Preußen - Chronik eines deutschen Staates (DVD)
- Regie:
- Endres, Gerald / Bönnen, Ute
- Jahr:
- 2000
- Genre:
- Dokumentarfilm
- Land:
- D
- Originaltitel:
- Preußen - Chronik eines deutschen Staates
1 Review(s)
22.12.2011 | 13:39Die hatten eine Meise, die Preußen - und den Kaiser
Im Januar 1701 krönt sich Friedrich III., Kurfürst von Brandenburg, im ostpreußischen Königsberg als Friedrich I. zum "König in Preußen". Die Selbstkrönung des prunksüchtigen Provinzfürsten markiert den Aufstieg Brandenburg-Preußens zur europäischen Großmacht.
Über mehr als 200 Jahre hinweg bestimmt der Hohenzollern-Staat entscheidend die deutsche Geschichte. Preußen erobert sich die Vorherrschaft im Deutschen Reich und wird zu dessen Machtzentrum. Der Staat Preußen, Sinnbild deutscher Machtansprüche, wird nach dem Zweiten Weltkrieg durch Beschluss der Alliierten aufgelöst.
Preußen hat stets sehr gegensätzliche Beurteilungen provoziert. Preußen ist Aufklärung und Absolutismus, ist Militarismus und Minderheitenschutz, ist Disziplin und Untertanengeist. Preußen ist der "Alte Fritz" und der Polizist mit Pickelhaube. Preußen ist heute Geschichte, aber seinen Wirkungen und Auswirkungen kann man sich nicht entziehen.
Katharina Thalbach führt durch die 6-teilige Zeitreise und moderiert mit witzigen Anekdoten auf ihre humorvolle ur-berlinerische Art diese Chronik. Zahlreiche Zeitdokumente, Gemälde und die Dreharbeiten an originalen Schauplätzen und Gebäuden machen diese Dokumentation zu einem informativen und unterhaltsamen Film über einen der wichtigsten Abschnitte der deutschen Geschichte. (Verleihinfo)
Mehr Info: www.preussen-chronik.de (ohne Gewähr).
Inhalt
1. Vom Kurfürstentum zum Königreich (1640-1713)
2. Vom Königreich zur Großmacht (1713-1786)
3. Von der Reformzeit zur Revolution (1718-1848)
4. Mit Blut und Eisen: Der Weg ins Deutsche Reich (1848-1871)
5. "Heil Dir im Siegeskranz" - die Zeit des Wilhelminismus (1871-1918)
6. Republik, Nazi-Herrschaft und Untergang (1918-1947)
Ich setze die Geschichte Preußens von 1640 bis 1947 - rund drei Jahrhunderte - als bekannt voraus. Die Verleihinfo oben gewährt einen kleinen Einblick. Die Schauspielerin Katharina Thalbach spielt Conferencier und Guide durch die Jahrhunderte, so trägt sie quasi Volkes Stimme bei, was durchaus für einige humorvolle Momente sorgt.
Mein Eindruck
Die Informationen, die die sechs Folgen der Dokumentationsreihe liefern, sind durchaus unparteiisch. Die drei Autoren haben darauf geachtet, keinen der Kurfürsten und Preußenkönige in Grund und Boden zu verdammen, vielmehr geht es ihnen um Verständnis des Zuschauers. Wenn schon kritisiert werden muss, dann kommen zeitgenössische Quellen zu Wort. Pro und Kontra sind ungefähr ausgewogen.
Die Bilder sprechen ebenfalls Bände. Neben Preußens Glanz und Gloria, das wir in den Prunkbauten und in Gemäldegalerien finden, bekommen wir auch jede Menge originale Armensiedlungen und Meierhöfe zu sehen, wo Pachtbauern in Leibeigenschaft und Lohnsklaverei schuften mussten. Sie wurden später vom Proletariat der Fabriken abgelöst, außer auf den Latifundien der Elbjunker. Das gibt einem eine Ahnung von der Zerrissenheit der Gesellschaft, die sich spätestens 1848 in der Märzrevolution Luft machte. Dieses Jahr bezeichnet nicht ohne Grund die Zäsur zwischen Teil 3 und 4: Der Versuch einer parlamentarischen Monarchie für Deutschland scheitert am Widerstand des Königs. Das Land bleibt Stückwerk.
Mit fortschreitender Zeit werden Gemälde und Stiche von Fotos und sogar Filmen abgelöst. All dies ist wertvolles Originalmaterial, das nun von den Machern in einen sinnvollen Zusammenhang gebracht worden ist. Etliche mir bis dato unbekannte Quellen wie etwa Parlamentsreden oder Rundfunkansprachen wurden eingeflochten, um die prekäre Lage Preußens während der Weimarer Republik zu illustrieren.
Die Moderatorin
Katharina Thalbach, die ja schon in Volker Schlöndorffs Verfilmung der "Blechtrommel" mitspielte, ist nicht nur eine ausgezeichnete Schauspielerin, sondern auch ein Berliner Urgestein. Zu beginn und am Ende führt sie uns ins Schloss Sanssouci beziehungsweise führt sie uns von dort wieder von dort. Das Schloss verkörpert auf diese Weise Preußen als Geschichtsraum über drei Jahrhunderte hinweg. Nicht zuletzt deshalb, weil hier Friedrich der Große des öfteren logierte (und dort seit 1991 auch bestattet liegt, wie er es testamentarisch verfügte).
Aber Thalbach bleibt nicht immer sie selbst, sondern schlüpft in verschiedene Rollen: mal als Tabak schnupfende Königin Sophie Charlotte, die ihrem Gemahl fast die Krönung versaut hätte; mal als Junge aus dem Proletariat, mal als der Alte Fritz, mal als Hauptmann von Köpenick, mal als junge Bürgerin der Weimarer Republik komplett mit Tanzkleid. Und die Pickelhaube darf natürlich auch nicht fehlen. Manche ihrer Erklärungen, so etwa die von Bismarcks schlauer Taktik, sind so anschaulich, dass man das Gezeigte sofort begreift.
Mit anderen Worten: Thalbachs Beitrag ist nicht nur inhaltlich von essenzieller Bedeutung für diese Dokumentationsreihe, sondern trägt auch entscheidend zur Unterhaltung bei. Nicht zu verachten: Sie gönnt uns einen kleinen Verschnaufer, wenn man denkt, man werde von den zahlreich präsentierten Fakten schier erschlagen.
Mein Eindruck: die DVD
Das Bild ist von ganz passabler Qualität, wenn man berücksichtigt, dass die Innen- und Außenaufnahmen aus dem Jahr 2000 stammen. Da konnte man noch keine HD-Qualität verlangen, außerdem war nur TV-Niveau verlangt - das betrifft auch das Bildformat von 4:3. Beide Kriterien werden ausreichend erfüllt. Der Ton liegt mit dem Standard DD 2.0 ebenfalls auf TV-Niveau. Untertitel gibt es leider keine.
Extras
Das Booklet ist eine nette Beigabe. Auf zwölf Seiten findet sich einiges an Bildmaterial aus der Dokumentation, darunter Szenenfotos mit Thalbach. Die sechs Teile sind auch textlich repräsentiert, aber nicht von den Historikern, sondern durch Thalbachs Kommentartext. Das gibt uns die einzige Gelegenheit nachzuschlagen, was unsere Geschichtsführerin eigentlich genau gesagt hat.
Den Abschluss - und somit auf einem Ehrenplatz - bildet eine Doppelseite mit einer Biographie von Friedrich dem Großen (1712-1786), aus Anlass von dessen 300. Geburtstag. Nach einer tragischen Jugend, in der er unter seinem Vater, dem "Soldatenkönig", litt, wurde 1740 selbst König und begann, nicht nur das Land umzukrempeln, sondern auch Preußen zur deutschen Großmacht zu erheben. Dazu waren drei Kriege gegen Österreich, Russland und Frankreich sowie eine halbe Million Gefallene nötig. Friedrich II. war sogar bereit, für den Sieg sein eigenes Leben zu opfern. Danach dauerte es nur noch knapp 110 Jahre, bis aus Preußen das Deutsche Reich wurde.
Zum Alten Fritz gibt es mit Thalbach senior und junior eine gesonderte Dokumentation: "Friedrich - ein deutscher König".
Unterm Strich
Warum sind die Deutschen so, wie sie sind und wie es anderen Völkern ständig auffällt? Woher kommen Pünktlichkeit, Pflichtbewusstsein, Genauigkeit, Buchstabentreue, ja, sogar Duckmäusertum und Zensur? Warum schreien alle nach dem Staat und neuen Gesetzen statt nach Eigeninitiative? All dies sind Erbschaften aus der Zeit, als Preußen seine militärische Tradition auf das ganze Deutsche Reich übertrug und durchsetzte.
Diese Dokumentationsreihe verdeutlicht, wie es dazu kam, welche verhängnisvollen Folgen diese Entwicklung schon gezeigt hat, so etwa in der Weimarer Republik und unter dem Nationalsozialismus. Nicht ohne Grund haben die Alliierten Preußen 1947 von der Landkarte getilgt. Diese Militärtradition sollte ein für alle Mal beendet werden.
Katharina Thalbach rettet den Ruf Preußens, indem sie uns die witzigen und allzu menschlichen Seiten der Herrscher und der Hauptstadtbewohner vor Augen führt. Der Hauptmann von Köpenick ist sicherlich das Glanzstück unter ihren über ein Dutzend Szenen: Die Uniform ersetzt den Mann. Viele weitere "Prussiana" sind noch in unserer Sprache - und nicht nur im Berliner Dialekt - erhalten.
Einem Besucher oder Einwanderer, der die Deutschen verstehen will, könnte diese Doku einige aufschlussreiche Hinweise geben. Und für Berliner ist die Doku sowieso ein Heimspiel: Ihre Stadt ist allgegenwärtig, von den diversen Schlössern über Mietskasernen bis zu recht merkwürdig gestalteten Bauten, wo eine stinknormale S-Bahn-Brücke schon mal wie eine mittelalterliche Burg aussehen kann.
Wenn die Preußen eine Macke hatten, dann aber richtig, und sie steckten alle außer den Rheinländern damit an. Witzig, was sich die Kölner auf ihrem Karneval alles einfallen ließen, um die Berliner durch den Kakao zu ziehen - und das wird von Thalbach natürlich genüsslich demonstriert.
Die DVD
Die DVD ist wie die TV-Produktion in jeder hinsichtlich durchschnittlich: nicht zu wenig, aber beileibe auch nicht mehr als das, was der Zuschauer erwartet. Eine willkommene Beigabe ist jedenfalls das auf Hochglanzpapier gedruckte Booklet von zwölf Seiten. Die Werbung darin hält sich stark in Grenzen, vielmehr wird auf andere Quellen verwiesen.
Filminfos:
O-Titel: Preußen - Chronik eines deutschen Staates (D 2000)
Dt. Vertrieb: Edel
VÖ: 18. November 2011
EAN: 4029759072171
Preis: 15,97 bis 22,99 EUR
FSK: ab 6
Länge: 180 Min.
Regisseur(e): Gerald Endres, Ute Bönnen
Darsteller: Katharina Thalbach
Bildformate: 4:3 (PAL)
Tonformate: Deutsch (Dolby Digital 2.0 Stereo)
Sprachen: D
Untertitel: keine
Region: Alle Regionen
Extras:
- Booklet
- Redakteur:
- Michael Matzer