Narco - Die wunderbare Welt des Gustave Klopp
- Regie:
- Gilles Lellouche, Tristan Aurouet
- Jahr:
- 2004
- Genre:
- Komödie
- Land:
- Frankreich
- Originaltitel:
- Narco – The Secret Adventures of Gustave Klopp
1 Review(s)
27.06.2006 | 11:11Hintergrund
2001 bekam das französische Kino mit "Le Fabuleux destin d'Amélie Poulain"("Die fabelhafte Welt der Amélie") einen enormen Aufschwung und etablierte es als Prunkstück der europäischen Filmlandschaft. Selbst in den USA spielte dieser Film über 30 Millionen Dollar ein. 2004 lieferte dann das Gespann Tristan Aurouet und Gilles Lellouche einen Film ab, der sich annahm, diesen hohen, und innovativen Status aufrechtzuerhalten.
Handlung
Gus Klopp (Guillaume Canet) hat ein Problem: Er ist Narcoleptiker. Narcolepsie ist eine Krankheit, die den betroffenen von einer Sekunde zur anderen in Tiefschlaf fallen lässt. Normale Tätigkeiten und selbstverständliche Dinge wie z.B. das Autofahren werden somit natürlich unmöglich. Aber nicht nur Gus leidet als Betroffener - auch sein Umfeld leidet. Im Schlaf lebt Gus in seiner eigenen Welt, mit eigenen Gesetzten. Ob Kriegs-, Super- oder Weltraumheld - in seinen Träumen lebt er sich völlig aus. Während er schläft, geht das normale Leben jedoch weiter, mit all seinen Konsequenzen. So verliert Gus, da er immerfort seine Krankheit verschweigt, ständig seinen Job, weshalb seine Frau Paméla (Zabou) so langsam die Geduld verliert und das Geld zudem knapp wird. Doch Gus versucht Kapital aus seiner Krankheit zu schlagen: Einerseits hat er zeichnerisches Talent, andererseits massig Träume und demnach Visionen. Obwohl niemand, nicht einmal seine eigene Frau, an ihn glaubt, versucht sich Gus als Comiczeichner. Aber seine gierige, selbstsüchtige Frau, ein gewiefter Psychiater und sogar sein bester Freund Lenny (Benoît Poelvoorde) hintergehen ihn und machen ihm so sein Leben schwer. Nach einem Attentat besinnt sich Gus und zahlt es allen heim…
Kritik
"Narco - Die wunderbare Welt des Gustave Klopp" ist ein völlig abgedrehter und sinnfreier Film, der das Schicksal eines normalen Verlierers in den Mittelpunkt rückt. Schräge Charaktere (Paméla, die mit 16 Mutter wurde, Lenny, der Jean-Claude Van Damme nacheifert, und der Protagonist sind nur einige Enfant terrible), eine sprunghafte Geschichte und ein sehr lässiger Stil zeichnen diesen Film aus.
Das Regiegespann Tristan Aurouet/Gilles Lellouche zaubert in den 105 Minuten einen flippigen und durchgeknallten Film auf den Schirm, der jeglicher Logik und Realität abschwört und einfach unterhalten will. Passend zur Leidenschaft des Protagonisten Gus wirkt der Film comichaft und überzeichnet, was viele Zuschauer nicht sonderlich begrüßen dürften. Alle anderen werden aber mit einem feinen Humor belohnt, der mit seiner Direktheit seine Freunde finden wird. Sicherlich ist vieles albern, es passt dabei aber perfekt ins Bild und unterhält somit bestens.
Zudem bekommen Cineasten in Gus Traumwelten reichlich Déjà vus. So beginnt der Film direkt mit einer brachialen Kriegsszene, die an "Der Soldat James Ryan" erinnert und kommt über eine sehr feine "Matrix"-Variante zu einem herrlichen "Star Wars"-Verschnitt. Hier blüht der Film förmlich auf, zeigt in fantasievollen Bildern die wunderbare Imagination des Protagonisten und belohnt den Zuschauer mit seinen herrlichen Anleihen.
Die übrige Filmhandlung weiß hingegen nicht so recht, ob sie nun Fisch oder Fleisch ist. Komödie, leichtes Drama, (durch die Traumsequenzen), Actionfilm - so recht einordnen lässt sich "Narco" nicht. Aber ist dies von Belang? Diese Frage stellt sich vor allem all jenen, die einen geradlinigen Film erwarten. Ernsthaftigkeit sucht man hier, wie auch eine wirkliche Botschaft, vergebens. Vielmehr versucht das Regiegespann einen irrwitzigen Film zu inszenieren, der mit den Zuschauern ebenso Achterbahn fährt wie mit seinem Protagonisten. Wirklich Spannung sucht man vergebens, die wird hier aber auch nicht krampfhaft inszeniert: Das Schicksal und das Handeln von Gus steht im Mittelpunkt und genau das reizt auch im Verlauf des Films. Anfangs noch der lustige, sympathische und bemitleidenswerte Verlierer, mutiert Gus nach einigen Ereignissen zum cleveren Gegenspieler, der das begangene Unrecht wieder wett zu machen versucht.
Der flippige Grundstil des Films schlägt sich auch in der Erzählweise wieder, die nach dem (im wahrsten Sinne des Wortes) traumhaften Beginn in Mitten eines zentralen Ereignisses abbricht und die Vorgeschichte des Protagonisten erzählt. Erst nachdem der Film in seiner Chronologie wieder an diesem Punkt angelangt ist, geht die Handlung (mit veränderten Vorzeichen) weiter. Dieser kluge Schritt sorgt kurzzeitig für Verblüffung und gibt der ansonsten recht abgedrehten und in den schicksalsrelevanten Szenen langatmigen Handlung eine nette Wende. Von diesem Moment verändert sich der Film von einem Reaktionsfilm in einen Aktionsfilm, was für willkommene Abwechslung sorgt - wirklich realitätsnah und logisch wird er dadurch jedoch nicht.
Betrachtet man die Inszenierung und die darstellerischen Leistungen, kann man von einem sehr gelungenen Film sprechen. Der Comic-Charakter wird durch kräftige, aber unnatürliche Farben verstärkt, der sprunghafte Schnitt und die teils eigenartigen Kameraeinstellungen tragen ihren Teil dazu bei. Die Darsteller, allen voran Benoît Poelvoorde als Lenny, machen ihre Sache überaus gut und sorgen so für viele Lacher. Schwächen sucht man in dieser Disziplin vergebens. Weiterhin sehr gelungen kommt der Gastauftritt Jean-Claude Van Dammes daher, der alleine durch seine Präsenz und seine pseudo-philosophischen Sprüche ein Highlight darstellt.
Und auch der Soundtrack, bzw. gerade der Soundtrack trägt seinen Teil zur einzigartigen Atmosphäre dieses Films bei. Von Frank Sinatra bis 90-er Pop ist hier alles vertreten, Hauptsache es wirkt im Szenenkonzept schräg (und somit im Gesamtbild passend). "Narco" ist ein eigenartiger Film der einfach Spaß macht und eine enorme Kurzweiligkeit mit sich bringt.
Die DVD
Das Bild (16:9 (2.35:1 - anamorph)) überzeugt mit seinen kräftigen Farben, einem verhältnismäßig rauschfreien Bild und jeglichem Fehlen an Defekten und Verunreinigungen. Das leichte Überstrahlen heller Flächen ist als Stilmittel zu sehen, ebenso wie die teils unnatürlichen Farben. Leider sind weder der Schwarzwert, noch die Detailschärfe optimal, weshalb man hier nur von einem „guten“ Ergebnis sprechen kann.
Der Ton (der sich leider nicht während des Films ändern lässt) kommt auf drei Spuren daher: Deutsch DTS 5.1, sowie Deutsch/Französisch DD5.1. Wie so oft ist der DTS-Track lauter und dynamischer abgemischt. Mit seiner wunderbaren Räumlichkeit (sowohl in den Actionsequenzen, als auch in den eher ruhigen Stellen) und dem satten Bass verblüfft der Ton und überzeugt vollends. Der Soundtrack darf sich im Raum ausbreiten und auch die Dialogverständlichkeit ist sehr gut. Die vielen direktionalen Effekte stimmen zudem glücklich. Da können die DD5.1 Spuren nicht mithalten, fehlt es ihnen doch an Dynamik und „Bums“.
Die Extras sind leider sehr mau. Einzig ein Originaltrailer und diverse Interviews haben (neben den üblichen Label-Trailern) ihren Weg auf die DVD gefunden. Hier hätte man sich mehr gewünscht, wie zum Beispiel ein ausführliches Making Of oder Featurettes zu den Traumsequenzen.
Alles in allem eine grundsolide DVD, die abgesehen von den Extras wirklich gut ist.
Fazit
"Narco - die Wunderbare Welt des Gustave Klopp" ist sicherlich kein Film für jedermann. Wer Mainstreamkino erwartet, sollte einen großen Bogen um diesen flippigen, schrägen Film machen. Weder Fisch noch Fleisch umschreibt diesen Film wohl am treffendsten. Durchgeknallte Charaktere paaren sich mit einer eigenwilligen Handlung, die letzten Endes sehr gut unterhält. Der Humor ist direkt und treffend, dürfte aber nicht jedem massenhaft Lacher entziehen. Wer sich einem völlig sinnfreien Film hingeben kann, der jeglichen Anspruch vermissen lässt, kann hier ruhigen Gewissens einen Blick riskieren - ernste Gesellen machen einen großen Bogen um diesen Film. "Narco" ist ein weiterer Beweis für die Kreativität des französischen Kinos und für experimentierfreudige Filmfreunde überaus sehenswert.
- Redakteur:
- Martin Przegendza