Gruppentherapie: DIAMONDS HADDER - "Beyond The Breakers"
06.12.2024 | 11:58Künftiger Undergroundklassiker oder lauer DIO-Verschnitt?
Jhonny redet in seinem Hauptreview zu "Beyond The Breakers" von einem möglichen "nächsten großen Ding im traditionalistischen Metal-Underground", klingt dabei aber selber eher weniger überzeugt. Auch die Soundchecker sind zwiegespalten und bis auf einen Klangtester auch eher reserviert. Wir fischen nach Stimmen, innerhalb und außerhalb des echtmetallischen Universums (und unseres Klangtests) um auszuloten, was uns bei DIAMONDS HADDER denn so erwartet. Staunen oder Gähnen?
Neben LORD GOBLIN kann man sich in diesem Soundcheck auch auf Zeitreise mit DIAMONDS HADDER begeben. Diesmal sind die glorreichen 1980er das Ziel und mit DIO, RAINBOW und QUEENSRYCHE die Referenzen nicht nur andere, sondern auch deutlich prägnanter initiiert. Wir bewegen uns also auf 55 Minuten flächendeckend in einer Mischung aus klassischem Metal und progressiver Epic. Ein amerikanischer Einschlag ist dabei durchgehend der rote Faden in beiden Komponenten. Die Songs haben also größtenteils Überlänge und überschreiten in zwei Fällen auch locker die 10-Minuten-Grenze.
Klingt erstmal spannend, jedoch schafft es Projektgründer John Evermore nicht, diese Umfänge für die ganz großen Emotionen und magischen Momente zu nutzen. Dabei muss man aber auch fairerweise sagen, dass mich auch die meisten DIO- & RAINBOW-Großtaten ziemlich kalt lassen. Und dieses Level erreicht DIAMONDS HADDER natürlich weder musikalisch noch gesanglich. Klar, wer bei diesen Zutaten sich eh schon euphorisch neue Patches für die Kutte googelt, dürfte mit Songs wie 'Ballad Of The Dead Rabbit' oder 'Evermore' ein Jahreshighlight finden. Da mir zusätzlich noch der dumpfe und etwas matschige Klang negativ aufstößt, komme ich bei all der Berücksichtigung der positiven Songwriting- und Technik-Skills (besonders 'Master Of Illusion' killt), dem guten Gesang und der Prämisse, dass wir es auch hier mit einem Debüt zu tun haben, nur auf 7,5 Punkte. Fans der offensichtlichen Inspirationsquellen addieren bitte locker einen Punkt zusätzlich.
Note: 7,5/10
[Stefan Rosenthal]
Okay, DIAMONDS HADDER spielt Hard Rock und der Sänger möchte tönen wie Ronnie James Dio. Das gelingt beides, wenn man keine hohen Ansprüche stellt, allerdings bleibt bei mir schon nach wenigen Minuten nichts mehr hängen. Die viel zu langen Tracks des Albums "Beyond The Breakers" sind relativ spannungsarm komponiert. Zu sehr soll alles auf identische Gesangslinien zu Dio zugeschnitten sein: Das muss langweilen, denn das Original hatten wir schon und das war weit besser.
Die Soli klingen auch gleich, ebenso der Groove. In meinem Kopf ziehe ich den Vergleich zum erst kürzlich gehörten neuen OPETH-Album, in dessen erstem Track nach zwei Minuten mehr Ideen stecken als in dem Album hier in über 50 Minuten. Der Schlusstrack 'Evermore' fällt dabei anfangs aus dem Rahmen, allerdings nur bis der Mini-Dio Minnesang bei Rapunzel veranstaltet. Nein, die Gitarren können nicht diese unnachahmliche Wand erzeugen, die ein Iommi normalerweise vom Stapel lässt. Auch das Drumming verwirrt, da es reichlich amateurhaft daherkommt. Am Ende ist dieser Song für mich kompositorischer Grusel.
In einem anderen Track, 'Master Of Illusion', imitiert der Sänger Bruce Dickinson, doch auch der ist mehrere Kronen zu groß. Auch eine Erzählstimme rettet den Song nicht. Die komplett windschiefe, leicht operettenhafte Passage sorgt dann vollends für Irritation. Nach einer endlosen Schmachtphase geht es etwas zur Sache. Die Melodie ist bekannt, von DIO? 'Stand Up And Shout Your Angriness Out', oder was? Oder ist die Harmonie aus einem BLACK SABBATH-Track mit dem melodischen Toni Martin entlehnt?
Auf jeden Fall ist es das bisher annehmbarste Liedchen, trotz der seltsam stumpfen, rauschigen, intransparenten, beinahe verlangsamenden Produktion. Klar, dann wird wieder geschlagert. Zum Abschluss bekommen wir noch einmal Brucibaby, auch ohne jede Power. Das beste am Album ist der Glockenschlag, wenn es zu Ende ist. Meine Güte, was ich dieses Jahr gehört habe! Nix für Stendahl den Henker, das müssen andere mögen.
Note: 5,5/10
[Matthias Ehlert]
Ich weiß gar nicht, wie ich mein Erstaunen über die doch eher verhaltene Resonanz im Hauptreview des geschätzten Kollegen Walzer und die teils doch recht kruden Noten meiner anderen Kollegen des Soundcheck-Teams und auch in dieser Gruppentherapie in Worte fassen soll. Ich verfolge den Weg von DIAMONDS HADDER seit knapp zwei Jahren, als ich das erste Mal den Song 'Evermore' im Netz entdeckt habe. Seither sabbere ich neuen Songs und auch Videos dieser Band entgegen. Wobei der Begriff Band hier vielleicht etwas anders zu betrachten ist, denn eigentlich scheint es mehr ein Projekt von John Evermore zu sein, der sich Musiker zur finalen Umsetzung seiner kreativen Ideen dazu holt.
Ich hatte es bereits in meinem Perlen-Artikel des vergangenen Jahres geschrieben; nun ist es Realität geworden! "Beyond The Breakers" ist endlich nicht nur digital, sondern auch physisch erschienen. Die Songreihenfolge wurde noch einmal verändert, Sound-Guru Patrick Engel hat dem Produkt den finalen Schliff gegeben. Und hier sind wir ja bereits bei einem der gern genannten Kritikpunkte: dem Sound.
Während andauernd Klangverbrechen mit rosaroten Ohren unkommentiert durchgewunken werden und man offenbar nur noch auf gleichgeschaltete Volldröhnung steht, gibt es hier maximales Genöle über das Klangbild. Ernsthaft? Ja, der Klang ist etwas seltsam, passt für mich aber wunderbar zur ebensolchen Musik und der kompletten Idee hinter DIAMONDS HADDER. Meine sofortigen Assoziationen sind VAUXDVIHLs "To Dimension Logic", QUEENSRYCHEs "Rage For Order", SACRED BLADEs "Of The Sun And Moon" und SIRENs "No Place Like Home". Alles Klassiker in meiner komischen Welt und genau da wird "Beyond The Breakers" auch irgendwann für mich stehen. Natürlich sind die Parallelen zu DIO offensichtlich, aber aus welchem Grund sollte dies schlecht sein? Weil John nicht so gut singt wie Ronnie James? Selten so gelacht. Während ich ja im Normalfall als Nörgel-Kauz angesehen werde, bin ich dieses Mal der Abfeier-Kauz. Dieses Album ist sensationell!
Note: 9,5/10
[Holger Andrae]
Mein lieber Holg, ich tue mich wirklich schwer, "Beyond The Breakers" mit deinen Ohren zu hören. Ja, natürlich lösen die DIO-Referenzen wohlige Gefühle in der Magengegend aus und ich finde, dass sich John Evermore gar nicht so sehr vor dem überlebensgroßen Vorbild verstecken muss. Manchmal möchte John dem Vorbild aber etwas zu sehr nacheifern, was bei mir dann etwa in 'Rivers End' schon wieder in Abscheu umschlägt angesichts eines sehr offensichtlichen Ronnie James Dio-Plagiats im gesanglichen Bereich.
Und auch klanglich hätte "Sound-Guru Patrick Engel" (um hier Holg zu zitieren) vielleicht etwas früher in den Prozess involviert werden sollen, denn während er im Vergleich zur digitalen Version der Songs, die schon seit einem Jahr im Netz herumwabern, durchaus noch Verbesserungen herbeiführen konnte, klingt "Beyond The Breakers" insgesamt doch mehr nach dem von Stefan beschriebenen Matsch als nach den glorreichen Siebzigern oder Achtzigern. Gerade der hölzerne Bass und das dumpfe Schlagzeug stören mich mit zunehmender Spielzeit doch sehr. Und das kommt von jemandem, der Holgs Sehnsucht nach mehr Lichtschimmern im Dschungel der gleichgeschalteten Breitwand-Produktionen teilt. Man könnte hier aber auch mit definiertem und druckvollem Sound ausbrechen, ohne gleich rumpelig und undefiniert zu werden.
So bleibt am Ende für mich ein Album zurück, das viele gute Ansätze hat und wohlige Erinnerungen herauskramt, bei mir aber primär die Sehnsucht weckt, schnell zum CD-Regal zu eilen und eine RAINBOW- oder DIO-Scheibe in den Player zu werfen, anstatt das DIAMONDS HADDER-Debüt einzutüten. Und so gibt's für das Erstwerk auch nur recht gleichgültige 6,5 Zähler, die aber dank der tollen Ansätze einen Schimmer Hoffnung für die Zukunft lassen.
Note: 6,5/10
[Tobias Dahs]
'Ballad Of The Dead Rabbit'
Vielleicht überrascht es nicht, dass ich mich im Falle von DIAMONDS HADDER zum Team Holger bekenne. Der Schlüssel zu "Beyond The Breakers" liegt wohl in seinem Vergleich zu SACRED BLADE, denn diese Underground-Legende ging genauso eigenwillig, kauzig und immer knapp gegen den Strich gebürstet an das Thema episch-melodischer US Metal heran. Tatsächlich muss diese Platte ein bisschen wie ein altes Demo-Tape klingen! Das gehört einfach mit zum Charme der Geschichte dazu. Wie oft habe ich mich früher geärgert, wenn großartige, gänsehäutige Demosongs auf den Debütalben durch die "bessere Produktion" an Charakter verloren hatten. Wer für diese Art von besonderem Aroma keinen Sinn hat, wird den Zugang wohl auch bei DIAMONDS HADDER nicht finden. Wer hier aber einfach nur mehr oder weniger monotonen Hardrock hört und bei den ersten DIO-Assoziationen eigentlich schon mit der Aufmerksamkeitsspanne am Ende ist, der verpasst einfach eine ganze Menge, liebe Freunde!
Hier wird eben nicht in Schönheit gestorben, hier wird auch nicht nach irgendeiner Art von Perfektion gesucht. Es wird einfach aus dem Bauch heraus ebenso lustvoll wie unkonventionell die eigene Lieblingsmusik in eine sympathisch-verlebte Szene gesetzt, Schrammen, Rostflecken und Knatterbass inklusive. Wem die Spannungsbögen sehr gedehnt erscheinen, der sollte vielleicht mal irgendwo mitten in einen Song reinklicken und erwischt vielleicht eine Stelle wie die zweite Hälfte von 'Long Is The Road', die vor Seele und Leidenschaft fast explodiert. Diese intensive Dramaturgie habe ich zuletzt bei Finn Zierler und BEYOND TWILIGHT gehört. "Beyond The Breakers" hat alles, was ein intensives Musikerlebnis braucht, es hat dieses Momentum, wo man sich dem Künstler sehr nahe fühlt für einen Moment, wenn man die Schwingungen tatsächlich aufnehmen kann. Wer für solche Erlebnisse offen ist, liebt dann nicht nur SACRED BLADE oder DIAMONDS HADDER, sonders wohl auch stilistisch anders gestrickte Seelenverwandte wie VAUXDVIHL oder CIVIL DEFIANCE bzw. PHILM.
Note: 9,0/10
[Martin van der Laan]
Fotocredit: Band
- Redakteur:
- Thomas Becker