Gruppentherapie: RIOT V - "Mean Streets"

28.05.2024 | 09:30

Perfekte Balance zwischen True- und Cheesyness?

Zweiter im frischgebackenen Mai-Soundcheck ist ein alter Hase, pardon, eine alte Robbe. RIOT V hat mit "Mean Streets" mal wieder ein Album vorgelegt, das alte und junge, traditionelle und moderne, amerikanisch und europäisch geprägte Power-Metal-Hörer zufrieden stellt. So vergeben alle acht Soundchecker Noten zwschen acht und neun Punkten. Gibt es da überhaupt Anlass für eine Therapie? Nun, Hauptrezensent Jens Wilkens kommt mit dem Schlagzeugsound überhaupt nicht klar (zum Review). Und wir finden auch einen Therapeuten, der sich am Fakt reibt, dass es auf dem Album so gut wie keine Reibungspunkte zu geben scheint. Sonst alles gut?

"Mean Streets" ist richtig tolles US-Metal-Album geworden. Ich habe den Vorgänger "Armor Of Light" schon extrem abgefeiert und mit "Thundersteel" oder "The Privilege Of Power" haben die Amis unsterbliche Szene-Klassiker veröffentlicht. Richtig, der Mai steht ganz im Zeichen von RIOT V – gerade wenn man an die Tour und Festivalauftritte der Band denkt. Hier und jetzt zeigt sich wieder die Robbe auf dem Artwork, der Sound ist einmal mehr wuchtig und klar, und nach den ersten Sekunden hört man schon diese bockstarke DNA von Mike Flyntz und Co. heraus.

Sänger Todd Michael Hall hat in der sechsjährigen Pause zwischen beiden Alben nichts verlernt und trällert noch immer wie ein junger Gott, Mike und der wiedergenesene Nick Lee werfen sich die Riff- und Solobälle zu und ich persönlich halte Frank Gilchriest ohnehin für einen der besten Drummer im US-Metal, so wie er die Doublebass auf "Mean Streets" bedient.

Ohrwurm reiht sich an Ohrwurm – 'Love Beyond The Grave' ist ein Hit vor dem Herrn, 'Higher', das wahnsinnig starke 'Lost Dreams' oder das hardrockige, leicht progressive 'Feel The Fire' halten die Dynamik sehr weit oben und sorgen für Abwechslung. Zwar hätte das Album auch auf ein, zwei Songs verzichten können, doch bleibt die Qualität immer weit oben und sorgt für ein Szene-Juwel der Extraklasse. Vom hymnischen 'Hail To The Warriors'-Türöffner bis zum sehr geschmackvollen 'No More'-Abschluss verbindet RIOT V gekonnt die alte mit der neuen Schule US-amerikanischen Metals, einfach stark.

Note: 9,0/10
[Marcel Rapp]

"Mean Streets" ist mittlerweile das dritte Album unter dem Namen RIOT V und da das starke "Armor Of Light" schon sechs Jahre auf dem Buckel hat, ist es nun höchste Zeit für den Nachfolger. 'Hail To The Warriors' ist ein furioser Beginn mit flinkem Tempo und einer tollen Gesangsleistung von Todd Michael Hall, während der lässige Rocker 'Feel The Fire' in seinem Duktus an die ersten Alben unter dem Namen RIOT erinnert. Dabei präsentiert das Quintett über die folgenden zehn Songs ein willkommenes Maß an Abwechslung, schaltet hier und da mal einen Gang hoch, und verliert sich dabei nie in der Belanglosigkeit, auch wenn der ein oder andere Song als Bonustrack eine bessere Figur gemacht hätte.

Doch demgegenüber wird in der Mitte des Albums ein Hit nach dem anderen abgefeuert, womit dafür gesorgt wird, dass der Großteil der Fans zufriedengestellt wird. Zu nennen sind da auf jeden Fall 'Before This Time' und 'Open Road', die mit ihrer ungewöhnlichen, aber dennoch mitreißenden Melodieführung überzeugen können, während 'Higher' als Faustreckhymne inklusive "Thundersteel"-Riffing daherkommt. 'Lost Dreams' stellt dann das letzte große Highlight des Albums dar, bevor es mit den eher unauffälligen 'Lean Into It' und 'No More' zu Ende geht, die aber immer noch durch die wunderbare Stimme von Hall und die starke Gitarrenarbeit aufgewertet werden.

"Mean Streets" ist das nächste gelungene Album von RIOT V, das die wenigsten Fans enttäuschen sollte. Die Band zeigt weiterhin ein unnachahmliches Gespür für tolles Songwriting, gepaart mit unwiderstehlichen Gesangslinien, die sich beim Hörer einbrennen. Das aktuelle Album übertrifft damit "Armor Of Light" und steht in meiner persönlichen Liste auf einer Stufe mit "Unleash The Fire".

Note: 8,5/10
[Kenneth Thiessen]

Wo ich das Album im Vergleich zu den letzten beiden ebenfalls sehr starken Studioalben verorten werde, wird ganz allein die Zeit zeigen. Fakt ist: Auch Album Numero drei mit Todd Michael Hall am Mikroständer überzeugt mich im Großen und Ganzen wieder auf ganzer Linie. Auch wenn der äußerlich frisch und jung gebliebene Frontmann langsam aber sicher auf die Sechzig zugeht, von Alterserscheinungen ist dem guten Mann zumindest stimmlich überhaupt nichts anzumerken.

Mit 'Hail To The Warriors' wird hymnenhaft gestartet. Der Songtitel ist hier Programm und wird vermutlich seinen festen Platz im zukünftigen Liveset bekommen. 'Feel The Fire' ist ein ordentlich stampfender Hard Rocker mit etwas zu klischeehaftem Refrain. 'Love Beyond The Grave' und der Titelsong 'Mean Streets' atmen typische RIOT-Vibes und warten mit ausgezeichneten Hooklines, Melodien und fantastischer Gitarrenarbeit auf. Mit 'High Noon' und 'Higher' befinden sich zwei Flitzenummern auf dem Album, die auch "Thundersteel" gut zu Gesicht gestanden hätten. 'Before This Time' kommt phasenweise ein wenig schnulzig daher, aber wenn eine Band die beiden Attribute "cheesy" und "ohrenfreundlich" in sich vereinend beherrscht, dann ist es eben RIOT V.

Ordentliches Midtempo präsentiert die Band in dem etwas schwächeren 'Open Road', ein bisschen proggy und frickelig (für RIOT V-Verhältnisse) wird es bei 'Mortal Eyes'. "Privilege Of Power", du ewiger Geniestreich, ick hör dir trapsen. 'Lost Dreams' ist dann der letzte richtig gute Song, wie Ken schon richtig festgestellt hat, bevor mit 'Lean Into It' und 'No More' zwei eingängige, straighte, aber doch eher blassere Nummern ein verdammt starkes Album beenden, welches ordentlich Arsch tritt. Die zwischenzeitlich eingeschläferte Robbe ist wieder in absoluter Topform und darf in dieser Verfassung gerne noch Axt schwingend die ein oder andere weitere Albumrunde auf dem Chopper drehen.

Note: 8,0/10
[Stephan Lenze]

Die Robbe war mal eingeschläfert? Das wäre mir neu! [Das war hier tatsächlich nur auf die Cover-Artworks vor Halls Einstieg bezogen. - Anm. SL] Ich finde, dass RIOT (V) in allen Inkarnationen zumindest interessant war. Aber es ist natürlich auffällig, dass Todd Michael Hall ein qualitatives Upgrade ist, das der Band enorm gut tut. Der aktuell wohl beste US-Metal-Sänger (der jetzt ja leider nicht mehr bei JACK STARR'S BURNING STARR aktiv ist), kann auch diese superb eingespielte, speedige, harmonisch-melodische Scheibe wieder auf ein ganz eigenes Level heben.

Ich persönlich finde "Mean Streets" nach den ersten Spins sogar besser als "Armor Of Light", denn die Ohrwurm-Dichte ist enorm hoch. Insgesamt klingt die Scheibe - wie schon der direkte Vorgänger - immer wieder mal auch ziemlich europäisch und erinnert an Helden wie HELLOWEEN oder EDGUY (gerade bei der Melodieführung), aber das ist natürlich kein Makel. Cheesy wird es dabei nie, die nötige Power ist immer gegeben, und ich würde behaupten: Die Robbe ist ähnlich stark wie in den letzten Jahren. Und das ist gut so.

Note: 8,5/10
[Jonathan Walzer]

"...und heute Abend RIOT V gucken, oder? Das wird geil!" Diese und ähnliche Floskeln hörte man am 25. April 2015 in der Königshofener Tauberfrankenhalle während vieler Begegnungen und Gespräche den ganzen Tag über (zum Festivalbericht). Abends übertraf die Band als Headliner dann alle noch so überzogen hohen Erwartungen und lieferte einen epochalen Abriss-Gig allererster Kajüte, von dem mir heute noch jedes Mal Blitzlichter vor dem inneren Auge erscheinen, sobald ich an ihn denke. In zahlreichen Youtube-Videos ist zu sehen, weshalb es wahrscheinlich nicht nur mir so geht.

Bei Beschäftigung mit der neuen Scheibe frage ich mich unter anderem aufgrund dieser Erinnerungen aufs Neue wieder, weshalb ich das Vorhaben, mich einmal ausgiebig mit dem Back-Katalog der legendären New Yorker Band zu beschäftigen, bis auf drei, vier CD- und LP-Anschaffungen, noch nicht in die Tat umgesetzt habe. "Mean Streets" begeistert mich vom ersten Durchgang an. Mir ist sogleich nach Ersteinfuhr von 'Hail To The Warriors', 'Open Road', dem Titeltrack und dem vom Kollegen Lenze verschmähten truen Groover 'Lean Into It' klar, dass ich, a) eine hohe Note dafür geben würde und b) viele Kollegen genauso denken müssten.

Parallel zu den nächsten Spins zwecks Notenfindung für den aktuellen Soundcheck grätschte mir dann allerdings Jens Wilkens mit seiner Hauptrezension in die Meinungsbildung! Sein Begriff "Schlagzeug-Adipositas" triggerte meine Wahrnehmung für die nächsten Durchgänge ziemlich. Als ich endlich für mich geklärt hatte, dass der Schlagzeugklang in Bezug auf die sonstige Metal-Kunst auf "Mean Streets" zu vernachlässigen wäre, hatte ich dann wieder großen Spaß mit 'High Noon', der Melodie-Walze 'Before This Time' und den anderen tollen Metal-Kostbarkeiten. Dabei surft Tod Michael Hall, sixpackbewährt und auf der Bühne meist oberkörperfrei mit seiner großartigen Stimme - die Kollegen Stephan und Jhonny sind sich da ebenfalls einig - stets wie ein wahrhaftiger Metal-Superheld und ohne auch nur ansatzweise auf einer Seite abzustürzen, den schmalen, messerscharfen Grat zwischen True- und Cheesiness entlang!

Note: 8,5/10
[Timo Reiser]

Also dieses Artwork ist so dermaßen absurd, dass ich mich noch nicht entscheiden kann, ob das total bescheuert oder eben gaga-genial ist. Aktuell tendiere ich eher zu Erstgenanntem. Wenn sich denn dieser Irrwitz wenigstens im Songwriting wiederfinden würde, dann wäre zumindest das stimmig. Leider ist "Mean Streets" nicht nur in dieser Hinsicht erschreckend brav, sondern auch von Krawall spüre ich in den seltensten Songs etwas. Also wieder klarer Fall von "musst du irgendwie reingewachsen sein", sonst fehlt dir der Zugang.

Dabei sind die technischen Fähigkeiten der Protagonisten über alle Zweifel erhaben und die Songs per se auch nie wirklich schlecht ('Love Beyond The Grave' und 'High Noon' sogar ganz passabel), sondern nur erschreckend altbacken und langweilig. Das hat IRON SAVIOR vor nicht langer Zeit etwas stärker gelöst ('Higher' klingt übrigens schon verdammt nach den Hamburgern) und mich dort durch die zusätzlich vorhandene, persönliche Ebene besser abgeholt. Vielleicht hätte es dem Album sogar gut getan an manchen Stellen etwas cheesiger zu werden um zumindest über die 50 Minuten Laufzeit ein paar Punkte zu setzen, an denen man sich als Hörer reiben kann. Gibt es leider nicht und somit wird für micht gelten: "...und heute Abend RIOT V gucken, oder? Nee, erstmal schauen was zeitgleich spielt."

Note: 6,0/10
[Stefan Rosenthal]

Wer sich heute noch an einem Coverartwork von RIOT V hochzieht, hat die Band in den letzten vier Dekaden nicht mitbekommen. Johnny, die Robbe, ist das Maskottchen der Band, völlig gleich, ob man das jetzt albern oder cool findet. Wenn man Johnny auf einem Cover abgebildet sieht, weiß man, dass man hochwertigen US Metal serviert bekommt, der sich in den letzten 25 Jahren stilistisch kaum verbogen hat. Manchmal unterschreitet man die Kitschgrenze ein bisschen, aber zumeist gibt es lupenreinen Heavy Metal geboten, der neben der erstklassigen Gitarrenarbeit von Mike Flyntz und Nick Lee in erster Linie vom überragenden Gesang eines Todd Michael Hall lebt. Wie der Auftritt beim gerade per Livestream geschauten Rock-Hard-Festival wieder einmal eindeutig unter Beweis gestellt hat, ist diese Stimme einfach unschlagbar. Klar, kraftvoll und mitreißend intoniert er mit der Leichtfüßigkeit eines Kolibris die schwierigsten Tonfolgen.

So gibt es zu Beginn mit 'Hail To The Warriors' gleich den erhofft fulminanten Auftakt, bei welchem mir mal wieder Bobby Jarzombek am Schlagzeug fehlt. Nichts gegen Frank Gilchriest, der hier ackert wie ein Besessener, aber bei diesen High-Speed-Songs hat Jarzombek eben die Krake vom Haken gelassen. Frank ist da weniger filigran, was den meisten anderen Nummern auch ausgezeichnet zu Gesicht steht. Nach eben diesem Hochgeschwindigkeits- Opener bekommt der geneigte Hörer genau das serviert, was er bei dieser Band erwarten darf.

Ich habe das Gefühl, dieses Mal ist der Fünfer ein bisschen mehr in den 70ern unterwegs als auf den direkten Vorgänger, denn die meisten Songs haben dieses angenehme Power-Rock-Feeling dieser Phase. Testet hierzu nur 'Open Road' oder 'Lean Into It' mit gewohnt erstklassigen Backing Vocals an. Dazwischen regiert US Metal mit unfassbaren Hooks. Sicherlich mag man manchmal an europäische Kollegen denken, die mit Würfelbechern ihre Notenfolgen ausknobeln, aber das hatten wir bei RIOT (V) schon krasser. Im Jahr 2024 sind selbst die Ohrwürmer wie 'Higher' immer noch kraftvoll genug, um meine Ohrläppchen nicht nach innen klappen zu lassen. Von daher: Well done!

Note: 8,0/10
[Holger Andrae]

Seltsamerweise finde ich die Band-"Klassiker" "Thundersteel" und "Privilege Of Power" gar nicht so toll, sie haben mich sogar lange daran gehindert, mich weiter mit RIOT beschäftigen. Erst in den letzten Jahren ist dann "Fire Down Under" bei mir eingeschlagen, was weitere Forschungsgier in Richtung 70er und früher 80er-Alben ausgelöst hat. Ich konnte lernen, dass RIOT-Musik sehr vielfältig ist und von packendem Heavy Metal bis zum bluesigen Hard Rock alles zu bieten hat.

Nun, diese stilistische Weite habe ich bei "Mean Streets" zunächst etwas vermisst. Es ist ein lumpenreines, stiltreues, melodischen Metal-Album, das, wenn man ehrlich ist, auch nicht weniger klischeegerecht komponiert ist als das letztens zu therapierende FREEDOM CALL-Album (zur "Silver Romance"-Gruppentherapie). Und dennoch gefällt es mir nach spätestens zwei weiteren Spins deutlich besser als FREEDOM CALL. Weil US Metal per se besser ist als europäischer? Nö, das ganz bestimmt nicht. Bei der Gruppentherapie zu "Unleash The Fire" meinte ich sogar, RIOTs Musik würde durch ein wenig Orchestrierung und Chöre enorm an Substanz gewinnen.

Anno 2024 bin ich aber doch ganz zufrieden mit dem, was RIOT V mir bietet. Vielleicht, weil es heuer deutlich mehr Bands gibt, die ihre Musik mit allem Möglichen überfrachten, vielleicht weil meine Ohren durch regelmäßige Alt-RIOT-Zufuhr geerdeter (oder mehr hineingewachsen) sind oder aber, weil dieses RIOT V-Album einfach besser ist als sein 2016er Bruder. Gründe dafür nannten meine Kollegen zuvor schon zu Hauf. Mir läuft "Mean Streets" einfach super gut rein, verbreitet gute Laune ähnlich der neuen SAXON und muss auch gar nicht viel mehr aufbieten, um hier eine weitere Acht abzustauben.

Note: 8,0/10
[Thomas Becker]

Fotocredits: Sean Ageman und Tom Flynn

Redakteur:
Thomas Becker

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