Gruppentherapie: MAYHEM - Daemon
22.11.2019 | 23:25Die Norweger haben einen echten Überraschungscoup gelandet: Soundchecksieger bei POWERMETAL.de! Aber was macht dieses Album so gut? Oder gibt es doch Kritikpunkte? Wir nehmen das Album daher nochmal genauer unter die Lupe mit unserer Gruppentherapie.
Ich behaupte jetzt mal ganz frech, dass keiner, der Rüdigers gewohnt ausführliches Review zu "Daemon" gelesen hat, diese Gruppentherapie lesen müsste. Im Unterschied zum Kollegen bin ich aber kein allzeitlicher MAYHEM-Fan, sondern eher Gelegenheitshörer. Die letzte CD der Veteranen empfand ich zudem als zuviel gewollt; sie war zerfahren und wirkte auf mich wie eine unfreiwillige Selbstparodie. "Daemon" vereint uns wieder. Witzigerweise fand meine Erstbelauschung von "Daemon" zeitgleich zu Rüdigers statt, und mir erging es - zwar an einem anderen Ort - sehr ähnlich wie ihm: Die Musik hat mich schier aus den Socken gehauen. Jede einzelne Bosheit ist diesmal so klar und deutlich in Klang gemeißelt, dass man teilweise tatsächlich ein wenig Schiss bekommt, den Schöpfern persönlich zu begegnen. Ich bekomme zumindest mal eine Ahnung davon, wie es dem jungen Rüdiger ergangen sein muss, als er als Bub das erste Mal MAYHEM hören durfte. 'The Dying False King', 'Agenda Ignis' und 'Bad Blood' ist die rasendste Starttrilogie, die mir ein Metalalbum die letzten Jahre bieten konnte und nach dem fast neoklassisch anmutenden Gitarrensolo am Ende von 'Bad Blood' liege ich Blut spuckend am Boden. Auch danach hat MAYHEM vieles zu bieten, oft auch Material, in das man sich hineinfuchsen muss. Die Musik ist wie von einem anderen Stern, vor allem Attilas unmenschliches Lautgebaren, aber auch tief in der Hölle geborene Harmonik in den Gitarrenriffs und Hellhammers Cyborg-Drumming. Warum aber keine Höchstnote? Daran ist MAYHEM selbst schuld. Ich hätte nach 'Bad Blood' tatsächlich noch mehr solcher Flitzefinger-Soli eingebaut gesehen. Ich wüsste sogar schon wo. Wären sie da, wäre es perfekt.
Note: 9,0/10
[Thomas Becker]
Ich kann, was die Bewertung angeht, auch nichts wirklich Neues liefern. Das ist schlicht und ergreifend ein sehr gutes Album, das man in dieser Qualität sicher nicht unbedingt erwarten konnte. Auch ich bin kein beinharter MAYHEM-Verehrer, nicht mal passionierter Black-Metal-Veteran, aber das muss man eben auch gar nicht sein, um "Daemon" gut finden zu können. Ich bin jetzt mal so frech und gebe zu, dass ich damit sogar mehr anfangen kann als mit dem legendären Debüt und der ebenfalls tollen (und ikonischen!) EP, die beide auf ihre jeweilige Art so ein ganz klein wenig einseitig sind. Auf dem aktuellen Werk der Norweger hingegen wird es über eine Stunde (mit Bonustracks) nicht langweilig und das auf einem deutlich höheren musikalischen Niveau. Die Glanzlichter wurden von Rüdiger und meinen Mitschreiberlingen ja schon genannt, ich möchte nochmal auf den ebenso eigenständigen wie kauzigen Gesang Attilas hinweisen, der viel zum Gelingen des Albums beiträgt. Weil aber auch die Gitarrenmelodien (großartig und eingängig!), das Bassspiel (super prägnant) und das Schlagzeugspiel (unmenschlich und organisch) überzeugen, ist "Daemon" einfach eine extrem runde Sache, die zudem noch exquisit produziert ist (und mir sehr viele Klammerbemerkungen entlockt hat).
Note: 9,5/10
[Jakob Schnapp]
Ich muss ja zugeben, dass ich nie der große Fan des norwegischen Black Metals, sondern eher des schwedischen Black Metals war. Dementsprechend hat mich MAYHEM nie so sonderlich interessiert und auch der Release von "Daemon" hätte mich eigentlich nicht jucken dürfen. Aber: Schon bei der Veröffentlichung des (in meinen Augen) fantastischen Covers wurde mein Interesse an der Scheibe ziemlich geweckt. Da war mir eigentlich schon klar, dass ich der Scheibe eine Chance geben muss. Und das überschwängliche Review von Rüdiger hat meine Neugierde dann doch enorm steigen lassen. Und womit? Mit Recht! "Daemon" ist ein fantastisches Stück Schwarzmetall geworden. Düster, böse, druckvoll, abwechslungsreich und teilweise sogar mit einem Hauch von Melodie versehen. Besonders viel Spaß macht mir die Gitarrenarbeit (besonders in 'Falsified And Hated'). Aber auch die grandiosen und abwechslungsreichen Vocals von Attila sind vom Feinsten. Und das Ganze kommt dann auch noch in einem fetten Soundgewand daher. Für mich persönlich ist "Daemon" das Beste, was ich je von MAYHEM gehört habe.
Note: 9,0/10
[Mario Dahl]
Diese Gruppentherapie bleibt höchst einseitig. Daran wird auch mein Beitrag zu "Daemon", dem neuesten MAYHEM-Output, nichts ändern. Die Band, die für das wichtigste Black-Metal-Album aller Zeiten verantwortlich ist, erklimmt nun wieder den Thron. Keine Frage: "Daemon" ist das beste Black-Metal-Scheibchen seit Jahren und überstrahlt die komplette Konkurrenz. Dabei ist es faszinierend, wie die Band absolute Bösartigkeit mit spielerischer Genialität vermengt. Auch mich können die Bassläufe begeistern, das Drumming ist ultrabrutal und klingt gleichzeitig enorm echt. Da könnten sich einige moderne Death-Metal-Bands mal eine Scheibe von abschneiden. Dass Attila der beste Black-Metal-Frontkauz überhaupt ist, dürfte unbestritten sein, aber dass er ein Vierteljahrhundert nach "De Mysteriis Dom Sathanas" noch mal so irrwitzig vor sich hin gurgeln und schreien kann, ist nicht selbstverständlich. Das Artwork ist (wie schon auf dem unterschätzten Vorgänger) wieder phänomenal. Da bleibt nur noch die Frage, die ungeschrieben im Raum steht: Schlägt "Daemon" auch "Age Of Excuse" von MGLA - das bisher wohl beste Black-Metal-Scheibchen des Jahres? Stand jetzt würde ich sagen: ja. Natürlich haben die Polen wieder zur Form von "With Hearts Toward None" gefunden und den etwas schwächeren Vorgänger vergessen gemacht, aber das Niveau der Bösartigkeit von MAYHEM wird bei MGLA nie erreicht, auch die Finessen der Musikalität nicht. Natürlich ist "Daemon" weder so massenkompatibel noch so hitlastig wie "Age Of Excuse". Aber come on, wir stehen doch nicht auf Black Metal, weil es radiotauglich ist.
Note: 9,5/10
[Jonathan Walzer]
- Redakteur:
- Mario Dahl