National Geographic – Das Judas Evangelium
- Regie:
- James Barrat
- Jahr:
- 2006
- Genre:
- Dokumentarfilm
- Land:
- USA
1 Review(s)
04.10.2006 | 08:43Handlung:
Sein Name ist in der Bibel ein Synonym für Verrat und Hinterlist. Er gilt als verhasst und verflucht, eine gewissenlose Gestalt, die seinen Meister für ein paar Silberlinge hintergeht. Die Rede ist vom Judas Iskariot, einem der zwölf Jünger Jesu Christi. In der Bibel verrät er Jesus im Garten Getsemani an die Römer und ist demnach verantwortlich für dessen spätere Kreuzigung. Nach dem gewaltsamen Tod seines Meisters brachte sich Judas der biblischen Überlieferung nach um. Doch wer war dieser scheinbar absolut bösartige und habgiergierige Charakter wirklich? In welchem Verhältnis stand er zu Jesus Christus und ist sein schlechter Ruf als Verräter wirklich gerechtfertigt?
Ein fast 2000 Jahre altes Dokument, das in einer Wüstenregion Ägyptens entdeckt und über Umwege in die Hände von Wissenschaftlern gelangte, soll Licht in die Schatten um Judas bringen. Es stellt den biblischen Verräter als Vollstrecker eines letzen Willens Jesu Christi dar. Dieser soll Judas den Auftrag gegeben haben, ihn an die Römer zu verraten.
Auswertung:
Die Dokumentation “Das Judas Evangelium“ aus der National Geographic Reihe gibt auf einer sehr informativen Weise Einblick in das Judas Evangelium und dessen Bedeutung für das Christentum und die Wissenschaft. So werden in dieser Dokumentation drei Schwerpunkte bei der filmischen Gestaltung gelegt:
Der erste Schwerpunkt konzentriert sich auf den Fund des Dokumentes im Jahre 1978 und dessen Irrwege, bis es in die Hände von Wissenschaftlern gelangte. Es ist in diesem Sinne nur verständlich, dass in Anbetracht des Zeitraumes zwischen Fund und dem Beginn wissenschaftlicher Untersuchung des Evangeliums kein absolut genaues Bild jeder Zwischenstation aufgezeigt werden kann. Die National Geographic Redaktion schafft es aber trotzdem, ein möglichst glaubwürdiges Bild vom Fund und Weiterverkauf des Dokumentes zu erzeugen, und hält auch selbst fest, dass diese gemachte Rekonstruktion nur mit Vorbehalt zu genießen sei. Trotz dieser teilweise spekulativen Elemente verliert die Dokumentation nichts an ihrer informativen Gestaltung, sondern gewinnt durch diese nicht belegbaren Zeitspannen mehr Gehalt in der Gesamtthematik und weckt zusätzlich das Interesse beim Zuschauer.
Der zweite Schwerpunkt liegt bei der wissenschaftlichen Auswertung des in Ägypten gefunden Papyrusbuches. Professoren von verschiedensten Universitäten kommen zu Wort und sind bemüht, das Geheimnis um diese einst verschollene literarische Quelle zu lüften. Auf interessante Weise wechseln sich Statements der Wissenschaftler mit wissenschaftlichen Untersuchungsmethoden ab, um den Zuschauer nicht nur mit theoretischem Wissen zu überschwemmen. Ob nun die Radio-Karbon-Methode zur Altersbestimmung oder der aufwendige Restaurationsprozess, alle dargestellten Verfahren wirken in keiner Weise pseudowissenschaftlich.
Zuletzt befasst sich der dritte Abschnitt mit der Bedeutung des Judas-Evangeliums, dessen Übersetzung, sowie die Einordnung im historischen Kontext. Es entsteht ein anschauliches Bild der Umstände, unter denen Christen zur Entstehungszeit des Evangeliums leiden mussten, und wie zu dieser Zeit die unterschiedlichsten Evangelien entstanden und teilweise wieder in Vergessenheit gerieten. Eines dieser vielen Evangelien war das Judas Evangelium, das Judas als den engsten Vertrauten Jesu Christi darstellt. Allein er soll auf religiöser und spiritueller Ebene in der Lage gewesen sein, die Absichten seiner Meisters wirklich zu verstehen. Der Verrat an die Römer soll von Jesus selbst geplant gewesen sein und Judas musste ihn ausführen. Das Team um James Barrat befasst sich sehr umsichtig mit der Thematik und erklärt die Bedeutung des Evangeliums für die Geschichte des Christentums. Dieses Evangelium wird nicht als falsch oder ketzerisch angepriesen, sondern es wird versucht, eine tiefgründige Interpretation des Schriftstückes zu geben, die sich auf einem historischen Kontext beruft. An dieser Stelle überzeugt die Dokumentation vor allem durch ihre Objektivität, fernab von kirchlich indoktrinierter religiöser Subjektivität. Die Frage, woher wir überhaupt unsere Glaubensgrundlagen beziehen, schließt die Dokumentation ab und lässt den Zuschauer über das Christentum oder Religion im Allgemeinen grübeln.
Fazit:
“Das Judas Evangelium“ bietet einen interessanten und wissenschaftlichen Einblick in die Mysterien des Christentums und der Entstehung der Evangelien. Ohne große biblische Vorkenntnisse kann man die Geschichte um die Beziehung zwischen Judas und Jesus nachvollziehen und in das Mysterium um den als größten Verräter beschimpften Charakter der Bibel eintauchen. Zusammenfassend ist die Dokumentation den Kauf absolut wert und ermöglicht, eine neue Perspektive auf den größten Verrat in der Bibel zu werfen. Eine Bereicherung für die Allgemeinbildung.
- Redakteur:
- Thomas Graef