Gruppentherapie: ORDEN OGAN - "Ravenhead"

29.01.2015 | 14:42

Gruppentherapie für eine Band, die die Redaktion spaltet und die (kontroverse) Diskussionskultur stärkt.

Kollege Rapp diskutiert in seinem Review, ob ORDEN OGAN eine führende Rolle im deutschen Power Metal übernehmen könnte. Doch mit Platz 21 und lediglich einem knappen Sechserschnitt kommt "Ravenhead" diesmal durch das Ziel unseres Soundcheck-Marathons vom Januar (zum Soundcheck 01/2015).  Das ist verwunderlich, den der Vorgänger "To The End" platzierte sich mit anderthalb Punkten mehr im Schnitt auf Platz 6 (zum Soundcheck 10/2012). Was ist hier los? Stilbruch? Schwächeanfall? Kein Power Metal mehr? Oder doch einfach nur falschrum sich drehende Neutrinos? Lest selber.



Hat man sich einen Durchlauf lang nebenbei mit "Ravenhead" befasst, wird schnell klar, dass sich ORDEN OGAN gar nicht darum bemüht, die BLIND GUARDIAN-Vergleiche zu umgehen. Die Krefelder Institution ist und bleibt die Referenz für die Ordensbrüder. Auf der einen Seite gibt es sicherlich schlechtere Vorbilder (und zudem wenige richtig gute Kapellen in gleichem Fahrwasser), auf der anderen mangelt es in wirklich allen Bereichen, um Hansi & Co. tatsächlich das Wässerchen zu reichen. Auch wenn dies langfristig das Ziel sein muss, um irgendwann mal den den "B-Ware"-Stempel loszuwerden und in die erste Liga aufzusteigen, erscheint eine reine Reduzierung auf diesen Vergleich mit einer der größten deutschen Bands überhaupt nicht ganz fair. Denn an sich liefert ORDEN OGAN eine sehr ordentliche Scheibe ab, stilistisch vielleicht ein Schuss mehr reiner, moderner Power Metal als die neueren BG. Der Titelsong eröffnet schick, wenig später folgen mit 'The Lake' und 'Evil Lies In Every Man' zwei richtig starke Tracks. Insbesondere letzterer weiß mich zu begeistern, ist er doch verspielt, treibend, hymnenhaft und dabei einfach rund. Eine oder mehrere dieser Eigenschaften gehen anderen Songs jedoch leider oftmals ab. Da mangelt es manchmal an spannenden Momenten ('Ravenhead' - trotz guten Refrains!), an der richtig großen Hookline ('Here At The End Of The World' - hat man genau so, aber irgendwie doch schon besser gehört) oder an spannenden, verspielten Momenten (diverse Nummern - vielleicht auch dem an IN FLAMES-erinnernden Sound geschuldet). Zudem bleiben die Balladen ('A Reason To Give', 'Too Soon') etwas flach und "nett". Wirklich schlecht ist kein Track und im Ganzen funktioniert "Ravenhead" schon, aber ich werde den Eindruck nicht los, dass hier mit ein wenig mehr Arbeit in den Details ein viel größerer Wurf möglich gewesen wäre. Anmaßende Behauptung, ich weiß. So bleibt letztlich ein gutes, ordentliches Album einer Band, die auf diesem Wege wohl noch lange im Schatten von BLIND GUARDIAN agieren muss - oder viel mehr im Windschatten fahren darf? Denn bevor es untergeht: Der Vergleich mit den ganz Großen zeigt nun einmal auch, dass ORDEN OGAN eben auch einiges richtig macht.

Note: 7,0/10
[Oliver Paßgang]


Wo bei ORDEN OGAN immer alle BLIND GUARDIAN hören, ist mir ein Rätsel. Die Band verbindet nämlich drittklassige RUNNING-WILD-Riffs mit Chören aus TURISAS' Mottenkiste, ein paar modernen Details und einer weichgezeichneten, süßlichen Produktion. Dazu werden Songs geschrieben, die ziemlich nach Reißbrett klingen, die Drums so produziert, dass sich ein Angelo Sasso im Grabe herumdrehen würde (Hört euch alleine das Schlagzeug am Anfang des Titelsongs an.) und ein paar 08/15-Fantasy-Texte gibt's obendrein. Der Gesang ist meist eher schwach, ob das am Sänger oder an der Produktion liegt, weiß ich nicht und alle Ansätze von Metal werden unter meterdicken Keyboards verschüttet. Das man sich in den Melodien wahlweise an andere Künstler anlehnt ('F.E.V.E.R.') oder einfach furchtbar banal agiert ('Evil Lies In Every Man'), macht die Sache nicht besser. Das Songwriting ist einfach völlig mutlos, hier wird jeder Ton auf den geringsten Widerstand zurechtgestutzt und dann noch in orchestrale Watte verpackt. Aber Bombast alleine rettet keinen Song und "Ravenhead" ist letztendlich ein Album, auf dem kompetente Musiker Lieder spielen, die so sehr auf Durchschnitt gestutzt wurden, dass sie so schnell wieder aus meinem Kopf verschwunden sind, wie sie dort hinein rauschten - und das ist einfach überflüssig.

Note: 3,0/10
[Raphael Päbst]




Groß war die Vorfreude, als ich zum ersten Mal das erneut sehr stimmige Marschall-Cover sah und noch größer ist nun die Begeisterung beim Hören des neuesten ORDEN OGAN-Outputs. Die kleinen Stilanpassungen, die dafür sorgten, dass der Vorgänger "To The End" etwas hinter den immens hohen Erwartungen ("Easton Hope" ist ein von vorne bis hinten perfektes Album) zurückblieb, fügen sich Anfang 2015 besser in den Gesamtsound ein. So gibt es weniger Chorpassagen, dafür Gastauftritte von Joacim Cans und Chris Boltendahl, Band-Chef Seeb selbst traut sich gesanglich auf "Ravenhead" wieder etwas mehr zu. Gut so, denn die auch auf dem diesjährigen Album wieder beißenden Melodien zeigen ohne Chor-Unterstüzung mehr Wirkung. Und es sind einige sahnige Ohrwürmer unter den zehn neuen Songs. So geht mir der Titelsong seit dem ersten Durchlauf gar nicht mehr aus dem Kopf. Doch noch herausragender sind dieses Mal die Gitarren. Selten darf man in diesem Genre, in dem zu oft einzig der Refrain im Vordergrund steht, solch ausgefeilte Arrangements hören, selten ist ein Gitarrenduo so gut aufeinander eingespielt wie das Team Levermann/Kersting. Dass hier auch der Sound richtig Schmackes hat, tut das Übrige. Ach, noch kurz zum textlichen Konzept, das mein geschätzter Kollege Päbst als 08/15 abtut - ich steige ja selbst als sehr großer Doppel-O-Fan, der die Band seit nunmehr 8 Jahren intensiv verfolgt (und abfeiert) nicht so komplett durch durch die albenübergreifenden textlichen Zusammenhänge, aber der hier gebotene Aufwand übersteigt zumindest die nationale Konkurrenz deutlich. ORDEN OGAN erfindet sich mit "Ravenhead" natürlich nicht neu, setzt aber wie gewohnt auch auf Album Nummer 5 wieder andere Akzente und läutet das junge Jahr mit ganz lautem Brimborium ein. Begeisternd und CD-Spieler-blockierend.

Note: 9,0/10
[Marius Luehring]

Eigentlich gebe ich ja Raphael in vielem Recht – verstehen kann ich seine Argumente, nur nachvollziehen kann oder will ich sie nicht. Wo in meinen Ohren gerade auf dem letzten Album die Schlagseite deutlich mehr Richtung Krefeld ging, kann man hier sicher schon den einen oder anderen RUNNING WILD-Einfluss heraushören, ohne dass mich das jedoch im Geringsten stören würde. Was die Ordensbrüder von beiden Bands wieder deutlich abhebt, sind die modernen Passagen und, was nicht ganz unrespektabel ist, eigene Melodien, bei denen man vor allem denkt: Hey, das ist ORDEN OGAN – was natürlich auch an Seebs charakteristischem Organ liegt. Beides hat aber auch seine Schwächen: Ja, bei vielen Melodien denkt man auch, so habe ich das von der Band schon mal gehört. Und vergleicht man Herrn Levermans Stimme mit einem Kasparek oder Kürsch, dann fehlt es hier offensichtlich an Druck und Volumen. Hinzu kommt zugegeben eine Produktion, bei der vergangene Lästereien seitens der Band über Plastik-Sound etc. wohl für die eine oder andere hochgezogene Augenbraue sorgen könnte. Das alles kann aber nicht das kompositorische Können der Band nennenswert schmälern. Und dass mein Favorit 'Sorrow Is Your Tale' bislang noch nicht genannt wurde, spricht auch nur für das Album.

Note: 8,0/10
[Christian Schwarzer]




ORDEN OGAN spaltet! Und da man in der Metalszene gerne und heftig diskutiert, macht dies allein die Band schon wertvoll. So sehr ich mich auch bemühe, Raphaels Kritiken nachzuvollziehen, so wenig gelingt dies mir. Der Klang ist gerade unter dem Kopfhörer schön dreidimensional und voluminös. Und auch wenn ORDEN OGANs Metal recht genretypisch dargeboten wird, haben die Songs, so denke ich, doch ihren eigenen Charakter. Irgendwo zwischen BLIND GUARDIAN und NIGHTWISH positioniert sich diese Band, addiert aber gerne auch moderne Gitarren. So ein Track wie 'Evil Lies In Every Man' ist doch eine perfekte Kombination aus metallischer Härte und Eingängigkeit, da ist überhaupt nichts zurecht gestutzt, nein, alles addiert sich zu kravftvollem, bombastischem Heavy Metal zusammen, der LAUT gehört werden will. Und deshalb wundert mich das schwache Soundcheckergebnis auch eher als diese doch meist sehr positive Gruppentherapie. Ich erwarte von ORDAN OGAN eigentlich nicht viel, schon gar nicht, dass die Band eine führende Rolle im deutschen Power Metal spielt. Es geht hier um kurzweilige Unterhaltung, die zum Headbangen und Fäusterecken animiert und ein wenig Sommer-Festival-Feeling in das schwach beheizte winterliche Wohnzimmer holt. Und hierfür eignet sich "Ravenhead" einfach perfekt. Im Sommer stehe ich hoffentlich wieder zusammen mit Marius vor der Bühne. Darauf Prost!

Note: 8,0/10

[Thomas Becker]

Mehr zu diesem Album:


Soundcheck 01/2015

Review von Marcel Rapp

Redakteur:
Thomas Becker

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