Gruppentherapie: SARAYASIGN - "Shadows Of A Dying Light"

15.11.2025 | 14:28

Refrains im Kopf oder Schokolade im Ohr?

TESTAMENT, CORONER, SABATON, MICHAEL SCHENKER GROUP, die letzten Gruppentherapien hatten zumeist Dinos unserer Szene zum Thema. Die letzte Gruppentherapie zum Oktober-Soundcheck nimmt jetzt endlich mal eine Band dieses Jahrzehnts unter die Lupe: SARAYASIGN. Unser Jens ist ein großer Anhänger dieser Band, insbesondere des Gesangs (zu seiner Hauptrezension), ein Interview hat er auch geführt, das euch diese Schweden hoffentlich etwas näher bringt. Und auch die meisten Soundchecker waren zufrieden und wählten "Shadows Of A Dying Light" auf Platz acht! Mehr hat insbesondere uns' Timo verhindert, der hier zwölfmal denselben Song hört. Wie hören nun die Therapeuten das? Erste, zweite oder nur dritte Liga?

Auch wenn es hier auf unseren Seiten bereits schwärmerische Worte aus berufenen Ohren gab, ist dies hier mein Erstkontakt mit SARAYASIGN. Und was soll ich schreiben? Die besagten Schwärmer-Ohren haben natürlich Recht: Das gebotene Material ist einfach toll, wenn man auf melodischen Heavy Metal mit AOR-Schlagseite steht. Da solche Musik mit einem tollen Sänger steht oder fällt, kann ich hier zuerst mal mit allen Daumen nach oben wedeln, denn Stefan Nykvist hat einfach eine tolle Stimme. Kraftvoll und vielseitig, passt er sich immer den jeweiligen Songs an und verwandelt alle Melodien in absolute Gedächtnis-Schmelzer.

Ganz besonders hervorheben muss ich hier 'Coming Home', welches aufgrund seiner unter die Haut gehenden Melodieführung wohl ein Plätzchen in meiner Jahresendabrechnung bekommen wird. Diese Nummer ist so wunderbar eingängig und gleichzeitig treibend, es ist eine wahre Freude, sie immer wieder anzuhören. Ein weiteres Highlight ist das abschließende 'Throne Of Gold III – The Hidden Portal', welches mit einer Spielzeit von über acht Minuten allein schon durch seine Länge heraussticht. Aber auch musikalisch ist dieser Song herausragend, denn der spannende Aufbau lässt die Spielzeit wie im Fluge vergehen. Ich nehme an, dass so eine Komposition auch das immer wieder zu lesende Attribut "progressiv" erklärt, wobei mir dieses Adjektiv bei der Musik von SARAYASIGN eigentlich nie in den Sinn kommt. Ändert natürlich nichts daran, dass ich "Shadows Of The Dying Light" absolut toll finde.

Note: 8,0/10
[Holger Andrae]

 

Kollege Jens Wilkens setzt die Messlatte hoch. Gar nicht unbedingt für dieses Album an sich, sondern mit der Aussage, dass der hier zu hörende Sänger der wohl beste Sänger der Gegenwart sei. Nun, diese Aussage möchte ich in Zeiten eines Brent Smith (SHINEDOWN), Myles Kennedy (ALTER BRIDGE), Mark Tremonti (ALTER BRIDGE/TREMONTI) oder Corey Taylor (SLIPKNOT/STONE SOUR) zumindest stark in Frage stellen.

Keine Diskussion, der Gesang auf "Shadows Of The Dying Light" ist stark. Die Stimme erinnert mich insbesondere in den Chorussen an AVANTASIA und Tobias Sammet. Aber für mich persönlich erreicht die Stimme auf emotionaler Ebene nicht das Niveau der von mir genannten Sänger.

Aber kommen wir mal zu "Shadows Of The Dying Light" als Ganzes. Die Truppe liefert hier schon insgesamt ziemlich gut ab. Das von Holger bereits hochgelobte 'Coming Home' ist wirklich gelungen. SARAYASIGN versteht es, richtig gute Songs zu komponieren. In Sachen Songwriting sehe ich die Schweden fast so stark wie bereits erwähnte AVANTASIA, nur ohne diesen ganzen Bombast. Mir persönlich würde etwas weniger AOR-Einschlag und etwas mehr Power an der ein oder anderen Stelle noch besser gefallen, aber insgesamt ist "Shadows Of The Dying Light" ein mehr als gelungenes Werk.

Note: 8,0/10
[Mario Dahl]

Irgendwie habe ich ein Déjà-vu. Als mein Hard’n’Heavy-Zug Ende der Neunziger an Fahrt aufnahm, fanden sich zwar auch ein paar starke AXXIS-Songs auf meinen selbstgebrannten CDs, doch insgesamt war mir diese Richtung damals einfach nicht hart genug. Entsprechend konnte ich auch mit der allseits empfohlenen Musik von PINK CREAM 69 nur wenig anfangen. Das war schon nett – aber eben nicht mehr. Im Laufe der Jahre entwickelte sich mein Musikgeschmack jedoch kontinuierlich weiter, und irgendwann war der Härtegrad kein Maßstab für Qualität mehr. Zwar zündete PINK CREAM 69 bei mir trotzdem noch nicht, doch eine Band wie PRETTY MAIDS wurde zu einem absoluten Favoriten, auch genreübergreifend. Genau zu dieser Zeit wurde mir aber auch ständig HAREM SCAREM nahegelegt. Nun ja – was soll ich sagen? Das war wieder nett, aber nicht mehr.

2023 tauchte dann SARAYASIGN auf der Bildfläche auf, und "The Lion's Road" sollte mich angeblich begeistern. Ihr ahnt es: Das war erneut ganz nett – aber nicht mehr. Und mit dem Nachfolger "Shadows Of The Dying Light" geht es mir jetzt exakt genauso. Zutaten und Umsetzung sind wirklich gelungen, auch die Produktion gefällt mir ausgesprochen gut. Also muss es am Rezept liegen, dass sich bei mir das Gefühl einstellt, nahezu identische Songs in Dauerschleife zu hören (Timo, I feel you!), an die ich mich nach dem letzten Ton kaum erinnern kann. Keine Hookline, die mich mitreißt, kein Refrain, der im Kopf bleibt, keine Melodie, die mich fesselt.

In einem Punkt muss ich Mario daher widersprechen: AVANTASIA komponiert (selbst wenn man den ganzen Gastsänger-Faktor ausklammert) auf einem ganz anderen Niveau, und das sage ich, obwohl ich kein großer Tobi-Sammet-Fan bin. Recht hat er allerdings damit, dass Stefan Nykvist ein wirklich guter Sänger ist, auch wenn die von ihm genannten Vergleichsgrößen (stilistisch alle aus derselben Ecke) für mich durchweg noch stärker sind oder, um bei AVANTASIA zu bleiben, Bob Catley und Jørn Lande in einer ganz anderen Liga zocken. Von Ronnie Atkins haben wir da noch gar nicht gesprochen. Nach dem letzten Durchlauf von "Shadows Of The Dying Light" habe ich jedenfalls keine Lust auf eine weitere Runde, aber dafür wieder Bock auf PRETTY MAIDS.

Note: 7,0/10
[Stefan Rosenthal]

 

SARAYASIGN ist eine Band der eher leisen Töne. Plakative Arrangements und aufdringliche Eingängigkeit wird man auf einer Platte wie "Shadows Of The Dying Light" - wie der Name schon nahelegt - nicht finden. Vielmehr ist es ein Album zum genauen Hinhören und zum Genießen in einer ruhigen Stunde. Denn innerhalb ihrer scheinbaren Unscheinbarkeit ist diese Musik unglaublich reich und vielseitig.

Auch wenn Herr Rosenthal mit seinen Metalcore-verseuchten Ohren hier irgendwas von AXXIS schwadroniert: Die Basis des Sounds von SARAYASIGN liegt in der Verbindung von klassisch skandinavischem Melodic Rock und dem entsprechenden Earcandy-Klangbild der späten 1990er mit der Epik und Poetik von "Empire"-QUEENSRYCHE. Und auch wenn Sänger Stefan Nykvist durchaus die eine oder andere Ähnlichkeit zum ehrwürdigen Ronnie Atkins aufweist, ist das große Ganze weit entfernt vom Danish Dynamite-Frohsinn der zugegeben auch tollen PRETTY MAIDS. Zum Glück landet der irrlichternde Kollege mit der HAREM SCAREM-Parallele doch noch einen Treffer.

Wer jetzt aber insgeheim denkt, ein blindes Korn findet auch mal ein Huhn, tut dem hochgeschätzten Allrounder Rosenthal aber mächtig Unrecht. Ich bleibe dabei: Wer Hooklines wie die von 'Shades Of Black' oder 'The Wanderer' schreibt, kann kein schlechter Mensch sein. Das zergeht mir in den Ohren wie ein Stück erlesene Schokolade auf der Zunge. Nicht obwohl, sondern gerade weil es auf leisen Sohlen daherkommt. Wenn dann in nachdenklich-verspielten Zwischenpassagen auf noch Erinnerungen an glorreiche SHADOW GALLERY-Tage aufkommen, bin ich endgültig glücklich und zufrieden.

Ich hoffe, dass viele von Euch die Muße finden werden, sich dieses wundervolle Kleinod zu erschließen und lieben zu lernen. Vermutlich ist meine Note in Anbetracht von so viel Schönheit und Anmut sogar noch einen Tick zu niedrig.

Note: 8,5/10
[Martin van der Laan]

 

Speziell im Herbst lohnen sich Klänge, die einen fest in den Arm nehmen, ein schönes, einladendes Gefühl vermitteln und etwas ganz Besonderes ausmachen. Und auf "Shadows Of The Dying Light" wird man hiervon geradezu verwöhnt, hier passt einfach alles zusammen: Angefangen beim sehr geschmackvollen Artwork, das sich perfekt an die beiden vorangegangenen anlehnt über einen warmen, einfühlsamen Sound bis hin zu Melodien, die es in sich haben.

Es ist das dritte Album von SARAYASIGN und wenn man von einer generell hohen Bedeutung eines dritten Albums ausgeht, darf man den Schweden eine steile Karriere voraussagen. Hier sind Musiker am Start, die ihr Handwerk verstehen und in einem nahezu unüberschaubaren Genre einen eigenen Sound kreieren und herausstechen.

Hart, aber melodisch, bestimmend, aber wohlwollend, forsch, aber elegant - SARAYASIGN kredenzt melodischen Hard Rock auf dem Silbertablett und bei astreinen Hits wie 'Watching It Burn Away', 'Shadows Of The Dying Light' oder 'One Last Cry' darf man sich zurecht fragen, wie hoch es für die Jungs in den kommenden Jahren hinausgeht.

Note: 9,0/10
[Marcel Rapp]

 

Auch hier gibt es den Daumen hoch für SARAYASIGN, eine Band, deren Namen ich noch nie zuvor gehört habe. Dabei klingt die Musik eher nach einer Gruppe, die es schon seit den 80ern oder 90ern gibt und hier nun ihre volle Routine ausspielt. Damit will ich sagen, dass ich beim Hören dieser Scheibe immer wieder eine gewisse Vertrautheit spüre, neue Musik einer alten Band, die ich schon lange kenne. Ja, PRETTY MAIDS ist keine schlechter Vergleich; doch irgendwie bin ich der einzige, der hier auch etwas DIO-Epik heraushört. Songs von lieb gewonnenen Dinos, aufgepeppt mit ein wenig Pathos und Bombast.

Ein ganz klein wenig kann ich aber auch unseren Stefan und Soundchecker Timo verstehen. Ja, die Songs ähneln sich, ja, keiner ist dabei, der sich nach ein paar Spins fest in der Hirnrinde festsetzt (bei mir am ehesten noch 'The Wanderer'), man kann das auch als auf gleichbleibend hohem Niveau solide einstufen und mit einer 6,5-7,5 dann schnell wieder vergessen. Ich sehe mich hier aber schon in der erweiterten Zielgruppe, mag die Wärme und Melodieseligkeit der Musik, und wie gesagt, genieße es, hier etwas irgendwie sehr Vertrautes zu hören.

Note: 8,0/10
[Thomas Becker]

 

Fotocredits: Stefan Lemming

Redakteur:
Thomas Becker

Login

Neu registrieren