Gruppentherapie: KILLSWITCH ENGAGE - "This Consequence"
09.03.2025 | 00:41Wirklich so abschreckend wie der Soundcheck suggeriert?
Große Namen hinten im Soundcheck, das schreit nach Gruppentherapie! Heute erwischt's KILLSWITCH ENGAGE mit dem neuen Album "This Consequence". Mit Timon hatte ein alter Fanboy die Ehre, das neue Album zu besprechen (zur Hauptrezi), und der hatte auch ein paar Kritikpunkte gefunden, was den viertletzten Platz im Februar-Soundcheck eher bestätigt. Das ist aber nicht der Grund, weshalb Sänger Jesse Leach wütend ist, wie ihr im Interview auf diesen Seiten erfahrt. Einige Beiträge aus dieser Therapiesession würden ihn sicher auch besänftigen, stellt sich am Ende doch gar die Frage, ob unser Soundcheck abschreckend für Fans von modernem Metal ist.
Also ich habe großen Respekt vor allen Kollegen hier bei POWERMETAL.de, mit ihren Wertungen für moderneren Metal lösen meine Soundcheck-Mitstreiter bei mir aber regelmäßig massives Stirnrunzeln aus und bringen mich manchmal auch zur Verzweiflung. So auch im Falle von KILLSWITCH ENGAGE und dem neuen Album "This Consequence", das den viertletzten Rang in unserem Februar-Soundcheck mit einem Schnitt von 6,5 Punkten belegt.
Die Benotung muss dabei allerdings in einer generellen Abneigung gegenüber dem klassischen 2000er-Metalcore begründet liegen, den die Amerikaner schon seit dem Debüt und mit fast schon unheimlicher Konstanz zelebrieren. Ich als Fan der Truppe um Jesse Leach jedenfalls bekomme hier genau das, was ich mir von einem KILLSWITCH ENGAGE-Abum erwarte: Große Hooklines werden mit feinem Klargesang serviert, die Gitarren-Leads und melodisch gefärbten Riffs sitzen und auch die rasante Core-Abreibung mit Moshpit-Garantie kommt nicht zu kurz, ohne dass dabei je ein Song einfach nur stumpf auf die Zwölf haut.
Höhepunkt ist dabei glasklar 'I Believe', dessen wunderschön melancholischer Refrain einem schon nach einem Durchlauf nicht mehr aus dem Kopf geht. 'Discordant Nation' und 'Forever Aligned' zeigen aber auch, dass die Amerikaner anno 2025 nicht nur ultramelodisch agieren können, sondern eben immer noch Meister darin sind, wuchtige Strophen und Riffs mit genau der richtigen Portion Eingängigkeit zu verbinden, um uns das beste aus beiden Ecken des Bandsounds konzentriert in einer Komposition zu servieren. Zu meckern habe ich dann auch wirklich überhaupt nichts und darf Fans der Band nur dazu raten, die Noten des Soundchecks zu ignorieren, denn wer Jesse und Co. liebt, bekommt hier genau das Futter, was er oder sie erwartet.
Note: 9,0/10
[Tobias Dahs]
Ja, Tobias, so legt sich wohl die Stirn eines jeden von uns gelegentlich in tiefe Furchen ob der Bewertungen des einen oder anderen Mitstreiters. Gerade, wenn es um Stilrichtungen geht, die man selbst sehr schätzt, die bei den anderen indes so gar nicht ankommen. Mir geht es beispielsweise so, wenn Untergründiges aus der rabenschwarzen Zunft des Stahls an der Liste Ende steht.
Doch in einem Punkte hast du fraglos recht, nämlich darin, dass ich dem hier in Rede stehenden Stile nicht über die Maßen zugetan bin. Selbst dann nicht, wenn er vollendet dargeboten wird, denn stets erfüllt es mich mit Grausen, wenn die rasende Brüllwürfelei der Verse in bewährt fürchterlicher Weise durch zuckersüß gefühlsduselige Klargesangszwischenspiele in den Kehrversen unterbrochen wird. Das machen die Herrschaften aus Massachusetts, den Ansumiz sei es geklaget, leider nicht nur gelegentlich, sondern in nahezu jedem Liede. In den schöpferischen Augenblicken indes dreht man den Spieß um und gibt sich eingangs zartfühlig, um dann im weiteren Verlaufe mit wüsten Einschüben zu überraschen. Oder halt auch nicht, denn dieses dauernde Wechselspiel zwischen derber Rohheit und betont einschmeichelnder Spielweise empfinde ich seit jeher als grundlegende Geißel dieses Stilbereichs.
Erschwerend kommt bei den Totschaltern hinzu, dass das Klangbild schlicht unsäglich ist; alle Regler am Anschlage, scheint das immerwährende Übersteuern dem Knöpfchenmanne als Tugend zu gelten. Des Verfassers dieser Zeilen alte Ohren indes teilen derweil dem Gehirne mit, dass nicht nur kaltgebrühte Klangkünstler, wie etwa jene vom Traumtheater, das mit der Gehörfreundlichkeit angenehmer gestalten. Selbst der gesamte im Hornunge zur Verkostung angetretene Untergrund, mag er auch mit der schwarzen Räude an den Reglern aufgenommen haben, erweist sich hier als überlegen.
Note: 4,0/10
[Rüdiger Stehle]
Es steht KILLSWITCH ENGAGE auf der Verpackung, es ist KILLSWITCH ENGAGE drin. Damit wäre eigentlich bereits alles gesagt, aber wenn ich hier nur einen Satz schreibe, treten mir meine Kollegen in den Hintern. Also holen wir mal etwas weiter aus: "This Consequence" ist das erste neue vollwertige Album von KILLSWITCH ENGAGE seit 2019 und man kann den Jungs um Sänger Jesse Leach nicht vorwerfen, dass sie sich nicht weiterentwickelt hätten.
Natürlich klingt immer noch alles, wie es soll, trotzdem ist es wohl das diverseste Album im ganzen Bandkatalog. 'Aftermath' und 'The Fall Of Us' geizen nicht mit Death-Metal-Elementen während Songs wie 'I Believe' oder 'Forever Aligned' zum Mitsingen animieren. An anderen Stellen kann man wiederum sogar Punkrock-Einflüsse heraushören. Durch diese Vielfalt wird das Album nie langweilig und überzeugt auch noch beim zehnten Durchlauf auf ganzer Linie.
Textlich finden sich viele Referenzen auf das Weltgeschehen der letzten fünf Jahre und auch dies kann ich nur lobend hervorheben. An dieser Stelle verweise ich gerne auch auf das Interview, welches ich mit Jesse Leach geführt habe, und in welchem er erzählt, wie er seine Beobachtungen dieser Jahre in "konzentrierte und aufrichtige Wut" transformiert hat.
Zusammenfassend kann ich auch nur raten, sich nicht vom Soundcheck hier auf POWERMETAL.de abschrecken zu lassen. Wer KILLSWITCH ENGAGE bisher mochte, wird auch das neue Album lieben. Und allen anderen empfehle ich, trotzdem mal hineinzuhören; ihr könntet positiv überrascht werden. Ich für meinen Teil freue mich bereits sehr, das Quintett im Herbst live auf der Bühne zu erleben – Nackenschmerzen garantiert.
Note: 8,5/10
[Chris Schantzen]
Wenn Chris schreibt, dass alles gesagt ist, weil KILLSWITCH ENGAGE auf der Verpackung steht, dann ist da natürlich was dran. Die Band zieht aus meiner Sicht seit mindestens 20 Jahren sehr konsequent und ohne größere Veränderungen ihren Stiefel durch. Als Kind der Nullerjahre muss ich "This Consequence" erst mal stark finden, denn das war der Metalcore, mit dem ich aufgewachsen bin. In der frühen Zeit fand ich es bei KILLSWITCH ENGAGE noch sehr eigenständig, dass Klargesang und Screams sich abgewechselt haben. In den Jahren danach wurde das ja quasi zum Standard, der mich dann auch ziemlich ermüdet hat. Ich bin ganz anders abgebogen und wenn ich "modernen" Metalcore der letzten zehn Jahre hören muss, bin ich in der Regel froh, wenn ich so schnell wie möglich das Zimmer verlassen kann.
Verglichen mit den Bands, die Party- und Elektro-Elemente oder Pigscreams einsetzen, ist "This Consequence" in jedem Fall eine Oldschool-Wohltat. Ein viertletzter Rang im Soundcheck ist für mich eigentlich nur dann erklärbar, wenn Leute prinzipiell mit Metalcore wenig oder nichts anfangen können, denn diese Scheibe ist qualitativ für das Genre schon klar im Topbereich anzusiedeln. Mein Kritikpunkt ist letztlich der gleiche wie bei allen Scheiben der Band seit "The End Of Heartache" – die damalige Hitdichte wurde aus meiner Perspektive leider einfach nie wieder erreicht. So haben wir es mit einem der besten Metalcore-Alben zu tun, das mir die letzten Jahre untergekommen ist. Aber ich weiß, dass die Band noch mehr könnte. Daher kann ich im Moment nicht mehr als acht Punkte geben.
Note: 8,0/10
[Jonathan Walzer]
Prinzipiell gehöre ich ja auch zu denjenigen alten weißen Männern, lieber Tobias, die dem klassischen Metalcore der 2000er Jahre in herzlicher Abneigung verbunden sind. Aber bei KILLSWITCH ENGAGE war das immer etwas anders, weil die Band ein sehr feines Gespür für subtile Melodien hat, weil ich die fetten Thrash-Metal-Riffs an allen Ecken und Kanten ziemlich cool finde, und weil ich Jesse Leach für den wohl besten Shouter dieses Genres halte. Folglich konnte ich insbesondere mit den ersten beiden KILLSWITCH-Scheiben durchaus etwas anfangen.
Nach Jesses zwischenzeitlichem Ausstieg habe ich die Band dann etwas aus den Augen verloren, aber spätestens seit "Atonement" (2019) wieder auf dem Schirm. Tatsächlich gefällt mir das aktuelle Album "This Consequence" noch eine Ecke besser als der Vorgänger, weil ich kleine Crossover-Hits wie 'Discordant Nation' oder 'The Fall Of Us' für mich entdeckt habe. Auch eine Alternative-Metal-Nummer wie 'I Believe' läuft mir ziemlich gut rein. Dazwischen sehe ich mich natürlich auch mit den obligatorischen Problemen konfrontiert, die seit einem Vierteljahrhundert zwischen mir und dem Phänomen Metalcore stehen. Die monotone Penetranz aus Genre-Klischees, die Rüdiger hier konstatiert, kann ich allerdings nicht entdecken; und das "Alle-Regler-auf-Anschlag"-Prinzip habe ich anderswo schon deutlich intensiver wahrgenommen. Somit höre ich auch diese KILLSWITCH ENGAGE-Platte ab und zu ganz gerne, aber eben wieder nicht gerne genug um eine Kaufhandlung zu triggern.
Note: 7,0/10
[Martin van der Laan]
Ein wenig bereue ich es, dass ich in diesem Monat nicht am Soundcheck teilgenommen habe, denn dann hätte ich KILLSWITCH ENGAGE vielleicht doch noch einen etwas besseren Platz oder zumindest Notenschnitt bescheren können. Ich kann Rüdiger ja sogar insofern verstehen, dass er den Stilwechsel im Gesang nicht leiden kann. Das ist natürlich Geschmacksache und sorgt dementsprechend durchaus für eine Abneigung gegenüber dem Gehörten. Dennoch sollte auch Rüdiger anerkennen können, dass Jesse Leach jeden Gesangsstil für sich genommen in Perfektion beherrscht und einer der Besten seines Fachs ist. Zudem sollte auch die instrumentale Seite von "This Consequence" beachtet werden und auch hier sorgt KILLSWITCH ENGAGE erneut für großartige Riffs und tolle Melodien. Die Truppe hat einfach ein feines Gespür für die Kombination aus Härte und Melodie.
Dabei sehe ich nicht nur 'I Believe' als Highlight, sondern auch das an TESTAMENT erinnernde 'Requiem' weiß sehr zu gefallen. Ganz zu schweigen von 'Abandon Us', 'Forever Aligned' oder 'The Fall Of Us'. "This Consequence" strotzt aus meiner Sicht vor Hits, weshalb ich Jhonnys Aussage zur Hitdichte auch nicht ganz unterschreiben kann. Auch Kritik am Klangbild kann ich nicht ansatzweise nachvollziehen, denn dieses ist in meinen Ohren absolut perfekt. Aber ich verstehe es auch nicht, warum einige Kollegen in letzter Zeit regelmäßig die Produktionen von neuen Releases kritisieren, weil sie ordentlich Druck haben und ballern. So soll es in meinen Ohren sein! Aber auch das ist offensichtlich Geschmacksache. Für meinen Geschmack ist "This Consequence" in jeglicher Hinsicht ein bockstarkes Album geworden!
Note: 9,0/10
[Mario Dahl]
I feel you, Mario. Auch meine Soundcheck-Pause hat KILLSWITCH ENGAGE nicht gut getan. Genau wie bei LACUNA COIL schneidet das neue Album deutlich zu schwach ab, müsste dabei doch ohne Zweifel zu den Highlights des Monats gezählt werden. Sicherlich bewegen sich die Amerikaner auch weiterhin in ihrer Komfortzone, so dass man "Consequences" für bestimmte Entscheidungen sicherlich nicht befürchten muss. Hier spielt sich alles im bekannten Rahmen und ohne Herausforderungen für die Fan-Basis ab. Das heißt aber nicht, dass man nur nach Schema F komponiert.
Im Gegenteil. In diesem engen stilistischen Korsett reizt KILLSWITCH ENGAGE die Grenzpunkte radikal aus und sorgt in frischen 35 Minuten für ordentliche Abwechslung. Das Album funktioniert somit auch als Ganzes ziemlich gut – auch wenn der Fokus natürlich weiterhin auf den Einzelsongs ruht. Und da sind mal wieder echte Perlen dabei. Zu gerne wäre ich in der Welt von Rüdiger, wo eine Band mit Refrains der Marke 'Forever Aligned', 'Abondan Us' und 'Aftermath' am Ende mit vier Punkten nach Hause gehen muss. Was für ein Monster kriegt man denn dort mit acht Punkten geliefert? Das müssen paradiesische Zustände sein. Und da haben wir noch gar nicht von dem Oberhammer 'I Believe' geredet. Was für eine unfassbare Airplay-Perfektion und bis jetzt der beste Rocksong des jungen Jahres.
Ich bin irritiert, dass man das nicht hört beziehungsweise nicht wertschätzt. Eine Doom-Truppe kriegt von mir auch nicht pauschal drei Punkte abgezogen, weil die Musik mir immer zu langsam ist. In gleicher Weise kann doch ein typisches Stilmittel im Gesang, der ständige Hart&Zart-Wechsel und eine Produktion, welche für dieses modernen Rahmen sogar angenehm differenziert klingt, nicht für solche radikalen Abwertungen führen. Aber das ist auch nur meine Meinung. Wer sich nur ansatzweise für Metalcore interessiert, hat diesen Release eh auf dem Zettel und wird mit "This Consequence" richtig viel Spaß haben können.
Note: 8,5/10
[Stefan Rosenthal]
Nach "The End Of Heartache" und "As Daylight Days" haben mich Adam und seine Kollegen irgendwie verloren. Und jetzt das. Was für ein Brett. Keine Ahnung, was passiert ist, aber demjenigen, der die Band wieder in die Spur und ihren Fokus gerichtet hat, gebührt eine Ehrennadel.
Die Musik strotzt vor Dynamik, Riffs, Ideen und technischen Leckerbissen. So frisch, kompakt und ausgewogen hat KILLSWITCH ENGAGE schon lange nicht mehr geklungen. Das gilt auch für die Produktion, die noch nie wirklich schlecht war, aber heuer an allen Ecken kracht und durchaus auch mal kantig ist. Einen riesigen Sprung hat auch Jesse gemacht, der die perfekte Balance zwischen Growls, Screams und melodischem Gesang gefunden hat. Sein Vortrag ist vor allem rhythmisch interessant und nachvollziehbar. Das macht das Konsumieren deutlich einfacher.
Die Musik animiert zum wilden Herumspringen - hier merke ich erst einmal, wie beengt mein Zuhause zu sein scheint, die Texte ziehen in ihren Bann und lassen mich tief eintauchen in ein arg zerbrochenes und wütendes Innenleben. Es ist schon erstaunlich, wenn ich echt in den Krümeln suchen muss, um Dinge zu finden, die ich bemängeln kann. "This Consequence" bietet auf den ersten Blick kaum Angriffsfläche. So lasse ich das dann einfach mal stehen und erfreue mich lieber an einem weiteren Highlight des noch frühen Jahres.
Note: 9,0/10
[Chris Staubach]
Fotocredits: Travis Shinn
- Redakteur:
- Thomas Becker