Peladão - Elf Freunde und eine Königin
- Regie:
- Jörn Schoppe
- Jahr:
- 2005
- Genre:
- Dokumentarfilm
- Land:
- Deutschland
1 Review(s)
03.10.2006 | 11:36Hintergrund
Tief im Amazonasgebiet liegt eine zwei Millionen Metropole, die Stadt Manaus. Diese Stadt, die man noch immer nur per Boot oder Flugzeug erreichen kann, ist Schauplatz für das weltweit größte Amateurfußballturnier der Welt - den Peladão. Über 1000 Mannschaften nehmen an diesem Turnier teil, das seit 1973 jedes Jahr zwischen August und Dezember stattfindet. Das Feld der teilnehmenden Mannschaften ist dabei bunt gemischt, Behinderte nehmen ebenso am Turnier teil, wie Werksmannschaften, echte Straßenfußballer oder gar die brasilianische Luftwaffe.
Neben dieser Teilnehmervielfalt zeichnet sich der Peladão allerdings durch eine Besonderheit aus: Jede Mannschaft muss neben den 11 Fußballspielern eine Schönheitskönigin stellen, die am parallel ausgetragenen Schönheitswettbewerb des Peladão teilnimmt. Scheidet die Mannschaft im Turnierverlauf aus, kann die Schönheitskönigin sie mit einem Sieg im Schönheitswettbewerb wieder ins Turnier bringen. Ein komplizierter Turnierbaum sorgt dafür, dass alles mit rechten Dingen zugeht und das Geschehen überschaubar bleibt. Der Fair-Play-Gedanke steht dem Wettkampfgeist klar vor, Tugend und Aufrichtigkeit sind der Kern der Veranstaltung. So muss jedes Team beim Erhalt einer roten Karte bedürftigen Kindern Fußbälle spenden. Durch das besondere Konzept und die tiefe Liebe der Brasilianer für König Fußball (und die brasilianische Frau) ist der Peladão seit dem ersten Turnier ein Erfolg, der abertausende Menschen im Amazonasgebiet fasziniert.
Handlung
"Peladão - Elf Freunde und eine Königin" nimmt den Zuschauer mit zu diesem exotischen Sportereignis. Immer nah an den Menschen erzählt der Film von Träumen und Triumphen, dem Streben nach Ruhm, der Leidenschaft für Fußball und der Schönheit der Frauen. (Auszug aus dem Rückentext der DVD).
Kritik
2006 ist das Jahr der Fußball-WM, „Die Welt zu Gast bei Freunden“. Vom 9. Juni bis zum 9. Juli trugen 32 Mannschaften in 64 Spielen den neuen Weltmeister aus, 14.000 Medienvertreter berichteten davon. Von Beginn an herrschte eine Fußball-Euphorie im Lande, die Philipp Lahm in der sechsten Minute des Eröffnungsspiels mit einem Traumtor zusätzlich anfachte. Public Viewing, Autokorsos, Partystimmung - Deutschland war für 30 Tage im Ausnahmezustand.
In Manaus (Brasilien) herrschen diese Zustände ganze vier Monate und das jedes Jahr. Jörn Schoppe ("Doppelpass") zeigt in seiner Dokumentation "Peladão - Elf Freunde und eine Königin" das verrückteste und größte Fußballturnier der Welt, das im Herzen des Amazonas stattfindet. Mit einem feinen Gespür für die Emotionen und die Seele des Fußballs, zeigt Schoppe in eindrucksvollen Bildern das wahre Gesicht des Fußballs, fern ab von Millionenverträgen, Sponsoren und Spielerberatern. Hier ist der Fußball noch rein, das gemeinschaftliche Miteinander von Bedeutung und der Sieg zweitrangig.
Ohne einen einzigen Kommentar seitens des Dokumentarteams, lässt Schoppe seine Protagonisten ausgiebig zu Wort kommen, lässt sie von ihrem Leben, ihren Sehnsüchten und Träumen erzählen und porträtiert dabei die brasilianische Seele gekonnt. In dieser 85-minütigen Dokumentation begleiten Schoppe und sein Team drei Teams des Peladão, werfen einen Blick hinter die Kulissen, lassen die Veranstalter zu Wort kommen und zeigen ausgiebig den essenziellen Schönheitswettbewerb der Veranstaltung. Die Menschen und ihre Liebe für den Fußball und die brasilianische Frau stehen dabei immer im Mittelpunkt, was am Schicksal einiger Teilnehmer verdeutlicht wird. Die Geschichten um den taubstummen Jovane, der als Torwart sein Glück beim Peladão versucht, oder um den Übersetzter Butch, dessen großer Traum es ist, einmal im Rampenlicht des Turnierfinals zu stehen, sind dabei ebenso emotional wie witzig, zu jedem Zeitpunkt aber menschlich und vor allem ehrlich.
Jedem wird die Zeit und Möglichkeit gegeben, sich zu äußern und seine Gedanken und Gefühle wiederzugeben. Schoppe zeigt glorreiche Siege, aber auch bittere Niederlagen, teilt seine Aufmerksamkeit gleichermaßen auf beide Teile des Peladão, den Fußball- und den Schönheitswettbewerb. Durch den ruhigen Stil wirkt die Doku besonders, die Bilder werden von brasilianischen Klängen unterstützt, der Film läuft lediglich im O-Ton, mit optionalen deutschen Untertiteln.
In Manaus ist die Welt nicht wesentlich besser als bei uns, Worte über die Kriminalität und den Drogenhandel sind ebenso anzutreffen, wie Schilderungen über Unsportlichkeiten und Übergriffe auf den (vermeintlich schlecht pfeifenden) Schiedsrichter. Diese Vielfalt ist schließlich auch das, was "Peladão - Elf Freunde und eine Königin" so wertvoll macht. Hier ist der Fußball noch ehrlich, der Spaß am gemeinsamen Spiel noch im Zentrum und das gesellschaftliche Phänomen Fußball noch in Reinkultur zu bestaunen. Wo Menschen eine vierstündige Bootsfahrt auf sich nehmen (für die sie auch noch mehrere Monatsgehälter zahlen müssen), nur um an einem Amateurturnier teilzunehmen, ist der Fußball noch im Herzen eines jeden Spielers.
Die DVD
Leider liegt das Bild nur in 1.77:1 (4:3 Letterbox) vor. Wie von einem Dokumentarfilm nicht anders zu erwarten war, reißt das Bild keine Bäume aus. Es mangelt an allem: Die Farben könnten kräftiger sein, der Kontrast höher, von der Schärfe gar nicht zu reden. Dennoch ist das Resultat in Ordnung, ist der Blick auf das Geschehen doch nicht zu sehr getrübt. An Dokus werden andere Ansprüche gestellt.
Der Ton macht da keine Ausnahme. Kein 5.1 Feuerwerk, sondern einfacher DD2.0 Ton lautet die Devise. Ohne jegliche Spielereien kommt der Ton sauber aus den Boxen, ist gut verständlich und lässt durch den schönen Score Urlaubsatmosphäre und Fernweh aufkommen.
Die Extras sind ganz nett und liefern einiges an Hintergrundinformation. Zwei Texttafeln erläutern je die Hintergründe des Peladão-Fußballturniers und das Leben am Amazonas. In zwei Fotogalerien wird einerseits ein kurzer Querschnitt durch den Film gegeben, andererseits das Treiben hinter den Kulissen aufgezeigt. Zwei Trailer und die hauseigene Trailershow runden ein ordentliches Extraspaket ab. Ein Interview mit den Machern vermisst man hingegen schmerzlich.
Fazit
"Peladão - Elf Freunde und eine Königin" ist ein Fest für Fußballfans, die auch Interesse an Herz und Seele ihres Lieblingssports haben. Im Gegensatz zu unserem kommerzialisierten Fußball zeigt Regisseur Jörn Schoppe die brasilianische Lebensfreude und ihre tiefe Leidenschaft für die Lederkugel, die Emotionen und die Bedeutung des Weltsports Nr.1 für ihr Leben und das wahre Gesicht des Fußballs. Die Besonderheit des Peladão, der Schönheitswettbewerb, ist wie ein Spiegel der brasilianischen Seele und demonstriert eindrucksvoll das Denken und Fühlen im Lande des fünfmaligen Weltmeisters. Jeder richtige Fußballfan wird mit diesem Dokumentarfilm seine Freude haben, doch auch Menschen mit völkerkundlichem Interesse sollten einen Blick riskieren.
- Redakteur:
- Martin Przegendza