FATES WARNING: Diskografie-Check - Teil 1 | Platz 11 - 15

26.09.2023 | 09:16

Eine der besten Bands des Metal und doch wohl auch eines der bestgehüteten Geheimnisse, denn FATES WARNING hat nur selten die Anerkennung gefunden, die die Band verdient gehabt hätte. Rollen wir die fünfzehn Alben einmal auf und schauen wir, welches Album den Olymp des Prog-Metal besetzt.

Es war 1984, als ich den brillanten Sampler "Metal Massacre Volume V" erstmals auf den Plattenteller legte und drehen ließ. Wow, was für tolle Metalsongs! Irgendwo in der Mitte meines persönlichen Rankings war auch 'Soldier Boy' von FATES WARNING. Wer hätte gedacht, dass diese Band diejenige sein sollte, die bei mir vierzig Jahre später immer noch bei jedem neuen Album Freudensprünge auslöst, deren Alben ich von Anfang an immer ganz genau unter die Lupe genommen habe und bei der ich immer gespannt wartete, welche verrückten Wendungen sie sich jetzt wieder würde einfallen lassen?

Dabei war die Geschichte nicht ohne Verwicklungen und vor allem einigen Wechseln in der Besetzung, sodass nur Jim Matheos als einzige Konstante und offensichtlicher Bandleader an allen Alben beteiligt ist. Dazu übrigens ein Tipp: Es gibt ein 400-Seiten-Buch namens "Destination Onward - The Story Of Fates Warning" von Jeff Wagner, das über den Plastic Head Megastore bezogen werden kann. Ein absolut tolles Buch!

Jetzt aber zu der Diskographie der Band. Wir haben uns in der Redaktion lange Gedanken gemacht und viele Streitgespräche geführt, die nicht nur an der offensichtlichen Bruchlinie zwischen den beiden Sängern John Arch und Ray Alder entlang führten. Dabei haben wir auch entschieden, dass wir die beiden ARCH/MATHEOS-Alben mit in die Diskographie integrieren wollen. Zum einen ist dieses Projekt musikalisch und stilistisch durchaus als Fortführung der ersten Phase der Band zu sehen, zum anderen ist es auch personell quasi FATES WARNING, nur eben inkognito. Andere Nebenprojekte haben wir allerdings rausgelassen, die Experimentierfelder der teilweise durchaus sehr aktiven Musiker würden den Rahmen sprengen und oft auch musikalisch nicht passen.

So, nun wird es aber Zeit, mit Platz 15 zu beginnen. Ich sage schon vorab einmal ganz klar: Wir haben ganz schöne Banausen in der Redaktion! Aber es ist auch schön zu sehen, wie unterschiedlich vor allem jüngere Kollegen oder solche, die die Band nicht Mitte der Achtziger entdeckt haben, die Band einschätzen. Auch wenn sie natürlich Banausen bleiben. Ein besonderer Dank geht an unseren ehemaligen Chefredakteur Peter Kubaschk, der für mich die Auswertung übernommen hat. Danke, Peter.

Los jetzt. Im letzten Teil des Artikels werde ich die einzelnen Listen posten, damit auch eine komplette Übersicht über die Einzelplatzierungen zu sehen sein wird.



Platz 15: Darkness In A Different Light (2013)

Einer muss Letzter sein, nicht wahr? Natürlich ist "Darkness In A Different Light" weit davon entfernt, ein schwaches Album zu sein, das sieht man schon daran, dass es nur dreimal auf den letzten Platz gewertet wurde. Andererseits können das ein sechster Platz und einmal Position zehn natürlich nicht ausgleichen, ansonsten kommt das Album auch eher in das Schlussdrittel. Was ist denn nun an dem Album so "schlecht"?

Ich sage es mal so: Der Opener ist großartig, 'Firefly' brillant, der Longtrack 'And Yet It Moves' ein Killer. Ich könnte weitermachen, denn es gibt zuerst einmal keine offensichtlichen Schwachstellen. Nach der langen Auszeit der Band, die Ray Alder mit REDEMPTION und der Rest mit ARCH/MATHEOS und diversen Nebenschauplätzen verbracht hat, klingt das Album kraftvoll. Die Keyboards sind verschwunden, der Sound ist modern und rau, ja, auch laut, wie Thomas in seinem Review damals auch enttäuscht angemerkt hat. Ich meine, das ist ein berechtigter Kritikpunkt, das Album atmet nicht und ist eventuell in der Euphorie über die Rückkehr einer der besten, originellsten und von Vielen in der Redaktion vergötterten Progressive-Metal-Bands von uns allen in der Rückschau zu gut beurteilt worden. Immerhin war es Platz 12 im Redaktionspoll und sogar Platz 3 bei den Lesern! Es fehlt einfach die Langzeitwirkung und die einzelnen Stücke entfalten im Langzeittest nicht die gleichen Widerhaken wie es manche anderen Alben vermögen. Härter, weniger in die zuvor zelebrierte AOR-Richtung schielend, hat die Band ein starkes Album geschaffen, das aber nur im Bandkontext so weit nach unten rücken kann. Tja, der Fluch der eigenen Großtaten holt FATES WARNING ein.

Dass das nicht an den Musikern per se liegt, obwohl mit dem Rückkehrer Frank Aresti und Schlagzeugtier Rob Jarzombek zwei Änderungen zum Vorgängeralbum augenfällig sind, muss bei diesen Namen nicht extra betont werden.

Das Album erschien als limitierte Digipak-Ausgabe mit vier Bonus-Stücken, einer ausgedehnten Version von 'Firefly', einem echten Bonustrack namens 'Falling Further' und zwei Live-Aufnahmen von 'One' und 'Life In Still Water'. Diese Lieder fehlen auf der regulären Ausgabe, sodass man durchaus nach den Bonustrack-Ausgaben Ausschau halten sollte. Denn: Ein 15. Platz bei FATES WARNING ist immer noch eine Kaufempfehlung! Ein kleines Bonmot am Rande: "Darkness In A Different Light" war 2013 das erste Album seit "Perfect Symmetry", das in die US Billboard 200-Charts einsteigen konnte. Und ist bei uns dennoch deutlich Schlusslicht.



Platz 14: Disconnected (2000)

Zu Beginn des neuen Jahrtausends lag die Messlatte für die Band extrem hoch, kam man doch gerade aus dem Konzeptwerk "A Pleasant Shade Of Gray". Da kann man eigentlich nur verlieren, oder?

Das Intro ist gleich ein Stirnrunzler, irgendwo zwischen Walgesängen und, ja, Industrial-Sounds? Aber was sind schon Intros, denn mit 'One' folgt sogleich ein eingängiger Volltreffer als Opener! Aber schon in dem langen 'So' folgen wieder Soundexperimente, die eventuell einen Vorgeschmack darauf hätten geben können, was Jim Matheos anschließend so fabrizieren würde, denn hiernach folgte das erste Album von OSI und der Ausflug unseres Gitarrenhelden in eine ruhigere und bald auch viel elektronischere Stilrichtung. 'So' zählt bis heute zu meinen am wenigsten geliebten FW-Stücken, denn ich will nicht TOOL oder PORCUPINE TREE, hier möchte ich FATES WARNING hören und bekomme es nicht. Kevin Moore, ex-DREAM THEATER, der auch schon auf dem Vorgänger gespielt hat und mit Matheos OSI gründen sollte, ist als Gast an den Keyboards zu hören.

So gesehen spannt sich ein Bogen und die teilweise doch sperrigen Sounds und Arrangements bekommen einen Sinn, nämlich das Experimentieren des Bandleaders. Auch Bassist Joey Vera ist hier als Gast aufgeführt und nicht als vollwertiges Bandmitglied, ein Hinweis darauf, dass es bei FW zu diesem Zeitpunkt eine Phase der Verunsicherung gab.

Mit diesem Wissen sind der hektische Rhythmus und die elektronischen Spielereien bei 'Pieces Of Me' plötzlich erklärbar, genauso der experimentelle Charakter von Teilen des Zehnminüters 'Something For Nothing', und man bemerkt, dass das Intro keinesfalls zufällig so seltsam ausgefallen ist. In diesem Song klingt mit dem Wissen der späteren Jahre tatsächlich OSI bereits durch. Nur eben mit einem weitaus besseren Sänger, aber genauso ausufernd und ungewöhnlich. Im Umkehrschluss eben auch weniger FATES WARNING. Das metallischere 'Still Remains' mit seinen 16 Minuten treibt dies nochmal in die Höhe. Kevin Moores Tasten dürfen hier zu viel Raum einnehmen, klingen zu sehr nach DREAM THEATER, das ganze Stück klingt für den Freund abwechslungsreich, für den Kritiker zerfahren. Natürlich tönt die Genialität der Musiker an vielen Stellen durch, aber man muss sich 'Still Remains' erarbeiten.

Mit 'Disconnected Pt 2' folgt ein langes, instrumentales Outro, das den Bogen zum Intro spannt, Soundcollagen und Samples verarbeitet und nun aber wirklich und eindeutig das OFFICE OF STRATEGIC INFLUENCE vorbereitet. Zudem gibt es übrigens nahezu keine Gitarrensoli auf "Disconnected". Wenn man nun noch das wirklich furchtbare Coverdesign, das es in zwei Farbvarianten gibt, hinzufügt, erhält man ein Album, das zwar immer noch sehr gute Metalsongs enthält, diese jedoch zu verschleiern versucht. 'One' und 'Pieces Of Me' sind auf der Habenseite zu erwähnen und nach einigen Durchläufen entpuppt sich auch 'Still Remains' als stark, wenn auch untypisch. Ein Album mit recht wenig typischen FATES WARNING-Stücken, in manchen Liedern für die einen eine wohltuende Neuausrichtung, für andere zu viel Leerlauf.

Dass Jim Matheos das Album eigentlich noch weiter in Richtung Industrial hatte verschieben wollen, mag dem Metalfan durchaus noch einen Schauer über den Rücken jagen. So sehen vier Redakteure das Album auf dem letzten Platz, auf der Habenseite gibt es zwei sechste und einen siebten Rang. Ich mag OSI, aber von "Disconnected" war ich damals sehr enttäuscht. Das hat sich noch nicht gelegt, deswegen kann ich den niedrigen Rang nachvollziehen.

 

Platz 13: FWX (2004)

Nach der Platzierung von "Disconnected" dürfte der 13. Platz von "FWX" kaum eine Überraschung sein. Was war geschehen? In den Jahren seit "Disconnected" hatte Bandleader Jim Matheos weiter experimentiert und mit Kevin Moore die Band OFFICE OF STRATEGIC INFLUENCE gegründet. Sein Sound hatte sich verändert. War er für die Metalwelt verloren?

Nein, denn da gab es einen Lichtblick, denn Matheos spielte auf der EP des ehemaligen Sänger John Arch! Nur zwei Stücke, sicher anders als die frühen FW-Alben, aber doch metallischer und ohne elektronisches Gefiepe! Durfte man also hoffen? Nein, noch nicht. Die elektronischen Sounds und Spielereien klingen bereits im Opener 'Left Here' durch. Das möchte ich eigentlich bei FATES WARNING nicht hören, zieht sich aber quer durch das Album. Und was ich auch nicht möchte, ist, dass jemand Ray Alders Stimme verfremdet. Ich glaube, es hackt! Da hat man einen der besten Sänger der Metalwelt und haut dann Effekte drauf? Auf dem dritten Stück 'River Wide Ocean Deep' gibt es das nicht, aber stattdessen Synthesizer-Geblubber und weibliches Hintergrund-Genöle. Erst mit 'Another Perfect Day' findet das geschundene Fanohr einen Song, den man im FATES WARNING-Universum als normal titulieren könnte und der sofort in meinen Ohren das Highlight des Albums wurde.

Es kommen noch weitere tolle Momente wie 'Crawl' oder 'Stranger (With A Familiar Face)', aber auch wieder Tiefpunkte wie das zweiminütige 'Sequence #7', das einfach nicht ins Universum der Band passt und wie ein OSI-Überbleibsel klingt. Zwar ist Kevin Moore nicht mehr mit von der Partie, aber Jim Matheos hat wohl viel von ihm gelernt und implementiert die Tasteninstrumente ähnlich, man höre mal 'A Handful Of Doubt'.

So kann man dem Album Abwechslung attestieren, große Dynamik, aber man wird das Gefühl nicht los, dass Vieles nur durch den großartigen Sänger Ray Alder zusammengehalten wird. Auch hier wird im Rückblick klar, dass FATES WARNING anno 2003 und 2004 eine Band im Umbruch war. Es sollten neun Jahre ohne neues Album folgen, die stattdessen mit zahlreichen Projekten und Gastauftritten nahezu aller wichtigen Bandmitglieder gefüllt wurden, in denen man sich die experimentellen Hörner abgestoßen hat, vor allem Jim Matheos, bevor man sich wieder zusammenfand. "FWX" sollte jedoch das letzte Album mit Schlagzeuger Mark Zonder sein, der ein Jahr später seinen Hut nahm, um sich musikalisch neu zu orientieren. Von dem Album gibt es keine besonderen Ausgaben oder Tonträger mit Bonustracks, jede Version, die man sich ins Regal stellen kann, ist bereits das vollständige Album.

Bei den Platzierungen ist zu erwähnen, dass "FWX" immerhin einen dritten Platz von Thomas Becker und einen fünften von Jonathan Walzer verbuchen kann und keinen letzten Platz erleiden muss. Aber die Realität der meisten Listen offenbart eine Ballung zwischen 10 und 14. Für mich unverständlich, wie dieses Werk beinahe gleichauf mit "No Exit" stehen kann, aber so verschieden sind Ohrenpaare.

 

Platz 12: No Exit (1988)

Denn dieses Album folgt als nächstes. Die beiden knapp niedriger gewerteten Alben und "No Exit" sind eigentlich gleichauf, hier dürfte es an der Tagesform der Wertenden gelegen haben, dass die Reihenfolge so ausgefallen ist. Das könnte heute schon wieder etwas anders aussehen.

Die Situation in der Band war 1988 so, dass John Arch FATES WARNING verlassen hatte. Die wunderbare Sirene, der Mann, der sich diese überkandidelten Jodelläufe ausgedacht hatte, die mich auf den Alben "Awaken The Guardian" und "The Spectre Within" so fassungslos begeisterten, das durfte doch nicht wahr sein! Die Band war an einem Scheideweg und Sänger Arch, der älter war als der Rest der Bandmitglieder und bei dem außerdem Jahre später eine bipolare Störung diagnostiziert wurde, was ihn im Umgang mit den Bandkollegen sicher nicht einfach machte, wollte am liebsten gar nicht auf Tour gehen. Für den Rest kam das nicht in Frage und man musste getrennte Wege gehen, was aber weitgehend einvernehmlich erfolgte. John Arch arbeitete parallel bereits als Schreiner[1] und FATES WARNING suchte einen neuen Frontmann, den man durch Mundpropaganda in San Antonio fand[2].

Ray Alder war damals sehr jung und hatte mit der Band SYRUS ein Demo aufgenommen, und nur acht Tage, nachdem er nach Connecticut zu FATES WARNING geflogen war, begannen die Aufnahmen zum neuen Album. Aber konnte denn wirklich jemand dem mächtigen John Arch das Wasser reichen oder sogar in seine Fußstapfen treten?

Zweifel daran dürften der Grund sein, warum "No Exit" doch recht weit unten in der Gunst der Fans steht. Denn Ray Alder ist ein genauso guter Sänger wie John Arch, nur eben auf völlig andere Art. Auf dem ersten Album, das er mit seiner Stimme veredeln durfte, versucht er sich in ungeahnten Höhen, die er zwar meistert, in denen er aber nicht brilliert. Hier versucht Alder, ein Fan der Band, John Arch zu imitieren. Da auch die Band einer musikalischen Veränderung unterliegt und das schwermetallischste Album ihrer Geschichte abliefert, wäre etwas mehr Eigenständigkeit eventuell besser gewesen, aber Alder war neunzehn und stieß sich erst die Hörner ab.

Trotzdem, "No Exit" ist für mich ein unverzichtbares Album mit den tollen 'Anarchy Divine' und 'Silent Cries' und vor allem dem fast 22-minütigen Epos 'The Ivory Gate Of Dreams', dem ersten echten, ausufernden Prog-Metal-Longtrack der Musikgeschichte, der ersten Metal Suite. Was für ein mächtiges Werk! Okay, bis auf das ziemlich hässliche Cover. Nun ja, trotzdem Platz 12. Metal Blade versuchte, die Band bekannter zu machen, veröffentlichte zwei Promo-Singles, darunter mit 'Quietus' sogar einen Ausschnitt aus dem mehrfach unterteilten Longtrack, hievte den Longplayer auch dreizehn Wochen lang in die US-amerikanischen Billboard 200-Charts mit einer Topplatzierung auf 111, aber realistisch betrachtet war diese Mühe ein Album zu früh, denn die Band hatte sich noch nicht genügend in der neuen Zusammensetzung gefunden, das Riffing war noch in den Arch-Zeiten verwurzelt, die Gesangsmelodien versuchten, sich vom Vorgänger nicht zu sehr zu entfernen. Daraus entstanden großartige Lieder, kraftvoll, metallisch, aber eben ohne die Einzigartigkeit von John Arch und noch ohne die Veränderung, die sich bald einstellen sollte, als die Band sich mehr und mehr auf die Stimme des neuen Sängers und einen neuen Stil einstellte.

Der viertletzte Platz kommt dadurch zustande, dass "No Exit" dreimal die rote Laterne erhalten hat, aber in den oberen Bereichen die Plätze 6, von Walter Scheurer einen Platz vier und von Jens Wilkens sogar die absolute Silbermedaille verliehen bekommt. Ich verstehe das völlig und mutmaße, dass es vor allem an dem völlig unglaublichen 'The Ivory Gate Of Dreams' liegen dürfte. Eine Pflichthausaufgabe für Prog-Metaller.

Wer das Album noch nicht im Regal hat, dem sei der 2007er Re-Release ans Herz gelegt, der neben ein paar Demoaufnahmen eine Live-Version von 'Valley Of The Dolls', zwei Videos und eine Behind-The-Scenes-Doku der Tournee zum Album enthält. Insgesamt sehr lohnendes Bonusmaterial.

[1] Divita, Joe (2019): John Arch: Prog Metal Icon + Military Defense Systems Worker — Interview; https://loudwire.com/john-arch-arch-matheos-interview/; abgerufen am 19.6.2023

[2] Unbekannt (2013): Fates Warning’s Ray Alder on How the Band Almost Broke Up and What Brought Them Back; erschienen im blogs.dallasobserver.com; verfügbar auf fateswarning.com; https://fateswarning.com/2013/12/04/fates-warnings-ray-alder-on-how-the-band-almost-broke-up-and-what-brought-them-back-12042013/; abgerufen am 19.6.2023

 

Platz 11: Long Day Good Night (2020)

Ja, hier ist die neueste Langrille, das Scheibchen, das ich während der Corona-Zeit wirklich genossen habe und für das Peter beim Erscheinen meiner Ansicht nach berechtigt große Lobeshymnen gefunden hat. Platz 11 ist natürlich lächerlich für dieses Album in jedem Kontext, nun, außer in der Diskographie von FATES WARNING.

Melodische, klare Reminiszenzen an die kommerziell erfolgreichen Zeiten Anfang der neunziger Jahre tragen die Namen 'Alone We Walk', 'Now Comes The Rain' und 'Under The Sun'. Ähnlich, aber etwas härter folgen 'Scars' und 'Shuttered World'. Aber Jim Matheos hat natürlich nicht einfach nur ein neues FW-Album komponiert und aufgenommen, sondern auch wieder ein paar interessante Wendungen im musikalischen Kosmos der Band hingelegt. 'Liar' ist eine solche, nicht nur musikalisch, sondern auch lyrisch, ist es doch sehr explizit in seiner politischen Botschaft, in der die typischen Wohlfühl-Harmonien auch gar nicht angebracht wären.

'When Snow Falls' ist eine emotionale Ballade, deren Sound wirklich perfekt zum Titel passt, 'Begin Again' klingt experimenteller, wenn auch nicht in "Disconnected"-Sphären. Und dann ist da noch 'The Longest Shadow Of The Day' mit seinen elfeinhalb Minuten. Joey Vera darf den Beginn dominieren und lässt seinem Bass freien Lauf, dann kommt die Band hinzu und injiziert heftigen Metal in den Jam. Erst nach mehr als der Hälfte des Stückes darf Ray Alder auch mitmachen, was 'The Longest Shadow Of The Day' effektiv in zwei Teile trennt, ein Instrumental und einen Song mit Gesang. Hätte man die beiden Hälften getrennt und verschiedene Namen gegeben, es wäre niemandem aufgefallen.

Das ist dann wohl auch die Kritik an dem Longtrack, nämlich dass er kein organischer solcher ist. Großartig sind aber beide Teile dennoch. Ja, und dann ist da noch das Abschlussstück 'The Last Song'. Tatsächlich hat Jim Matheos mehrfach angedeutet, dass Album Nummer 13 wohl das letzte FATES WARNING-Album sein soll. Wenn man bedenkt, dass es wieder auf Metal Blade veröffentlicht wurde, wäre es ein geschlossener Kreis und eine fantastische Karriere, Diskographie, Bandgeschichte. Allein, ich möchte die Hoffnung nicht aufgeben und wenn es noch weitere Alben geben sollte, wäre es ein Fest, wären sie von der Güte eines "Long Day Good Night".

Übrigens ist es bemerkenswert, wen Jim Matheos als Gast eingeladen hat. Wir hören an der Violine und Cello die Kanadierin Mika Posen und Raphael Weinroth-Brown, der schon mit LEPROUS gespielt hat. Dazu Gavin Harrison an den Drums, der einsprang, weil Bobby Jarzombek andere Verpflichtungen hatte, und den man von OSI, PORCUPINE TREE und KING CRIMSON kennen könnte. Das Album hatte natürlich, genauso wie zahlreiche andere Platten, die in dieser Zeit veröffentlicht wurden, das Problem, dass die Band es nicht mit einer Tournee unterstützen konnte. So musste Album Nummer dreizehn mit seinen dreizehn Liedern ausschließlich auf eigenen Füßen stehen. Das tut es stark, aber nicht durchgehend so souverän wie es andere Alben in der Diskographie getan hätten.

Und vielleicht, nur ein wenig, leidet "Long Day Good Night" auch noch unter der Pandemie, denn es ist von Musik bis Artwork zweifellos durch die ungewöhnliche und harte Zeit beeinflusst. Wenn man daran nicht erinnert werden will, ist es möglicherweise das falsche Werk, um es wirklich zu genießen. Ist das der Grund, warum es in der Redaktion zumeist zwischen Platz 7 und 13, mit einem Ausrutscher nach oben von Chris auf Platz 5 und nach unten von Holger mit Platz 14, gesetzt wurde? Vielleicht. In jedem Fall ist "Long Day Good Night" ein ebenso wichtiges Dokument seiner Zeit, wie es damals "Night On Bröcken" war.

 

Soweit die ersten fünf Scheiben, die letzten Plätze. Kommentare sind ausdrücklich erwünscht, surft rüber ins Forum und sagt uns, wo wir falsch lagen, wo ihr mit uns übereinstimmt und was eure Gedanken zu diesen fünf Alben sind.

 

Hier ist der zweite Teil mit den Plätzen 6 bis 10 und der dritte Teil mit den Plätzen 1 bis 5.

Redakteur:
Frank Jaeger

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