Subject Two - Der Tod hat seine eigenen Gesetze
- Regie:
- Chidel, Philip
- Jahr:
- 2005
- Genre:
- Horror
- Land:
- USA
1 Review(s)
19.07.2008 | 07:28Das geschieht:
Medizinstudent Adam Schmidt ist zwar intelligent, doch er eckt mit seinem Eigensinn bei seinen Dozenten an. Sein Rausschmiss aus der Universität steht kurz bevor, als der junge Mann eine mysteriöse Nachricht erhält: Seit langem unterhält er eine E-Mail-Freundschaft zum geheimnisvollen Dr. Vick, der völlig abgeschieden in den Bergen Colorados medizinische Forschungen betreibt. Vick bietet Schmidt einen Job als Assistent an, und da dieser neugierig geworden ist, nimmt er an.
Vick erweist sich als moderner Frankenstein, der an einem Serum arbeitet, mit dessen Hilfe sich der Tod austricksen lassen soll. Er ist so von dessen Wirksamkeit überzeugt, dass er seinen neuen 'Assistenten', der eigentlich ein Versuchskaninchen ist, kurzerhand umbringt, um ihm das Mittel spritzen zu können. Adam erwacht tatsächlich, fühlt sich stärker als je zuvor und ist bereit weiterzumachen.
Leider stellen sich mit der Zeit unschöne Nebenwirkungen ein. Adam leidet unter schrecklichen Schmerzen, während in und mit seinem Körper Unbekanntes geschieht. Verzweifelt versucht Vick sein Projekt erfolgreich abzuschließen, indem er Adam immer wieder tötet und mit einer veränderten Mixtur zum Leben erweckt. Letzteres funktioniert inzwischen hervorragend, doch Adam zeigt jedes Mal, wenn er aufersteht, neue Symptome, die ihn einer lebenden Leiche ähnlicher werden lassen. Endlich hat er genug und bittet Vick um das Ende des Experiments, aber dieser weigert sich. Freilich übersieht Vick, dass Adam sich auch geistig rapide verändert hat und sich nicht mehr manipulieren lassen mag ...
Der uralte, schreckliche Traum vom ewigen Leben
Der Tod und die Steuer - sie treffen unausweichlich jeden Menschen. Vielleicht ist zumindest Flucht vor Ersterem möglich. Viele kluge Köpfe wurden in dieser Frage schon zerbrochen, ohne dass der endgültige Sieg über das Lebensende bisher erzielt wurde. Er ist höchstens ein wenig näher gerückt, doch der Triumph muss weiterhin im Reich der Fantasie gefeiert werden.
'Wissenschaftlich', d. h. (wenigstens annähernd) auf der Basis von Fakten setzte sich Mary Wollstonecraft Shelley zwar nicht als erste Person künstlerisch mit dem Thema auseinander, aber ihr Roman "Frankenstein" (1818) wurde zum Klassiker, weil er nicht nur unerhört spannend die Schaffung neuen Lebens aus totem Fleisch beschrieb, sondern auch die möglichen Konsequenzen nicht ausklammerte. Wie muss ein Forscher psychisch beschaffen sein, um eine Leistung wie diese vollbringen zu können? Was ist der Preis der Neugierde? Wie steht es um das Ergebnis der Mühen - die Kreatur, die erschaffen wurde und nun existiert, eigene Gedanken hegt und sich mit seiner Herkunft auseinandersetzen muss?
In den Jahrhunderten nach "Frankenstein" wurden diese Fragen immer wieder aufgegriffen und variiert. Je nach Intention fielen die Antworten unterschiedlich aus. Verbrennt das Monster - habt Mitleid mit dem Geschöpf - wer ist eigentlich das Ungeheuer: Das Thema bot und bietet immer neue Interpretationsmöglichkeiten.
"Die ich rief, die Geister, / Werd' ich nun nicht los"
1797 ist das Entstehungsjahr der Ballade vom "Zauberlehrling", die Johann Wolfgang von Goethe (nach alten Vorlagen) verfasste: Der alte Zauberer ist außer Haus, als den Lehrling der Hafer sticht und er sich in der Magie versucht. Der Zauberakt gelingt, doch dann geraten die Dinge außer Kontrolle. Die Versuche des Lehrlings, die Situation zu bereinigen, bringen das endgültige Chaos, bis endlich der Meister zurückkehrt.
Damit haben wir die beiden Fundamente des Drehbuchs von "Subject Two" identifiziert, denn Dr. Frankenstein alias Vick ist anders als bei Shelley nicht nur (allzu) ehrgeizig und skrupellos, sondern auch überheblich und hilflos, als sich 'sein' Geschöpf nicht so entwickelt wie geplant.
Dieses Geschöpf ist - dies geht auf Shelley zurück - nicht bösartig, sondern fremd in einer Welt, in die es geworfen wurde, ohne für sie geschaffen zu sein. In dieser Beziehung ist Adam (!) Schmidt schlechter dran als jeder Säugling, der zwar ebenfalls hilflos ist, aber in die Welt hineinwachsen wird. Das kann Adam nie gelingen. Dafür darf er Dr. Vick verantwortlich machen, was er indes zwar tut, ohne sich dafür - der Konvention des Horrorfilms eben nicht folgend - gewaltsam an diesem zu rächen. Adam ist in der Tat ein neuer Mensch, und zwar ein 'besserer' als Vick. Schließlich zieht er wie Frankensteins Geschöpf in die Einsamkeit, um dort zu sterben oder sein Schicksal zu finden.
Kein Film wie tausend andere
"Subject Two" ist als Film ein ungewöhnliches Projekt. Kein großes Studio sah Philip Chidel über die Schulter, als der zum zweiten Mal seit 1999 ("Far from Bismarck") als "total film maker" (Regie, Produktion, Drehbuch, Schnitt, Nebenrolle) seine ureigene Vision realisierte. Geld war kaum vorhanden; als Drehort diente beispielsweise eine Berghütte, die der Großvater des Hauptdarstellers Dean Stapleton einst errichtet hatte. Andererseits schützte diese Eigenständigkeit das kleine Team vor Einmischung, was für ein unerwartet originelles, weil den Horror-Mainstream sorgfältig und ausdrücklich meidendes Filmerlebnis sorgt.
Splatter wird ersetzt durch ein Zwei-Personen-Kammerspiel. Dr. Vick und Adam beginnen ihre 'Zusammenarbeit' klassisch: Der eine ist der Meister, der andere der Lehrling. So scheint es zu bleiben aber zumindest Vick merkt nicht, dass sich die Verhältnisse verschieben. Adam spart nicht mit entsprechenden Hinweisen, dass er Sinne entwickelt, die ihn zunehmend 'unmenschlicher' werden lassen. Vick ignoriert dies, was nicht nur an seiner wachsenden Verzweiflung und Ratlosigkeit, sondern auch an seinem zunehmenden Whisky-Konsum liegt. Schließlich ist die Frage völlig offen: Wer ist Meister, wer Lehrling?
Dass der Zuschauer den Boden endgültig unter den Füßen verliert, liegt auch an dem genialen Finaltwist, mit dem Chidel seiner Geschichte eine völlig neue Richtung gibt. Solche Überraschungen in letzter Filmsekunde versuchen viele Drehbuchautoren und Regisseure; in der Regel gehen sie grausam schief. Hier gelingt es und sorgt für einen echten Aha-Effekt.
Denn sie wissen, was sie tun
"Subject Two" lebt von den Leistungen der wenigen Darsteller. Insofern ist man erstaunt und voller Bewunderung, denn Dean Stapleton (der oft erstaunlich dem jungen Jack Nicholson in Stanley Kubricks "Shining" ähnelt) ist kein Profi-Schauspieler, sondern ein ehemaliger Ski-Champion, und der in Celle geborene Christian Oliver entsprang der deutschen TV-Hölle; 28 Folgen der RTL-Trash-Serie "Alarm für Cobra 11 - Die Autobahnpolizei" lasten schwer auf seiner Filmografie. Als Adam Schmidt zeigt er, was er schauspielerisch tatsächlich zu bieten hat – er leistet einen ausgezeichneten Job.
Philip Chidel ist eine interessante Persönlichkeit. Er mäandert durch die aktuelle Filmlandschaft, ohne sich in eine Schublade pressen zu lassen, arbeitete als Ausstatter, Regieassistent, Produktionsgehilfe und lernte das Filmemachen somit von der Pike auf. Statt sich mit dem Strom treiben zu lassen, stieg er quasi aus und verwirklicht lieber eigenen Projekte, auch wenn dies mit Einschränkungen und Beschwerlichkeiten einhergeht, die sich die meisten Filmemacher nicht antun möchten.
Bereits Chidels Debüt, die Krimi-Komödie "Far from Bismarck" (1999) wurde nicht nur von der Kritik, sondern auch von den (wenigen) Zuschauern erstaunt und mit Wohlwollen zur Kenntnis genommen; hier sprach jemand eine eigene Sprache und sorgt für intelligente Unterhaltung, ohne blutleeres Kunstkino zu produzieren.
Erkennen, was möglich und wirksam ist
"Billig" bedeutet übrigens nur "kostengünstig", und auch hier konnte Chidel aus der Not eine Tugend machen. Die Kärglichkeit der eigentlichen Kulissen oder die weitgehende Abwesenheit von Spezialeffekten wird mehr als wettgemacht durch die unglaubliche Winterlandschaft der tief verschneiten Rocky Mountains. Sie dient nicht als bloße Augenweide, sondern steht im Widerspruch zur inneren Kälte des Dr. Vick, der kaum einen Gedanken an seine Umgebung vergeudet, sondern nur einen abgelegen, vor dem Gesetz geschützten Ort für seine Versuche gesucht hat. Sogar er lernt die Bergwelt später durch die Augen des 'neugeborenen' Adam kennen, den die Großartigkeit des Anblicks begeistert und überwältigt: Einmal mehr entzieht Chidel dem Zuschauer die Möglichkeit, die Figuren in die Kategorien "gut" und "böse" einzuteilen.
Auch Adam ist nicht eindeutig Opfer. Als er sich an Vicks ungewöhnliche 'Arbeitsweise' gewöhnt hat, unterwirft er sich ihr lange freiwillig, denn er glaubt an die Sache, für die er buchstäblich sein Leben gab und immer wieder gibt. Deshalb wird Adam und nicht Vick zum Mörder, als er das Projekt in Gefahr sieht. Zu spät erkennt Adam seinen Irrtum, aber die Entscheidung, die er dann trifft, ist abermals keine, die ein 'normales' Hollywood-Monster getroffen hätte.
Daten
Originaltitel: Subject Two (USA 2005)
Regie, Drehbuch u. Schnitt: Philip Chidel
Kamera: Rich Confalone
Musik: Eric Godal
Darsteller: Christian Oliver (Adam Schmidt), Dean Stapleton (Dr. Vick), Courtney Mace (Kate), Jürgen Jones (Wilderer), Thomas Buesch (Professor), Philip Chidel (Subject One)
Label/Vertrieb: KOCH Media Deutschland GmbH (www.kochmedia-dvd.de)
Erscheinungsdatum: 20.04.2007 (Verleih-DVD) bzw. 22.06.2007 (Kauf-DVD)
EAN: 4020628983376 (Leih-DVD) bzw. 4020628983383 (Kauf-DVD)
Bildformat: 16 : 9 (1,78 : 1 anamorph)
Audio: DTS 5.1 (Deutsch), Dolby Digital 5.1 (Deutsch, Englisch)
Untertitel: Deutsch
DVD-Typ: 1 x DVD-9 (Regionalcode: 2)
Länge: 93 min
FSK: 16
DVD-Features
Die wirklich mit Liebe zur Kunst (oder wenigstens zum Kunsthandwerk) gedrehten Filme erkennt man auch an ihren Features. "Subject Two" ist ein unter großem Geld- und Zeitdruck entstandener Streifen, doch die zusätzlich aufgespielten Hintergrundinfos können sich sehen bzw. hören lassen.
Letzteres bezieht sich auf den gleichzeitig informativen und launigen Audiokommentar, in dem sich Regisseur und Hauptdarsteller, seit Jahren eng befreundet und gemeinsam gegen die Tücken einer von Mainstream und Einfallsarmut geprägten Filmindustrie kämpfend, ausführlich über ihren Film auslassen.
Es ist 'ihr' Film, wie zwei "Behind the Scenes"-Featurettes und eine Bildergalerie beweisen: "Subject Two" entstand in einer und um eine hoch und einsam in den Bergen des Wintersport-Mekkas Aspen, US-Staat Colorado, gelegenen Hütte. Die Landschaft war zum Zeitpunkt des Drehs tief verschneit, die Filmcrew bestand nur aus neun Leuten, die - Darsteller eingeschlossen - ihr Equipment und ihre Verpflegung selbst mit Snowmobilen, Schlitten und oft mit bloßen Händen die verschneiten Hänge hinaufzerren mussten. Um diese Beschwernisse, die bei einer 'richtigen' Filmproduktion unmöglich wären, meistern zu können, ist echter Teamgeist erforderlich, dessen Existenz diese Featurettes deutlich vermitteln können.
Drei "Deleted Scenes" belegen die intensive Feinarbeit, die Regisseur und Drehbuchautor Chidel, der auch den Schnitt übernahm, dem Film angedeihen ließ. Um auf keinen Fall in das Fahrwasser eines Horror-Splatters zu geraten, entfernte Chidel sogar eine relativ harmlose und kurze Operationsszene: Ihm geht es nicht um Blut, sondern um die Story, die solche 'Geschmacksverstärker' nicht benötigt.
Letztes Feature ist der Kinotrailer (deutsch/englisch) zum Film.
- Redakteur:
- Michael Drewniok