Loch Ness – Die Bestie aus der Tiefe
- Regie:
- Ziller, Paul
- Jahr:
- 2007
- Genre:
- Horror
- Land:
- USA
- Originaltitel:
- Beyond Loch Ness
1 Review(s)
26.07.2008 | 07:05Das geschieht:
Schottland 1976: Der zwölfjährige James darf dabeisein, als Vater Michael Murphy, ein Forscher auf der Jagd nach unbekannten Lebewesen, das Loch Ness nach dem legendären Monster absucht. Murphy sen. ist erfolgreich – zu erfolgreich, denn die entdeckte und darüber erboste Nessie bringt ihn und sein Team kurzerhand um. Nur James überlebt und widmet sein Leben künftig der Jagd auf das vatermordende Untier.
Drei Jahrzehnte später und viele tausend Kilometer westlich betreibt der junge Josh Riley am Lake Superior, dem größten der fünf Großen Seen Nordamerikas, einen Bootsverleih. Nach dem Tod des Vaters schlagen die Rileys sich mehr schlecht als recht durch; Mutter Karen hat sich zum Sheriff wählen lassen, Onkel Sean sorgt durch senile Eskapaden für Aufregung.
Sein aktueller Spleen ist die Jagd nach einem Ungeheuer, das sich im See verborgen halten soll. Ohne Wissen seiner Familie hat Sean sich an James Murphy gewandt, der erwartungsfroh anreist, aber zu spät kommt: Gerade hat man Seans zerfetzten Körper aus dem See gezogen.
Murphy heuert Josh an. Er will den See mit Sonarstrahlen durchsuchen. Nach seiner Theorie tummeln sich hier wirklich Monster: urzeitliche Plesiosaurier, die meist im Atlantik leben, aber zum Legen und Ausbrüten ihrer Eier Süßwasserseen aufsuchen, die durch unterirdische Tunnel mit dem offenen Meer verbunden sind.
Zu Murphys Schrecken besteht die erste konkrete Spur aus der Leiche eines Babysauriers: Auf einer der unzähligen Inseln des Lake Superior hat die Monstermutter offenbar ihr Nest angelegt. Josh hört es mit Entsetzen, ist doch seine Ex-Freundin Zoe mit drei Begleitern auf eine nächtliche Inseltour gegangen. Wie das Schicksal so spielt, suchen sie sich exakt jenes Eiland aus, auf dem die Saurierbrut auf Atzung wartet. Bis man einander bemerkt, dauert es nicht lange, und das Drama beginnt ...
Schwachsinn kennt keine Grenzen
Viele richtig gute Horrorfilme könnte man an ihren Drehbüchern nicht erkennen. Die Umsetzung hebt eine Allerweltstory manchmal auf jene Ebene, die den Filmklassikern vorbehalten ist. Eine geniale Regie und engagierte Schauspieler können Wunder wirken; gute Spezialeffekte runden das angenehme Ergebnis ab.
Wie es aussieht, wenn diese Magie nicht zu Stande kommt, sondern Bockmist einfach Bockmist bleibt, wissen wir nach der Sichtung des hier vorgestellten Films genau: Ob wir für diese Erkenntnis dankbar sein sollten, ist zweifelhaft, denn wir haben anderthalb Stunden unseres Lebens darauf ver(sch)wenden müssen.
Die Produzenten dieses Machwerks profitieren von der Tatsache, dass es auf dieser Welt unzählige TV-Sender gibt, die nach frischer Ware gieren. Qualität ist dabei Nebensache; es gilt ein Programm als Verbindung zwischen möglichst vielen Werbeinseln zu stricken. Dreiste Filmleute und gleichgültige Filmkäufer bilden die Eltern, die Missgeburten wie "Loch Ness" zeugen. Der Dumme ist der Zuschauer.
Wieso TV, mag sich der Leser fragen. Nun, "Loch Ness" ist kein Kinofilm und auch nicht speziell für den Videomarkt entstanden. Kamera und Dramaturgie verraten deutlich den eigentlichen Endabnehmer: das Fernsehen. (In unserem Fall: der "Sci Fi Channel", ein US-Kabel-TV-Sender.) Die späteren Werbeunterbrechungen für die Free-TV-Premiere sind bereits vorgesehen, die für die Videoauswertung eingeschobenen Splatterszenen lassen sich problemlos schneiden. Auf nackte Tatsachen - sonst ein Markenzeichen für Horror der B-Movie-Klasse - wurde gänzlich verzichtet.
Billig in jeder Beziehung
Nun ist das US-Fernsehen wie Hollywood eine Industrie, die auf handwerklich hohem Niveau arbeitet. Auch "Loch Ness" kann sich deshalb sehen lassen. Die Seenlandschaft ist als Kulisse bemerkenswert und wird entsprechend in Szene gesetzt. Auch sonst wird die Kamera von Leuten bedient, die ihren Job verstehen.
Leider leisten sie Dienst nach Vorschrift. Nur viel Humor oder besser Selbstironie hätte die Story vergessen oder wenigstens vergeben lassen können. Irrwitzig ist sie, das steht fest, doch leider müsste man wohl eher das Geschick loben, mit dem Paul Ziller neunzig Minuten ausschließlich Schwachsinn verzapft. An dieser Stelle können aus Platzgründen nur die unglaublichsten Dämlichkeiten angesprochen werden:
- "Nessie" ist bekanntlich in Schottland zu Haus; schlecht für einen Film, der an der amerikanisch-kanadischen Grenze spielen soll. Zwar sollen in den Großen Seen ebenfalls Ungeheuer leben, die indes nicht über Nessies Prominenz verfügen, auf die Ziller nicht verzichten zu können glaubte. Also ließ er Nessie emigrieren: Sie schlüpft aus dem Loch Ness durch einen Tunnel in den Atlantik und durchschwimmt den Ozean, um durch einen weiteren Tunnel den Lake Superior zu erreichen. Warum sie, die bisher standorttreu im Loch Ness gebrütet hat, das macht, bleibt (wohlweislich) ungeklärt.
- Nessie soll ein Plesiosaurier sein. Allerdings wirkt sie mehr wie ein Kinderbuch-Drachen. Wie ein echter Plesiosaurier aussah, weiß die Forschung ganz gut. Der wirkte aber für Ziller wohl nicht bedrohlich genug. Leider macht die Tricktechnik dem Regisseur und Drehbuchautor einen dicken Strich durch die Rechnung: Nessie bewegt sich wie eine Ente, die man bis zur Halskrause mit Wackelpudding genudelt hat.
- Seit dreißig Jahren ist James Murphy Nessie auf den Fersen. Wieso hat es so lange gedauert, sie zu stellen? Hat es schon frühere Begegnungen gegeben? Wie sonst hätte Murphy sein eindrucksvolles (und letztlich völlig wirkungsloses) Waffenarsenal mit Anti-Nessie-Strahlern, Giftprojektilen und Ultraschall-Kanonen entwickeln können?
- Wenn das auf der Monsterinsel so reichlich anstehende Magnetit-Gestein die per Elektroimpuls arbeitenden Sinne von Nessie so stark beeinträchtigt, wieso hat sie ihr Nest ausgerechnet hier angelegt?
- Nachdem Nessie und ihre Brut im großen Finale das Zeitliche gesegnet haben, spricht Murphy vom Ruhestand, während ihn Sheriff Karen (bekanntlich unbemannt) lustvoll anblinzelt. Wie realistisch ist der Traum vom Frieden angesichts des zu erwartenden Zorns der Naturschutzbehörden, die mit der Tatsache konfrontiert werden, dass ein selbst ernannter Rächer und seine Kampfgenossen einsam entschieden haben, eine unbekannte Spezies mit Stumpf und Stiel auszurotten?
- Aber gemach: Über die Fakten des Lebens scheint Murphy glücklicherweise nicht gut im Bilde zu sein. Wenn eine Nessie existiert, muss es zwecks Vermehrung auch einen Nesserich geben. Der müsste sich bester Gesundheit erfreuen, denn im Film glänzt er durch Abwesenheit. Vermutlich widmet er sich den Plesiosaurier-Weibchen, die außer Nessie die Weltmeere und –Seen unsicher machen ...
Wer gefressen wird, hat Glück
Damit sind die Schauspieler gemeint, denn für sie ist das Trauerspiel beendet, wenn sie in Nessies Schlund landen. Allerdings ist dieser Abgang meist unfreiwillig komisch, weil die Spezialeffekte so grottenschlecht sind. Als die arme Caroleena ihren Kopf verliert, stürzt deutlich sichtbar ein CGI-Körper um, während das Blut so spritzt, als ob Nessie einen Eimer mit Wischwasser umgestoßen hätte.
Dem Niveau und vor allem dem Budget angemessen, wurden für "Loch Ness" entweder TV-Profis oder Film-Neulinge angeheuert. Erstere wissen, wie man ökonomisch arbeitet, d. h. möglichst viele Filmminuten pro Drehtag spielt. Letztere sind billig und willig, sich für Bodensatz wie diesen verheizen zu lassen. Für Brian Krause gilt offenbar beides, denn wie sonst hätte er sich überreden lassen, in seiner Rolle Clint Eastwood als Zigarillo paffenden Spagetti-Western-Cowboy nachzuäffen? Fans der TV-Serie "Stargate" erleben den glatzköpfigen Don S. Davis (= General Hammond) in einer seiner letzten Rollen, bevor ihn ein plötzlicher Herztod im Juni 2008 dahinraffte.
Der eigentliche Hauptdarsteller ist sowieso das Klischee. In jeder möglichen Variante drängt es sich in den Vordergrund. Die schöne Zoe hat sich dem redlichen Josh vom geilen Brody ausspannen lassen, was für die in Filmchen dieses Kalibers typischen pubertären Testosteron-Tändeleien sorgt. Später muss Zoe ständig gerettet werden, nachdem sie sich hartnäckig dorthin verläuft, wo gerade ein Monster wartet. Mutter Nessie und ihre ponygroßen Kleinen röhren und dröhnen aus voller Kehle, doch steht ein Darsteller mit dem Rücken zum Bildrand und denkt an nichts Böses, schleichen sie auf Samtpfötchen heran und machen "Buh!" (oder "Bröh").
Das Auge isst mit
Genug davon; widmen wir uns noch einige Zeilen den 'Spezialeffekten'. Sie wurden schon mehrfach erwähnt, doch kann man es eigentlich nicht oft genug sagen: Sie sind wirklich schlecht. Das gilt nicht nur aber primär für die digitalen Effekte. Im 21. Jahrhundert ist es durchaus möglich, nicht existente Kreaturen glaubhaft zu künstlichem Leben zu erwecken. Das kostet Geld, das für "Loch Ness" nicht vorhanden war. Nichts tötet die Illusion jedoch so gründlich wie miese Filmtricks. Sogar die alten Stop-Motion-Saurier von Ray Harryhausen sind diesem Nessie-Desaster vorzuziehen. Sobald Bewegung gefordert ist, gerät das Monster eher in Wallung, da die meisten Pixel ein Eigenleben entwickeln. Darüber hinaus missglückt die Verschmelzung der per Bluescreen eingespeisten Ungeheuer mit dem Spiel der Darsteller, die erschütternd deutlich in leere Luft mimen.
Genauso übel sind die Modelle geraten, die in den Nahaufnahmen zum Einsatz kommen. Seit ein alter Mantel zu Kermit dem Frosch umgeschneidert wurde, hat das Puppenspiel im Film diverse Fortschritte gemacht. "Loch Ness" negiert das mit den zu erwartenden Folgen. Wenn überhaupt ein Effekt als überzeugend bezeichnet werden kann, dann trifft dies auf die diversen zerstückelten Leichen zu, auf denen die Kamera zeitweilig liebevoll verharrt.
Damit genug, obwohl die Versuchung groß ist, weitere Unerhörtheiten zu enthüllen - die Musik beispielsweise, die gar nicht leugnet, das Thema des "Weißen Hais" zu plagiieren, oder die Linsentricks der 1950er Jahre, mit denen der Blick aus Nessies Augen imitiert werden soll; wieso sollte Nessie die Welt so absurd verzerrt wahrnehmen? Nein, es reicht - als Rezension wie als Warnung vor diesem Heuler, der des Zuschauers Augen tränen lässt.
Daten
Originaltitel: Beyond Loch Ness (USA 2007)
Regie: Paul Ziller
Drehbuch: Jason Bourque u. Paul Ziller
Schnitt: Gordon Williams
Kamera: Anthony Metchie
Musik: Pinar Toprak
Darsteller: Brian Krause (James Murphy), Niall Matter (Josh Riley), Carrie Genzel (Karen Riley), Amber Borycki (Zoe), Don S. Davis (Neil Chapman), Sebastian Gacki (Brody), Neil Denis (Chad), Serinda Swan (Caroleena), Paul McGillion (Michael Murphy), Sam Laird (James Murphy als 12-Jähriger), Rob Morton (Bill Maxwell), Donnelly Rhodes (Onkel Sean), R. Nelson Brown (Angler) u. a.
Label: Tiberius Film (www.tiberiusfilm.de)
Vertrieb: Sunfilm Entertainment (www.sunfilm.de)
Erscheinungsdatum: 27.06.2007 (Verleih-DVD) bzw. 25.07.2007 (Kauf-DVD)
EAN: 4041658222112 (Leih- u. Kauf-DVD)
Bildformat: 16 : 9 (1,85 : 1 anamorph)
Audio: DTS 5.1 (Deutsch), Dolby Digital 5.1 (Deutsch, Englisch)
Untertitel: Deutsch
DVD-Typ: 1 x DVD-9 (Regionalcode: 2)
Länge: 88 min
FSK: 16
DVD-Features
So schnell kann der Cutter gar nicht schneiden, dass der Kinotrailer verbirgt, welchen Mummenschanz den Zuschauer erwartet! Der unbekannte Held mit der Schere hat dennoch sein Bestes geleistet, und auf anderthalb Minuten zusammengeschnitten ist "Loch Ness" in der Tat ganz unterhaltsam.
Die Nacht war lang, mein Langmut dagegen erschöpft. Ist mir deshalb verziehen, dass ich das "Making-of" einfach übersprungen habe?
- Redakteur:
- Michael Drewniok