Reine Familiensache - Manchmal fällt der Apfel weit vom Stamm
- Regie:
- Raymond De Felitta
- Jahr:
- 2005
- Genre:
- Komödie
- Land:
- USA
- Originaltitel:
- The Thing About My Folks
1 Review(s)
09.09.2006 | 11:03Hintergrund
Wer "Peter Falk" sagt, muss auch "Columbo" sagen. Der scheinbar begriffsstutzige, leicht heruntergekommene Polizeiinspektor ist so eng mit der Person des Peter Falk verknüpft wie Robert Englund mit Freddy Krueger oder Ed O’Neill mit Al Bundy.
Diese Schauspieler haben oft Schwierigkeiten, eine ernste Kinorolle zu bekommen, die nicht unweigerlich an ihre "Paraderollen" erinnert. Häufig will man ihnen ihre Rolle nicht abnehmen, da man unweigerlich die andere Figur vor Augen hat, wodurch das gesamte Spiel verkommt. Hier zeigt sich die wahre Klasse eines Darstellers, der im wahrsten Sinne des Wortes über seinen Schatten springen muss.
Die Hürde der 69 gedrehten "Columbo"-Filme scheint hoch, in "Reine Familiensache" zeigt Falk jedoch, was für ein grandioser Schauspieler er doch ist.
Handlung
Ben (Paul Reiser) hat alles, was sich ein Mann in seinen Vierzigern wünscht: eine tolle Frau, zwei liebreizende Töchter und ein Traumhaus außerhalb der Stadt in Aussicht. Die Idylle scheint perfekt. Doch eines Tages steht Bens Vater Sam (Peter Falk) vor seiner Tür. Er wirkt aufgelöst und verwirrt. Wie sich herausstellt, hat ihn seine Frau Muriel (Olympia Dukakis) nach 47 Jahren Ehe verlassen - ein einfacher Brief am Kühlschrank verkündete das Ende der Ehe. Um Sam auf andere Gedanken zu bringen, beschließt sein Sohn Ben, ein gemeinsames Wochenende auf dem Land mit ihm zu verbringen. Der gut gedachte Trip scheint aber schnell zur Odyssee zu werden, da Ben sein Auto vor einen Baum setzt.
Eine abenteuerliche Reise durch das Grün des Bundesstaates New York beginnt, auf der sich Vater und Sohn näher kommen als in den über vierzig vorangegangenen Jahren.
Kritik
Das Genre der Beziehungsfilme wird in Hollywood wohl als eines der wenigen jegliche Trends überdauern. Zu viele Geschichten, die dem wahren Leben entspringen, wollen hier erzählt werden. Es gibt zu jedem Beziehungskonflikt zig Filme, die mal realistischer, mal weniger realistisch an die Sache herangehen, im Mittelpunkt aber immer eine gewisse Botschaft vermitteln wollen.
"Reine Familiensache" ist einer der lebensnaheren Filme geworden. Hauptdarsteller und Drehbuchschreiber Paul Reiser orientierte sich sehr stark am Leben, ohne übertriebene Effekthascherei zu betreiben (vgl. "Meine Braut, ihr Vater und ich"). Dadurch gelingt es dem Zuschauer sehr schnell, einen Bezug zu den Charakteren aufzubauen und sich mit ihnen zu identifizieren. Solche oder so ähnliche Momente hat sicher jeder schon einmal erlebt, und wenn nicht, stehen die Chancen gut, dass er sie noch erleben wird. In vielen Dialogen wird auf das Vater-Sohn-Verhältnis eingegangen, die Charakterzeichnung und -entwicklung weiß zu gefallen.
Überhaupt ist das Skript eine der großen Stärken des Films - natürlich weiß man an vielen Stellen, wie es weitergehen wird, und einige Momente sind arg vorhersehbar, doch darum geht es nicht. Vielmehr steht das WIE im Vordergrund, die Art und Weise, in der sich das Verhältnis zwischen den Protagonisten Ben und Sam entwickelt. Hier zeigt sich die Feinfühligkeit des Skripts, welches wunderbar zwischen Sentimentalität und Humor pendelt, ohne dabei zu sehr in eines der beiden Extreme abzurutschen. Die sentimentalen Momente sind gut gesetzt, werden aber schnell durch witzige Gegenstücke aufgelockert, wodurch sich der Film emotional die Waage hält. Mit der Zeit lernt man die Charaktere besser kennen, die sich über die Filmdauer wiederum selbst und gegenseitig besser kennen lernen. Hierbei wird gerade der Prozess der Selbstreflektion sehr schön herausgearbeitet. An vielen Stellen wird der Zuschauer dazu angeregt, sich über das Gezeigte Gedanken zu machen und die filmischen Szenen auf sein eigenes Leben zu übertragen. Ähnlich wie in Tim Burtons "Big Fish" (jedoch bedeutend bodenständiger und weniger mythisch), wird der Mythos um die Vaterfigur ergründet und das Rätsel um diese Person gelüftet.
Glücklicherweise ist diese Vaterfigur mit Peter Falk perfekt besetzt. Sein Spiel gefällt von der ersten Minute an, er wird schon in seiner ersten Szene zum Sympathieträger (was nicht zuletzt an den vielen Flüchen liegt). Dass man während des Films zu keinem Zeitpunkt an den Trenchcoat-Tragenden Inspektor denkt, beweist Falks schauspielerisches Talent.
Doch auch Paul Reiser macht seine Sache sehr gut und mimt den Sohn glaubhaft. Der übrige Cast ist gut, sticht aber nicht besonders heraus. Was wirklich heraussticht, sind die tollen Landschaftsaufnahmen New York States im Herbst - die bunten Baumkronen in allen Farben verwöhnen das Auge. Bodenständig, aber sehr schön. Gut geschrieben, schön gefilmt und gut gespielt.
Die DVD
Das Bild (1,85:1 - 16:9) ist recht gut, überzeugt vor allem im Kontrast, leistet sich bei der Schärfe jedoch stellenweise leichte Aussetzer. Zudem rauschen die Hintergründe sichtlich. Dafür sind die Farben schön kräftig, was besonders den Landschaftsaufnahmen zu Gute kommt.
Beim Ton hat man die Auswahl aus drei Tonspuren, je eine DD-5.1-Spur in englischer und deutscher Sprache und eine DTS-Spur in letztgenannter. Wirkliche Unterschiede zwischen dem DTS-Track und den Dolby-Pendants lassen sich nicht ausmachen, die deutsche Synchronisation kling wie üblich im Vergleich zum Originalton aufgesetzt. Ansonsten wird einem eine schöne Soundkulisse geboten, die alle Lautsprecher fordert. Des Öfteren gibt es räumliche Effekte und auch der Score darf sich frei im Raum entfalten. Dafür hat der Subwoofer einen fast freien Tag.
Extras sucht man leider vergebens, einzig Texttafeln mit Biografien des Casts und der Crew sowie ein Trailer haben es auf die DVD geschafft.
Fazit
"Reine Familiensache" ist ein solider und bodenständiger Film, der geradezu prädestiniert für einen Familienabend ist. Die lebensnahe Geschichte mit ihren glaubhaften Charakteren weiß zu gefallen, ebenso wie die schauspielerischen Leistungen. Emotionale Momente lösen witzige Dialoge ab, das Gleichgewicht stimmt. Lediglich einige Längen und der zähe Beginn trüben den Filmgenuss.
Kein großer Sonntag-Abend-Film, für laue Frei-, und Samstage mit der Familie aber mehr als geeignet. Wer Beziehungskomödien mit einem Schuss Drama mag, ist hier richtig.
- Redakteur:
- Martin Przegendza