfall seiner Karriere und des Familienglücks, seinem Weg in den Alkoholismus und natürlich auch seine Version des Mordes. Anscheinend war auch diese Straftat fingiert und Gale Opfer eines Komplottes. Als man Bloom eine Videokassette zuschanzt, auf der der Todeskampf Harraways zu sehen ist, wird ihr bewusst, dass es irgendwo ein Beweisstück geben muss, das Gales Unschuld beweist.
Unglaublich wichtig sei es, trichtert die Reporterin ihrem Assistenten ein, dass er den Wagen ja nicht aus den Augen verliert. Daraufhin brettert dieser mit seinem Leihwagen los und verfolgt den Pick-Up mit dem geheimnisvollen Cowboy am Steuer. Schnitt auf einen fahrenden Zug. Schnitt zurück auf die beiden Autos. Sie kommen an einen Bahnübergang. Der Pick-Up fährt drüber, als – Überraschung! – der Zug ankommt und der Herr Assistent nur noch eine Vollbremsung hinlegen kann. Weg ist der Pick-Up.
Eine Szene, wie man sie schon hundertmal im Kino gesehen hat. Interessanter wird sie dadurch leider nicht. Und die Tatsache, dass diese Szene nur wenige Minuten später als vollkommen irrelevant und unwichtig entlarvt wird, macht das Ganze nur noch ärgerlicher.
Zugegeben, Klischee-Szenen lassen sich wohl in jedem Film finden, aber ich habe diese Szene ja nicht herausgegriffen, um eine Ausnahmeszene zu beschreiben. Vielmehr handelt es sich hier um eine Szene, die symptomatisch ist für „das Leben des David Gale“. Eine überflüssige Füllszene inmitten eines Flickwerks aus Genre-Versatzstücken und losen, unzusammenhängenden Enden.
Hat man anfangs noch den Eindruck, einem zumindest einigermaßen gelungenen Drama über die Todesstrafe beizuwohnen, folgt spätestens beim ersten Umschwung in Thriller-Gefilde eine ernüchternde Vorahnung. Von da an wechselt der Film unmotiviert zwischen Drama und Thriller, und es geht steil bergab, da Parker es nicht einmal ansatzweise schafft, diese beiden Genres sinnvoll miteinander zu verknüpfen. Nicht, dass dies unmöglich wäre, aber eine reine Rezitation bekannter Genre-Motive reicht da eben nicht aus.
Gelegentlich kommt sogar Spannung auf. Die spannungsgeladen Szenen, die wohl den letzten Rettungsanker für den Film darstellen sollten, wirken im filmischen Kontext allerdings derart deplaziert und unglaubwürdig, dass sie den Film nur noch weiter in die Tiefe ziehen.
Wirklich schade ist es dann aber um die beiden Hauptdarsteller, die, wie auch immer sie in diesen Murks geraten konnten, trotz vereinzelter Glanzleistungen nichts mehr zu retten vermögen. Spaceys Figur Gale sollte wohl auf dessen früheren geheimnisvollen Rollen in „Die üblichen Verdächtigen“ („The Usual Suspects“) oder „Sieben“ („Se7en“) aufbauen, ist aber nicht geheimnisvoll, sondern konfus und undurchsichtig. Versuche, diesen zum Helden oder Märtyrer zu stilisieren, scheitern schon daran, dass er erstaunlich unsympathisch rüberkommt. Dass er es dann noch schafft, sich innerhalb weniger Sätze selbst zu widersprechen, stellt nur noch das Tüpfelchen auf dem I dar.
Viel anders sieht es bei der von Winslet gespielten Reporterin auch nicht aus. Die Übergänge in der Charakterentwicklung sind zu abrupt. Dazu kommt das ständige Hin- und Herschwanken zwischen abgebrühter Reporterin und zu Emotionsausbrüchen neigender Frau. Kein Wunder also, dass sich für den Zuschauer kein Anhaltspunkt für eine Identifikation bietet, und die gefühlsgeladenen Szenen, obwohl gut gespielt, den Zuschauer vollkommen kalt lassen.
Wirklich ärgerlich wird es allerdings erst, wenn man betrachtet, wie der Film mit dem Thema der Todesstrafe umgeht. So wurde gänzlich darauf verzichtet, die verschiedenen Positionen zum Thema herauszuarbeiten. Stattdessen werden dem Zuschauer allerlei wohlbekannte Floskeln und Statistiken um die Ohren gehauen. Und gerade im Hinblick auf die Auflösung der Thriller-Handlung ergibt sich für den Zuschauer ein verwirrendes, unausgegorenes Gesamtbild zum Thema. Wie kann man mit einem derart ernsten Thema nur so schlampig umgehen?
Ein Fazit ergibt sich da ja von selbst: Ein aus Klischees scheinbar willkürlich zusammengestückeltes, ideenarmes Machwerk, das einige Talente vergeudet und sein Thema gnadenlos ausbeutet.
- Redakteur:
- Andreas Fecher