SommerHundeSöhne
- Regie:
- Cyril Tuschi
- Jahr:
- 2004
- Genre:
- Melodrama
- Land:
- Deutschland
1 Review(s)
18.10.2006 | 09:05Story
Wie es der Zufall so will, treffen eines Tages zwei Männer aufeinander, die verschiedener nicht sein können: Frank, der sich als absoluter Tollpatsch erweist, als er das Motorrad seines Gegenübers versehentlich über den Haufen fährt, und Marc, der den peinlichen Gehversuch mit dem Wohnmobil seines neuen Anhängsels dazu nutzt, an seiner Seite unterzutauchen. Der kaltherzige Macho nimmt den infantilen Träumer nämlich kurzerhand als Geisel und gibt vor, dass er seinen schwerkranken Vater in Marokko besuchen möchte. Frank ist zwar gar nicht damit einverstanden, ohne Planung die Reise nach Nordafrika anzutreten, kann sich aber gegen seinen neuen 'Kumpel' nicht behaupten.
Und schon bald entstehen Zweifel an Marcs Vorgehen; Frank ist sich sicher, dass sein Beifahrer Dreck am Stecken hat und forscht intensiv nach der Wahrheit. Bevor er diese jedoch erfährt, nimmt das ungleiche Gespann noch zwei Gäste mit auf ihre Fahrt, die noch mehr Unruhe in die Wohnmobilgemeinschaft bringen: Zum einen wäre da der Geisteskranke Pauly, der trotz des größten Widerstand des breitschultrigen 'Entführers' mitreisen darf, und zum anderen die hübsche Ilvy, die den beiden nicht nur den Kopf verdreht sondern auch die ersten handfesten Konflikte auslöst. Und da ist dann noch Marcs wahre Geschichte, die nicht nur zum Eklat führt, sondern vor allem erst dann ans Tageslicht gerät, als man schon kurz vor der Fähre nach Afrika steht...
Meine Meinung
"SommerHundeSöhne" - ein Film so ungewöhnlich wie sein Titel und so frech, wie es das deutsche Kino schon längere Zeit nicht mehr war. Regisseur Cyril Tuschi hat sich hier an ein etwas anderes Road-Movie gewagt, sich dabei an keine gängigen Konventionen gehalten und ganz nebenbei zwei der besten deutschen Nachwuchsschauspieler einer breiteren Öffentlichkeit präsentiert. Stipe Erceg alias Marc werden manche vielleicht schon aus "Die fetten Jahre sind vorbei" kennen, wohingegen der phänomenal spielende Fabian Busch erste Sporen in "Der Untergang" verdienen konnte. Vor allem Letztgenannter gibt in "SommerHundeSöhne" eine fantastische Figur ab und geht in der Rolle des naiven Muttersöhnchens Frank voll und ganz auf. Völlig locker interpretiert er den Part des Schwächlings, bis er dann immer mehr Selbstbewusstsein entwickelt und sich als die einzige treibende Kraft in der seltsamen Gemeinschaft etabliert. Marc hingegen geht den völlig umgekehrten Weg. Mit großer Klappe und forschem Auftreten verhafft er sich zunächst Raum, nur um später dann immer unsicherer zu werden und selbst die kleinen Rangeleien mit seinem Mitfahrer zu verlieren. Nach und nach findet diesbezüglich ein klarer Rollentausch statt, gegen den sich Marc zwar vehement wehrt, der aber trotzdem, wenn auch vorwiegend unterschwellig, stattfindet.
Die Entwicklung der Charaktere ist mitunter auch die größte Stärke des Films. Marc und Frank scheinen von Beginn an klare Parts auszufüllen und halten sich bis auf weiteres auch an die darin beschriebenen Vorgaben. Doch ab einem gewissen Punkt bekommen ihre Rollen immer größere Freiräume, die der Regisseur geschickt und konsequent ausspielt, um die Handlung voranzutreiben und sie gleichzeitig auch unberechenbarer zu machen. Besonders der anfangs noch barsche Marc ist hiervon stark betroffen, weil er seine klaren Vorstellungen stetig weiter einschränkt und durch das daraus resultierende Verhalten den Verlauf der Geschichte am deutlichsten prägt.
Die Geschichte... Die ist sicher nicht neu, aber dennoch ziemlich frisch und vorallem frech umgesetzt. Dass zwei in allerlei Belangen voneinander abweichende Typen aufeinandetreffen, kennt man aus unzähligen anderen Streifen, und dass diese dann auch noch eine ungeplante Reise antreten, sowieso. Was diesen Aspekt anbelangt, ist Tuschi dann auch nicht bemüht, sich dringend von bekannten Mustern abzugrenzen. Lediglich bei der Darstellung der vereinzelten Problematiken sowie der hierfür verantwortlichen Personen (und hierzu gehören ganz klar auch die zwischenzeitlich mitreisenden Ilvy und Pauli) setzt er Akzente, die dem Film ein gehöriges Maß an Intensität verschaffen. Was hier zwischenmenschlich passiert, ist dramatisch, lustig und atemberaubend zugleich. Der Regisseur setzt allerdings nicht auf plumpe Effekte, selbst wenn sich gerne mal der eine oder andere lockere Spruch in die Dialoge verirrt. Stattdessen ist der Humor subtiler eingesetzt, bleibt auf einem nicht zu aufdringlichen und der Handlung angemessenen Niveau und ist manchmal auch herrlich zynisch, was letztendlich auch zur Natur dieser Produktion passt.
Wenn es überhaupt etwas zu kritisieren gibt, dann die fehlende Identifikation mit den Hauptpersonen. Weder der großkotzige Prolet, noch der weinerliche Pimpf sind erstrebenswerte Vorbilder und werden es trotz der erwähnten Entwicklung wegen ihrer steten Unnahbarkeit auch nicht. Tuschi baut (wahrscheinlich ganz unbewusst) eine unüberbrückbare Distanz zwischen dem Publikum und seinen vermeintlichen (Anti-)Helden auf, die bisweilen auch wie eine leichte Barriere wirkt. Das macht den Inhalt jetzt nicht grundlegend schlechter, ist aber zu bedenken, weil es einen deutlichen Effekt auf die gespürte Atmosphäre von "SommerHundeSöhne" hat.
Ansonsten ist alles im grünen Bereich - sowohl bezogen auf die Story, als auch auf die Aufarbeitung der zugehörigen DVD. Sieht man mal von der gewollt gewöhnungsbedürftigen, sehr ungewöhnlichen Kameraführung ab - hier macht sich übrigens auch ein Teil des ansonsten oft geschickt versteckten Chaos' breit - bieten weder Bild noch Ton irgendeine Angriffsfläche. Gleiches gilt für die Ausstattung, die mit einem recht freizügigen Making Of, einer kurzen Liste entfallener Szenen sowie verschiedenen Audiokommentaren ziemlich ordentlich ist.
Unterm Strich also ein sehr ordentliches, vorzeigbares Gesamtbild einer der schönsten deutschen Independent-Produktionen der letzten Jahre. "SommerHundeSöhne" ist ein liebevolles und zugleich ungehobeltes Lustspiel und mitunter einer der skurrilsten deutschen Streifen überhaupt. Egal wie man zum inländischen Film steht, diese DVD sollte man sich mal zu Gemüte führen.
- Redakteur:
- Björn Backes