Sweet Dream Alabama
- Regie:
- Mark Medoff
- Jahr:
- 2004
- Genre:
- Melodrama
- Land:
- USA
- Originaltitel:
- Children on their birthdays
1 Review(s)
03.01.2006 | 07:23Kitschpostkarte aus den Vierzigern
Ein verschlafenes Nest in Alabama 1947. In einer Stadt, in der jeder jeden kennt, haben die beiden Freunde Billy Bob und Preacher nichts als Unsinn im Kopf. Dieser Jungsfreundschaft kann nur eines etwas anhaben: Die junge Lily Jane, die beide gern als ihre feste Freundin hätten. Das Mädchen aber ist neu in der Stadt und mit nichts so sehr beschäftigt wie mit seiner Hollywood-Karriere.
Da passt es ihr bestens, dass mit Mr. Quince und seiner Frau vermeintliche Talentsucher ihre Zwischenstation in dem Ort eingelegt haben. Von denen aber hat komischerweise noch nie jemand etwas gehört. Die Kinder finden bald heraus, dass hier etwas ganz und gar nicht in Ordnung ist … (Verlagsinfo)
Filminfos
O-Titel: Children on their birthdays (USA 2004)
Dt. Vertrieb: Koch Media, 14.10.2005
FSK: ohne Altersbeschränkung
Länge: ca. 101 Min.
Regisseur: Mark Medoff
Drehbuch: Douglas Sloan nach einer Kurzgeschichte von Truman Capote
Musik: Ross Vannelli, J.D. Hinton, Celine Dion (Titelsong "I have to dream")
Darsteller: Sheryl Lee Diamond (Mrs. Murphy), Tania Raymonde (Lily Jane Bobbit), Billy Bob Murphy (Christopher Macdonald), Preacher Star (Joe Pilcher), Jesse Plemons, Tom Arnold u. a.
Handlung
Medda, Alabama im Jahr 1947. Der Zweite Weltkrieg ist vorüber, aber manche der Soldaten aus diesem kleinen Städtchen unweit Birmingham sind noch nicht zurückgekehrt – oder kehren nie wieder zurück. Auch Elinor Murphy (Lee) wartet immer noch auf ihren Robert, obwohl sich schon ein Mann lebhaft um die Kriegswitwe bemüht: Mechaniker Speedy Thorne, der Sheriff der Stadt. Manchmal tanzt Elinor allein vor sich hin, wenn sie eine von Roberts Lieblingsplatten aufgelegt hat. Robert war ein guter Tänzer, und sie bringt das Tanzen auch ihrem Sohn Billy Bob (Macdonald) bei. Er wird diese Fähigkeit bald gut gebrauchen können.
Denn an seinem dreizehnten Geburtstag hält auf der Straße vor dem Haus der Murphys der Fünf-Uhr-Bus und setzt zwei fremde Damen ab. Die ältere Dame ist stumm, deshalb spricht ihre Tochter die ganze Zeit, und wie sie spricht: Wie eine Erwachsene in einem Buch. Sie stellt sich als Lily Jane Bobbit vor, aus Memphis, Tennessee, und ihre Mutter sei eine hervorragende Näherin, und wenn Sie mal etwas geflickt oder neu entworfen haben möchten, dann wenden Sie sich doch vertrauensvoll an uns. Ach übrigens, wo finden wir das Haus von Mrs. Sawyer?
Billy Bob steht ob dieses Zauberwesens ebenso der Verstand still wie seinem besten Kumpel Preacher Star (Joe Pilcher). Und welch ein Glück, dass die beiden Damen gleich bei ihrer Nachbarin einziehen wollen, wo sie zur Miete wohnen. Wie außergewöhnlich Lily Jane wirklich ist, finden die beiden erst allmählich heraus.
Als Billy Bob einem Tipp von Speedy folgt und Lily sämtliche preisgekrönten Rosen seiner Mutter verehrt, hängt schnell der Haussegen schief. Lily macht ihm klar, dass er "moralische Restitution" üben müsse. Billy Bob versteht nur "Bahnhof", und sie erklärt, was unter Wiedergutmachung zu verstehen ist. Ein anderes Beispiel: Als Preacher die latente Diskriminierung der Schwarzen dazu nutzt, das Mädchen Rosalba Cat zu schikanieren, geht Lily dazwischen und freundet sich mit dem Mädchen an. Sie nennt sie ihre "Schwester". Und als die Brüder Preachs die beiden "Schwestern" triezen und beleidigen, verteidigt Billy Bob sie mit der Flinte.
Nicht genug damit, steht Lily auch in der Kirche für Gleichheit ein: Zur Konsternation der weißen Kirchenmitglieder nimmt sie Rosalba mit auf eine der Bänke, die nur für Weiße reserviert sind (die Schwarzen müssen oben auf der Empore sitzen). Sie zieht sogar den Pastor auf ihre Seite. Dass Billy Bobs Herz ihr ganz und gar gehört, kann man sich leicht vorstellen. Und sie erkennt dies auch zärtlich an. Aber ihr Abschied ist vorbestimmt.
Denn Lilys größter Wunsch ist es, in Hollywood Schauspielerin zu werden. Im Garten durfte Billy Bob bereits ihre Tanzkünste bewundern, aber als Lionel Quincy, ein Schwindler, der sich als Talentscout für MGM aus Hollywood ausgibt, eine Talentshow veranstaltet, stellt Lily auch ihre phänomenale Sangeskunst unter Beweis. Wieder ist Billy Bob hingerissen, und Preacher, der sich ebenfalls in die schwarzhaarige Schöne verliebt hat, wagt nicht, ihren Auftritt ebenso zu stören wie den ihrer Konkurrenten.
Doch Lilys schwärzeste Stunde soll noch kommen …
Mein Eindruck
Gut gemeint ist noch lange nicht gut gekonnt. Das trifft auch für diesen romantischen Streifen zu. Auch wenn der große Truman Capote, der Autor von "Frühstück bei Tiffany" und des Doku-Krimis "Kaltblütig", die literarische Vorlage lieferte – die filmische Umsetzung ist doch etwas ganz anderes. Was hier als zweites "Stand by me" angepriesen wird, ist die Disney-Version eines Engelsmärchens. Der Engel ist natürlich Lily Jane. Doch sie spricht wie eine Erwachsene in einem Buch. Die Sprechweise, mit der sie die Dienste ihrer Mutter anpreist, ist die einer gebildeten Frau, aber an einer Dreizehnjährigen – selbst wenn sie zum Film will – wirkt es einfach nur unglaubwürdig und peinlich.
Die Ansätze zu guter Arbeit und einer wertvollen Aussage sind alle vorhanden und unübersehbar. Doch es liegt nicht nur an der schlechten deutschen Synchronisation, dass sich der Spaß stark in Grenzen hält. Denn was witzig sein könnte, wird zu humorvoll verwässert, und was romantisch ist, wird derart dick aufgetragen, dass es schon wieder abstoßend ist. Vielleicht hätte dem Film ein Erzähler à la "Stand by me" gut getan, um den Figuren mehr Tiefe zu verleihen, aber so kann die Kamera nichts anderes tun, als ihr Treiben nur möglichst genau einzufangen. Der Zuschauer bleibt der Voyeur eines bunten Bilderbogens, erlebt aber nicht mit.
Auch der Hochstapler Lionel Quincy, sozusagen der Teufel, der den Engel Lily in Versuchung führt, ist eine Peinlichkeit hoch drei. Die Art und Weise, wie er daherfaselt und den harmlosen Weltfremden gibt, ist ebenso unglaubwürdig wie Lily Janes Auftreten. Wieso glaubt ihm überhaupt jemand ein einziges Wort? Zwar bringt Speedy Quincys versteckten Beleidigungen nur Abneigung entgegen, aber alle anderen fallen auf den Schwindler herein. Ja, sie vertrauen ihm sogar mit 150 Dollar pro Nase ein kleines Vermögen an, für das sie hart arbeiten mussten.
Als Nebenschauplatz gibt es noch die Romanze zwischen Elinor Murphy und Speedy Torne, dem Sheriff. Es ist merkwürdig, dass Elinor nicht genau weiß, ob Robert noch einmal aus dem Krieg zurückkommen wird. Normalerweise werden die Angehörigen vom Heeresoberkommando verständigt (siehe z. B. "Wir waren Helden" mit Mel Gibson), wenn ein Soldat gefallen oder vermisst wird. Diese Ungewissheit – obwohl sie von Robert in der Vergangenheitsform spricht – rückt ihre Romanze mit dem Polizisten in ein Zwielicht der Unmoral. Und genau Unmoral ist das, was die weißen Frauen, die in Medda das Sagen haben, am meisten verabscheuen. Auch Elinor selbst. Gleich zu Beginn ist ein Soldat mit einer jungen Frau zu sehen. Sie scheut sich, ihm in aller Öffentlichkeit einen Kuss zu geben – selbst so etwas Harmloses ist offensichtlich verpönt.
Die Jungsfreundschaft, die eigentlich den Film tragen soll, zerbricht schon am Ende des ersten Drittels – natürlich wegen Lily Jane. Und erst ganz am Schluss finden die beiden Jungs wieder zusammen. Wenn also die Ähnlichkeit zu dem klassischen Jugendfilm "Stand by me" behauptet wird, so ist dies Augenwischerei. "Sweet Dream Alabama" hat viel mehr Ähnlichkeit zu "Hearts in Atlantis" von Michael Darabont, dem Regisseur von "Die Verurteilten" und "The Green Mile". Aber "Hearts in Atlantis", ebenfalls eine Coming-of-age-Story, schliddert hart an der Grenze zum Kitsch entlang, fängt sich aber wieder in einer Krimi-Story. "Sweet Dream Alabama" überschreitet die Grenze zum Kitsch eindeutig und ohne mit der Wimper zu zucken. Celine Dions süßliches Lied "I have to dream", das natürlich Lily Jane in den Mund gelegt wird (schönes Playback), ist das Sahnehäubchen auf der Zuckerbäckertorte.
Apropos Musik: Ich hätte zu gerne den schmissigen Soundtrack. Dann könne ich in den uralten Schnulzen und dem Swing der späten Vierzigerjahre schwelgen. Ich habe sogar den Verdacht, dass der den Film eröffnende A-capella-Song direkt von den Blind Boys of Alabama gesungen wird. Das würde sehr zur Location passen. (Die Blind Boys sind nicht irgend jemand. Sie haben Peter Gabriel auf seiner Tournee zu der CD "UP" begleitet und sind auf der CD selbst in dem Stück "Sky Blue" zu hören. Auf der DVD zu UP klingen sie sogar noch besser.) Auch das Menü ist mit solch alter Musik unterlegt.
Die DVD
Technische Infos
Bildformate: 1:1,85 (16:9)
Tonformate: D in DD 2.0, Englisch in DD 5.1
Sprachen: D, Englisch
Untertitel: D
Extras:
Keine
Mein Eindruck: die DVD
Schon das Menü suggeriert den Zauber der verklärenden Erinnerung an eine versunkene Zeit, jene Zeit, als die Welt ein einziger Kindergeburtstag sein sollte. Daher der O-Titel: "Children on their birthdays". Lily Jane wünscht sich, dass die Welt so sein möge. Sie sagt es zu Billy Boy, aber wie immer weiß er nichts darauf zu erwidern, der maulfaule "Held" dieses Films. Nostalgie ist also von Anfang an das Generalthema des Films.
Die Bildqualität ist ausgezeichnet, die des Tons ist in der deutschen Fassung suboptimal, weil sie nur in DD 2.0 vorliegt. Daher sollte man sich die englische O-Fassung ansehen, um in den Genuss der Surroundeffekte von DD 5.1 zu gelangen.
Dass man zur O-Fassung die Untertitel vergeblich sucht, ist schon seltsam, doch wenigstens bein der deutschen Fassung bekommt man sie geliefert. So kann man sich einen Eindruck von der Schreibweise der vielen Namen machen. Bonusmaterial gibt es ebenso wenig wie ein Booklet. Wer hätte auch davon zu träumen gewagt. Weil die DVD jedoch von Koch Media produziert wird, ist dieses Manko eher enttäuschend. Koch Media ist für seine gute DVD-Arbeit bekannt.
Unterm Strich
Der Film ist reine Zeitverschwendung, denn er bietet nichts, was man nicht schon in "Stand by me" und "Hearts in Atlantis" gesehen hätte – und weit besser. Vielmehr bietet "Sweet Dream Alabama" – nomen est omen – süßlichen Kitsch, als käme es aus der Disney-Küche. Das ist aber nicht der Fall, wie die Credits belegen.
Das Einzige, was ich diesem Streifen an Positivem abgewinnen konnte, ist die stilechte und zuweilen sehr schön swingende Musik – mit Ausnahme von Celine Dions Song "I have to dream". Die DVD-Ausstattung enttäuscht auf ganzer Linie: siehe oben.
- Redakteur:
- Michael Matzer