Gruppentherapie: SULPHUR AEON - "Gateway To The Antisphere"
03.05.2015 | 16:35Underground-Sensation? Hype? Oder einfach nur eine gute Band? Die Therapeuten schnüffeln Schwefel!
In der Metal-Szene werden ja gerne mal Klassiker schon vor dem offiziellen Release ausgerufen. Und auch bei Powermetal.de musste sich "Gateway To The Antisphere" nur neun alten Ring-Geistern im April-Soundcheck beugen. Was ist dran an SULPHUR AEON und warum mögen die Soundchecker jetzt plötzlich alle Death Metal. Alle? Lest selbst!
Dann fängt der Nörgel-Peter (sorry, Peter...) mal an: SULPHUR AEON wird nämlich momentan extrem hoch gehandelt und soll das Potential haben, auch den Metal-Freak, der nicht unbedingt beim Death Metal zuhause ist, zu euphorisieren. Und ich frage mich nun beim erneuten Hören zum wiederholten Male, weshalb dies so sein soll.
Zweifelsohne, die Jungs sind gute Musiker und die Songs wirken - wie schon in Christians Hauptrezension erwähnt - ausgefeilt und detailverliebt. Ein Fakt, den ich ehrlich gesagt aber beinahe von jeder Veröffentlichung erwarte, soll sie denn einen Platz im Soundcheck bekommen. Und abgesehen von der kompetenten Umsetzung höre ich hier eigentlich "nur" ganz normalen Death Metal. Und zwar die Art, die ich weniger mag, mit viel Doublebass-Geboller, eintönigen Gurgel-Vocals und Viel-hilft-viel-Produktion. "Gateway To The Antisphere" föhnt gut fünfzig Minuten Sturm, wie gesagt auf recht niveauvolle Art und Weise, bietet mir aber keinen Kontrast, keinen Aha-Moment, ja genau, auch keine Melodie, an der ich mich festhalten kann. Es ist halt einfach "an" und irgendwann dann zu Ende, doch bis dahin bin ich meist schon leicht genervt. Es ist also - bis auf das Artwork - absolut nichts Besonderes an SULPUR AEON, und wenn, dann sollen dies meine geschätzten Kollegen erklären.
Note: 6,0/10
[Thomas Becker]
Dem Release von "Gateway To The Antisphere" ging ein beachtliches Rascheln im Blätterwald voran: Album des Monats in zahlreichen Publikationen, maximale Vorfreude in der Fangemeinde und viele Kritikerkollegen machen sich bereits seit Wochen vor Begeisterung nass. Ohne eine Meinung über SULPHUR AEON kann man zur Zeit anscheinend nur schwer mitreden. Gerade deshalb war mein Interesse bereits geschürt, um herauszufinden was mir "Gateway To The Antisphere" zu bieten hat, obwohl Death Metal kein Stammgast in meiner Anlage ist. Und ich kann zum Glück sagen: eine ganze Menge! Mein Problem liegt im Death Metal oft bei den Sängern, doch SULPHUR AEONs Stimme ist auch ohne Textblatt zum nebenbei lesen direkt recht gut verständlich. Durch den recht sumpfigen, aber dennoch klaren Sound und die Chthulu-Thematik ist außerdem eine latent düstere Stimmung, bei der die echte Bedrohung Lovecraft-typisch im Verborgenen liegt, allgegenwärtig. Durch die epischen Harmonien ist, obwohl die Drums teilweise rasend schnell sind, auch stets eine spürbare Nähe zum klassischen Metal gegeben, was SULPHUR AEON gerade auch für Death-Metal-Zaungäste wie mich interessant macht. Zuerst war ich vom gerade genannten Crossover-Potenzial und der bedrohlichen Atmosphäre begeistert, einzelne Songs haben sich nach und nach festgesetzt, allerdings sind Anspiel-Tipps im Grunde überflüssig, da "Gateway To The Antisphere" ein einheitliches Niveau im Songwriting hat und man das Album normalerweise vom Intro '…To Drown This World' bis zur 'Conclusion' in einem Rutsch durchhört, anstatt sich einzelne Songs herauszupicken. SULPHUR AEON hat sich meine 'Devotion To The Cosmic Chaos' jedenfalls nach und nach erarbeitet, sodass ich jedem ans Herz legen kann den 'Calls From Below' zumindest mal ein Ohr zu leihen.
Note: 8,0/10
[Arne Boewig]
Ich muss gestehen, dass ich im Vorfeld der Veröffentlichung von "Gateway To The Antisphere" etwas skeptisch gewesen bin. Ich bin kein großer Fan von Hypes - und SULPHUR AEON wurde ja als das nächste große Ding im Death Metal gehandelt. Und das ohne dass diejenigen auch nur einen Ton vom Album gehört hätten.
Aber die deutschen Hopefuls haben mich bereits vom Intro an gepackt. Die beschwörenden Formeln haben etwas Düsteres, Verstörendes, was mich an das geniale Intro des zeitlosen Zweitwerks "Thresholds" der Amis NOCTURNUS erinnert. Doch auch wenn in den folgenden 52 Minuten hochtechnischer Death Metal mit viel Atmosphäre dargeboten wird, war es das auch schon mit den Parallelen zu den sträflich unterbewerteten Amis.
Die Stärken von "Gateway To The Antisphere" liegen auf der Hand: Zu keiner Sekunde kommt Langeweile auf, das Tempo wird gekonnt variiert und SULPHUR AEON setzt seine technischen Fertigkeiten nicht zum Selbstzweck ein, sondern zaubert ein Riff-Gewitter, das zu keinem Zeitpunkt langweilig wird. Hier herrscht Düsternis. Jeder Song strahlt Spielfreude aus, jede Note sitzt an der richtigen Stelle, der teils gedoppelte Gesang erzeugt eine unheimlich Dramatik. Die leicht angeschwärzte Gitarrenarbeit zieht das Zweitwerk gelegentlich über die Grenzen des technischen Black Metal. Mehr Abwechslung kann man von einer technischen Death-Metal-Band wie SULPHUR AEON eigentlich nicht erwarten. Ein Ausrufezeichen im nationalen Todes-Metall, der es locker mit ähnlich gearteten Bands wie BEHEMOTH aufnehmen kann.
Note: 8,0/10
[Haris Durakovic]
Technischer Death Metal mit ägyptisch klingenden Gitarren? NILE? "Können wir auch", dachten sich wohl die Jungs von SULPHUR AEON. Zumindest kommt einem dieser Gedanke, wenn man den Opener 'Devotion To The Cosmic Chaos' hört. Exotische Gitarrenklänge, das gezielte Drumming, ein langes Grunzen – dann wird los getrümmert. Okay, zugegeben, natürlich erreicht die Underground-Sensation des vergangenen Jahres noch nicht dauerhaft das Niveau der Technik-Götter. Aber was die Westfalen mit ihrer zweiten Langrille abliefern, hat schon mehr als "nur" Hand und Fuß. Mit letzterem wird vor allem das Gaspedal und Doublebass kräftig durchgedrückt, die gute Produktion tut ihr Übriges. Ein bisschen HYPOCRISY gefällig? Dafür kommt 'He Is The Gate' mit leicht schwedischen Gitarren um die Ecke. Oder kennt jemand noch BELPHEGOR zur deren besten "Lucifer Incestus"-Phase? Bitteschön, 'Abysshex' und ab dafür! Damit soll aber nicht der Eindruck erweckt werden, SULPHUR AEON würden sich nur bei den Szene-Größen bedienen. Sie sind schlichtweg im Konzert der Großen angekommen. Auch bestätigt sich nicht der zunächst nach einem ersten Durchlauf gewonnene Eindruck, dieser Panzer hätte nur zwei Gänge: Vollgas oder höhertouriges Midtempo mit Doublebass. Stattdessen nehmen die erwachsen gewordenen Jungs von nebenan in 'Calls From Below' auch mal den Stiefel vom Gaspedal, streuen in 'Diluvial Ascension' nachdenkliche Passagen ein oder lassen in 'Into The Courts Of Azathoth' oder im Schlusswort 'Conclusion' die Gitarren klingen. Ein Extra-Lob an dieser Stelle aber auch an Schlagzeuger "D" und seine präzise Arbeit hinter der Schießbude. Und da wir die Art der Namensgebung der Bandmitglieder dann doch schon zuletzt bei den deutschen Knüppelkollegen von ARROGANZ gehört haben: Hier kommt das nächste große Untergrund-Ding, das diesen Status mit "Gateway To The Antisphere” eigentlich schon verlassen hat! Nur eine persönliche Bitte: In Zukunft einen großartigen Opener wie 'Devotion To The Cosmic Chaos' nicht einfach ausfaden, kann ich persönlich gar nicht leiden. Dankeschön!
Note: 8,0/10
[Carsten Praeg]
Zum Einordnen des Sounds mögen Vergleiche wie die der Kollegen sicherlich hilfreich sein, doch unterscheidet sich SULPHUR AEON in meinen Ohren ganz erheblich von sehr vielen Bands, die derzeit Death Metal unter die Leute bringen. Das Label "technisch" ist ehrlich gesagt sogar das letzte, an das ich bei "Gateway To The Antisphere" denke. Hier regiert nicht die klirrende Kälte von Griffbrett-Flitzern und Trommelstock-Artisten, sondern die unendliche Tiefe des Klangozeans, der sich bei jedem einzelnen Song des Albums unter dem Hörer auftut. Mit einer bis ins Detail durchdachten Produktion (ja, das muss man erwähnen und nein, das ist kein selbstverständlicher Standard) verträgt sich das unverwüstlich trümmernde Schlagzeug mit den Riffsalven der Saitenmalträtierer und bietet dem giftigen, das Böse heraufbeschwörenden Gesang ein Fundament, wie es martialischer und unerbittlicher nicht sein könnte. Was auf "Swallowed By The Ocean's Tide" schon sehr eigenständig klang, wird auf dem zweiten Album der Band bis zur Perfektion kultiviert. Ein apokalyptischer Malstrom bringt mich jedes Mal um den Verstand, wenn ich 'Devotion To The Cosmic Chaos' oder 'He Is The Gate' höre. Und wenn sich hinter einer schwarzgefärbte Abrissbirne noch so viele Details verstecken, wird das Album ein Dauerbrenner höchster Güte. Mit SULPHUR AEON steige ich gerne in die Abgründe herab, die hier besungen werden. Vollkommen zurecht als ein Jahreshighlight gehandelt, das für mich mit der aktuellen CHAPEL OF DISEASE die Speerspitze des deutschen Death Metals markiert. Klassiker? Darüber unterhalten wir uns in zehn Jahren ...
Note: 9,0/10
[Nils Macher]
Mehr zu diesem Album:
Soundcheck 04/2015
Review von Christian Schwarzer
- Redakteur:
- Thomas Becker