Willy DeVille – The Legendary Berlin Concerts (2 DVD)
- Regie:
- Küster, Diethard
- Jahr:
- 2002
- Genre:
- Musical / Musik
- Land:
- Deutschland
- Originaltitel:
- Willy DeVille – The Legendary Berlin Concerts
1 Review(s)
26.01.2011 | 11:52Zwischen Blues und Salsa: Porträt einer Musikerlegende?
“Mit seiner Band Mink DeVille bestimmt er die Geschichte der Rockmusik. Im Jahr 2002 besuchte Willy DeVille Berlin, um eine Reihe exklusiver Konzerte zu geben, mit denen er sein 25-jähriges Bühnenjubiläum feierte. Diese zwei DVDs umfassen viele von Willy DeVilles größten Hits wie “Hey Joe”, “Spanish Stroll”, “Bamboo Road” und “Heart and Soul” – eine echte Feier für die Liebhaber von Blues, Soul und Rock’n’Roll.” (Covertext, meine Übersetzung)
Filminfos
O-Titel: Willy DeVille – The Legendary Berlin Concerts (D 2002)
Dt. Vertrieb: E-M-S
FSK: ohne
Länge: ca. 198 Min.
Regisseur: Diethard Küster
Musik: Willy DeVille
Musiker: Willy DeVille u.v.a.m.
Inhalt von DVD #1
Dieses Konzert fand in Berlin am 21. März 2002 statt. Es ist 81:13 Minuten lang. Als Musiker sind lediglich DeVille, Seth Farber am Piano und David Keyes am Kontrabass anwesend.
1) Betty & Dupree
2) It’s Too Late She’s Gone
3) Spanish Harlem (ja, der Klassiker)
4) Trouble in Mind
5) Storybook Love
6) Big Blue Diamond (von Earl Kit Carson)
7) Shake Sugaree
8) Let It Be Me
9) Broken Heart
10) Hound Dog (besser bekannt von Elvis Presley)
11) Junkers Blues
12) You Better Move On
13) Since I Met You Baby
14) Blue So Blue
15) Keep a-knockin’ / Sea Cruisin’
16) Shake Rattle & Roll
17) Heaven Stood Still
|Mein Eindruck|
Der Unplugged- Abend fängt langsam mit einer Ballade über ein Liebespaar an. Das Thema Liebe, Begehren, Sehnsucht und Liebeskummer durchzieht das gesamte Repertoire dieses Konzerts, und immer wieder reißt die Variation von schnellen mit langsamen Rhythmen das Publikum zu Applaus hin. Ganz phänomenal gut sind die beiden Begleitmusiker Seth Farber am Piano und David Keyes am Kontrabass. Besonders Farber beeindruckte mich mit seinen phantasievollen Variationen und Läufen auf dem Klavier.
Gegen Schluss zieht der Meister das Tempo erheblich an. Seine Rausschmeißer sind die Rock’n’Roll-Hits Keep a-knocking’ und natürlich der Klassiker Shake Rattle & Roll. Das Publikum klatscht und verlangt: MORE! Als Zugabe gibt es seinen persönlichen Favoriten, das langsame, wehmütige „Heaven stood still“ von seiner ungewöhnlichen LP „Le chat bleu“. DeVille demonstriert hier, wie gefühlvoll sein Gesang sein kann. Das Publikum belohnt ihn mit anhaltendem Applaus.
Wie mir im Unterschied zur 2. DVD auffiel, unterhält der Meister seine Zuhörer durch zahlreiche Anmerkungen, Anekdoten, Histörchen und Danksagungen. Das erweckt bei mir den Eindruck, als wolle er Zeit schinden. Tatsächlich sind auf dieser ersten DVD drei Songs weniger drauf als auf der zweiten. Man würde die komplette DVD-Edition also nicht wegen dieser ersten Disc kaufen wollen bzw. müssen.
Inhalt von DVD #2
Dieses Konzert fand im Berliner METROPOL am 24. Juni 2002 statt. Der Saal ist brechend voll, als die Combo einmarschiert, um die Plätze einzunehmen: David Keyes am Kontrabass, ein Mann an der Percussion, ein Mann an Gitarre und Violine, zwei Vokalistinnen. Dann erst erscheint der Maestro himself. Er spielt Gitarren und Mundharmonika.
1) Loup Garou
2) One Night of Sin
3) Broken Heart
4) Running Through the Jungle
5) Bamboo Road
6) Lay Me Down Easy
7) Carmelita
8) Steady Drivin’ Man
9) Across the Borderline
10) 18 Hammers
11) Cadillac Walk
12) Can’t Do Without You
13) Bad Boys
14) Who’s Gonna Shoe Your Pretty Little Foot?
15) Heart and Soul
16) Goin’ Over the Hill
17) Just Your Friends
18) Spanish Stroll
19) All By Myself
20) Hey Joe
|Mein Eindruck|
Der Opener „Loup Garou“ erzählt die Cajun-Legende vom Werwolf in Louisiana oder New Orleans, wo DeVille eine Zeitlang lebte. (Ich habe mir dort selbst eine CD mit Zydeco-Musik gekauft, wie sich in dem Film „The Big Easy“ zu hören ist, und darauf befindet sich ebenfalls ein Stück über den „Loup Garou“ – offenbar eine Erfindung der französischen Siedler.) DeVille singt auch französisch.
Weiter geht’s mit einem schwingenden Blues über eine Nacht voll Sünde, bis hin zu der Lehre, „wie man gebrochene Herzen macht“. Solche mexikanischen und karibische Tanz-Rhythmen wechseln sich mit lupenreinem Delta Blues ab, wie man ihn von Muddy Waters nicht reiner serviert bekommen könnte. Dazu gehört beispielsweise „Bamboo Road“, ein Worker Blues über einen Arbeiter in der Zuckerrohrplantage, der sein Mädel süßer als jedes Zuckerrohr findet und gerne eine Zukunft mit ihm hätte – wenn sein Boss ihn nur ließe. Hier demonstriert der Musik seine Fähigkeiten an der Slide-Gitarre.
„Lay Me Down Easy“ ist eine Rückschau auf da Leben, ein Resümee, bevor es ans Sterben geht. Es sei ein Song für die „Leute in der Betty Ford [Klinik]“, bemerkt De Ville. Nach dem swingenden Lovesong „Carmelita“ bringt „Steady-Drivin’ Man“ den Saal zum Kochen: straighter, stampfender Rhythmus, für Trucker wie geschaffen. Hier demonstriert der Musik seine Fähigkeiten an der elektrisch verstärkten Blues Harmonika. Dies ist nicht gerade ZZ Top. In die gleiche Kerbe haut „18 Hammers“, und auch „Cadillac Walk“ kommt gut in Fahrt. Diese Gangart soll ein Mädel aufweisen, auf die der Musiker scharf ist.
Eine Vollbremsung erfolgt dann mit dem wehmütigen „Can’t do without you“, das Gospel-Gesang aufweist (wobei die zwei Vokalistinnen brillieren), und „Bad Boys“, ein Slow Blues aus der Stadt, bei dem DeVille wie ein alter, vom Leben enttäuschter Säufer klingt. Erstaunlich, wie wandlungsfähig seine Stimme ist. Ziemlich folkig kommt der Liebessong „Who’s Gonna Shoe Your Pretty Little Foot?”, der klingt, als wäre er an Lolita gerichtet.
Nach diesem langsamen Intermezzo ist’s wieder an der Zeit für Tempo, Schwung und RHYTHMUS. „Heart and Soul“, „Gone over the Hill“ und das dylaneske Folkstück „Just Your Friends“ bilden die Überleitung zum geplanten Höhepunkt dieses Konzerts, DeVilles großem Hit “Spanish Stroll”.
Wieder sitzt er an der Slide-Gitarre, spielt den mexikanisch angehauchten Swing, den er so gut drauf hat, über Männer, die sich für tolle Hechte halten, und über Mädels wie Rosita und Sue, die er anbaggern will. Etwas seltsam mutet aber an, dass der routinierte Begleitgitarrist mitten im Stück die Gitarre wechseln muss – vielleicht ist ihm eine Saite gerissen. Jedenfalls erfolgt dieser Wechsel off-screen, sodass der unachtsame Zuschauer nichts davon mitbekommt. Aber die zwischendurch fehlende Begleitgitarre bekommt dem Hit eben nicht so dolle.
|Zugaben|
Der wahnsinnig begeisterte, geradezu ekstatische Publikum verlangt nach Zugaben. Die kriegt es auch. Zunächst gibt der Meister „All By Myself“ zum besten, einen akustischen Rock’n’Roll-Titel über Frauen und das enttäuschte Alleinsein, wenn sie einen enttäuschen. Der absolute Rausschmeißer ist jedoch die Langversion des Jimi-Hendrix-Klassikers „Hey Joe“. Joe heißt hier José und ist offenbar ein „Gastarbeiter“ im amerikanischen Süden, denn er will, nachdem er seine Frau beim Rummachen erwischt und erschossen hat, zurück nach Mexiko. Langversion deshalb, weil es eine zusätzliche erste und letzte Strophe gibt. Das sollten sich „Hey Joe“- und Jimi-Hendrix-Fans mal reinziehen. Der mexikanische Swing kommt derart gut, dass man sich trotz der horribler Killer-Story gleich besser fühlt. Der Saal dankt’s mit anhaltendem Applaus.
Dieses Konzert ist um Welten besser und unterhaltsamer als die Unplugged-Session auf der ersten Disk.
Die 2 DVDs
|Technische Infos|
Bildformate: 4:3 (Vollbild)
Tonformate: DVD #1 in DD 2.0, DVD #2 in DD 5.1 und 2.0
Sprachen: D
Untertitel: optional auf DVD 2 (Lyrics)
Extras:
1. DVD #1: After Show Special
2. Biographie
3. Diskografie
4. Bildergalerie
5. DVD #2: Optionale Untertitel für die Lyrics
Mein Eindruck: die DVD
Die Bildqualität ist durchweg nicht zu beanstanden, sondern auch auf einem Full-HD-Fernseher sehr annehmbar. Die Tonqualität wechselt hingegen. Die erste DVD hat nur DD 2.0 vorzuweisen, die zweite DVD hingegen auch DD 5.1, also mehrkanaligen Surround-Sound. Kein Wunder also, dass dabei eine viel bessere Stimmung aufkommt.
|Die EXTRAS|
DVD #1:
1) After Show Special „The Working Artist“ (25:25 min)
Hinter diesem Etikett verbirgt sich zunächst ein Interview, das ein deutscher Rundfunk-Journalist mit begrenzten Englischkenntnissen mit dem Meister zu führen versucht. DeVille ist die Großzügigkeit selbst und erzählt, wie er zu seiner Musik fand und Musiker wurde. Da die Sendung des Journalisten „Classic Pop“ heißt, soll DeVille zunächst seine zehn Lieblingsmusikstücke nennen und sodann zu jedem eine kleine Bemerkung sagen, die aufgenommen wird. Erstaunlicherweise befindet sich unter diesen Favoriten auch Claude Debussys Stück „Engulfed Cathedral“. DeVille kennt die Klassik. Sein selbstgeschriebener Favorit ist übrigens „Heaven stood still“ auf der LP „Le chat bleu“.
Befragt, was er in zehn Jahren, also 2012, machen möchte, antwortet DeVille, er würde am liebsten wie Muddy Waters und all die anderen Bluesheroen in Würde ergrauen, aber dennoch seine Kunst zelebrieren. Zunehmend schält sich ein Romantiker heraus, der viel für Leidenschaft und Rhythmus übrig hat
Den zweiten Teil dieses Extras bestreitet eine After-Concert-Konversation, die DeVille im Foyer seines deutschen Hotels mit anderen Leuten führt. Neben ihm sitzt seine Lebensgefährtin (vielleicht Trudy Jost, die Fotografin aus der Diaschau unten). Der Musiker gibt eine Anekdote zum besten, wie er einen gewissen Maxim Schmidt aus dem Dunstkreis der Band „Kraftwerk“ (Manager, Agent, Musiker?) traf und der, begeistert von Songs wie „Steady-drivin’ man“, ihm dringend riet: „You MUST continue these PRIMITIVE RHYDDMS!“ DeVille lässt das holprige Englisch mit einem grausigen deutschen RRR rollen, dass sich alle vor Lachen biegen. Der Mann hat echt Humor.
Einziges Manko dieses wertvollen Beitrag sind die fehlenden Untertitel. Zuschauer ohne sehr gute Englischkenntnisse sind hier aufgeschmissen.
2) Biographie (englisch und deutsch)
Auf neuen Seiten beschreibt ein glühender Fan DeVilles Leben und Werdegang bis zum Jahr 2002. Adjektive wie „genial“ und „brillant“ hätte er sich sparen können.
3) Diskografie
Das Werkverzeichnis berücksichtigt alle Alben von 1976 bis 1999 sowie zahlreiche Kompilationen und die vier Soundtracks, darunter den zu „The Princess Bride“ (1987), der DeVille eine OSCAR-Nominierung einbrachte, über die er sich im Unplugged-Konzert königlich amüsiert.
4) Bildergalerie
Die selbstablaufende Diaschau von 4:05 min Länge zeigt professionelle Fotos von Branko Hoffman, Diethard Küster und weniger professionelle von Trudy Jost. Höchst selten dürften die angehängten Konzertplakate und Magazin-Cover sein.
5) The Fanclub
Dieses Bild zeigt lediglich eine Art Visitenkarte des Fanklubs, dessen Sitz offenbar in den Niederlanden ist. Ein Foto von DeVille sowie sein Autogramm zieren die Kontaktdaten.
|DVD #2: Zuschaltbare Untertitel für die Lyrics |
Die eingeblendeten Lyrics stimmen nicht immer mit den gesungenen Songtexten überein, also heißt es aufpassen!
Unterm Strich
Mit Willy DeVille hat die Musikwelt 2009 ohne Zweifel einen großen Musiker und Sänger verloren. Im Interview verrät er den Romantiker in sich, der sehr viel für Leidenschaft und Liebe übrig hat. Leider war seine Lieblingsmusik, nämlich die Radio-Klassiker, die VOR der „britischen Invasion“ gespielt wurden, lange Zeit nicht gefragt, so dass es nach 1976/77 eine kleine Ewigkeit dauerte, bis er sich – u.a. in San Francisco - ein Stammpublikum erobert hatte.
Erst ein Hit wie „Spanish Stroll“ brachte ihn der breiten Masse näher, die, wie das Berliner Publikum vermuten lässt, mindestens 25 Jahre alt und von erlesenem Musikgeschmack ist. Warum sonst würde DeVille Klassiker wie „Hey Joe“ spielen? Er weiß, was seine Zuhörer wissen – das verbindet sie zu einer Community. Vielleicht kann die vorliegende Doppel-DVD dafür sorgen, dass er noch weitere Anhänger findet.
|Die DVDs|
Das erste Konzert sollte man sich als zweites anhören, um nicht enttäuscht zu sein, denn mich langweilte es stellenweise. Das zweite Konzert hingegen ist um Welten besser und unterhaltsamer als die Unplugged-Session auf der ersten DVD. Nichts gegen solche virtuosen Pianospieler wie Seth Farber, aber sie bringen eben nicht den Swing wie eine volle Band, die „Spanish Stroll“ raushaut. Die zweite DVD könnte man sich stellenweise sogar als Hintergrundmusik für eine Ü-30-Party vorstellen.
Beim Bonusmaterial haben sich die Macher Mühe gegeben, ein Making-of zu vermeiden, sondern vielmehr den Künstler in den Mittelpunkt zu stellen. Das Interview ist die einzige Gelegenheit, den Menschen DeVille kennenzulernen, und der dabei zum Vorschein kommende Mann ist mir durchaus sympathisch. Die Texte von Biografie und Diskografie dienen der manchmal etwas zu werblichen Dokumentation. Besser ist da schon die Diaschau, die wirklich astreine Profi-Fotos aufzubieten weiß. Die Visitenkarte des Fanklubs einzublenden ist wohl eher als Werbung oder Witz zu verstehen.
Michael Matzer (c) 2010ff
- Redakteur:
- Michael Matzer