Gruppentherapie: SACRED STEEL - "Ritual Supremacy"
16.05.2025 | 20:59Einfach unwiderstehlich oder nicht mal im Suff zu ertragen?
In der letzten Gruppentherapie zum April-Soundcheck geht es um etwas, das uns allen heilig ist: den Stahl! Und seit fast drei Dekaden schon kümmert sich eine Band namens SACRED STEEL aus dem Schwabenländle mit viel Liebe darum, dass dieser Stahl auch hart und rein bleibt und auf gar keinen Fall mit Keyboards legiert wird. Das finden neben unserem Thunderlaan (Hauptrezensent von "Ritual Supremacy") auch fast alle Soundchecker gut.
Nur einer schert aus der Reihe, dafür aber gewaltig. Wir bitten unseren Herrn Rosenthal also zum Rapport und erfahren obendrein, bei wem diese Musik auch nach vierzig Jahren Metal hören noch Bestand hat und für wen das Ganze dann doch zu abgestanden wirkt.
Noch nie musste man so lange auf neues, heiliges Stahlgut warten, doch gut Ding will bekanntlich Weile haben, auch wenn neun Jahre im SACRED STEEL-Kosmos eine verflucht lange Zeit sind. Mit dem aktuellen "Ritual Supremacy"-Album kommen die Ludwigsburger auf stolze zehn Alben, die stets den geglückten Spagat zwischen Epik und Power, zwischen Melodie und Härte, zwischen Nostalgie und Weiterentwicklung auf die Kette bekamen. Und je öfter ich die neue Scheibe höre, desto höher möchte ich vor Freude springen, dass sich die lange Wartezeit doch vollends gelohnt hat.
Allein dieses Eröffnungstrio - der kompromisslose Titeltrack, das pfeilschnelle 'Leather, Spikes & Chains' und das fast schon heroische 'The Watcher Infernal' - schmettert den Großteil anderer Veröffentlichungen des klassischen Metal-Genres gegen die Wand. Und mit genau dieser Schlagkraft geht es scheinbar mühelos weiter: Die Melodien sind eine Wucht, der Härtegrad wird mal konsequent ausgenutzt, mal etwas heruntergefahren, damit der Dynamik die volle Aufmerksamkeit geschenkt werden kann und mit 'Omen Rider' und dem emotionalen 'Let The Blackness Come To Me'-Finale gibt es dem Ende heraus noch zwei absolute Bilderbuchhighlights.
Das soll jedoch nicht heißen, dass die Mitte dieser genialen Scheibe auch nur ansatzweise abflacht. Nur möchte ich meinen lieben Kollegen auch die Möglichkeit geben, "Ritual Supremacy" in den Himmel zu loben. Zu Recht, oder? Was meint ihr?
Note: 9,0/10
[Marcel Rapp]
Zehn Alben schon auf der Haben-Seite? Ich hätte da aus dem Stehgreif auf deutlich weniger getippt. Das liegt aber wohl auch daran, dass ich den Weg des heiligen Stahls nur bis zur "Wargods Of Metal" so richtig mitgegangen bin und ich die Jungs danach gar nicht mehr so auf dem Schirm hatte. Zu beliebig war das, was ich hier und da zwischendurch immer mal wieder von der Combo aufgeschnappt hatte.
Ich gehöre aber auch zu der Fraktion, die es lieber gesehen hätte, wenn Gerrit Mutz seinerzeit mit der Band TRAGEDY DIVINE weitergemacht hätte, die es aber leider nur auf ein Album bringen sollte. Diese Formation hatte nämlich den für mich passenden und perfekten Mittelweg aus klassischen epischen Stahl-Elementen (SACRED STEEL) und progressiven Strukturen der Ur-Band VARIETY OF ARTS gefunden. Somit fehlen mir auch auf der aktuellen Scheibe wieder die Momente, wo ich fistraisend mit dem Nietengürtel bewaffnet auf dem Balkon die Fäuste gen unheilige Nachbarn recken möchte.
Dabei kann ich Marcel in der Sache noch nicht mal groß widersprechen. Was Epik, Melodie, Power und Härte angeht, kann man den Jungs nämlich überhaupt gar keinen Vorwurf machen, allein: Es bleibt auch nach einigen Durchläufen nicht viel bei mir hängen, die Riffs und Hooklines wollen es sich partout einfach nicht auf meiner Metal-Festplatte gemütlich machen. Dabei geht man hier auch erfrischend variabel zu Werke, was Tempoverschiebungen und Stimmungen betrifft. Hier mal ruhige und getragene Passagen ('Covenant Of Grace', 'Let The Blackness Come To Me'), da ein bisschen Doom-Würze ('Bedlam Eternal') und dort der stählerne Vorschlaghammer ('Leather, Spikes And Chains'), aber eben auch der ein oder andere Filler-Song. Ich bin mir sicher, die eingefleischten Fans werden ordentlich Genuss und Freude mit dem Werk haben, eine Liebesheirat wird es zwischen der Band und mir aber wohl nicht mehr geben in diesem Leben. Dafür kann die Band aber eigentlich nichts.
Note: 7,0/10
[Stephan Lenze]
Wenn ich "Ritual Supremacy", das neue Album von SACRED STEEL, höre, dann merke ich erstmal, dass die Scheibe von der Produktion her druckvoll und heftig ausgefallen ist. Ich kenne die Band seit über zwanzig Jahren und mein erster richtig intensiver Zugang war tatsächlich das Debüt. Später wurden Doom-, Thrash- und Death-Elemente integriert. Was den Härtegrad der Musik selbst angeht, ist man da wieder etwas zahmer geworden, und ich spüre noch nicht ganz die intensive Energie, die mich beim letzten Studioalbum so mitgerissen hat. Aber produktionstechnisch ist die Band mit dem druckvollen Sound nach langjähriger Abwesenheit ziemlich deutlich in 2025 angekommen, und ich weiß noch nicht, ob ich das gut finden will. Gerade der kauzige Sound der Frühwerke hat mich abgeholt.
Was gibt es auf der Habenseite? Gerade die teils doomigen Songstrukturen können auch nach über einem Vierteljahrhundert weiterhin überzeugen. Und Gerrit als Sänger ist weiterhin herrlich unangepasst, auch wenn die ganz hohen Screams heute meist ausbleiben. Das Album, so viel steht fest, macht schon Spaß. Aber ich bin noch nicht ganz überzeugt, dass es das ganz hohe Niveau vieler früherer Veröffentlichungen wieder erreicht. Vielleicht wächst es ja noch etwas, aber im Moment würde ich sagen: Dem heiligen Blechle ist ein gutes, aber kein überragendes Album gelungen.
Note: 7,0/10
[Jonathan Walzer]
"Mutz" ich denn wirklich? Wenn man "vernichtende" vier Punkte im Soundcheck vergibt, dann sollte man sie schon begründen, auch wenn das bedeutet sich nochmal intensiver mit dem "Heavy Metal Sacrifice"-Nachfolger auseinanderzusetzen. Doch wo fang ich an? Die Werke um die Jahrtausendwende, also "Wargods Of Metal" und "Bloodlust", gehören unweigerlich zu meiner metallischen Sozialisierung und der Auftritt der Jungs auf dem "Heavy X-Mas" in Förste zu einem meiner ersten metallischen Konzerte überhaupt (wer das genaue Jahr noch weiß, soll sich bitte bei mir melden, denn ich komme nicht mehr drauf, wann genau SACRED STEEL dort war).
Doch Butter bei die Fische - ich fand die Jungs schon damals eher so semi. Dabei war das die Phase mit jeder Menge HAMMERALL, MANOWAR, WIZARD und MAJESTY im CD-Spieler. Mittlerweile kann ich jedoch mit wenig Songmaterial aus dieser Frühphase meiner Entdeckungsreise etwas anfangen und somit kommt "Ritual Supremacy" nicht nur 25 Jahre zu spät, sondern erinnert mich auch daran, warum selbst die Diskographie-Highlights mich damals nicht so überzeugen konnten.
Ich kann Gerrit Mutz nicht mal für zwei Songs am Stück zuhören. Dieser Gesang macht mich fertig. Dazu kommen Texte, die so unterirdisch sind, dass man sich mehrmals fragt, ob man keiner Parodie unterlaufen ist. Ein Track wie 'Leather, Spikes And Chains' ist da nur die Spitze des Eisberges und der legitime Nachfolger zu 'Laut und stark, hart und schnell' von MANOWAR. Das kriege ich mit beinahe Mitte 40 nicht mal mehr im Vollsuff ohne Fremdschämen mitgegrölt und ich habe Trash-Perlen wie 'Hammer, Box, Axe And Sword' (WIZARD) wirklich abgefeiert. Aber das war früher und trotz Gaga-Lyrik ein waschechter Hit mit eben dieser unverschämten Eingängigkeit, welche SACRED STEEL hier komplett abgeht. Dazu kommen immer mal wieder Songwriting-Entscheidungen, welche ich nicht nachvollziehen kann und/oder geschmacklich (unpassende Doom- und Thrash-Metal-Einflüsse) nicht mitgehen möchte.
Handwerklich ist vieles noch im grünen Bereich, aber besser als eine leicht unterdurchschnittliche Platte ist der neuste Streich eben nicht geworden. Im Jahr 2000 hätte ich mich sicherlich zu 6,5-7,0 Punkten hinreißen lassen, aber auch bestätigt, dass eine Scheibe wie "Bound By Metal" in einer andere Liga spielt und da sprechen wir noch nicht mal von Überalben wie "Legacy Of Kings" oder "Louder Than Hell".
Note: 4,0/10
[Stefan Rosenthal]
Tja, eigentlich ist ja SACRED STEEL eine Band, die ich gut hören kann, aber daheim eigentlich nie auflegen würde. Warum? Nicht, weil ich per se solchen Klängen abgeneigt wäre, sondern weil ich nach über vierzig Jahren Metal hören einfach schon sehr viel klassischen Metal gehört habe und damit sehr schwierig hinter dem besagten Ofen hervorzulocken bin.
Aber ausgerechnet die mutzigen Teutonen machen mir gerade Spaß, ohne dass ich sagen könnte, warum nun ausgerechnet jetzt. Aber das ist wiederum wurscht, wenn der Kopf bangt und die Faust sich ballt, oder? Wenn da nicht das langweilige 'The Watcher Internal' und das furchtbar fremdschämige 'Leather, Spikes And Chains' wären, das mich immer völlig abtörnt, weil es einfach zu stumpf ist, dass es nicht einmal durch den überragenden thrashigen Titelsong aufgefangen werden kann, wäre sogar noch mehr drin gewesen. Stücke wie das unwiderstehliche 'Let The Blackness Come To Me', das beinahe genauso gute 'Covenant Of Grace' und ein paar kurze, schnelle Metalausbrüche schaffen zusammen ein einfach spannendes, packendes Album. Überrascht? Ja, ich auch.
Note: 8,0/10
[Frank Jaeger]
Wow, VARIETY OF ARTS und TRAGEDY DIVINE, Lenze, Du bist mein Mann! Das erinnert mich an eines der besten Konzerte meines Lebens, als PSYCHOTIC WALTZ anno 1993 legendäre Konzerte gab. Ich war damals in der Stuttgarter Röhre und eine der Vorbands war VARIETY OF ARTS. Von daher habe ich mir dann auch das TRAGEDY DIVINE-Demo besorgt, das ich tatsächlich mal wieder ausbuddeln könnte.
Allerdings hat mir das schon damals gar nicht mal so gut gefallen und bei SACRED STEEL bin ich eher im Team Stefan, dem Rosenthal. Die Band war zwar immer irgendwie dabei, aber in meiner Wahrnehmung bestenfalls metallische Mittelklasse, die es sich auf den Klischees anderer gemütlich macht.
Und leider ist das Anhören von "Ritual Supremacy" eine Bestätigung meiner Eindrücke. An der Stelle beneide ich sogar ein wenig unseren Cheffe, wie es ihm immer wieder gelingt, so viel Freude und Leidenschaft für Alben zu spüren, die in meinem Ohr einfach nur vorbeilaufen. "Ritual Supremacy" ist in seiner Welt also fast so toll wie "Invincible Shield", ein Album aus einem vergleichbaren Musikbereich, das ich persönlich mit jedem einzelnen Song vergöttere. Davon ist SACRED STEEL doch meilenweit entfernt!
Trotzdem finde ich des Rosenthals Einschätzung dann doch ein wenig zu hart, wobei ich mich wundere, warum er bei SACRED STEEL die Fremdschäm-Texte kritisiert und bei der einen oder anderen Kirmes-Truppe johlend mitsingt. Auch finde ich, dass Gerrit noch am wenigsten dafür kann, dass die Band bei mir nicht zündet. Es ist einfach das irgendwie schablonenhafte Songwriting, die fehlende Überraschung, das steife Festhalten an gängigen Klischees, was für mich keine Bindung aufkommen lässt. Ein Song wie 'Let The Blackness Come To Me' müsste mir aktuell gerade ziemlich unter die Haut gehen, wirkt auf mich aber so abgestanden, dass ich anstatt zu heulen eher gähnen muss. So etwas passiert bei JUDAS PRIEST nie!
Note: 6,0/10
[Thomas Becker]
Fotocredits: Benjamin Hoelle
- Redakteur:
- Thomas Becker