Tokyo Fist
- Regie:
- Shinya Tsukamoto
- Jahr:
- 1995
- Genre:
- Drama
- Land:
- Japan
- Originaltitel:
- Tokyo Fist
1 Review(s)
06.08.2006 | 12:44Hintergrund
Mit "Tokyo Fist" erscheint endlich Shinya Tsukamotos sechster Film in Deutschland. In gewohnter Manier präsentiert Tsukamoto eine Dreiecks-Liebesgeschichte in der Großstadt Tokio. Den Rahmen bildet diesmal der für Japan untypische Boxsport. Wie schon die grundlegende Thematik kommen auch Tsukamotos typische Stilmittel zum Einsatz: Handkamera, hektische Schnitte, Farbfilter und explizite Gewaltdarstellung. Neben der Regie übernahm Tsukamoto hier auch die Hauptrolle und vergab die Antagonistenrolle an seinen Bruder Kôji.
Handlung
Tsuda Yoshiharu (Shinya Tsukamoto) lebt ein biederes Leben als Versicherungsmakler. Er fühlt sich erschöpft, lebt einzig für seine Arbeit und vernachlässigt seine Freundin Hizuru (Kahori Fujii). Eines Tages steht Tsudas alter Schulfreund Kojima (Kôji Tsukamoto) vor der Tür. Schnell findet Kojima Gefallen an Hizuru und beginnt sie zu umgarnen. Der völlig schockierte Tsuda ergreift darauf den Weg der offenen Konfrontation und legt sich mit dem Berufsboxer Kojima an - sehr zu seinem Nachteil. Tsuda liegt schwer verletzt am Boden, seine Freundin flüchtet sich in die Arme des strahlenden Siegers. Dieses Ereignis markiert den Wendepunkt für alle Beteiligten: Der auf Rache sinnende Tsuda tritt einem Boxclub bei, Hizuru lebt sich endlich befreit aus (was sich in Tattoos, Piercings und Selbstverstümmelung zeigt) und Kojima beginnt den Kampf gegen seine inneren Dämonen. Diese komplizierte Dreiecksgeschichte steigert sich immer weiter, bis es für alle zum entscheidenden Duell kommt…
Kritik
Oberflächlich betrachtet dürfte einem wohl der Gedanke '"Rocky" auf japanisch' in den Kopf schießen - doch "Tokyo Fist" bietet weitaus mehr als das! Die komplexe Dreiecksbeziehung, die sadomasochistischen Neigungen der Protagonisten und die knallhart inszenierten Boxkämpfe sprechen eine deutliche Sprache. Shinya Tsukamoto hat hier in gewohnter Manier sein zentrales Element der Dreiecksbeziehung in den Boxring verlagert, um eine Grundproblematik der menschlichen Konfliktbewältigung aufzuzeigen.
Dabei benutzt er eine simple schwarz/weiß-Zeichnung für seine Protagonist/Antagonist-Beziehung, deren (für einen japanischen Film) ungewöhnlicher Mittelpunkt mit einer Frau besetzt ist. Während der von Tsukamoto persönlich gespielte Tsuda für den biederen Alltagsmenschen Tokios steht, der stur seiner Arbeit nachgeht und darüber hinaus alles vergisst, verkörpert der von Tsukamotos Bruder Kôji gespielte Kojima das genaue Gegenteil - den erbarmungslosen, rauen (Box-)Kämpfer, der Konflikte offen angeht, aber mit seiner dunklen Vergangenheit zu kämpfen hat. In Mitten dessen steht Hizuru, der eigentliche Ruhepol. Doch ihre Rolle geht weit über die des begehrenswerten Objektes hinaus - sie entwickelt eine eigene starke Persönlichkeit, die ihr Umfeld bewusst verändert und in gewisser Weise auch prägt.
So wird aus dem zurückhaltenden, schwächlichen Tsuda ein wütender, fast wilder Kämpfer, der mit den Fäusten an sein Ziel kommen will: Rache an Kojima und die Rückgewinnung seiner Freundin. Aus dem kämpferischen, aber mental schwachen Kojima macht sie hingegen einen gefestigten und entschlossenen Boxer, der den Weg zum Ziel (endlich) bis zum Ende verfolgt. Sie selbst hingegen genießt ihre Freiheit, sowohl was ihre Einflussnahme auf Tsuda und Kojima angeht, als auch im Bezug auf sich selbst, was sich in diversen Tattoos und Piercings zeigt.
Dieses komplexe Beziehungskonstrukt bildet wieder den verbindenden Rahmen für seine Filmbotschaft, die sich diesmal gegen den zwanghaften Trieb einiger Menschen richtet, Konflikte mit Gewalt lösen zu müssen. Die Boxkämpfe stehen symbolisch für diesen Zwang, steckt bei den meisten Kämpfern doch mehr dahinter, als der sportliche Gedanke. Auch der Wechsel des Protagonisten vom biederen Makler, der sein routiniertes Leben lebt, hin zum wilden Kämpfer (einzig durch den Verlust seiner Freundin durch Kojima begründet) zeigt diese Problematik schön auf. Tsukamoto spart dabei nicht an verstörenden Bildern, setzt geschickt Farbfilter und Musik ein, um seine Intention zu verstärken und den Zuschauer tief in das Geschehen zu ziehen. Besonders auffällig wird dies bei den Kampfszenen, die immer in Richtung der Kamera gerichtet sind. So bekommt der Zuschauer förmlich die Schläge ab, sieht erst kurz darauf das Resultat des getroffenen Boxers und die (übertrieben blutig) dargestellten Wunden. Viele Szenen dienen lediglich der Symbolik und drücken metaphorisch die eigentliche Botschaft aus. Da verwundert auch das verstörende Ende nicht, welches einem Faustschlag in die Magengrube zum Ende der zwölften Ringrunde gleichkommt.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass "Tokyo Fist" ein typischer Tsukamoto ist, der bildgewaltig über den Zuschauer rollt und ihn mit seiner Vielschichtigkeit auch lange nach Filmschluss noch an sich bindet. Wer einen geradlinigen Film erwartet, ist hier komplett an der falschen Adresse, "Tokyo Fist" hat ähnliche Nachwirkungen wie zwölf Ringrunden mit Rocky Balboa oder den Klitschkos.
Die DVD
Die DVD hat leider arg zwiespältige Gefühle hinterlassen. Während das äußere stimmt (Digi mit Poster), zeigt die Scheibe bei der Technik ihre Schwächen.
Das Bild (16:9 (2.35:1) anamorph) schwankt ständig zwischen ganz gut und unterdurchschnittlich. Ein permanentes Rauschen nervt schon nach kurzer Zeit, die Schärfe überzeugt nur bei stillen Bildern und Nahaufnahmen, ist bei schnellen Bewegungen jedoch kaum mehr als solche zu bezeichnen. Der Kontrast ist leider auch zu schwach, verschluckt gerade in den dunklen Szenen massig Details. Die Farben lassen sich fast nicht bewerten, da Tsukamoto wie so oft reichlich auf Farbfilter zurückgreift, was den Film fast nie in natürlichen Farben erstrahlen lässt. Außerdem trüben einige Verunreinigungen das Gesamtbild, dessen Bildstand auch hätte ruhiger sein können (gerade an den oberen Bildrändern gut zu erkennen).
Der Ton (Deutsch DD5.1, Japanisch DD2.0) ist eine halbe Mogelpackung und wahrscheinlich ein simpler 5.1 Upmix, der weniger gelungenen Sorte. Raumklangeffekte gibt es keine, die Dialoge wirken dumpf und leise. Einzig der Bass arbeitet ab und zu ordentlich (meistens bei Musikeinsatz). Da ist der japanische Originalton (mit optionalen deutschen Untertiteln) die deutlich bessere Wahl. Er ist lauter und homogener, die Dialoge fügen sich besser in das Klangbild ein. Schade um die deutsche Spur, die dynamischen Ringkämpfe hätten deutlich von einem guten Mix profitiert.
Die Extras sind, wie nicht anders zu erwarten war, sehr dürftig ausgefallen, neben der Verpackung samt Poster sind lediglich ein Kinotrailer und ein Musikvideo anwählbar, von der Labelinternen Trailershow mal abgesehen. Hier wäre also unter dem Strich mehr drin gewesen, insgesamt unterer Durchschnitt.
Fazit
"Tokyo Fist" ist ein intensiver, bildgewaltiger Film, der mit einer komplexen Dreiecksbeziehung und viel Symbolik aufwartet. Hektische Schnitte, tolle Kameraeinstellungen, Farbfilter en Masse und viele surreale Momente prägen diesen Film, der sicherlich nicht jedermanns Sache ist. Wie auch Tsukamotos andere Werke richtet sich "Tokyo Fist" an Filmliebhaber, die sich auch über die Filmlänge hinaus mit dem Gezeigten auseinandersetzten. Definitiv kein Film für zwischendurch, aber absolut sehenswert.
- Redakteur:
- Martin Przegendza