Pearl Harbor - Director's Cut (3 DVDs)
- Regie:
- Bay, Michael
- Jahr:
- 2001
- Genre:
- Drama
- Land:
- USA
1 Review(s)
13.10.2006 | 12:22Die Trailer zu Pearl Harbor versprachen ja so einiges, massenweise Flugzeuge und Schiffe in Action, animiert von niemand Geringerem als Lucas‘ Firma ILM, wuchtige Musik aus der Feder von Hans Zimmer, das Erfolgsgespann aus Produktion und Regie Bruckheimer/Bay und last but not least eine Reihe mehr oder weniger bekannter Schauspieler. Große Namen, wohin man sieht – reicht das aus, um einen guten Film zu produzieren? Manchmal schon. Leider nicht hier.
Historischer Kontext
1941/42: Amerika - unter der Präsidentschaft des durch Polio an den Rollstuhl gefesselten Franklin "Teddy" Delano Roosevelt - ist noch nicht offiziell in den Krieg gegen die Achsenmächte eingetreten, unterstützt die Allierten jedoch finanziell und durch Entsendung (inoffizieller) Kampfverbände – Flugzeuge und Piloten - nach Europa zur Sicherung der britischen Inseln vor der deutschen Luftwaffe. Amerika selbst steckt mitten in diplomatischen Problemen mit Japan, das sich anschickt, ebenfalls als Achsenmacht in den Weltkrieg einzusteigen, da ihnen das Erdöl seitens der USA abgedreht wurde. Angesichts dieser Druckkulisse erwartet man einen japanischen Angriff.
Wann und wo dieser stattfinden sollte, will man damals nicht gewusst haben. Im Laufe der Jahre bis heute sickerte immer mehr durch, dass Pearl Harbor ein durchaus gewolltes Bauernopfer war und nun endlich einen Grund lieferte, in den Krieg einzusteigen. Die japanischen Flottenverbände standen schon länger unter ständiger Beobachtung und der Marine-Geheimdienst überwachte deren Funkverkehr. Selbst die japanischen Geheimcodes waren unlängst vollständig geknackt. Drei Trägerzüge der Japaner machten sich auf den Weg und die US Marine zog kurz zuvor - rein zufällig natürlich - ihre potenten Kampfschiffe und Träger aus Pearl Harbor ab. Was die Japaner am 7. Dezember 1942 im Hafen versenkten, war absolut entbehrlich.
Zur Story
Bereits weit vor diesen Ereignissen taucht der Zuschauer in die Story ein. Die beiden Hauptprotagonisten Rafe McCawley und Danny Walker kennen sich bereits aus ihrer Jugend, wo der Film auch anfängt: in den frühen 20er Jahren. Der erste Weltkrieg ist grade vorüber und die Fliegerei steckt noch in den Kinderschuhen. Jetzt schon sind die beiden Jungs vom Fliegen besessen, der abenteuerlustige, legasthenische Rafe mehr als der ruhigere Danny. Beide landen schließlich als junge Erwachsene gemeinsam beim US Air Corps. Rafe bittet seinen Vorgesetzten, ihn nach Großbritannien zu versetzen, er möchte endlich an Luftkämpfen teilnehmen. Die ewigen Trockenübungen sind ihm zu öde.
Zuvor wird jedoch dem Zuschauer mittels einer Erinnerungssequenz von Krankenschwester Evelyn erzählt, wie sie und Rafe sich beim medizinischen Einstellungstest zum Air Corps kennen und lieben gelernt haben. Den letzten gemeinsamen Abend der versammelten Einheit verbringt diese in New York, bevor die Einzelnen in ihre neuen Dienst-Standorte versetzt werden. Rafe kommt nach Europa, die anderen Flieger und Krankenschwestern nach Pearl Harbor, darunter auch Danny und Evelyn. Die beiden sind natürlich nicht so ganz begeistert vom riskanten Alleingang ihres Freundes, doch der bleibt stur bei seinem Wunsch, unbedingt Kampfeinsätze über dem Ärmelkanal zu fliegen und sich mit Ruhm bekleckern zu wollen.
Während die zwei Zurückgelassenen im vermeintlich friedlichen Idyll von Hawaii lauen Dienst schieben, lässt Rafe sich wie gewünscht die Kugeln um die Ohren sausen. Das Bacardi-Feeling für Danny und Evelyn endet mit der Nachricht, dass er dabei über dem Ärmelkanal abgeschossen wurde und als tot gilt. Isser aber natürlich nicht. Er wird von Fischern aus dem Kanal gezogen und muss sich drei Monate im französischen Untergrund verstecken. Die beiden Daheimgebliebenen kommen sich unterdessen näher, so nah, dass Danny Evelyn schwängert. Dann steht plötzlich Rafe am Vorabend des Angriffs auf Pearl Harbor überaus lebendig auf der Matte.
Eindrücke
Ben Affleck scheint seit Armageddon auf Bruckheimer/Bay abonniert zu sein, jedenfalls ergatterte er hier schon wieder eine Heldenrolle, welche er ein wenig hölzern spielt. Immer den traurigen Dackelblick aufsetzen und einfach immer gut aussehen (ob in Uniform oder im Hawaii-Hemd) reicht irgendwie nicht aus. Josh Hartnett, besetzungstechnisch die zweite Geige neben Affleck, zeigt, dass tatsächlich Potential in ihm steckt. So ist seine Darstellung wesentlich glaubhafter und seine Mimik auch nicht so starr wie die seines Kollegen. Dummerweise macht eine Schwalbe noch keinen Sommer, er kann den Streifen auch nicht retten.
Kate Beckinsale hat nach "Pearl Harbor" unverständlicherweise sogar weitere Hauptrollen bekommen. Hier spielt sie die Frau zwischen zwei Männern und die ach-so-perfekte Krankenschwester Evelyn. Ergo: die weibliche Füllrolle. Farblos. Ein paar Dialoge hier, ein trauriges Gesicht da und ein paar Tränchen dort. Ein hübsches Gesicht macht der Maskenbildner – schauspielern muss man schon selbst. Doch das wird der wandelnde Kleiderständer wohl nicht mehr lernen, ob "Pearl Harbor", "Van Helsing" oder "Underworld", die Beckinsale scheint in der Tat nur einen einzigen Gesichtsausdruck zu beherrschen.
Die Besetzung prahlt ja mit großen Namen - vorzugsweise mit Oscar-Titeln. John Voight als Präsident Roosevelt. Cuba Gooding Jr. ist der Alibi-Schwarze, der natürlich in einer Bruckheimer-Produktion nicht fehlen darf, dabei spielt er den Küchenbediensteten, der während des Angriffs mit der FlaK brilliert. Einen solchen hat's tatsächlich gegeben und ist somit neben Colonel Doolitle geschichtlich verbrieft. Desweiteren sehen wir Dan Aykroyd als Stabschef der Marine-Abwehr, Alec Baldwin begegnet uns als besagter Colonel Doolittle, nachdem auch die am Ende des Films stattfindende Operation benannt ist.
Hans Zimmer spendiert dem Film einen passend-pathetischen Score, der mit eingängiger Musik versucht, die grade vorherrschende Szene passend klanglich zu untermalen, was ihm auch wieder einmal perfekt gelingt – ganz besonders gut hat mir das Japan-Theme gefallen, wenn der Flottenverband unter Admiral Yamamoto ins Bild rückt oder die japanischen Flieger im Tieflug auf Pearl Harbor ansetzen. Dafür benutzt er original japanische und atmosphärisch sehr dichte Dankyo-Trommeln plus asiatischer Flötenklänge.
Um das ganze Werk bildgewaltig in Szene zu setzen, verpflichteten die Macher Markführer ILM, sicher eine der besten Wahlen, wenn es um digitale und tricktechnische Spielereien geht, die nahe an die Realität heranreichen sollen, denn George Lucas’ Firma hat sich hauptsächlich durch "Star Wars" aber auch viele andere Projekte (unter anderem "Die Mumie I + II") einen exzellenten Ruf erworben. Dementsprechend lassen die Tricktechniker während der Schlacht die digitale Sau raus. Die fast 45 Minuten dauernde (Trick-)Schlacht kann man sich, im Gegensatz zum Rest, immer wieder mal ansehen.
Als "Film des Jahres 2001" gefeiert, leistet sich "Pearl Harbor" viele Ungereimtheiten. Vor allem geschichtliche. Betrachtet man den historischen Kontext, so ist die komplette Rahmenhandlung nämlich für die Tonne. Der ganze Spaß ist erstunken, erlogen, verbogen oder nur aus Halbwahrheiten bestehend zusammengeschustert. Ob absichtlich oder nicht sei dahingestellt. Doch wenn man sich die Liste der Danksagungen im Abspann ansieht - kurzum: mit wessen Fördergeldern der Film entstand -, so beschleicht einen doch das ungute Gefühl, hier wurde ganz bewusst Geschichtsklitterung betrieben.
Dabei beruft man sich in Interviews immer wieder darauf, wie "historisch akkurat" und "genau" man recherchiert habe. Tatsächlich dürfte "schlampig" es besser treffen. Ein paar Beispiele:
Bei den Flugzeugen handelt es sich zwar um die richtigen Typen, jedoch oft um die falschen Modelle. Einige der Spitfires auf dem Flugfeld haben 4-Blatt Propeller, was sie mindestens als MK XII-Modell (oder später) ausweist, dieses existierte 1941 aber noch nicht, sondern erst ab 1943. Bei den Deutschen sehen wir Messerschmitt ME109 mit geraden Flügelkanten, was bedeutet, dass es sich um Modell E handelt, welches aber bereits zu Beginn des Jahres 1940 nur noch zu Verteidigungszwecken des deutschen Luftraums eingesetzt wurde. G-Modelle (runde Flügelkanten) wurden aufgrund besserer Flugleistungen und nicht zuletzt höherem Treibstoffvorrat für den Flug über den Kanal nach England hinein eingesetzt.
Die japanischen Jagd- /Torpedobomber und Abfängjäger sind korrekt, nur eine Bemerkung von Rafe, der seinen Kameraden Luftkampftipps gibt, haut Flugzeugkenner vor Lachen vom Sitz: Die Mitsubishi A6M (besser bekannt als: "Zero") soll demnach im Geradeausflug schneller sein als die amerikanische Curtiss P-40 "Warhawk". Gut, die P-40 ist sicher kein Rennpferd, aber immerhin um einiges schneller als der langsamste Jäger des gesamten Zweiten Weltkriegs. Die Warnung "nicht geradeaus zu fliegen, weil die Zero schneller" sei, ist somit vollkommener Blödsinn. Richtiger wäre: „Lasst euch nicht auf Kurvenkämpfe ein, die Zero ist um einiges wendiger als die P-40“. Hätte wahrscheinlich ebenso dramatisch geklungen, wäre sachlich aber wenigstens auch richtig gewesen.
Ein weiterer Konfusionspunkt ist der Start der Maschinen vom aus der Luft belagerten Feld aus. Kein Pilot (nicht mal der Bescheuertste) würde versuchen, unter diesen Umständen zu starten. "Sitting Ducks" wie die Amerikaner sagen, und trotzdem steigen unsere beiden Hawaii-Hemd-Bewährten Helden zusammen mit noch einem weiteren armen Teufel in ihre Maschinen und wagen den Startversuch, wobei der Nebendarsteller (vollkommen realistisch) von den kreisenden Zeros rubbeldiekatz in Altmetall verwandelt wird. Der Umstand, dass überhaupt Maschinen starten, ist laut Dialogzeile ohnehin unlogisch: Es erklärt der Chef-Mechaniker, dass er flugfähige Maschinen habe, aber nach mehrmaligem Nachrechnen seiner Aufstellung kommt man dann auf nur EINE wirklich komplett einsatzbereite Maschine. Umkehrschluss: Nur einer der beiden Strahlemänner hätte im anschließenden Dogfight feuern können dürfen, denn nur eine der Maschinen hätte demnach beides, nämlich Munition UND Sprit an Bord. Es starten aber 3 (!) tollkühne Männer in ihren fliegenden Kisten, was interessante Fragen aufwirft. Können amerikanische Flugzeuge ohne Sprit abheben? Können diese auch ohne Munition Luftkämpfe bestreiten? Die Antwort lautet: Wenn Bruckheimer und Bay das Heft in der Hand haben, können amerikanische Maschinen faktisch alles.
By the way, die Japaner schießen immer brav daneben, was die Hauptdarsteller betrifft. Sechs Maschinen haben sie am Heck kleben und nicht ein lumpiger Kratzer ereilt die beiden Persil-Gurgler. Mehr noch, sie mischen alle gegnerischen Maschinen auf und greifen zudem noch die sich bereits zurückziehende Luft-Flotte der Japaner über dem Hafen an. Ein Hoch auf unsere unzerstörbaren Helden in Hawaii-Hemden, die dabei auch noch Zeit haben, die Bodeneinheiten zu dirigieren. Hmmm, anscheinend Deflektor-Schilde oder wenigstens klingonische Cloaking Devices in ihren Mühlen.
Der total überzogene Heldenmythos geht noch munter weiter: Nach der Landung und der (typischen, bejubelten) Ehrung durch die am Boden Gebliebenen, helfen die beiden nicht den verletzten Kameraden auf dem zusammengeschossenen Flugfeld, nein, schnurstracks gehts gemeinsam zu Evelyn ins Hospital, um dort heroisch zu fragen: "Können wir irgendwas tun?" Klar, eine absolut beknackte Blutspende in Cola-Flaschen (Hallo, Product-Placement!) für die armen Opfer des Angriffs. Ach ja, von dort aus müssen die beiden Supermänner sofort im Anschluss noch mal eben eingeschlossene Seeleute aus den Wracks im Hafenbecken befreien helfen. Hoffentlich ist da mal kein Kryptonit im Wasser...
Dann kommt der finale Knaller: "Operation Doolittle". Diese hat nun rein gar nichts mit Pearl Harbor zu tun und fand wesentlich später statt. Eine üble US-Propaganda-Aktion in Form der Bombardierung Tokios mit umgebauten "Intruder"-Bombern. Dass Jägerpiloten niemals Bomber fliegen und umgekehrt, wurde hierbei geflissentlich ignoriert. Es passt aber ins Bild: Die beiden Spackos dürfen den Japsen auf's Maul hauen und filmisch zeigen, wer denn nun den Krieg gewonnen hat. Dann kann auch Danny wohlverdient-theatralisch ins Gras beißen, natürlich mit vollkommen idiotischem Dialog, und den Weg für ein ebenso melodramatisches, wie moralisch einwandfreies Sonnen-Untergangs-Happy-End freimachen.
Fazit
Bruckheimer/Bay haben es geschafft "Armageddon" in den zweiten Weltkrieg zu katapultieren, quasi nach dem gleichen Rezept: Ein bisschen Romanze (und wieder Ben Affleck als Romeo), Special-Effects und das Abnippeln eines der Hauptdarsteller am Schluss, durchzogen mit jeder Menge Hurra-Patriotismus und Heldentum. Das Ganze noch bildgewaltig und mit schöner Musik durchgequirlt, und fertig ist ein Blockbuster. Das Bonusmaterial geht soweit in Ordnung, interessant sind vor allem die Entstehungsgeschichte der Special-Effects und der Stunts, nebst dem historischen Background. Ansonsten gibt’s gewohnte Schonkost. Audiokommentar, Trailer und die obligatorischen Interviews nach dem Motto: "Wir hatten alle so viel Spaß" - die übliche Selbstbeweihräucherung halt.
Die DVD-Daten auf einen Blick:
OT: "Pearl Harbor"
Land und Jahr: USA 2001
Genre: Kriegsfilm / Drama
Laufzeit: ca. 176 Min Hauptfilm
Label: Touchstone
Version: Director's Cut, 3 DVDs im Schmuck-Case / FSK 16
Bildformat: 16 : 9 (1 : 2,35 anamorph)
Tonformat: Dolby Digital 5.1 (alle Sprachen)
Regie:Michael Bay
Produzent: Jerry Bruckheimer
Musik: Hans Zimmer
Hauptdarsteller u.a.: Ben Affleck, Josh Hartnett, Kate Beckinsale, Cuba Gooding Jr., Tom Sizemore, John Voight, Alec Baldwin, Dan Aykroyd
|Bonusmaterial|
- Interviews mit Regisseur, Produzent, Hauptdarstellern, Überlebenden
- Infos zu diversen Special Effects von ILM, Flug- und Pyrotechnik-Stunts
- Geschichtliches Hintergrundmaterial
- Japanisches Statement zum Film
- Faith Hill Musikvideo "There You'll Be"
- Kinotrailer
- Redakteur:
- Jürgen Pern