In der Gruppentherapie: SLAYER - "World Painted Blood"
16.11.2009 | 22:10Eine der größten Thrash-Bands aller Zeiten meldet sich nach über drei Jahren des Wartens mit einem neuen Studiowerk zurück. Wie überzeugend das neue SLAYER-Werk zerstört, lest ihr in unserer großen Gruppentherapie.
Die endgültige Rückkehr der Thrash-Titanen ?!
SLAYER sind SLAYER sind SLAYER? Blendet man die Phase von "Divine Intervention" bis "God Hates Us All" aus, kann man dies vielleicht behaupten. Aber man darf auch nicht vergessen, dass es eben jene Schwächeperiode gab. Die Rückkehr von Dave Lombardo trommelte den Totschläger dann wieder auf den Pfad der Tugend. Und "World Painted Blood" ist beinahe so etwas wie ein Schritt zurück ins Kreativhoch des Quartetts. Die blutbesudelte Erde erinnert in ihrer walzenden Bösartigkeit häufiger an "Seasons In The Abyss" (der Titeltrack, 'Beauty Through Order'), vergisst dabei aber nicht ordentlich das Gaspedal durchzutreten. Wer bei 'Unit 731', 'Snuff' oder 'Public Display Of Dismemberment' nicht einen höllischen Nackenmuskelkater bekommt, macht irgendwas komplett falsch. Die Riffs & Soli von King/Hannemann zersägen die umgebende Botanik und Lombardo zertrümmert seine Trommelfelle, dass es eine wahre Pracht ist. A propos "zertrümmertes Trommelfell": Nicht wenige Fans meckern über den zu lauten Sound. Mag das in der Theorie richtig sein, kann ich beim Hören keine fehlende Dynamik feststellen. Aber vielleicht bin ich auch nur schon zu nahe an taub. Anyway, "World Painted Blood" dürfte die besten SLAYER-Songs seit 19 Jahren beinhalten und ist damit die zweite glorreiche Rückkehr einer Legende innerhalb der letzten Monate. Stark.
Note: 8,5/10
[Peter Kubaschk]
Ließ mich der letzte Output "Christ Illusion" noch kalt, hält "World Painted Blood" wohlige Rückenschauer parat. SLAYER haben das Kunststück geschaftt einen Bastard aus "South Of Heaven" und "Seasons In The Abyss" zu kreiieren und obendrein mit einigen Hardcoreparts zu würzen. Während 'Beauty Through Order' nahtlos bei 'Spill The Blood' ansetzt, ist 'Playing With Dolls' ein legitimer 'Dead Skin Mask'-Nachfolger. Im betagten Alter zeigen die Altmeister den Jungspunden wo der Hammer hängt. Nummern wie 'Not Of This God', 'Snuff' oder 'Unit 731' bollern einem das Schmalz mit Schmackes aus den Lauschern. 'Psychopathy Red' kann hingegen im Mittelteil mit einem coolen Basslauf glänzen und lässt die Hardcoreeinflüsse der Thrashlegende aufblitzen. Der Titeltrack erinnert mit seinen kranken Soli an 'Mandatory Suicide' und stellt einen idealen Einstieg in dieses himmlische Album dar. Der Rest steht den angesprochenen Tracks in nichts nach, weshalb ich wärmstens eine Kaufempfehlung für diesen Silberling aussprechen kann. Ihr werdet's nicht bereuen!
Note: 9,0/10
[Tolga Karabagli]
Na, sind die alten Herren etwa eingerostet? Dieser Gedanke kommt mir bei den ersten Takten des Openers und Titeltracks 'World Painted Blood' in den Sinn. Doch noch bevor ich mir überlegen kann, ob so ein Vorwurf nicht vielleicht respektlos gegenüber den Mitbegründern eines ganzen Genres ist, belehren mich die Thrash-Götter eines Besseren und legen los. Zwar kommt noch kein Tempo auf, dafür überraschen mich SLAYER mit sehr viel Rhythmus. Die Geschwindigkeit lässt aber auch nicht lange auf sich warten: Mit 'Unit 731' und 'Snuff' fliegen mir zwei schnelle Nummern um die Ohren. Tom Araya schreit nicht nur, sondern lässt ab und an durchscheinen, dass er auch melodisch singen kann. Es tut "World Painted Blood" gut, dass Kerry King und Jeff Hannemann sich das Songwriting fast 50:50 geteilt haben. Die rasanten, riffbetonten Tracks werden immer wieder durch rhythmusorientierte Stücke unterbrochen – diese Abwechslung lockert das Gesamtwerk angenehm auf. Neben dem Titeltrack bleibt mir vor allem 'Americon' noch lange im Ohr hängen. Ein kleiner Wermutstropfen ist zwar die kurze Spielzeit von lediglich 40 Minuten, trotzdem ist das besser, als ein Album künstlich mit Lückenfüllern zu strecken. "World Painted Blood" haut mich nicht um, ist aber ein gutes Album mit nicht wenigen Höhepunkten.
Note: 8,5/10
[Pia-Kim Schaper]
"Geh'ma halt zu SLAYER!" - Das singen nicht nur die Franken von J.B.O., das sagt sich auch mancher, dem METALLICA mittlerweile zu schlaff, MACHINE HEAD jedoch noch immer zu modern klingt. Denn SLAYER gilt unter Hauptneige-Epilepsievoluntären mehr oder weniger als Bank. Wie aber machen sich die Schlachtmeister in der Bankenkrise? Der Titelsong von "World Painted Blood" erinnert wieder mal gelungen daran, dass Hardcore als Punk den Thrash erster Stunde schon maßgeblich beeinflusste, lange noch bevor Wortungetüme wie Metalcore überhaupt gedacht wurden. Auch das speedig eingeprügelte 'Unit' gemahnt musikalisch an diese alten Zeiten: Warum melodischen Gesang bringen, wenn auch hart hervorgepresster Rezitativ geht? Metal als Hochleistungssport interpretiert 'Snuff'. So weit, so gewohnt. Als Produzent fungierte abermals Rick Rubin, der nicht nur "Reign In Blood" produzierte, sondern schon früh unter Beweis stellte, dass man aus Hardcore nicht nur Metal-Legierungen, sondern auch Hip-Hop schmieden kann. Auf der ersten BEASTIE BOYS-Scheibe in diesem Genre dennoch dabei waren: Gitarren von SLAYER - denn die Bank gewinnt immer. Und heute? Rezession? Depression gar? Kriseninduzierter Strategiewechsel? Mitnichten! Das nicht gerade bandtypische 'Beauty Through Order' trödelt zugegebenermaßen ein wenig im Midtempo herum, bevor die Kreissäge rausgeholt wird. Und seit wann wird bei SLAYER gesungen? Doch bereits die erste Verwunderung wird sofort gemildert durch altbekannte Trademarks; und ab 'Hate Worldwide' heißt es dann gleich wieder frei von der Leber weg: Knüppel-aus-dem-Sack. Leider darf der nicht richtig ausholen, denn Rubins Produktion kommt in puncto Dynamik seltsam flach daher, geht oft nicht richtig mit, klingt mir insgesamt ein wenig zu trocken, bisweilen geradezu distanziert, und ja, manchmal gar steril – im Schlachthaus?! Kompositorisch ist das Album nicht schlecht; allein mir fehlen Knüller, die sich im Ohr festsetzen und von selbst wieder und wieder abspielen, auch nachdem der Laser schon längst ausgeknipst wurde. Die einzigen Bohrer, die volle Kanne durch die Wand gehen, sind das oldschoolige, im oberen Lautstärkebereich allerdings schon unangenehm beschnittene 'Public Display Of Dismemberment' und das etwas gewagtere 'Not Of This God'; die einzigen Songs mit wirklich zwingendem Groove sind die erste Hälfte des erneut zu laut abgemischten 'Human Strain', 'Psychopathy Red' und der meines Erachtens gelungene Midtempo-Song 'Americon'. Wirklich ausgefallenes Material darf man von "World Painted Blood" jedoch nicht erwarten, selbst wenn sich 'Beauty Through Order', 'Playing With Dolls' und 'Not Of This God' ein wenig um Alternative bemühen. Schlecht ist das nicht. Alles in allem finde ich die vorliegende Schlachterplatte allerdings eher mittelprächtig. Andererseits war ich auch nie glühender Fan der Band, sondern betrachte Banken gemeinhin eher als notwendiges Übel. Die Bilanz bei dieser ist ausgeglichen, keineswegs aber nachhaltig überraschend. Relativ sichere Anleihen nehmen kann man bei 'Snuff', 'Public Display Of Dismemberment', 'Americon', 'Psychopathy Red' und 'Not Of This God'.
Note: 7,0/10
[Eike Schmitz]
Ist es denn zu glauben? SLAYER sind zurück. Verdammt. Hätte ich vor 'nem Jahr wetten müssen, hätte ich definitiv auf andere Pferde gesetzt. So ein Start-Ziel-Sieg, wie ihn die unchristlich-christlichen Amerikaner im Jahr 2009 hinlegen, ist großartig. Ähnlich wie KREATOR in diesem Jahr, besinnt sich die Schlachter-Brigade auf alte Tugenden und fährt ein kompromissloses Brett, das ich so seit Jahren, möglicherweise sogar seit der "Seasons..." nicht mehr gehört habe. Wer nun allerdings denkt, dass wir hier die 'Raining Blood'-Oldschool-Retrospektive erleben, hat weit gefehlt. Der Sound der Amis fußt eindeutig in der Gegenwart und das ist, um es auf den Punkt zu bringen, verdammt geil. So heiß es also aufs Neue, moshend durchs Wohnzimmer zu hüpfen, wenn sich der Metal-Dungeon öffnet, und einen unserer Helden mit neuem Gewand ausspuckt.
Note: 8,5/10
[Julian Rohrer]
Wenn SLAYER mit einem neuen Album aufwarteten, war das in der jüngeren Vergangenheit zwar immer mit einer gewissen Spannung verbunden, aber die große Offenbarung kam nach der ultimativen Abrissbirne "Divine Intervention" nicht mehr dabei heraus. Nun also "World Painted Blood", bei dem viel mit Standardfloskeln wie der Hinwendung zu "alten Tugenden" (allein dreimal in dieser Gruppentherapie) um sich geworfen wird. Teilweise ist dieser Jubel auch durchaus berechtigt, vor allem mit dem formidablen ' Americon', aber auch Nummern wie 'Psychopathy Red', 'Not Of This God', 'Snuff' und 'Public Display Of Dismemberment' sind schon einige Volltreffer dabei, aber so richtig überragend ist das Ganze dennoch nicht, da einfach zu vorhersehbar (das gilt auch für die sporadisch eingestreuten, ruhigeren Momente). Aber allein die Tatsache, dass es weniger Experimente als auf "God Hates Us All" oder "Diabolus In Musica" gibt, zugunsten von etwas häufigeren Reminiszenzen an die Klassiker "Seasons In The Abyss" oder "South Of Heaven" wird allen Altfans mit Sicherheit die Freudentränen ins Äuglein treiben. Dabei wäre die Bewertung definitiv ein bisschen höher ausgefallen, wenn der Sound mehr Punch hätte. In dieser Hinsicht offenbart "World Painted Blood" nämlich unzweifelhaft einiges an Luft nach oben. Also ein gutes Werk der Prügelbarden, aber keines, das man in zehn Jahren als SLAYER-Klassiker bezeichnen wird.
Note: 7,5/10
[Stephan Voigtländer]
Die Rückkehr zu alten Tugenden markierte bereits der letzte Output, "Christ Illusion". Aber "World Painted Blood" ist noch stärker, weil in sich einfach kompromissloser. Dabei darf man jetzt nicht erwarten, eine reine Hinwendung an die Achziger Jahre zu bekommen, so einfach machen es sich die alten Recken des Thrashs dann doch nicht. Modern ist der Sound, die Hardcore-Einflüsse, die mehrere Scheiben SLAYERS zu Langweilern werden ließen, sind latent vorhanden, aber das Ganze wird mit hochprozentigem der Marke "Seasons In The Abyss" und "Reign In Blood" gewürzt. An Letzteres erinnern mich vor allem die Songlängen, oder besser Songkürzen, denn wie damals kommt die Hälfte aller Songs sofort auf den Punkt. Keine Eskapaden, keine überflüssigen Breakdowns, einfach drei Minuten - oder weniger - auf die Zwölf. Was ich allerdings ein wenig vermisse sind die längeren, geradezu epischen Tracks. 'Unit 731' hat zwar die Länge, aber nicht die Melodie, um den Titelsongs der frühen Alben oder 'Angel Of Death' oder 'War Ensemble' Paroli bieten zu können. Deswegen ist es zwar ein sehr gutes Album, das die alten Glanztaten aber bereits im Sichtfeld hat, aber noch nicht ganz wieder die alten SLAYER. Ob ich in zehn Jahren anders denke, wenn die Scheibe erstmal einige hundert Durchläufe bei mir hatte?
Note: 8,5/10
[Frank Jaeger]
Ein neues Werk der Totschläger. Seit "Seasons In The Abyss" finde ich die Band nur noch in der Livesituation richtig zwingend, da mir die Studiowerke der Neuzeit zum größten Teil zu modern produziert und teils gar zu eindimensional komponiert sind. Schon der eröffnende Titelsong von "World Painted Blood" lässt meinen Adrenalinspiegel rasant nach oben schnellen. Hören wir hier doch mal eben den besten SLAYER-Song seit 'Gemini'. Fiese Riffs, wie sie nur König und Hannemann schreiben können, ein brutales und gleichzeitig variantenreiches Knüppelspiel und der diabolische Gesang von Onkel Tom machen diesen Fünf-Ender zu einer gandenlosen Hörsturz-Attacke. Fantastisch. Alles, was auf den letzte Alben mit "- core" enden konnte, endet heuer auf "-metal". Und neben ultraschnellen Schnitzelbrätern, gibt es mit 'Playing With Dolls' endlich auch wieder ein dämonisch grinsendes Schlürfmonster. Auflockerung auf unentspannt. Der lyrischen Inhalte, allen voran wohl 'Snuff', dürften wieder für moralapostolische Schelte ausreichen und die solistischen Schrammelorgien von King (Kong) werden auch wieder für Genörgel sorgen. Gut so. Wer nicht hören will, muss fühlen. Dafür sorgt Lombardo, der mit seinem lebendigen Gehacke den Songs den letzten Schmiss verpasst. Ein unerwartet mitreißendes Werk, welches trotz seiner Affinität zu vergangenen Taten niemals altbacken klingt. Fett.
Note: 8,5/10
[Holger Andrae]
Eine weitere Meinung zu "World Painted Blood" findet ihr bei uns in Form einer Einzelrezension.
- Redakteur:
- Martin Loga