Rancid – Treibjagd durch die Nacht
- Regie:
- Joakim Ersgard
- Jahr:
- 2004
- Genre:
- Thriller
- Land:
- USA
- Originaltitel:
- Rancid
1 Review(s)
28.02.2006 | 16:18Gottes Auge wacht: Treibjagd mit Überraschungen
Seit einem tragischen Vorfall bekommt der talentierte Schriftsteller John Hayson kein Wort mehr aufs Papier und hält sich mit Aushilfsjobs über Wasser. Als er bei einem Klassentreffen seine Jugendliebe Monica wieder trifft, werden ein harmloser Flirt mit ihr und die alte Feindschaft zu ihrem Mann plötzlich zu einer tödlichen Gefahr. Nach der Party wird John nämlich als Mörder gesucht und er hat nur eine Nacht, um seine Unschuld zu beweisen …
Filminfos
O-Titel: Rancid (USA 2004)
Dt. Vertrieb: Sunfilm (10.03.2006)
FSK: ab 16
Länge: ca. 99 Min.
Regisseur: Joakim Ersgard
Drehbuch: Joakim, Jesper & Patrick Ersgard
Musik: Mikael Sandgren & Trevor Morris
Darsteller: Matthew Settle, Fay Masterson, Currie Graham u. a.
Handlung
John Hayson (M. Settle), 33, steht im Wäscheschacht der Villa seines Intimfeindes Crispin Klein auf einer sehr wackeligen Unterlage. Schweiß läuft ihm übers Gesicht, während die Polizeibeamten das Haus auf den Kopf stellen, um den Mörder der Frau zu finden, die mit durchschnittener Kehle auf dem Ehebett liegt: Es ist Monica Klein, Johns frühere Freundin und jetzige Geliebte (Masterson).
Da stößt ein Cop die Tür zum Wäscheschacht auf, und Hayson macht eine falsche Bewegung. Er stürzt in die Tiefe, rappelt sich wieder auf, öffnet ein Fenster und gelangt gegen Widerstand hinaus. Indem er so schnell rennt, wie er kann, entkommt er den von Donuts aufgeschwemmten Bullen. Einer der Beamten von der Kripo, Andy Fell, klaut das Adressbuch der Toten.
Doch wie hat es nur so weit kommen können, dass man ihn jetzt wie einen Schwerverbrecher überall in New York City sucht? Seine Auftraggeberin Bergquist, für die der Schriftsteller ab und zu schrieb, sagt aus, dass er a) eine Freundin namens Angela Morris habe, die Inhaberin einer Telemarketingagentur sei. Und dass b) Hayson Crispin Klein wegen Monica, seiner früheren Freundin, gehasst habe. Dabei hatte sie John vor fast sieben Jahre verlassen, nachdem sie wegen ihm eine Abtreibung hatte machen lassen. Als der Abort schiefging, war sie unfruchtbar, heißt es.
Vor drei Wochen fing die ganze Chose an, brenzlig zu werden. Bei einem Klassentreffen knutschte Monica mit Hayson herum, wurde von allen gesehen. Das brachte natürlich Crispin auf die Palme, der seine Frau sofort verprügelte und hinterher Hayson in dessen Bruchbude besuchte. Von der ließ er nichts mehr übrig, aber Hayson überlebte. Haysons alter Schulkamerad Andy Fell sagte ihm, er solle selbst etwas deswegen unternehmen.
Doch am nächsten Tag kam Monica selbst und sie machten Liebe. Sie will sich nicht von Crispin scheiden lassen, denn dann verlöre sie allen Luxus, und sie hat ja noch – was sie Hayson natürlich nicht erzählt – ihren Lover Richard Desmond auf der Seite, als Trost. Crispin weiß schon bald Bescheid über die beiden, doch sie treffen sich weiterhin. Sie gibt ihm den Code für die Deaktivierung der Alarmanlage. Was mag sie wohl von Hayson wollen?
Es gibt nur einen Ausweg aus dieser Misere. Hayson fragt Andy Fell: "Wie bringt man einen Menschen um?", und der Freund hat auch gleich ein paar gute Tipps auf Lager. --
Nach der Mordnacht entwickelt sich ein Katz-und-Maus-Spiel zwischen Hayson, der Polizei, Kleins Leuten und Angela Morris, die ihm mehrfach aus der Patsche hilft. Auch Andy Fell scheint Hayson ein wahrer Freund zu sein, doch Andy hat offenbar eine eigene Agenda, wie sich in mehreren blutigen Konfrontationen herausstellt …
Mein Eindruck
Wie ich schon angedeutet habe, hält der Thriller mehrere Überraschungen bereit – bis zum Schluss. Sobald man sich also an das Hin- und Herhüpfen zwischen Gegenwart (Mordnacht) und Vergangenheit (drei Wochen davor und dann vorwärts) gewöhnt hat, kann man sich über eine einfallsreiche Handlung freuen, die die grauen Zellen auf Trab hält.
~ Tabubrüche ~
Es könnte auch an den drei schwedischen Drehbuchautoren liegen, dass hier eine Reihe von Tabubrüchen begangen werden. 1) Monica Klein hat abgetrieben und dennoch zwei Lover - gleichzeitig. (Klingt banal, kann aber in USA Morddrohungen auslösen.) 2) Eine tapfere Polizistin wird von einem fiesen Ganoven unvermittelt erschossen. Sie trug offenbar keine kugelsichere Weste. 3) Ein Mitglied der Kripo wird von einem Angehörigen der New Yorker Unterwelt erpresst und zu gesetzwidrigen Handlungen gezwungen. 4) Dieses Mitglied der Kripo wird von einem flüchtigen mutmaßlichen Verbrecher (Hayson) im Beisein seines Polizei-Captains angerufen und – das ist der Hammer! – auch noch gedeckt. Dass dies jede Menge Ärger gibt, dürfte wohl klar sein.
Die Autoren spielen mit den Erwartungen des Zuschauers, um sie dann aufs Heftigste zu enttäuschen. Die grün und blau geprügelte Ehefrau Monica, mit der man wirklich Mitleid haben muss, ist ein intrigantes Frauenzimmer, das seinen Ex-Freund als Mordwerkzeug benutzt. Der dämlich dreinredende Kripo-Inspektor Sam, den wir immer für den Verräter gehalten haben, ist der Gute. Und der so genannte "Gute" ist natürlich der "Böse".
~ Das Auge Gottes ~
Auch optisch haben sich die drei Schwedenbrüder – ihr Vater war ein bekannter Regisseur – einiges einfallen lassen. Am augenfälligsten sind da die überraschenden Kamerafahrten. Ich fragte mich die ganze Zeit, wie sie das gemacht haben: aus der Höhe über Manhattan in ein Zimmerfenster hineinzuzoomen – und dann auch wieder hinaus, als wäre die Kamera das Auge Gottes.
Wirklich rasant im Schnellvorlauf kommt die Kamera in Fahrt, wenn sie das Mordhaus entert und durch die Korridore der Villa Crispin Kleins schwebt. Alles ist in ein grünliches Licht getaucht (wird am Computer erzeugt), das eine Aura des Rätsels und Grusels erzeugt. Absolut passend zu den Geschehnissen, die gleich darauf folgen. Der Effekt ist nicht Comic-haft. "Rancid" hat nichts mit "Sin City" oder "Batman" zu tun, sondern weitaus mehr mit all den "C.S.I."-TV-Serien, die derzeit auf unseren Kanälen laufen. (CSI = Crime Scene Investigation = Tatortuntersuchung).
~ Die Darsteller ~
Während also Handlung top und Optik augenöffnend sind, muss man sich mit den Darstellern erst noch anfreunden. Matthew Settle (Hayson) ist aus dem Kriegsdrama "U 571" und aus "Band of Brothers" bekannt. Fay Masterson (Monica) trat in Kubricks "Eyes Wide Shut" und Currie Graham in "Assault on Precinct 13" auf. Das sind noch unverbrauchte Gesichter, aber die Schauspieler haben etwas auf dem Kasten. Ich versuche mir vorzustellen, wie dieser gute Krimi mit bekannten Gesichtern aussähe, und da fallen mir eine ganze Reihe von Leuten ein, die um die dreißig sein dürften: Chris Klein ("American Pie 1+2"), Rachel Weisz ("Die Mumie"), Aaron Eckhart ("Paycheck"), um nur eine kleine (sicherlich umstrittene) Auswahl zu nennen.
Was nun allerdings der Titel mit der Story zu tun hat, kann ich nicht nachvollziehen. "Rancid" bedeutet – ich hab’s nachgeschlagen – so viel wie "ranzig", also schlecht riechend, stinkend. Ist das die neue Ästhetik der Hässlichkeit? Bei den Schweden ist ja bekanntlich mit allem zu rechnen (nur die Finnen spinnen!).
Die DVD
Technische Infos
Bildformate: 1:2,35 (16:9)
Tonformate: D in DTS und DD 5.1, Englisch in DD 5.1
Sprachen: D, Englisch
Untertitel: D
Extras:
- Bio-/Filmografien zu: Settle, Masterson, Joakim „Jack“ Ersgard
- O-Trailer
- Trailershow: Nicotina; Code 46; Kontroll; Immortal; Arsène Lupin; TDR: The Devil’s Rejects
Tja, außer Werbung gibt’s also die aufschlussreichen Bio-/Filmografien. Sie stellen die Hauptdarsteller Matthew Settle und Fay Masterson sowie den Regisseur detailliert mit Texttafeln vor.
Unterm Strich
Ich kann nur hoffen, dass die drei Schwedenbrüder noch weitere solche guten Thriller drehen. Hier gehen dramaturgische Finesse mit optischen Einfällen Hand in Hand. Die Schauspieler müssen nur noch das Drehbuch in Action übersetzen, und hier gibt es Gewöhnungsbedarf. Wer sich aber nicht an den relativ unbekannten Gesichtern, denen jeder Glamour fehlt, stört, der kann sich ganz auf die verzwickte Story konzentrieren. Und wird mit heftigen Szenen überrascht, so dass man sich das Ganze gleich noch einmal ansehen will.
Schade, dass weder ein Making-of noch ein Behind the Scenes den Weg auf die Silberscheibe gefunden haben. Immerhin liefert die Biografie von Joakim "Jack" Ersgard ein paar Hintergrundinformationen, wie es zu diesem interessanten Thriller gekommen ist.
- Redakteur:
- Michael Matzer