Raincoat
- Regie:
- Riturparno Ghosh
- Jahr:
- 2004
- Genre:
- Drama
- Land:
- Indien
2 Review(s)
06.01.2008 | 21:32Rapid Eye Movies hat uns in der Vergangenheit ja schon oft mit qualitativ hochwertigen Bollywoodtiteln versorgt, und da war es natürlich überhaupt keine Frage, ob ich mir den Film "Raincoat" ansehen würde. Endlich einmal ein indischer Film, der sich aufgrund seiner relativ kurzen Laufzeit von 110 Minuten für einen Arbeitstag unter der Woche eignet. Doch "Raincoat" war dann völlig anders als ich ihn erwartet hätte...
Die Handlung:
Manoj (Ajay Devgan) hat seine Stellung verloren, weil sein Betrieb, in dem er bislang gearbeitet hat, pleite gegangen ist. Reichtümer konnte er bei seinem schlecht bezahlten Job bislang nicht anhäufen. Deswegen ist er schweren Herzens nach Kalkutta gekommen, um seine ehemaligen Schulfreunde um Geld zu bitten. Er will damit eine eigene kleine Firma gründen, um sein Leben selbst in die Hand zu nehmen. Außerdem hat er vor, seine Jugendliebe Niru (Aishwarya Rai) in Kalkutta zu besuchen. Er liebt sie noch immer und will deshalb sehen, wie es ihr geht. Niru hatte vor sechs Jahren auf Wunsch ihrer Familie einen reichen Geschäftsmann geheiratet und Manoj mit gebrochenem Herzen zurückgelassen.
Nachdem er im regnerischen Kalkutta die ersten Freunde besucht hat und auch etwas Geld zusammengekommen ist, steht er nun im strömenden Regen vor Nirus Haustür. Nach einer ihm endlos scheinenden Weile öffnet sich die Türe und sie bittet ihn herein. Manoj kommt in eine abgedunkelte Wohnung, die mit Möbeln voll gestellt ist. Nirus Leben ist nicht so blendend verlaufen wie geplant, so viel ist sicher, sie versucht aber trotzdem Manoj ein Luxusleben vorzuspielen.
Jetzt sitzen sich die Beiden gegenüber und keiner traut sich dem anderen zu gestehen, dass sein Leben nicht so wie geplant verlaufen ist. Doch Manoj kommt langsam hinter das Geheimnis seiner geliebten Niru. Ist für die Liebe der beiden jede Hoffnung verloren?
Kritik:
Ein schöner Film der leisen Töne. Wer einen überlangen Bollywoodfilm mit viel Tanz und Gesang erwartet, wird garantiert enttäuscht werden. Nein, "Raincoat" erfüllt keines der üblichen Klischees. Es gibt in Raincoat zwar auch schöne, meist im Solo gesungene Musikeinlagen, aber diese sind eher ruhig zurückhaltend und finden während der Handlung statt. Untertitelt sind die Lieder auch, damit sich die darin enthaltenen Informationen dem Zuschauer zur Gänze erschließen können, sind sie doch von elementarer Bedeutung für die Story.
Auch die Handlung erinnert mehr an einen Arthouse-Film, als dass man Bollywood damit in Verbindung bringen würde. Es ist und bleibt ruhig, damit das Spiel der Darsteller besser die Aufmerksamkeit der Zuschauer auf sich ziehen kann. Hierbei spielt natürlich auch die technische Umsetzung eine große Rolle. Ich muss sagen, dass die Kameraführung und die verwendeten künstlerischen Mittel wie Farbfilter etc. technisch auf einem sehr hohen Niveau zum Einsatz gekommen sind und in dieser Art und Weise bislang nur in sehr wenigen indischen Filmen zu sehen waren. Das indische Kino bewegt sich qualitativ in die richtige Richtung und wird noch vielfältiger.
Genau diese künstlerischen Mittel sind es dann auch, warum mir dieser Film lange im Gedächtnis bleiben wird. In der engen, klaustrophobischen Wohnung von Niru herrschen grüne dunkle Töne vor, so dass eine dunkle feuchtwarme Monsunstimmung entsteht, perfekt passend zur hoffnungslosen Situation der Charaktere und fast schon körperlich fühlbar. In den Rückblenden herrschen warme Farben und mehr Licht vor. Es sind Rückblenden in ein besseres Leben, als die Sorgen der Protagonisten noch nicht so übermächtig waren.
In dieser optisch unbehaglichen Atmosphäre agieren die beiden Hauptdarsteller zumeist alleine (in der Wohnung, dem Herzstück der Handlung). Ich hatte schon befürchtet, dass ihre schauspielerischen Qualitäten für solche schwierigen Solorollen nicht ausreichen würden, aber ich wurde dann sehr schnell eines Besseren belehrt. Gerade Aishwarya Rai hat - neben ihrem famosen Aussehen - in diesem Film eine schauspielerische Glanzleistung abgeliefert. Sie vermittelt mit gekonnter Mimik die Gratwanderung zwischen Zuneigung, Scham und dem Unbehagen, einen geliebten Menschen anzulügen nahezu perfekt. Viel Wirkung mit sehr wenigen Mitteln. Wirklich toll!
Als einzige Schwäche von "Raincoat" könnte ich anführen, dass die Handlung manchmal zu Wiederholungen neigt. Das bedeutet, sie wiederholt bestimmte Aussagen, welche schon vorher zur Sprache gekommen sind. Dies nimmt dem Film den gleichmäßigen Fluss, er wirkt dann leicht holprig. Die relativ kurze Laufzeit von 110 Minuten hat dem Film ebenfalls sehr gut getan.
"Raincoat" bleibt mir als ein kleines cineastisches Juwel auf jeden Fall noch lange in der Erinnerung. Schönes und modernes indisches Kino, von dem ich mehr sehen will. Eine generelle Empfehlung kann ich aber nicht aussprechen. Am besten eignet sich der Film für Menschen, die auch sonst ruhige Dramen angucken und nicht unbedingt viel Action brauchen.
Bollywoodfans, die bislang nur die Standardwerke kennen, sollten jedenfalls mal einen Blick riskieren, um einmal über den Tellerrand hinauszugucken.
Die DVD:
Sehr schön, dass sich REM, trotz aller Sparmaßnahmen der Konkurrenz, seinen hohen Qualitätsstandard bewahrt hat. Die DVD kommt wie gewohnt in einem Slim-Digi, das wieder mit einem sehr schönen Cover verziert wurde.
Die Bildqualität ist auch auf einem hohen Niveau, wobei die Schärfe etwas besser sein könnte. Verglichen mit bisherigen Veröffentlichungen dieses Labels bewegt sie sich aber im oberen Bereich. Der Kontrast ist einen Tick zu steil eingestellt, wodurch dann helle Flächen ab und zu zum "Überstrahlen" neigen. Dunkle Bilder wirken irgendwie matschig. Das hört sich aber alles schlimmer an als es in Wirklichkeit ist. Ich war zufrieden.
Der Ton liegt wie immer bei diesem Label in guter Qualität vor. Der Zuschauer kann zwischen Deutsch und Hindi in DD5.1 wählen und bekommt dann einen sehr klaren Ton serviert. Natürlich kann man kein Soundfeuerwerk erwarten, aber die Räumlichkeit geht voll in Ordnung.
Bei den Extras hätte ich mir diesmal aber deutlich mehr gewünscht. Zwar liegt dem Digipack wie immer ein sehr schönes Poster bei, aber auf der Disk sind außer einem Trailer zu "Raincoat" und Trailern zu weiteren Veröffentlichungen von REM leider nichts vorhanden.
Fazit:
Ein ungewöhnlicher Film aus Indien, den sich aufgeschlossene Filmfans nicht entgehen lassen sollten. Kein Meisterwerk im herkömmlichen Sinn, aber gerade schauspielerisch und technisch durchaus sehr gelungen und ein wichtiger Film, der das indische Kino weiter gebracht hat.
Der Film weist zwar die eine oder andere Länge auf, aber so ein schönes ruhiges Drama habe ich schon lange nicht mehr gesehen. Bei mir wirkte der Film jedenfalls noch eine ganze Weile nach.
Eine generelle Empfehlung möchte ich nicht aussprechen, da dieses Genre und die ruhige Gangart schon eher etwas für Spezialisten ist. Herkömmliche Bollywood-Fans können durchaus einen Blick riskieren, aber ich habe die Befürchtung, dass diese aufgrund völlig anderer Erwartungen schnell die Lust an diesem "völlig untypischen" Bolly verlieren könnten.
- Redakteur:
- Detlev Ross
Story
Nach seiner gescheiterten Beziehung zu Niru ist der schüchterne Manoj nie wieder wirklich glücklich geworden. Und sein Seelenleben spiegelt sich auch in seinem beruflichen Unglück wieder. Manoj hat sich hoffnungslos in Schulden gestürzt und erhofft sich von einer Kalkutta-Reise Unterstützung von einstigen Schulkameraden. Ein alter Freund und dessen Frau nehmen Manoj bei sich auf, während dieser durch die Stadt reist und nach Möglichkeiten und Personen sucht, die ihm über seine finanzielle Misere hinweghelfen können. Und tatsächlich bekommt er einen Teil des benötigten Betrages zusammen. Doch dann holt ihn die Vergangenheit ein, und er lässt es sich nicht nehmen, seine alte, nach wie vor währende Liebe aufzusuchen.
Niru empfängt ihn schließlich sehr geheimnisvoll. Außer ihn lässt sie niemanden in ihr Haus hinein und gibt an, ihr Ehegatte würde sonst eifersüchtig werden. Weiterhin täuscht sie vor, in ihrem Luxusleben sehr unglücklich zu sein, weil ihr Mann aufgrund seiner gehobenen beruflichen Verpflichtungen ständig auf Reisen ist. Manoj, sichtbar neidisch auf den von Niru propagierten Wohlstand, hält dagegen und erzählt Niru, er sei ein erfolgreicher TV-Produzent. Was keiner vom jeweils anderen weiß: Sie steigern sich beide in kaum durchdachte Unwahrheiten hinein und haben es somit immer schwerer, ihre phantasievoll erzählten Lebensgeschichten logisch weiterzuspinnen. Als Manoj am nächsten Tag zurückkehrt, trifft er statt Niru jedoch deren Vermieter an. Und der hört sich genüsslich, aber voller Erstaunen an, was die ihm nicht mehr ganz wohl gesonnene Frau dem Besucher über sich erzählt hat.
Meine Meinung
Während das Gros der Bollywood-Produktionen auf vordergründige Romantik und pathetische Liebesgeschichten baut, setzt der Regisseur von "Raincoat" in erster Linie auf die sehr ruhige Atmosphäre seines Filmes. Dass sich ungefähr zwei Drittel der Geschichte in Nirus spärlicher Behausung abspielen, kommt ihm dabei sehr zugute, denn so kann er die melancholische Stimmung, die dort aus unerklärlichen Gründen die gesamte Dauer vorherrscht, auch wunderbar für den Aufbau seiner recht eigenartigen Handlung ausnutzen. Von allen Filmen, die ich bislang aus der Bollywood-Schmiede gesehen habe, ist “Raincoat“ deswegen auch der mit Abstand actionärmste, dafür aber gleichzeitig der mit den schönsten Dialogen. Es sind sichtlich tolle Schwingungen, die sich wie ein roter Faden durch die vielen emotionalen Zwiegespräche ziehen, sei es nun in den geladenen Dialogen zwischen Manoj und seiner Mutter bzw. seinem kurzzeitigen Obdachgeber, oder aber in den sanften Gesprächen mit der Frau des Letzteren und natürlich mit Niru. Und dennoch ist nur schwerlich erkennbar, auf was die Gesprächspartner des gehemmten Hauptdarstellers hinauswollen. Welche Zwecke verfolgt zum Beispiel seine Vermieterin, wenn sie abends in sein Zimmer kommt und nach den Gefühlen für seine ex-Geliebte fragt? Alleine diese Stelle reißt den Streifen kurzfristig aus dem Zusammenhang und ermöglicht dem Regisseur bezüglich des Handlungsablaufs völlig neue Dimensionen. Doch was macht der? Verweigert jegliche Rahmenspielräume und konzentriert sich noch fokussierter auf das Verhältnis zwischen Niru und Manoj. Gut oder schlecht? Ich weiß nicht...
Andererseits knistert es hier während der gesamten Laufzeit vor Spannung, und dies ist eine jederzeit greifbare Spannung, die einen Manojs erneute Enttäuschung verstehend mitfiebern lässt, einen aber auch vor die Frage stellt, warum dieser sich auf Nirus seltsames Spiel einlässt und selber den Schauspieler mimt. Dies ist schließlich auch der Moment, wo einen der Film persönlich berührt, die Passage, in der die Identifikation mit Manoj stattfindet, aber auch der Teil in “Raincoat“, der einen (sofern man sich in die Lage versetzen kann) sein eigenes Verhalten im Falle des Falles hinterfragen lässt. Was würde man tun, wenn plötzlich der alte Geliebte, den man nur verlassen musste, weil die Familie es anders wollte, wieder auftaucht? Zeigt man Stolz oder bleibt man bei der Wahrheit? Will man seine Entscheidung rechtfertigen oder den Fehler einsehen? Will man überhaupt wieder damit in Verbindung gebracht werden? Auf der anderen Seite stellen sich ähnliche Fragen: Ist die verletzende Enttäuschung verzeihbar? Muss man sich ein weiteres Mal auf den Boden ziehen lassen? Oder ist es doch nur die Bestätigung dafür, dass das eigene Leben nicht wert ist und dass man das eigene Schicksal verdient hat?
“Raincoat“ analysiert quasi Rückwirkend das Scheitern einer bis zum Ende glücklichen Beziehung, ohne das dabei die emotionale Ebene zu sehr erforscht wird. Soll heißen, die beiden Hauptfiguren schaffen es nicht, in ihrem lang währenden Dialog auf den Punkt zu kommen, weil ihr Kommunikationsproblem es nicht zulässt, ehrlich miteinander umzugehen. Und dies scheint auch die Misere zu sein. Man kann zwar für sich sprechen, aber nicht miteinander, und so kann - trotz Liebe - keine Beziehung funktionieren. Trotz enttäuschendem Ende eine grandiose, zurückhaltende Inszenierung, die trotz der seltenen Situationswechsel niemals langweilig wird.
DVD-Aufarbeitung
Entsprechend der melancholischen Atmosphäre ist auch das Bild ein bisschen blasser geraten, was aber leider auch mit sich zieht, dass es phasenweise an Schärfe vermissen lässt. Dazu kommen einige schwammige Bildfolgen, die ganz und gar nicht zum so guten Gesamteindruck passen wollen. Im Gegensatz dazu ist der Ton meisterlich, sofern er denn überhaupt beansprucht wird. Das heißt, die Tanz- und Gesangseinlagen nutzen die Möglichkeiten des Dolby Surround-Systems sehr gut und werden durch einen angenehm warmen Raumklang untermalt.
Fazit
“Raincoat“ ist kein klassischer Bollywood-Film, für Freunde des Metiers aber dennoch wie geschaffen. Viele Gefühle, versteckte Emotionen und ein großer Schuss Verzweiflung. Dies sind die prägenden Elemente eines recht außergewöhnlichen Dramas aus dem indischen Kino. Mich persönlich hat dieser Film trotz seines merkwürdigen Plots bewegt.
- Redakteur:
- Björn Backes