DAVID JUDSON CLEMMONS: Interview mit David Judson Clemmons
26.03.2025 | 10:58Am 28. März erscheint das neue Album des ehemaligen DAMN THE MACHINE-Sängers und Gitarristen DAVID JUDSON CLEMMONS (u.a. JUD, THE FULLBLISS). Stand jetzt handelt es sich hier um mein persönliches Album des Jahres, denn textlich und musikalisch hat der amerikanische Wahl-Berliner hier die Messlatte extrem hoch angelegt. Ich plauderte mit David im Vorfeld der Album-Veröffentlichung unter anderem ein wenig über den sogenannten "Chillbump-Effekt", digitale Bezahlung und die Entdeckung eines jungen Gesangstalents.
Herzlichen Glückwunsch zur neuen Platte. Ich mach es kurz: "Everything A War" ist das Allerbeste und Ergreifendste, was ich dieses Jahr bisher gehört habe und mit großer Wahrscheinlichkeit auch eines der besten Alben, welches du seit der DAMN THE MACHINE-Platte 1993 aufgenommen hast. Du dürftest demnach mehr als zufrieden mit dem Album sein!
Ja, ich bin absolut zufrieden bisher und definitiv noch mehr, wenn ich solche Worte lese, vielen Dank!
Nur sehr wenige Musiker beherrschen so wie du die Kunst, melancholische Songs zu schreiben und diesen Schwermut musikalisch gleichzeitig mit Hoffnung und Lichtblicken am Horizont aufzuladen, ohne dabei in theatralisches Pathos zu verfallen. In einem früheren Interview hast du das, soweit ich mich erinnere, einmal den "Chillbump-Effekt" genannt, oder?
Danke, ich bin ein bisschen stur und ein bisschen festgefahren in alten Gewohnheiten und zumindest in diesem Bereich hat mir das vielleicht geholfen, meinem eigenen Stil immer näher zu kommen. Ja, ich verstehe unter dem "Chillbump-Effekt" das, was manche Leute empfinden, wenn der perfekte Chorus auf ihre Ohren stößt.
Man kann nun nicht gerade behaupten, dass deine sehr nachdenklichen Texte auf "Everything A War" besonders viel Zuversicht beinhalten und Optimismus versprühen. Trotz allem schwingt letzten Endes auch immer ein bisschen Resthoffnung in deinen Zeilen mit. Was ist deine Hauptinspiration beim Verfassen der Texte?
Ich folge eher meinem Instinkt und fühle mehr, als dass ich zu lange über etwas nachdenke. Einerseits ist es mir eigentlich völlig egal, worüber ich schreibe, aber andererseits bin ich auch verrückt nach diesem kleinen speziellen "Sound" am Ende eines Wortes. Bei diesem Album bin ich in ein Muster verfallen, in dem ich in den Texten Fragen stelle, als ob ich zu jedem Hörer privat spreche und ihn auffordere, sich mit Themen zu beschäftigen, die normalerweise an der Oberfläche bleiben. Die meiste Inspiration erhalte ich eigentlich durch Dinge wie zum Beispiel ein kurzes Gespräch mit einer alten Dame an der Bushaltestelle. Für mich liegt die wahre Magie im Leben an nicht so offensichtlichen Orten.
Du hast das lyrische Konzept des Albums ungefähr so zusammengefasst, dass man seinen Instinkten folgen sollte, da die Welt ein großes Business geworden ist, welches es auf unser Geld, unsere Zeit und unsere Gedanken abgesehen hat. Stimmt es, dass du hier auch auf die immer größer um sich greifende Autokratisierung vieler Staaten rund um den Globus anspielst?
Das Entstehen von immer größeren werdenden Organisationen, kombiniert mit allen Zahlungen, die durch digitale Quellen kontrolliert werden, in Verbindung mit der Tatsache, dass es kaum noch Menschen gibt, die an der Ecke in kleinen Läden arbeiten. Mann, das ist verdammt scheiße und all der Automatisierungsraumschiff-Bullshit, den uns die Leute verkaufen, um unser Geld und unsere Zeit zu bekommen, hat nichts mit dem normalen menschlichen Miteinander zu tun. Es ist eine große Lüge, ein Betrug auf höchstem Niveau. Ich rate dazu, mit Bargeld zu bezahlen und jeden erzwungenen Wechsel zur Digitalisierung zu bekämpfen, einschließlich Selbstbedienungsläden und Callcenter. Es ist schwer zu vermeiden, aber diese Dinge sind sicherlich der Untergang des schönen und unbeschwerten Lebens auf der Erde. Kämpft mit eurem Geist und Körper dagegen an, jeden Tag, den ganzen Tag und die ganze Nacht.
In einem älteren Interview hast du schon einmal deinem Unmut über Donald Trump Luft gemacht.Ich kann mir daher vorstellen, dass der 5. November 2024 nicht gerade einer deiner besten Tage gewesen ist und du in dem Moment froh gewesen bist, nicht mehr drüben in den Staaten zu leben, oder?
Ich werde nicht schlecht über Politiker, oder wie auch immer sie sich nennen, reden, denn es ist die Bevölkerung, die letztendlich dafür verantwortlich ist. Die Menschen machen diese Dinge, aber ich lebe in Deutschland und bin glücklich mit meiner Familie, meinen Kindern, mit mir selbst und meiner Musik. Aber der Wahnsinn ist ansteckend und wir werden hier unsere eigenen Probleme haben und sicher mit offenen Augen auf den Beinen bleiben, gleichzeitig aber auch den Alltag genießen, egal was passiert. Die Hoffnung stirbt zuletzt!
Auf der neuen Platte zeichnet eine gewisse Maisha Judith Clemmons für die Backing Vocals verantwortlich. In welchem verwandtschaftlichen Verhältnis stehst du denn zu der Dame?
Diese wunderbare Stimme stammt von meiner Tochter Maisha, die jetzt 16 Jahre alt ist, und ihre erste Aufnahmeerfahrung gemacht hat! Sie hat eine wunderbare Stimme und wird in den kommenden Jahren noch besser werden, da bin ich mir sicher. Ich bin so froh, dass das mit dem Album geklappt hat. Sie bekommt so viele Komplimente in den Kritiken, dass ich ihr geraten habe, einen Google-Alarm zu machen, und das hat sie getan, und es sind schon tonnenweise Pressemitteilungen für sie aufgetaucht. Lustig! Aber ja, die Digitalisierung hat ein paar Vorteile... hier ist einer davon!
Im Mai wirst du AKA RINDE hier in Deutschland als Support für einige Gigs begleiten. Auf der einen Seite natürlich sehr schön, dich endlich mal wieder live sehen zu können, auf der anderen Seite hätte man dich auch gerne als Headliner gesehen. Genügend Songmaterial dafür wäre ja zweifelsohne vorhanden.
Nett von dir, aber ich bin ganz froh, erstmal nur als Support unterwegs zu sein. Ich habe noch vor, ein paar Bandshows zu buchen, zumindest eine Release-Show, aber die Dinge laufen gerade recht hektisch mit der Veröffentlichung und einigen anderen Dingen, so dass ich nicht in der Stimmung bin, jetzt Bandshows zu organisieren, aber ich werde für den Winter etwas planen.
Können wir denn in absehbarer Zeit wieder einmal etwas Neues von deinen beiden anderen musikalischen Projekten JUD und THE FULLBLISS erwarten?
Ich habe keine festen Pläne, aber ich würde sehr gerne mit einem meiner alten Freunde aus den USA spielen: Es ist grundsätzlich nur ziemlich schwer, Leute zusammenzubringen, aber es ist natürlich immer möglich!
Besteht denn noch Kontakt zu den Poland-Brüdern von DAMN THE MACHINE und ist hier in absehbarer Zeit auch noch etwas zu erwarten, was neue und frische Musik betrifft?
Ja, fast jeden Tag mit Mark, und mindestens einmal im Monat mit Chris. Er hat mir gestern eine E-Mail geschickt, in der wir über den Austausch einiger seiner Ideen für neue DTM-Musik sprechen. Ich habe ebenfalls viele Ideen und wir überlegen gerade, wie wir weiter vorgehen können. Das Debüt wird jetzt über mein kleines Label auf Vinyl erscheinen und man kann es bereits auf der Website www.damnthemachine.com vorbestellen.
David, vielen Dank für deine Zeit und die Beantwortung meiner Fragen. Wir sehen uns bei deinem Konzert in Hamburg im Mai. Ich freue mich!
Oh toll, du kommst also nach Hamburg. Super, wir sehen uns dort!
Fotocredits: Caroline Wimmer
- Redakteur:
- Stephan Lenze