Gruppentherapie: ALTER BRIDGE - "Fortress"
26.09.2013 | 10:36Die Gruppentherapie des Soundchecksiegers
Warum ist "Fortress" für den Chef (zum 10-Punkte-Review), und nicht nur für den, das beste ALTER BRIDGE-Album? Und warum ist es das beste Album des historisch stark besetzten September-2013-Soundcheck? Darf es dies überhaupt sein? Antworten geben Euch die Therapeuten. Viel Spaß mit dem Monatsprimus!
Wenn eine alternativ rockende Kapelle unseren Soundcheck gewinnt, dann trauert in meiner Brust das Metallerherz und der Geist grübelt, warum es all die veritablen Metalgrößen im Soundcheck nicht schaffen, bei uns mehr Konsens zu erzeugen als diese Herren von ALTER BRIDGE. Da ich dem glanzvollen Dominator des Septembers zu allem Überfluss auch noch den Neunerschnitt versaut habe, darf ich nun antreten und euch etwas dazu erzählen, wie meine Wertung zu Stande kommt. Nun, was soll ich sagen? Mit "Fortress" liefert die Truppe um Sänger Myles Kennedy und um ex-CREED-Mitglieder wie Klampfer Mark Tremonti tatsächlich eine ziemlich starke Scheibe ab. Jedenfalls braten und rocken die Gitarren mit Volldampf, die Produktion ist warm und doch heavy, die Leads brennen ein hübsches Feuerwerk ab, und der Gesang steht klar, emotional, kraftvoll und leidenschaftlich im Vordergrund. Die Scheibe dürfte also tatsächlich eher den optimistischen und gut gelaunten Hardrocker begeistern als den depressiven Alt-Grunger, der sonst lieber seinen typisch nölig-apathischen Freudenspender am Mikro seiner Lieblingskapellen stehen hat. Nein, ganz im Ernst, ALTER BRIDGE kann man sich gut antun, selbst wenn man sonst nur Eisen, Stahl und Titan auf dem musikalischen Speiseplan hat. All die Kritikpunkte, die aus unserer Ecke gerne kommen, wenn wir von Alternative sprechen, fallen hier flach. Die Band steht dem klassischen Hard Rock mindestens genauso nahe wie dem Grunge. Mir persönlich ist die vorherrschende Stimmung der Scheibe zwar etwas zu locker und flockig, und das Songwriting mit wenigen Ausnahmen zu glatt und auf Radio-Airplay angelegt, als dass ich mir das Album regelmäßig anhören müsste, aber wenn es läuft, dann macht das absolut Laune. Allerdings bin ich durchaus gespannt darauf, wie sich die Kollegen die Frage erklären, warum eine Band wie ALTER BRIDGE es schafft, alte Helden des Stahls gleichermaßen auf die Plätze zu verweisen, wie deren jüngere, aktuelle aufstrebende Kollegen.
Note: 6,5/10
[Rüdiger Stehle]
Meiner Meinung nach liegt das unglaublich gute Abschneiden von ALTER BRIDGE weder daran, dass wir alle so offen sind (auch wenn das durchaus zutreffen mag), Rüdiger, noch daran, dass wir uns auf eine Alternative-Band eher einigen können als auf eine Kapelle der anderen, allesamt wunderbaren Sparten des Metals. Es liegt meiner Ansicht nach daran, dass ALTER BRIDGE die schlichtweg beste Band ihres Genres ist und mit "Fortress" mal wieder eindrucksvoll zeigt, warum dies ein mit der Zeit immer unumstößlicherer Fakt zu werden scheint. Insofern sollte man die Goldmedaille nicht als Statement gegen irgendwen oder irgendetwas sehen, sondern als Kniefall vor Tremonti und Co. - den du selbst eigentlich auch sehr schön begonnen hast. Nun kommt bei mir einfach noch der Faktor der Begeisterung für all das hinzu: "Fortress" ist der Wahnsinn! Die Review-Floskel "Jeder Song ist eine Hymne!" hat selten so gut gepasst wie hier. Vom einleitenden 'Cry Of Achilles' bis zum beschließenden Titelsong bekommen wir diesen wunderbaren ALTER BRIDGE-Sound - irgendwo zwischen Pop-Musik und Metal verortet, und mir könnte kaum egaler sein, wo genau - immer und immer wieder in wunderbaren Songs geboten. Es rockt ('Addicted To Pain'), es schwelgt ('All Ends Well') und es metallt sogar ('Bleed It Dry'). Diese positive und doch irgendwie arschtretende Stimmung lässt einen nicht kalt, sondern schüttelt einen und schreit: "Das Leben ist geil! Sieh zu, mach was draus! Hier ist der Soundtrack dazu!" Und dann gibt es da auch noch so einen Song wie 'Calm The Fire', bei dem ich ohne jeden Anflug von Übertreibung feststelle, dass da 2013 eigentlich nichts mehr kommen kann, das mich so begeistern wird. Dieser Refrain hat Ewigkeitscharakter! Wie ich hier so vor mich hinschwelge, muss ich bereits kurze Zeit nach der Notenvergabe feststellen: Vermutlich habe ich sogar einen halben bis ganzen Punkt zu wenig vergeben. Mein Fazit ist daher klar: Einfach jeder, der irgendetwas mit Rock- oder Metalmusik anfangen kann, sollte ALTER BRIDGE für die besten Stunden des Lebens im Schrank stehen haben.
Note: 9,0/10
[Oliver Paßgang]
Da kann ich Oliver nur beipflichten. Man muss nicht besonders offene Ohren haben, um die Klasse von "Fortress" zu erkennen. Eventuell ist lediglich die Stilbezeichnung "Alternative Rock" ein Hindernis für "wahre" Metaller, sich näher mit ALTER BRIDGE näher zu beschäftigen. Da kann ich mich nicht einmal ausnehmen, denn auch ich wandele gern mal mit Scheuklappen auf den Ohren durch die Musiklandschaften. Allerdings macht bereits das eröffnende 'Cry Of Achilles' mit seinen brachialen Gitarren klar, dass es auf dem Album mächtig heftig zur Sache geht. Von wegen "Alternative Rock": Das ist lupenreiner, melodischer Heavy Metal mit einem superben Sänger. Es gibt tolle Gitarrensoli und eine Gesangsmelodie zum Wegschweben. Metalherz was willst Du mehr? Ein bisschen mehr Tempo? Als ob das Quartett es gewusst hätte, wird im nachfolgende 'Addicted To Pain' dieser Wunsch sofort erfüllt. Spätestens bei dieser Nummer sollte der Bann gebrochen sein. Hört Euch bloß diese saftig-fett bratenden Gitarren an. Davon träumt so manche vermeintlich härtere Band doch nur. Sicher, die Arrangements, der teils mehrstimmige Gesang und die ruhigeren Songs, die unheimlich gefühlvoll klingen, lassen das Album ein bisschen in die Rockschiene driften, aber daran ist ja nichts schlimm. Spätestens wenn 'Calm The Fire' mit seinem hymnenhaften Aufbau aus den Boxen dröhnt, weiß man, dass man nichts besseres auf diesem Sektor kaufen kann. Ein Song fürs Jahrestreppchen. Ach, was schreibe ich denn: Ein Album fürs Jahrestreppchen. Gleich neben ATLANTEAN KODEX und SATAN.
Note: 9,0/10
[Holger Andrae]
Fast hätte ich mich auch noch in die Zehnerflut im aktuellen Soundcheck eingereiht, denn "Fortress" ist perfekt. Ich tituliere das Album bei den Kurzkommentaren "der FC Bayern des Hard Rock mit Galavorstellung". FC Bayern deshalb, weil die Mannschaft von ALTER BRIDGE absolute Weltklasse ist. "Robbery" sind hier Mark Tremonti und Myles Kennedy, weil sie die prominenten Positionen Gitarre und Gesang besetzten und ihre Posten mit demselben Glanz und Erfolg besetzen wie der aktuelle Fußballer des Jahres und sein niederländisches Pendant. Ohne Abwehr und Torwart gewinnt aber keine Mannschaft, doch so eine tighte und bombensichere Rhythmusfraktion wie Scott Phillips (Drums; Neuer) und Brian Marshall (Bass; Dante) gibt es aktuell im Hard Rock keine. "Hard Rock" schreibe ich demonstrativ, um von der allgemein geläufigen Bezeichnung "Alternative Rock" abzulenken. ALTER BRIDGE ist für mich eher das moderne Gegenstatement zu den ganzen Retro Rock Gruppen, eigenständig, unverkennbar, nach heute klingend und dabei immer doch der klassischen Rockmusik verpflichtet. Man höre nur den Opener 'Cry Of Achilles' oder 'Calm The Fire'. Das sind Rockgiganten. Ansonsten hat Peter mit allem was er in seiner Rezension sagt, einfach recht. Jeder Song ist ein Treffer. Warum gibt es also keine Zehn? Vielleicht weil mir ebenso perfekte Truppen wie KATATONIA im Endeffekt noch einen klitzekleines Pferrerminzblättchen mehr geben, aber hier vergleiche ich Äpfel mit Birnen.
Note: 9,5/10 P
[Thomas Becker]
Vielleicht könnten wir einfach mal mit den Fußball-Analogien aufhören, denn das macht die Band für mich nur unsympathisch, wenn sie hier plötzlich mit dem unsäglichen Club aus Süddeutschland verglichen wird (Ich hätte auch Borussia-Dortmund-Fussballer nennen können, aber die sind ja nur die Zweitbesten, TB). Tatsache ist, dass die Band diesen Stil verdammt gut spielt und mit ihren super funktionierenden Songs einfach jeden Traditions-Metaller zum Kopfnicken und Fußwippen bewegt, egal wie sehr man sich dagegen sperrt. Der Soundcheck-Sieg hätte es für meinen Geschmack zwar nicht sein müssen, da mit unserem zweitplazierten Album ein "richtiges" Metal-Album am Start ist, aber wer die Redaktion so begeistert, hat es eben verdient (Du bist halt immer nur für die Zweitbesten..., TB). Ich werde die Platte bestimmt mal zum Low-Price eintüten und im Sommer beim Autofahren rotieren lassen. Und zwar erst nach Saisonende in der Fußball-Bundesliga.
Note: 8,0/10
[Nils Macher]
Ja, es stimmt schon: Was modernen Heavy (Alternative) Rock angeht, gibt es am Platz dieser Tage kaum bessere Adressen als ALTER BRIDGE. Hier bekommt man in der Regel knackig-frische Härte mit tollen, eindringlichen Melodien verpackt in fesselnde Kompositionen und ein fettes, druckvolles Soundgewand. Mark Tremonti ist wie ich Baujahr 1974, das heißt er war auch 17, 18 Jahre alt, als Bands wie WARRIOR SOUL, MIND FUNK oder STONE TEMPLE PILOTS ihre wegweisenden Debüt-Alben veröffentlichten. Ich will "Fortress" ja gar nicht direkt mit diesen Werken vergleichen, aber deren Geist kommt mir aus den Boxen entgegen, wenn ich Songs 'Addicted To Pain' oder 'Cry A River' höre. Ganz klar, mir gefällt das. Allerdings wundert es mich doch ein wenig, warum der eine oder andere Kollege hier dieses Scheibchen für geradezu perfekt hält. Ich gebe zu, dass die großartige erste Viertelstunde so ziemlich alles wegbläst, aber danach geht die kompositorische Stringenz doch etwas verloren, die eine oder andere Länge schleicht sich hinterrücks ein. Da wird dann auch schon mal eine Hookline an den Innenpfosten gesetzt, um dem Nils zu Gefallen bei den Fußball-Vergleichen zu bleiben. Ich sollte wohl betonen, dass dies Meckern auf sehr hohem Niveau ist. Wo ALTER BRIGE drauf steht, ist unterm Strich auch in der vierten Auflage kraftvolle, intelligente und äußerst hörenswerte Rock-Musik drin. Well done.
Note: 8,0/10
[Martin van der Laan]
Wann habe ich denn so etwas das letzte Mal bewusst gehört? So richtige Rocksongs mit Alternative Metal-Neigung, das ist lange her. Ich kann da zum spontanen Vergleich nur eine Band anbringen, die GODHEAD hieß oder wieder heißt. So ein untermittelerfolgreiches Rock-Metal-Gemisch aus den Neunzigern mit einem Gesang an der Grenze zum Power Metal, der dem von ALTER BRIDGE in etwa ähnlich ist. Kollege Hameister hatte diese Band anno 2004 mal "Modern Rocker" genannt. Diesen Begriff übernehme ich gerne auch für die hier behörte Band. ALTER BRIDGE ist mir beim ersten Eindruck ziemlich nah, da der melodiöse Mut wirklich beachtlich ist. Der Gesang ist eindrucksvoll und treibend. Wenn ich das richtig nachvollziehe, war Mark Tremonti damals für einige dicke Riffs bei CREED zuständig (richtig nachvollzogen, TB). Ja, davon war ich teilweise ziemlich eingenommen. Das Gefühl hat der genannte Musiker in die 2010er hinübergerettet und auf seine aktuelle Band übertragen können. Und da höre ich auch gern zu. Die Jungs sind hier drei-, vier-, fünfmal ziemlich kurz vorm Ausrasten. Aber nur fast. Denn der Sangeskünstler (Myles Kennedy) braucht ja auch noch seinen Platz. Und den bekommt er auch. Aber genau deshalb wird es für mich auf Dauer zu glatt und etwas zu vorhersehbar. Auf Albumlänge und mehrmals hintereinander ist es mir nicht mehr möglich, bei der Sache zu bleiben. Ich kann da zwar schön und auch interessiert in die Platte hineinhören, und finde auch die ruhigeren Parts gut platziert und umgesetzt. Zudem ist Tremonti und sein Gitarrenangebot außerordentlich vielseitig und fesselnd. Aber dass ich nun nicht mehr schlafen kann, weil ALTER BRIDGE zur Abendbrotstulle nicht lief.... so ist es dann auch nicht.
Note: 7,0/10
[Mathias Freiesleben]
Note: 7,0/10
[Mathias Freiesleben]
Mehr zu diesem Album:
Review von Peter Kubaschk
- Redakteur:
- Thomas Becker