Schlangengrube und das Pendel, Die
- Regie:
- Harald Reinl
- Jahr:
- 1967
- Genre:
- Horror
- Land:
- Deutschland
1 Review(s)
19.12.2005 | 08:09Schreck, lass nach: Edgar Allan Poe in der deutschen Provinz
Im Jahr 1801 wird Graf Regula wegen Mordes an zwölf Jungfrauen gevierteilt. Viele Jahre später erhalten der Advokat Roger Mont-Elise und die attraktive Baronesse Lilian eine Einladung in das verrufene Sandertal. Die Fahrt durch gespenstische Wälder führt sie direkt in die Ruinen des Schlosses von Graf Regula und dessen Folterkammer. Noch kann niemand ahnen, dass hier die Wiederbelebung des Grafen vorbereitet wird, doch dafür braucht dieser noch das Blut einer dreizehnten Jungfrau …
Filminfos
O-Titel: Die Schlangengrube und das Pendel (GER 1967)
Dt. Vertrieb: e-m-s
DVD-Veröffentlichung: 24.11.2005
ASIN: B000BL3ABO
FSK: ab 12
Länge: ca. 80 Min.
Regisseur: Harald Reinl
Drehbuch: Manfred R. Köhler
Musik: Peter Thomas
Darsteller: Lex Barker, Karin Dor, Christopher Lee u. a.
Handlung
Man schreibt das Jahr 1801 oder 1806 – die Angaben sind sich da nicht ganz einig. Jedenfalls verkündet der Richter Reinhard von Marienberg (Lex Barker mit Bart und Perücke), dass der Gefangene Graf Regula von Andomai (Christopher Lee) zum Tode verurteilt worden sei und zwar durch Vierteilen. Diese besonders schändliche und schmerzhafte Todesart hat sich Regula durch die Folterung und Tötung von zwölf Jungfrauen auf seiner Burg eingebrockt. Auf dem Marktplatz der Stadt Bergenstadt wird das Urteil unter den Augen einer schaulustigen Menschenmenge vollstreckt. Regula trägt dabei eine Maske. Das mindert aber nicht seine Schreie.
Im Jahr 1841 besingt ein Moritatensänger die damaligen Ereignisse. Der mit einem Holzbein ausgestattete Sänger schleicht dem Advokaten Roger von Mont Elise (Lex Barker ohne Bart oder Perücke) nach und übergibt ihm einen Brief: Es ist eine Einladung zum Schloss Andomai, wo Graf Regula ihm Informationen über seine Herkunft eröffnen will. Roger ist nämlich ein Findelkind, das, als man es fand, nur ein Medaillon besaß, auf dem eine Frau über einem Berg dargestellt ist. Zur gleichen Zeit bringt der Sänger auch der Baronesse Lilian von Brabant eine Einladung. Was sie nicht wissen: Schloss Andomai liegt im verrufenen Sandertal.
In der dortigen Stadt warnt man Roger vor der "Blutburg". Passenderweise zieht eine Jesus-Prozession vorüber, die den Zweck verfolgt, den Teufel zu beschwichtigen. Der Einzige, der Roger zum Schloss begleiten will, ist ein als Pater verkleideter Räuber namens Fabian. Als sie durch den Wald fahren, wird die vor ihnen fahrende Kutsche der Baronesse von schwarzen Reitern angegriffen. Rogers Eingreifen verhindert die Entführung der Dame und ihrer Zofe. Die beiden fahren fortan bei Roger mit. Er erfährt, dass Lilian das Erbe ihrer Mutter antreten will, die offenbar mit dem Herrn von Andomai verheiratet war. Roger verrät ihr nicht, was er über das Schloss gehört hat.
Die Fahrt dauert ungewöhnlich lange, und in der nebligen Nacht scheinen Menschenleiber aus den Bäumen zu wachsen und Leichen an den Bäumen zu hängen. Nicht nur sie, sondern auch drei Raben – und dazu noch am Karfreitag! – jagen dem armen herzkranken Kutscher einen Heidenangst ein. Er erleidet einen tödlichen Herzanfall. Wölfe heulen, wahrscheinlich aus Vorfreude auf ein Festmahl.
Während Roger und Fabian noch tatenlos herumstehen, entführt der Lakai des Grafen die Kutsche mit den beiden Frauen. Als die Männer endlich eintreffen, fällt das Fallgatter hinter ihnen herunter, doch sie werden von Lady Lilian charmant begrüßt. Sie ist wie ausgewechselt. Und in der Tat scheint ein seltsames Gift an ihr seine Wirkung zu tun. Sie mag Schlangen! Und der Trunk, den Zofe Babette kredenzt, besteht aus purer Säure. Na, dann: Prost!
Im weiteren Verlauf der Ereignisse erfahren die im Schloss Eingesperrten, dass sich der Herr Graf – nanu, der ist doch schon lange tot, oder? – nicht nur an Herrn von Marienberg, also Roger, zu rächen gedenkt. Er benötigt auch das Blut von Baroness Lilian als der dreizehnten Jungfrau, um sein Wiederaufstehungsritual so zu modifizieren, dass es ihn unsterblich macht. Bei solch wichtigem Ritual stört Roger eigentlich nur. Ab mit ihm in die Todeskammer des Pendels!
Die DVD
Technische Infos
Bildformate: Widescreen 1:66:1 (anamorph)
Tonformate: D und Englisch in DD 2.0 (mono)
Sprachen: D, Englisch
Untertitel: D
Extras:
- Fernsehbericht "Ein Grusical wird gedreht"
- Fernsehbericht "Neues vom Film"
- Deutscher Kinotrailer
- Die Burg des Grauens (S8-Fassung)
- Die Schlangengrube des Dr. Dracula (S8-Fassung)
- Umfangreiche Bildergalerie
- Karin Dor Audiointerview
- Bio- und Filmografien
- Booklet mit Essay
Mein Eindruck
Der Streifen war der erste Gothic-Horror-Streifen, der in Westdeutschland gedreht wurde und daher, wie die Fernseberichte belegen, auf entsprechende Aufmerksamkeit stieß. Die Constantin-Film wollte damit an den Erfolg der Edgar-Wallace- und Karl-May-Filme anknüpfen und zugleich den Poe-Verfilmungen Roger Cormans etwas Einheimisches entgegensetzen. Der Mann für diesen Job war Harald Reinl, der ja schon Edgar-Wallace- und Karl-May-Stoffe ins Bild gesetzt hatte, so etwa "Der Schatz im Silbersee". Außerdem hatte er ein Remake des Sagenstoffes "Die Nibelungen" fertiggestellt, eine gewaltige Leistung für die damalige Zeit.
Mit Lex Barker, Christopher Lee und Karin Dor hatte die Constantin drei bereits international sehr erfolgreiche Stars verpflichtet. Lee sprach zudem als ehemaliger Geheimdienstoffizier fließend deutsch und hatte mit den Fu-Manchu-Filmen sehr aktuellen Erfolg. Lees Präsenz bekommt auch diesem Film sehr gut. Ohne ihn wäre das Finale nicht möglich. Der Komponist Peter Thomas hatte bereits die Musik zu den Edgar-Wallace-Streifen geliefert, und Manfred R. Köhler adaptierte Poes Erzählung "The pit and the pendulum" aus dem Jahr 1842 sehr frei. Der surrealistische Maler Gabriel Mellon steuerte die bemerkenswerten, an Hieronymus Bosch erinnernden Malereien und das Set-Design bei.
Wirtschaftlich wurde der im Oktober 1967 in den Kinos gezeigte Film allerdings ein Flop, denn er kam in Europa wie auch in den USA zu spät. Der Trend ging weg von historisierenden Gruselstoffen hin zu Western und – in Italien – zum Giallo, einer speziellen Gruselfilmabart. Nur auf einschlägigen US-Spartenkanälen und auf Video ließ sich der Streifen erfolgreich vermarkten, schreibt Mirek Lipinski im Booklet.
Dabei hat der Horrorstreifen durchaus originelle Schauwerte vorzuweisen. Ähnliche Gemälde wie die von Gabriel Mellon wird man in anderen Produktionen vergeblich suchen. Ein Wald, aus dessen Bäumen Gliedmaßen wachsen, ist meines Wissens ebenso selten wie ein Hain voller Gehenkter. Allerdings – und diesbezüglich hat Lipinski völlig Recht – sind in diesem ganzen Dekorations-Overkill Schauspieler eher unwichtig. Wichtig sind Gefühle, und die werden von Sets und allerlei Getier ausgelöst.
Einzige Ausnahme: Graf Regula alias Christopher Lee, der den ganzen Spuk ja angestoßen und mit seinem Diener Anatol in Szene gesetzt hat. Schließlich will er ja Lillian opfern, um unsterblich zu werden. Mich hätte noch ein wenig mehr die Hintergrundstory interessiert, z. B. das Verhältnis von Lilians Mutter zum Grafen. Ebenso wie sich der Graf – ein entfernter Verwandter von Dracula, wie der Name andeutet – sich die zwölf Jungfrauen besorgt hat, die jetzt ebenso malerisch wie unmotiviert in seinem Labor drapiert sind. (Wie kommt es, dass die Körper der zwölf Damen nach 35 Jahren noch frisch und knackig sind, wo doch schon Regula Probleme hat, sein Alter zu halten?)
Lex Barker kann hier leider nicht die Agilität seiner Tarzan-Rolle ausspielen und wird quasi von den Schlossmauern erdrückt und eingezwängt. Karin Dor hetzt ebenfalls durch die Korridore, bis sie über der Schlangengrube einen Horrormoment erlebt. Auch ihre Zofe Babette darf einschlägig bedroht werden. All das ist einfalls- und temporeich inszeniert und treibt einem Finale zu, das mit Spezialeffekten nicht spart. Schade, dass der Film nicht ankam. Es könnte daran liegen, dass er sehr lange braucht, um in die Gänge zu kommen. Horror ist eben nicht Mantel-und-Degen.
~ Die DVD ~
Das Bild wurde neu abgetastet und erstrahlt nun in alter Frische. Der Ton weist ebenfalls keinerlei Macken auf, doch bei Mono-Qualität muss man seine Ansprüche zurückschrauben. Das Booklet ist, wie die obigen Informationen belegen, sehr hilfreich, um in den Hintergrund der Produktion dieses Streifens einzusteigen. Interessant ist das Titelbild, das französischen Ursprungs ist.
Der schwarzweiß gedrehte Fernsehbericht des WDR (2:40) eröffnet den Reigen der Bonusmaterialbeiträge. Der Film wird darin als der "erste deutsche Horrorfilm der neuen Welle" bezeichnet. Man drehte unter anderem in Detmold, in Rothenburg ob der Tauber, im Isartal und in den Münchner Bavaria Studios. Lex Barker, 48, bei Fans "Sexy Lexy" genannt, gibt sich gutmütig und zuversichtlich. Sein US-Akzent ist unüberhörbar.
Der ZDF-Beitrag "Neues vom Film" ist in Farbe gedreht und bringt bei einer Länge von knapp vier Munuten Interviews mit Reinl, Dor und Lee. Die Fülle von Lees Haar – hoffentlich kein Toupet – erstaunt den voreingenommenen Betrachter etwas. Er war 1967 bereits 45 Jahre alt.
Der deutsche Trailer unterscheidet sich wenig von anderen seiner Kategorie. Ein ganz anderes Kaliber sind hingegen die beiden Super8-Streifen, die jeweils 15 Minuten lang sind und nicht gerade durch gute Bildqualität glänzen. Sie bieten eine stark komprimierte Form des Films und lassen die Vorgeschichte gleich ganz weg. Die Bildergalerie ist sehr interessant, bietet sie doch nicht nur Szenen- und Starfotos, sondern auch Presse-Clippings, Video-Titelbilder, S8-Fassung-Cover und sogar ein Autogrammfoto von Lex Barker.
Das Audio-Interview mit Karin Dor aus dem Jahr 2001 ist immerhin 40 Minuten lang und wurde in bescheidener Diktaphonqualität aufgenommen. Das wäre zu verschmerzen, wenn nicht ausgerechnet ihre Aussage über diesen Film dem Cassettenwechsel zum Opfer gefallen wäre. Dieser kurze Teil wird als Text nachgeliefert. Demnach hatte die Constantin NICHT vor, eine Fortsetzung zu drehen. Angesichts des Flops ist das erklärlich.
Recht fundiert, detailliert und aktuell zeigen sich die Bio- und Filmografien zu Reinl (geboren 1908), Dor (1936), Lee (1922) und Barker (1919). Man hat es also mit einem Zeitraum zu tun, der von 1908 bis 2005 reicht, also fast hundert Jahre. Das bedeutet geballte Filmgeschichte an einem Ort. Dementsprechend lang sind die Textbeiträge und die Listen von Filmen, die die vier Filmschaffenden vorzuweisen haben.
Ein letztes Special ist nicht auf der DVD-Box abgedruckt: Unter dem Menüpunkt "Weitere DVDs" verbergen sich Leckerbissen des Gruselfilms. Bereits veröffentlicht ist die DVD von "Der Blob – Angriff aus dem Weltall" mit Steve McQueen. Außerdem gibt es Mario Bavas sadomasochistischen Gruselstreifen "Der Dämon und die Jungfrau" mit Christopher Lee und Daliah Lavi zu bewundern. Leider erwiesen sich die Trailer zu den Filmen drei ("Baron Blood") bis fünf als nicht anwählbar. Hier liegt wohl ein kleiner Programmierfehler vor.
Unterm Strich
Zu den Stärken dieser DVD zählen zweifellos einige originelle Einfälle des Films sowie die Ausstattung mit Bonusmaterial. Von der ursprünglichen Poe-Erzählung sind im Grunde nur noch das Pendel und eine Grube übrig geblieben, sonst nichts. Aber wahrscheinlich hätten die deutschen Zuschauer mit der spanischen Inquisition wenig anzufangen gewusst, die bei Poe für die Folter verantwortlich ist.
Die DVD ist für Grusel- und andere nostalgische Liebhaber deutscher Filmproduktionen interessant, sowohl vom historischen wie auch vom ästhetischen Standpunkt gesehen. Andere Zuschauer, insbesondere jüngere Semester, dürften dafür kaum Interesse aufbringen.
- Redakteur:
- Michael Matzer