National Geographic - Die Welt der Pharaonen
- Regie:
- Klaus Terhoeven
- Jahr:
- 1997
- Genre:
- Dokumentarfilm
- Land:
- USA
- Originaltitel:
- Egypt – Secrets of the Pharaohs
1 Review(s)
05.01.2006 | 08:52Mumienexperiment mit Schönheitsfehlern
Nur wenige vergangene Kulturen faszinieren so wie die ägyptische. Pyramiden, Pharaonen und Hieroglyphen ziehen Forscher und Besucher gleichermaßen an. Der Hauptfilm zeigt u. a. den Alltag des Pyramidenbaus, beschreibt wichtige Ausgrabungen und dokumentiert die Mumienkultur (inklusive Eigenexperiment).
Wie lebten die Menschen, woher bekamen sie das Baumaterial, was gaben sie einem König mit auf die letzte Reise? So wird die Schatzkammer Ägypten geöffnet und ihre faszinierende Welt sichtbar. (Verlagsinfo)
Filminfos
O-Titel: Egypt – Secrets of the Pharaohs (USA 1997, DVD: 07.10.2002)
Dt. Vertrieb: National Geographic
Regie: Klaus Terhoeven
FSK: ab 6
Länge: ca. 56 Min. + 60 Min. Bonusmaterial
Inhalte des Hauptfilms
Wie schafften es die Ägypter, die riesigen Steinberge der Pyramiden von Gise und anderswo zu errichten? Waren es wirklich Sklavenheere, wie uns Hollywoodfilme weismachen wollten? Diese Mär wurde endgültig im Jahre 1990 widerlegt, als bei Gise die sterblichen Überreste eines Aufsehers ausgegraben wurden. Der Mann war in Lohn und Brot gesetzt und stolz auf seinen Job. Also kein Sklave. Normale Arbeiter schufteten rund 70 Jahre lang an der Errichtung der Großen Pyramide, die bis heute Rätsel aufgibt.
Für einen so langen Zeitraum musste eine entsprechende Infrastruktur eingerichtet werden. US-Archäologen legen eine komplette Bäckerei frei. Schon im "Grab des Ti" in Saqqara wurden auf Illustrationen Alltagsverrichtungen dargestellt, u. a. auch das Brotbacken.
Schon immer gab die Frage Rätsel auf, wo die 15 Mio. Tonnen an Kalkstein herkamen. Antwort von Dr. Leaner: ganz aus der Nähe, etwa 300 m entfernt. Nur, dass man von dem Steinbruch kaum noch etwas sieht, weil er mit dem Schutt zugeschüttet wurde, der beim Bau anfiel.
Eine weitere Frage betraf den Zweck der für damalige Verhältnisse gigantischen Bauwerke, die rund 4500 Jahre überdauerten. 1954 fand man König Cheops’ Gruft und darin seine Bestattungsbarke, zerlegt in Einzelteile. Man brauchte 13 Jahre fürs Zusammensetzen, denn dieses Schiff ist kein Modell, sondern stolze vierzig Meter lang. Man baute dafür extra ein Museum, das heute vielfrequentiert ist.
1988 wurde es ganz in der Nähe dieses Fundortes richtig spannend. Man entdeckt eine weitere riesige Kammer, in der man das Schwesterschiff der Königsbarke vermutet. Aber diesmal will man alles richtig machen und nicht gleich mit der Spitzhacke hineinstürmen. Das Holz zerfällt nämlich sonst ebenso rasant wie die Farbpigmente, wenn sie dem Sauerstoff ausgesetzt werden. (War es in Fellinis "Satyricon" oder "Roma", wo ein uraltes römisches Fresko durch modernen Sauerstoff in Sekundenschnelle zerstört wird?)
Man installiert ein Ventil im Bohrloch und lässt eine Spezialkamera hinab – es wird spannend. Da ist das Schiff, und völlig intakt! Seltsam: Da ist auch ein krabbelnder Käfer – offenbar muss irgendwo ein Loch sein. Die Gruft wird wieder verschlossen, ein Studienobjekt für künftige Generationen.
In solchen Pharaonengräbern fand man häufig Mumien. Doch niemand beherrscht wohl heute noch die Kunst der alten Ägypter, die Toten zu mumifizieren, damit die Seele des Toten zurückkehren konnte, wenn sie wollte. Der gesamte Totenkult wird erläutert, aber der Clou ist eigentlich das Selbstexperiment des Dr. Bob Brier. Natürlich lässt er sich nicht selbst zur Mumie machen, sonst hätte er ja nichts von den Erkenntnissen, die es liefern soll.
Der Ägyptologe hat sich eine frische Leiche besorgt und versucht sie nun mit den Originalmethoden zu behandeln. Dazu kauft er im Souk, dem alten Markt, Weihrauch und Myrrhe, aber auch Palmwein und viel Leinen. Zwecks Dehydrierung wird vor dem Einwickeln massenhaft Natronsalz auf den Leichnam gehäuft und 35 Tage lang einwirken gelassen.
Bob Brier ist mit dem Ergebnis zufrieden – hat wohl alles richtig gemacht – und beginnt das Bandagieren mit einem magischen Ritual (möge der Geist des Toten nicht wiederkehren!). Dabei legt er ihm Zeichen und ein Amulett auf die Brust. Anschließend wird eine richtige Mumie daraus, wie man sie von Ramses dem Großen oder anderen Pharaonen kennt. (Die von Echnaton wurde bis heute nicht gefunden, war er doch ein Ketzer und wurde aus Ägypten fast restlos getilgt.)
Mein Eindruck
Man merkt es dem Film an, dass der Drehbuchautor Mühe hatte, die Fülle des disparaten Materials zu einer einheitlichen Darstellung zusammenzuschnüren. Aber es gibt drei Generalthemen: Pyramiden, Schiffe und Mumien. Diese Themen werden unterteilt und anschaulich mit Leben erfüllt. Bestes Beispiel dafür ist das gruselige Mumienexperiment.
Ansonsten wird halt immer wieder im Sand gebuddelt und etwas zutage gefördert, meistens Schädel. Von Robotern, die in enge Schächte vordringen, findet sich hier keine Spur. Nur Dr. Hawas, der Oberkappo der ägyptischen Altertumsforschung, ist selbstredend wieder im Bild. Der Mann ist ein PR-Genie. Das hat er von den Amis gelernt.
Die DVD
Technische Infos
Bildformate: 4:3 (Vollbild)
Tonformate: D, Polnisch und Englisch in DD 5.1 Surround
Sprachen: D, Englisch, Polnisch
Untertitel: keine
Extras:
- Filmausschnitt "Die Rettung des Tempels von Nefertari" (ca. 150 Sek.)
- Die Entdecker (Diaschau mit Text)
- Der Stein von Rosette (dito)
- Filmausschnitt: "Der Totenkult" (ca. 150 Sek.)
- Themenglobus: Mumienkulturen und Pyramidenkulturen (Weltkarte mit Diaschau von jeweils 12-13 Minuten Dauer)
- Meilenstein: Chronologie Ägyptens (interaktive Zeitleiste von 3500 v. Chr. bis 30 n. Chr.)
Booklet: Es bietet einen grafischen "Fahrplan" für sämtliche Menüpunkte.
Mein Eindruck: die DVD
Mit dem Tonformat befindet sich die DVD auf dem Stand der Technik, und auch die Bildqualität ist erträglich, denn sie entspricht dem, was man im TV zu sehen bekommt. Negativ fallen die Untertitel auf, die durch Abwesenheit glänzen.
~ Die Extras ~
Man sollte meinen, dass die Macher der DVD, die sich laut "Danksagung" auf einen wissenschaftlichen Beirat gestützt haben, in der Lage gewesen wären, ihr Material widerspruchsfrei zu präsentieren, wie sich das gehört. Das ist leider nicht der Fall. In der Doku über den Stein von Rosette wird gesagt, er sei 1799 von Napoleons Truppen im Nildelta entdeckt und seine Hieroglyphen 1822 vom Gelehrten Champollion entziffert worden (die griechische Übersetzung stand nämlich gleich dabei).
In den Diaschau-Angaben ("Die Entdecker") zu ebendiesem Champollion jedoch heißt es, dass der Stein von Rosette erst 1818 entdeckt worden sei. Was soll denn nun der unbedarfte Genießer dieser Informationen glauben? Die Wahrscheinlichkeit spricht für 1799, denn Napoleon war ja bekanntlich vor Ort, bevor seine Flotte in der Schlacht vor Abukir von den Briten fast komplett versenkt wurde und er wieder mit Sack und Pack abreisen musste. Ende des Abenteuers.
Im Vergleich zu der DVD "Die Könige der Maya" ist diese DVD geradezu mit Bonusmaterial vollgepackt, so dass man sich über das Fehlen eines längeren Bonusfilms nicht beschweren darf. Am Schluss weiß der Zuschauer so viel wie in jedem entsprechenden Fachbuch aus dem Jahr 1997 über Ägypten steht. Aber genau das ist ja der Haken an der Sache: Diese Informationen sind bereits veraltet und sollten schleunigst aktualisiert werden. Dass unter den genannten zehn Entdeckern keine einzige Frau aufgeführt wird, ist auch nicht gerade politisch korrekt.
Die Diaschauen, Zeitleisten und Kurzfilme sind nach einem orientierenden Blick ins Booklet einfach zu handhaben und bieten eine Fülle von zusätzlichen Informationen. Die Fotos der Diaschauen sind relativ klein, geschweige denn bildschirmfüllend. Aber wer hätte vermutet, dass es Pyramiden auch auf Teneriffa, Sizilien und Sardinien gibt?
Unterm Strich
Diese Ägypten-DVD glänzt mit einer Fülle von Informationen im umfangreichen Bonusmaterial und einem halbwegs interessant inszenierten Hauptfilm. Dass allerdings ein Widerspruch in den Angaben zum Stein von Rosette auftaucht, war nicht zu erwarten und führt zu einer klaren Abwertung.
Weiß der Zuschauer am Schluss mehr über die "Welt der Pharaonen"? Eigentlich weiß er jetzt nicht mehr als das, was er vorher schon wusste: Da unten gibt es im Sand Pyramiden und Mumien. Das hat aber alles mit dem Totenkult zu tun. Aber wie der Alltag im alten Ägypten aussah, darüber erfährt der Zuschauer leider nichts. Okay, sie haben Brot gebacken, aber wer hat das nicht getan?
Der erkenntnismäßige Nährwert der DVD hält sich also in Grenzen. Die Angaben sind auf dem Stand von vor acht Jahren und Frauen kommen schon gleich gar nicht vor, nicht einmal unter den Entdeckern. Sollte sich eine Frau dennoch einmal ins Bild verirren, dann ist es wohl eine pinselschwingende Archäologiestudentin. Beduinenfrauen dürfen offenbar nicht fotografiert werden. Warum, erfahren wir auch nicht. Wie man sieht, ist der Horizont dieser Doku-DVD relativ begrenzt. Aber Mumifizierungsfans erhalten hier einen erstklassigen Anleitungskurs …
- Redakteur:
- Michael Matzer