Rache des roten Ritters, Die
- Regie:
- Pino Mercanti
- Jahr:
- 1960
- Genre:
- Abenteuer
- Land:
- Italien
- Originaltitel:
- Il Cavaliere dei cento volti
1 Review(s)
19.03.2006 | 12:09Neben den sogenannten Sandalenfilmen stellt auch der Ritterfilm ein Subgenre des Historienfilms dar. Und genau wie bei den erstgenannten Testosteron-Epen orientierten sich die italienischen Regisseure in den fünfziger und sechziger Jahren auch bei der Mittelalter-Variante an großen US-Produktionen wie beispielsweise dem 1952er "Ivanhoe" oder dem 1954er "Prince Valiant". In Europa wurde man bei der Suche nach Vorlagen u. a. in Großbritannien und mit dem 1953er "Knights Of The Round Table" fündig.
Im Gegensatz zu den Vorbildern lässt Pino Mercanti in seinem "Die Rache des roten Ritters" bekannte Sagengestalten und einen angedeuteten historischen Hintergrund komplett außen vor und konzentriert sich ausschließlich auf den klassischen Plot aus Liebe und Intrige, wobei er diesen mit den typischen Ingredienzien des Ritterfilms anreichert.
Story:
Graf Fosco di Vallebruna strebt nach Macht und Reichtum. Um seinem Ziel, die Ländereien des Herzogs di Pallanza in seinen Besitz zu bringen, näher zu kommen, hält er um die Hand von dessen Tochter Bianca an. Da dem Graf der Ruf vorauseilt, ein Edelmann zu sein, ist di Pallanza sehr von der Idee angetan – ganz im Gegensatz zu seiner Tochter. Diese fühlt sich ihrerseits zu dem in Ungnade gefallenen Ritter Riccardo d'Arce hingezogen. In einem Turnier soll schließlich die Entscheidung fallen, wer die schöne Bianca heiraten darf.
Kritik:
Der reißerische deutsche Titel des Films führt etwas in die Irre. Einen groß angelegten (womöglich blutigen) Rachefeldzug wird man hier absolut vergeblich suchen. Vielmehr bietet der Streifen zu jeder Minute familientaugliche Unterhaltung, die niemandem weh tut, aber auch weit davon entfernt ist, wirklich mitreißend zu sein. Letzteres liegt vor allem daran, dass es dem Regisseur nicht gelingt, Tempo in seine Inszenierung zu bekommen. Der Film schleppt sich von Szene zu Szene, ohne auch nur ansatzweise Interesse für das Schicksal seiner Hauptfiguren zu wecken. Zusätzlich weiß der Zuschauer auch von Beginn an, wie der Streifen enden wird: Unser Held bekommt das Mädchen!
Am unterhaltsamsten ist "Die Rache des roten Ritters" – wie so oft in derartigen Fällen – in den unfreiwillig komischen Momenten, wobei man sagen muss, dass der Film sich generell nicht allzu ernst nimmt. Trotzdem: Besonders gelungen sind immer noch jene Szenen, in denen Tote (es gibt genau zwei) deutlich sichtbar atmen oder sich die Darsteller in lustigem Overacting ergehen. Sehr stark ist diesbezüglich Herbert A. E. Böhme in der Rolle des Herzogs di Pallanza, der während des gesamten Streifens unermüdlich mies gelaunt und griesgrämig durch die Gegend brummelt, was vor allem in Verbindung mit den mit Abstand heißesten Klamotten des gesamten Films (rattenscharfe Mütze mit geschätztem Durchmesser von zwei Metern!) eine explosive Mischung ergibt. Kaum besser ist der spätere Winnetou-Sidekick Lex Barker als "Rache" nehmender Riccardo d'Arce. Größtenteils unverschämt gut gelaunt ist speziell eine Szene unter seiner Beteiligung hervorzuheben, in der er nach einer Verwundung im Kampf von Fieber geplagt vor sich hin deliriert. Für diesen Fall akuten Chargierens im Endstadium wäre ihm heutzutage die "Goldene Himbeere" sicher.
Ein weiteres Manko, das auch viele der anderen europäischen Historienfilme dieser Zeit offenbaren, zeigt sich bei vorliegender Ritteraction: die schlecht choreographierten und gefilmten Kämpfe. Auch damals hätte man durchaus auf die Idee kommen können, dass es im fertigen Produkt eventuell nicht übermäßig supi rüberkommt, wenn man seinen Gegner deutlich sichtbar verfehlt. Klar, aus heutiger Sicht kann man das leicht sagen, da die Technik sich seitdem rasend weiterentwickelt hat und man zig Tricks anwenden kann, um derartige Szenen wirkungsvoller, überzeugender und letztlich auch temporeicher zu realisieren. Aber ich behaupte jetzt mal, dass auch im Entstehungsjahr ein besseres Ergebnis hätte erzielt werden können, wenn man einfach eine andere Kameraperspektive gewählt hätte und fertig!
Einen Höhepunkt stellt in diesem Zusammenhang das Turnier am Ende des Films dar. Bei diesem für das Genre total - ähem - unüblichen Anlass bewegen sich die edlen Rittersleut hoch zu Ross aufeinander zu – die Lanze im Anschlag, den Helm fest auf dem Kopf –, um dann beim Hieb ins Leere (den Gegner zerlegt es natürlich trotzdem) fast selbst vom Pferd zu segeln. Au Backe!
In der Summe ergeben all diese Faktoren einen leidlich unterhaltsamen und vorhersehbaren Schinken, den man sich in launiger Runde sicherlich schön lästern kann; mehr ist hier aber definitiv nicht drin. Irrelevant!
- Redakteur:
- Oliver Schneider