Gruppentherapie: HIGH SPIRITS -"Safe On The Other Side"
03.12.2023 | 17:38Kein Spaß ohne Innovation?
Die letzte Gruppentherapie zum November-Soundcheck beschäftigt sich mit HIGH SPIRITS. "Safe On The Other Side" teilt sich mit "Cycles Of Pain" von ANGRA (zur Gruppentherapie) und "Blood Bone And Fire" von DESTRUTOR Platz 3. Schon Kollege Stehle spricht in seiner Hauptrezension aus, dass hier keine Räder neu erfunden werden, für ein gut gelauntes Mitrocken ist er sich aber nicht zu schade. Nur, was ist das wert? Für manche mindestens einen Stock, doch an welchem Platz, ist hier die Frage!
Manche Erkenntnisprozesse dauern etwas länger, bringen einen dann aber auch zum lauten Lachen, während man wie ich - zum Glück - allein vor der Stereoanlage sitzt. Zuerst musste ich mich nämlich ärgern. So ziemlich jedes Riff, jede Hook, jede Songstruktur, die uns HIGH SPIRITS mit "Safe On The Other Side" präsentiert, habe ich schon von mindestens einer Band gehört, die irgendwann zwischen 1973 und 2023 ambitioniert zu den Instrumenten gegriffen hat. Was die Band fast schon zu einer Coverband ohne Ehrlichkeit zum Covern macht. Aber dann fiel mir der Albumtitel wieder auf und ich verstand: Die Band macht das nicht, weil sie es nicht besser kann oder weiß. Das ist einfach das Programm und das Versprechen: "Safe On The Other Side" zu sein. Nachdem ich das akzeptiert hatte, ging es mir mit dem Album besser und ich sehe es mehr als eine Verbeugung von Epigonen vor ihren Lieblingsbands, ohne jeden Anspruch auf eigene Innovation. Das hat auch meine Einstellung zur Musik verändert. Wo vorher Ärger über fehlende eigene Ideen war, freute ich mich jetzt fast, wenn ich sah, wo sich die Band hier und da bediente. Also ein erweitertes musikalisches Pub Quiz, wenn man so will. Eine Top-Platzierung in den Jahrescharts wird es trotzdem nicht geben, aber so nebenbei läuft das Album schon ganz gut rein.
Note: 6,5/10
[Julian Rohrer]
Zugegeben, das Argument rund um die Originalität einer Band schleicht sich auch in meinem Kopf immer wieder ein, doch irgendwie halte ich es inzwischen fast für irrelevant, denn wenn man genau genug hinhört, kann man eigentlich bei jeder Band unserer Zeit die Einflüsse herauspicken. Sind wir mal ehrlich, das Rad kann man einfach nicht mehr neu erfinden, aber eben aus den verschiedenen Komponenten einen flotten Rennreifen bauen, der einen mit mächtigem Hit-Tempo und auch langfristig in die Gehörgänge der Zuhörer und Zuhörerinnen befördert. Genau hier hapert es allerdings bei HIGH SPIRITS noch etwas, denn während mir das Album, ähnlich wie meinem Kollegen Julian, so nebenbei gut reinläuft, gibt es im Gegenzug aber auch keinen Song, der mich so richtig packt und der meine Aufmerksamkeit auf "Safe On The Other Side" lenken würde. Klar, 'In The Moonlight' hat die coolen MAIDEN-Leads im Gepäck, die mich auch mal genauer hinhören lassen, und auch das Solo und der Refrain von 'Til The End Of Time' sind richtig stark, ansonsten rocken die Amerikaner aber eben gefällig vor sich hin, ohne mir das schlagende Kaufargument in Form eines Hits um die Ohren zu hauen. Handwerklich ist hier dabei übrigens alles in Butter und auch der Retro-Sound der Scheibe gefällt mir sehr gut, doch zu mehr als sieben Zählern kann ich mich ob der fehlenden Hits eben einfach nicht durchringen, denn wenn ich ehrlich bin, werde ich "Safe On The Other Side" in ein paar Wochen auch schon wieder vergessen haben ...
Note: 7/10
[Tobias Dahs]
Jungs, nehmt mal den Stock aus dem Hintern, das stört beim Mithampeln! Ich lese hier immer was von Originalität, hey, wir sind im Hardrock, da werden seit Mitte der Achtziger Riffs hauptsächlich wiederverwertet. Was erwartet ihr denn sonst von so einer Kapelle? Hofft ihr etwa, dass das nächste AC/DC-Album dem Stil doomiger Thrash zugeordnet werden kann, U.D.O plötzlich Rockabilly und die SCORPIONS Death Metal machen? Der Fall hier ist doch vor Veröffentlichung bereits eingenordet, bei HIGH SPIRITS hoffe ich auf
- Spaß in den Backen - check
- eingängige, mitsingbare Melodien - check
- guter, etwas dreckiger Sänger - check
- niedrige Balladendichte - check
Bonus sind die Refrains, die doch fluffig aus den Boxen flutschen und beim Kochen genau so von den Lippen gehen. Und ich höre da Hits, Tobias, sogar eine ganze Platte voll, die immer, wenn der Rundling rotiert, Spaß machen. Wisst ihr, wie ich das definieren würde? So: "Ein Album, das man häufiger auflegen wird und auf jeden Fall Hits hat." Huch, das ist ja unsere Definition von:
Note: 8,5/10
[Frank Jaeger]
Bevor ich mit dieser Rezension beginne, vergewissere ich mich sorgfältig, dass auch alle Stöcke dort sind, wo sie hingehören, gell Frank. Ehrlich gesagt, habe ich den Hype um den schwarzen Professor Jack Black und HIGH SPIRITS nie wirklich verstanden. Ich habe zwar schon einige Male versucht, hinter den Erfolg des Amerikaners zu kommen, aber leider immer vergeblich. Da in diesen Tagen mit "Safe On The Other Side" ein neues Album erscheint und der gute Marcel zudem den Vorschlag einer Gruppentherapie in die Runde warf, nehme ich die Gelegenheit gerne noch einmal wahr und starte erneut einen Versuch. Wenn Holger, Johnny und Michael in der Vergangenheit jeweils mit Neuner-Bewertungen und höher um sich geworfen haben, muss meinen Ohren etwas entgangen sein. Wie sonst wäre es möglich, dass ich die Band immer nur als "ganz nett" in meinen Hirnwindungen abgespeichert habe.
Man braucht wahrlich keine Kristallkugel, um auch die Zutaten des neuen Rundlings vorherzusehen, denn die sind im Hause HIGH SPIRITS mehr als bekannt, was nicht unbedingt negativ zu verstehen ist. Beim Lieblingsitaliener erwartet man ja auch nicht jedes Mal eine neue Rezeptur. Einige Titel sind in der Tat wirklich schön und gut komponiert und machen teilweise sogar richtig Spaß, wie das Album-Highlight 'One Day Closer'. Auch die Produktion und einige feine Gitarrensoli darf man als gelungen bezeichnen. Das war es dann aber auch schon an Positivem aus meiner Sicht.
Denn da ist der Gesang des Maestros, der einfach nicht über Durchschnitt hinauskommt. Er besitzt zwar einen hohen Wiedererkennungswert, ist aber in der Summe viel zu blass und durchschnittlich, um bei mir punkten zu können. Gleiches gilt für das eher eintönige Songwriting, welches sich für meine Lauscher relativ schnell abnutzt. Vor allem die Refrains, welche Herr Jäger gar als Bonus deklariert, werden für meinen Geschmack zumeist überstrapaziert, wie beim Opener 'In The Moonlight'. Das macht dann auch wirklich keinen Spaß mehr. Unterm Strich ist das Album keine echte Enttäuschung, aber eben auch weit davon entfernt, Begeisterungsstürme auszulösen. Als Fazit kann ich also festhalten, dass mein erneuter Versuch, hinter das Erfolgsgeheimnis der Marke HIGH SPIRITS zu kommen, wieder einmal krachend gescheitert ist. Obwohl man, und hier zitiere ich Frank, gut mithampeln kann.
Note: 7/10
[Mahoni Ledl]
https://www.youtube.com/watch?v=6O-xD4xtv5c
Es wird langsam Zeit, dass hier jemand mal die richtige Meinung zum neuen HIGH SPIRITS-Album hat, also neben Frank. Ich mochte quasi jedes bisherige Werk. Allerdings muss ich mir auch eingestehen, dass nur eine überschaubare Zahl an Songs wirklich dauerhaft im Ohr haften blieben. Ob das diesmal anders wird ist nicht vorhersehbar. Das Debüt überragt letztlich immer noch eine gute, aber selten (völlig) überragende Diskografie (keine Frage, die 9,5 Zähler für "Motivator" waren von mir damals zu hoch). Allerdings weiß ich bei Chris Black und Co., was ich kriege, und habe auch keine falschen Erwartungen (wie Originalität). Erst mal, der Gesang ist sicher nicht durchschnittlich. Was für ein Unfug. Herr Black hat phasenweise ja etwas zu viel veröffentlicht (seine seltsamen Solo-Alben...), aber singen kann er. Was er auch kann, das sind Refrains. Und die IRON MAIDEN-Gedächtnis-Gitarren stören mich nicht im Ansatz, wenn der Bandsound sonst gar nicht nach den Jungfrauen schreit (ich habe erst vor einer Stunde "Somewhere In Time" gehört). Für HIGH SPIRITS-Verhältnisse wirkt das Album auf mich erstmal lang (40 Minuten), aber das stört nicht. Der Sound ist wieder etwas metallischer als auf dem Vorgänger, der ein AOR-Flair hatte. Aber "metallisch" heißt maximal SAXON, DEF LEPPARD oder VAN HALEN, aber das ist ja auch nicht schlimm. Musik nach 1990 wird hemmungslos als Einfluss ignoriert, wer irgendwo zwischen Westcoast, Hard Rock und AOR der (späten) Siebziger und NWoBHM der Achtziger und etwas Retro Rock steht, der wird mit dieser absoluten Gute-Laune-Scheibe Spaß haben. Insgesamt ist HIGH SPIRITS keine düstere Band, die dich runterzieht oder dir im Leid schwelgerische Mitsing-Momente gibt - sondern eine Scheibe für die Fahrt mit offenem Fenster über den Highway, während die Sonne im Hochsommer untergeht und du auf dem Rückweg vom Badesee bist und noch ein bisschen mit Freunden grillen willst. Party-Rock, das mag für manche abwertend klingen. Aber es ist genau, was ich von Black und HIGH SPIRITS erwarte.
Note: 8,5/10
[Jonathan Walzer]
Ich verstehe ja Julian und Tobias. Ich war auch immer einer von denen, die mangelnde Innovation angemahnt haben, die immer nach etwas Neuem, Spannendem gesucht, und bei allzu Altem, Traditionellem die Keule ausgepackt haben. Das geht aber weg mit dem Alter. Man wird sich bewusst, welche Musik man wirklich mag und welche einem dies nur vorgaukelt.
HIGH SPIRITS stelle ich an und ich habe sofort gute Laune. Nicht dass ich vorher jetzt sehr viel HIGH SPIRITS gehört hätte, doch die Stimme erkenne ich sofort wieder, ihre Klangfarbe gibt mir ein positives Gefühl und trägt entscheidend dazu bei, dass die meisten Lieder sofort in Ohr gehen, wie Öl runterlaufen, einfach Spaß machen. Eingängige Gitarrenmelodien, die immer wieder etwas an THIN LIZZY, IRON MAIDEN oder AUDREY HORNE erinnern, tun ihr übriges. Somit fasse ich zusammen:
Frank hat Recht - check.
Jhonny hat Recht - check.
Note: 8,5/10
[Thomas Becker]
Dann will ich doch mal auf der Welle der positiven Resonanzen weiter reiten. HIGH SPIRITS ist, um im Surfer-Jargon zu bleiben, mit "Safe On The Other Side" eine wunderbare Glassy-Welle gelungen. Denn auch für mich kommt dieses Album buchstäblich aus dem Nichts und macht Spaß ohne Ende. Somit kann ich meinen Vorrednern nur zustimmen hier stören tatsächlich keine Ecken und Kanten das Hörvergnügen und auch der Innovationsfaktor liegt bei 0,0%, aber dafür setzen sich die Refrains, teilweise sogar die einzelnen Strophen, wie Widerhaken in die Hörmuschel und verbreiten mit der jederzeit tanzbaren Rockmusik (Metal ist hier in meinen Ohren tatsächlich kaum etwas) grenzenlose Freude. Was mich auch besonders kickt, und da verlassen wir die Surfer-Vergleiche, ist diese konstant mitschwingende Melancholie in der Stimme von Herrn Black. Beach-Rock ist das trotz einer unverschämten Eingängigkeit dann also doch nicht, aber Jhonnys Eingruppierung als Party-Rock kann ich absolut unterschreiben. Ich feiere vielleicht nur generell noch einen halben Punkt lieber als er, deswegen die neun Punkte. Zusammen mit der neuen ECLIPSE ist "Safe On The Other Side" für mich auf jeden Fall das Rock-Album des Jahres und macht grade in dieser regnerischen Zeit beim Autofahren doppelt Laune.
Note: 9,0/10
[Stefan Rosenthal]
https://www.youtube.com/watch?v=KClA-P41tUs
Da der Bandname HIGH SPIRITS Hochstimmung verheißt, ist es ja nicht unbedingt verwunderlich, dass tatsächlich einige Kollegen sich von der Musik auf "Safe On The Other Side" mitreißen lassen. Prinzipiell habe ich keine großen Probleme damit, wenn "Originalität" für die Dauer eines Albums mal eben aus dem Wortschatz oder aus dem Melodien- und Riff-Fundus gestrichen wird. Aber dann müssen auch noch weitere Faktoren stimmen, um die Songs genießen zu können. Da ist zum einen der Gesang, der Persönlichkeit und Ausdruck mitbringen muss, und dann wäre noch etwas Energie wünschenswert, damit sich tatsächlich die gute Laune einstellt. Beides fehlt mir auf dem aktuellen Langspieler von HIGH SPIRITS. Die ersten drei Stücke gefallen mir noch am besten, da hier ein klein wenig Punk Rock eingeflossen ist, allerdings in einer sehr handzahmen Form. Nach dem meiner Meinung nach besten Song 'Lonely Nights' kommt einfach nichts mehr, was mich auch nur ansatzweise interessieren würde. Ja, zum Kochen oder Spülen eignet sich "Safe On The Other Side" durchaus, aber das gilt auch für so manches Radioprogramm. Das ist aber nicht das, was ich von Hardrock oder Heavy Metal erwarte. Da ist plötzlich wieder so ein Stock, der vorher noch nicht da war ...
Note: 6,5/10
[Jens Wilkens]]
Fotocredits: High Roller Records
- Redakteur:
- Thomas Becker