One Nation Underground - Part I
08.04.2008 | 12:58Bei der derzeitigen Rezensions- und Veröffentlichungsflut verliert man schnell ein wenig die Orientierung, wenn es darum geht, die wirklichen Perlen ausfindig zu machen. "One Nation Underground" soll als regelmäßige Serie helfen, auf die besonderen, originellen oder auch schlicht guten, neuen Bands aufmerksam zu machen, die sonst mangels Support von großen Labels und Promotionfirmen untergehen könnten. Im ersten Teil blicken wir auf das Jahr 2007 zurück. Viel Spaß bei der Entdeckungsreise. [Peter Kubaschk]
Steckbrief:
Name: A DOG CALLED EGO
Mitglieder: Marcel Habbe (g.; v.), Christoph Stepan (g.; v.), Dirk Bakker (dr.), Gregor Kaisser (b.)
Gründung: 2006
Herkunft: Hamburg, Deutschland
Veröffentlichung(en): "Living Seriously Damages Health" (2007)
Bandinterne Konsensplatte: DAVID HASSELHOFF - "Looking For Freedom"
Ultimativer Song: JOHN CAGE - '4'33"'
Diesen Vergleich verbitten wir uns: OASIS
Homepage: http://www.adogcalledego.com/
MySpace: http://www.myspace.com/adogcalledego
Fragt man A DOG CALLED EGO nach dem für ihre Band Wichtigsten, wird man folgende Ausgangsantwort erhalten: die Musik. Das klingt nach dem üblichen auswendig gelernten Promo-Gewäsch, dem man an jeder Ecke ausgesetzt ist und das in den meisten Fällen nur mit viel Naivität und einer großen Portion Weltfremdheit geschluckt werden kann. Aber selbst wenn man bei dem Hamburger Quartett hundertmal nachbohrt, fällt das errichtete wohlklingende Verbalgerüst nicht in sich zusammen. Und all das, was sie erzählen, meinen sie und setzen sie konsequent um. Kein Image, keine Uniformierung, keine Hochglanz-Bandbildchen, keine Sprüche - eine Anti-Selbstvermarktung, bei der jedes Manager-Männchen sofort mit Nervenzusammenbruch im Tatütata-Wagen abtransportiert werden muss.
Während andere Kapellen noch die diversen Magazine studierten, um zu gucken, welche Musik sie machen müssen, oder die Kutte bei Omi ablieferten, damit letztlich zwei weitere Patches das Gesamtbild für die Zielgruppe abrunden können, saßen A DOG CALLED EGO in ihrem eigenen Little-Big-Ears-Studio und nahmen ohne Zeitdruck innerhalb eines Dreivierteljahrs das Debüt "Living Seriously Damages Health" auf - eine Platte, die sie nur für sich gemacht haben, aber auch Außenstehende beeindruckt. Mit viel Liebe zum Detail - u. a. wurde der Aufwand betrieben, an der Hochschule für Musik und Theater Hamburg Percussions aufzunehmen - ist eine hochspannende, packende und keinem Masterplan folgende Reise durch die schattigeren Winkel der Seele entstanden. Dabei sollte die kompositorische Reife, die alle acht Tracks dieses Überraschungs-Trips ausstrahlen, unzählige fest installierte Bands mit Deal und einigen Alben in der Hinterhand zu zitternden Kalkleisten werden lassen. Leichtfüßig und ohne Brüche im Songwriting werden ruhig-zurückgenommene Passagen inklusive wunderbarer Melodiebögen mit stürmischen Gitarrenüberfällen und jazzig-experimentellen Momenten zu einem schlüssigen Ganzen verwoben, in dem auch Platz für eine Sitar oder ein Cello ist.
Dass der Vierer bereits mit den ersten für die Öffentlichkeit bestimmten Nummern eine unverkrampfte Eigenständigkeit erreicht hat, ist bemerkenswert. Zwar fühlt man sich mal an OPETH, PORCUPINE TREE oder "Red Flags", den aktuellen Longplayer der unterbewerteten THE PROVENANCE, erinnert, und der Albumabschluss, das genau genommen perfekte 'Home Sick Home', streift ANATHEMA-Terrain, aber insgesamt hat kein Vergleich besonders lange Gültigkeit.
Die allseits beliebte Worthülse "Post-Rock" kann im Fall völliger Hilflosigkeit zur Einordnung des A DOG CALLED EGO-Sounds ein weiteres Mal strapaziert werden, sollte sie aber nicht. Vor allem ein Faktor unterscheidet die Hamburger deutlich von den Insassen der überfüllten ISIS/CULT OF LUNA-Zelle: die Bodenständigkeit. Während es bei den Endzeit- und Kopf-runter-Fundis um vergeistige Entrücktheit und depressiv-psychedelische Eskapismus-Klangwälle geht, bleiben die Norddeutschen im Hier und Jetzt, ziehen (heißblütige) Natürlichkeit einem intellektuell aufgemotzten Ansatz vor, rücken den Song in den Mittelpunkt und treffen den Hörer damit viel direkter.
Der Titel eines Stücks der Platte liefert letztlich die nach wie vor einzig treffende Kategorisierung für "Living Seriously Damages Health": 'Something Huge'. Großes für heute, morgen, die kommenden Jahre und jeden Freund barrierefreier, tiefgründiger und mitreißender Musik zwischen Rock und Metal.
A DOG CALLED EGO im Kurz-Interview:
Gibt es mittlerweile Kontakt zu Labels oder Vertrieben, mit denen ihr euch eine Zusammenarbeit vorstellen könnt?
Kontakt gab es. Allerdings scheint die Musikindustrie momentan sehr vorsichtig zu sein, und was sich nicht mit zweihundertprozentiger Wahrscheinlichkeit verkauft, wird auch nicht unter Vertrag genommen. Wir sind irgendwie froh, dass es anscheinend der finanzielle Aspekt ist, der uns bisher einen Deal verwehrt hat, denn der ist uns relativ egal. Schade ist es trotzdem.
Aktuell ruft ihr auf eurer MySpace-Seite dazu auf, bei irgendwelchen Internet-Abstimmungen nicht euch auszuwählen. Votings oder Wettbewerbe im Allgemeinen lenken vom Wesentlichen ab, oder?
Exakt, wobei das Bulletin bei MySpace natürlich nur bedingt ernst gemeint war. Aber die Kernaussage ist zu erkennen. Dieses ständige "Vote for us!" von allen Seiten ist schon deshalb scheiße, weil es zum Krieg unter den Bands führt. Wenn ein A&R heutzutage ein Voting braucht, um zu wissen, was gut ist, dann stimmt irgendwas nicht.
Würdet ihr jemals bei Veranstaltungen wie "Emergenza" mitmachen?
Für uns würde so was nicht in Frage kommen, weil Musik als Wettkampf ziemlich abartig ist - ob da nun "Emergenza" oder "DSDS" drauf steht, wobei Letzteres sicherlich der Gipfel ist. Wir sehen uns in keiner Weise als Teil irgendeines Wettbewerbs. Außerdem scheinen viele dieser Wettbewerbe nicht viel mehr als eine sichere und lukrative Einnahmequelle für Veranstalter zu sein. Die Bands müssen ein bestimmtes Kontingent an Tickes kaufen, und Stimmen gibt's am Ende eh nur von Freunden und Familie. Wer mehr Leute mitbringt, gewinnt.
Immer mehr Bands bloggen sich bei MySpace ins Koma und sehen das Ganze als Plattform zur Verbreitung unglaublich uninteressanter Informationen. Musik läuft fast nur noch nebenbei mit. Was haltet ihr von MySpace?
MySpace ist sicherlich eine gute Werbeplattform für Künstler auf der einen Seite und ein großer Musikladen für Konsumenten auf der anderen. Wir entdecken dort hin und wieder auch neue Sachen. Außerdem ist es sicherlich interessant, dass man als Band die Möglichkeit hat, ein viel breiteres Publikum zu erreichen, als das vor zehn Jahren der Fall war. Ohne MySpace und ohne Label hätten wir beispielsweise wohl keine CDs nach Australien verkauft. Was uns ein wenig stört, ist dieser aggressive Aufmerksamkeitsdrang. Wie gesagt, die Musik nimmt dabei ziemlich oft nur den zweiten Platz ein. Heute gilt anscheinend oft die Devise: "Je mehr Pagehits, desto besser die Band."
Habt ihr schon Ideen für die nächste Platte?
Wir haben viele Ideen und schreiben grad neues Material. In welche Richtung das Ganze geht, wissen wir selbst nicht, aber daran haben wir uns mittlerweile gewöhnt. Wir vermuten, dass es einerseits etwas poppiger, andererseits aber auch ein wenig extremer ausfallen könnte. Da der ganze kreative Schaffensprozess dieses Mal im Bandgefüge vonstatten geht, wirken die Songs auf jeden Fall homogener. Aber wir wollen mal noch nicht zu viel verraten.
[Oliver Schneider]
Steckbrief:
Name: ATLANTEAN KODEX
Mitglieder: Markus Becker (v.), Michael Koch (g.), Florian Kreuzer (b.), Manuel Trummer (g.), Mario Weiss (dr.)
Gründung: 2006
Herkunft: Vilseck/Oberpfalz , Deutschland
Veröffentlichung(en):
- "Vestal Claret/Atlantean Kodex" (Split-12"-EP, Metal Coven Records 2007)
- "New Age of Iron Vol. 1 - Teutonic-Swedish Alliance" (Vinyl-Compilation, New Iron Age Records 2007)
- "The Pnakotic Demos" (MCD, New Iron Age Records 2007)
Bandinterne Konsensplatte: MANOWAR - "Into Glory Ride"
Das perfekte Coverartwork: BATHORY - "Twilight Of The Gods"
Diesen Vergleich verbitten wir uns: sämtliche Pagan-Metal-Bands
Homepage: http://www.atlanteankodex.de/
MySpace: http://www.myspace.com/atlanteankodex
Bei den Oberpfälzern von ATLANTEAN KODEX könnt ihr euch einer Sache ziemlich sicher sein: Die Band steht für epischen Metal der traditionellen Spielart, und das wird sich auch niemals ändern. Die Truppe besteht aus überzeugten und engagierten Metallern der alten Schule, die sich nicht mal eben schnell ein Image zugelegt und eine Vintage-Style-Kutte übergestreift haben, sondern die Szene schon seit vielen Jahren mit Wort und Werk unterstützen. So waren sämtliche Bandmitglieder zuvor schon in anderen Gruppen aktiv und haben sich nun zusammen getan, um eine gemeinsame Vision musikalisch umzusetzen.
Dass für die Bandmitglieder MANOWARs "Into Glory Ride" als Konsensplatte steht, spiegelt sich auch in der Musik wider. Nicht nur stilistisch, sondern auch von der Ausstrahlung her. Joey DeMaio & Co. waren seinerzeit noch nicht die Megastars von heute, die ein Image zu pflegen und Verkaufszahlen zu halten hatten, sondern sie konnten und wollten noch frei ihrer Vision von epischem Heavy Metal folgen. So war die Scheibe eigentlich nur als Demo gedacht, und doch finden sich gerade dort einige der emotionalsten, tiefgründigsten und spannendsten Kompositionen der Band. Genau so fühlt sich auch das Schaffen von ATLANTEAN KODEX an. Wenn ihr die Songs hört, dann wisst ihr, dass hier nicht das Schielen auf den kommerziellen Erfolg oder das Mitschwimmen im aktuellen Trend das Songwriting und das Spiel diktiert, sondern die Hingabe an die eigene Vision, den eigenen Sound, an das, was die Musiker selbst hören und deshalb auch spielen wollen. Sonst nichts.
So wie sich die Band gibt und so wie die Band klingt, ist sofort klar, dass es hier nicht um den Durchbruch geht, sondern einfach um die Musik an sich, um Selbstverwirklichung. Darum, das zu machen, was man gerne auch von seinen Lieblingsbands geboten bekäme. Das mag manch einem nach verschrobener Underground-Romantik klingen und bei den zynischen Kritikern metallischer "Trueness" die Alarmsirenen erschallen lassen, doch wer die Jungs mal ein kleines bisschen kennen gelernt hat, der weiß, dass es ihnen nicht ums Image und um die Trueness geht, sondern einfach darum, den Metal am Leben zu erhalten, der für viele von uns seit Jahrzehnten ein so wichtiger Bestandteil des täglichen Lebens ist.
Zu diesem Metal, den es am Leben zu erhalten gilt, gehört im Falle von ATLANTEAN KODEX vor allem das Ansinnen, den Spirit und die Epik von Werken wie dem bereits genannten "Into Glory Ride", von BATHORYs "Hammerheart" und "Twilight Of The Gods" oder von MANILLA ROADs "Crystal Logic" in die neue Zeit zu transportieren und dabei eben gerade keine Rücksicht auf den Zeitgeist zu nehmen, keine anbiedernden Zutaten zu verwenden, um den Mainstream zu locken und keine wirren Experimente zu machen, um sich als Avantgarde zu präsentieren.
Das spiegelt sich dann einerseits in der musikalischen Nähe zu den Vorbildern wider, doch auch darin, dass ATLANTEAN KODEX von Brüdern im Geiste wie zum Beispiel Ross-The-Boss oder Phil Swanson (UPWARDS OF ENDTIME, VESTAL CLARET, HOUR OF 13 u.v.m.) tatkräftig musikalisch unterstützt werden. Nicht zuletzt aber auch in der Tatsache, dass sich die Band alle Mühe gibt, ihrer kleinen, aber feinen Fangemeinde wirklich was zu bieten, das es sich zu erwerben lohnt. Wer sich edel aufgemachte, liebevoll designte und limitierte Schmuckstücke wie die Split-EP mit VESTAL CLARET oder den "New Age Of Iron"-Sampler anschaut, der weiß, wovon ich rede, und der weiß auch, dass bei so viel "value for money" absolut klar ist, dass mit der Musik Geld zu verdienen sicher nicht die Motivation ist, die hinter dem Kodex steht.
Was die Band wirklich bewegt, welche Ziele sie verfolgt, und was aktuell so ansteht, das hat mir Gitarrist Manuel Trummer im folgenden Gespräch verraten.
ATLANTEAN KODEX im Kurz-Interview:
Welches Album ist bei euch für ALLE Bandmitglieder ohne jegliche Abstriche ein unbestreitbarer Metal-Überklassiker?
Schwierig, weil die Geschmäcker dann doch ein wenig auseinandergehen, aber ich denke, zumindest bei "Into Glory Ride" dürfte innerhalb der Band ein breiter Konsens bestehen.
Was sind für euch die "perfekten Songs", und was macht sie so perfekt?
Ein Song wird vor allem durch das gelungene Zusammenspiel seiner einzelnen Elemente perfekt. Ganz wesentlich ist dabei, dass einerseits eine starke Atmosphäre vermittelt wird, die über die pure Musik hinausgeht. Andererseits sollte der Song aber auch über genug Energie verfügen, um den Hörer von den Beinen zu holen. Ein entscheidender Aspekt eines vollkommenen Songs ist auch die Kohärenz von Text und Musik.
Mit welcher Band möchtet ihr auf gar keinen Fall verglichen werden?
Keine bestimmte Band, aber da wir uns in unseren Texten regelmäßig mit der Vergangenheit auseinandersetzen, werden wir manchmal mit irgendwelchen Pagan-"Metal"-Bands in Zusammenhang gebracht. Das ist uns zutiefst zuwider, weil wir mit diesen Karnevalstruppen nicht das Geringste gemein haben und diese ganze merkwürdige Szene für einen einzigen peinlichen Witz halten. Die Ausnahme sind PRIMORDIAL, die sind super. Aber die gehören ja auch nicht wirklich zu dem ganzen anderen Troll-, Wikinger- und Germanengesocks.
Mit wem werdet ihr demgegenüber gerne verglichen?
Na ja, wenn uns jemand mit den alten MANOWAR vergleicht, gefällt uns das schon ganz gut. Nicht schlecht sind auch Vergleiche mit BATHORY, WARLORD oder MANILLA ROAD.
Seid ihr zufrieden damit, ein heißer Insider-Tipp in einer vitalen Underground-Szene zu sein, oder strebt ihr kommerziellen Erfolg in einem größeren Rahmen an? Dass sich jeder freut, wenn seine Scheiben sich gut verkaufen, ist klar, aber ist so was wie der sogenannte "Durchbruch" für euch ein Ziel, das ihr anstrebt, oder wäre es nur ein netter Nebeneffekt, wenn es dazu käme?
Das wäre definitiv nur ein netter Nebeneffekt. Die Band wurde gegründet, um die Musik zu spielen, die wir selber hören wollten. Daran hat sich bislang nichts geändert, und daran wird sich auch nichts ändern. Es ist allerdings fantastisch, dass unsere Musik auch anderen Menschen gefällt und dass wir tatsächlich in der Lage sind, durch die Verkäufe unsere Ausgaben für Studioaufenthalte, für die Plattenpressungen und das Artwork wieder einigermaßen zu refinanzieren. Wenn das schon bedeutet, dass wir "kommerziell erfolgreich" sind, dann soll uns das recht sein. Mehr wollen wir gar nicht.
In dem Zusammenhang würde mich interessieren, ob ihr vorhabt, von euren Releases weiterhin limitierte Auflagen in Eigenregie zu machen und es dabei bewenden zu lassen, oder ob ihr früher oder später auch einen Deal mit einem größeren Label anstrebt, das euch zwar nicht übermäßig kommerziell und marktschreierisch vermarkten will, euch aber vielleicht doch dabei helfen könnte, mehr Leute zu erreichen. Baut ihr also nur auf die Buschtrommeln des Untergrund-Volks, oder seht ihr auch eine Perspektive für ATLANTEAN KODEX in der "Musik-Industrie"?
Nein. Wir sind nur so weit Teil der "Musik-Industrie", wie wir uns gegen sie auflehnen. Ansonsten gibt es keine Berührungspunkte, und es wird auch niemals welche geben. Im Moment haben wir nicht vor, auf die Unterstützung eines professionell arbeitenden Labels zurückzugreifen. Wir wissen, wie man Studiokosten vorfinanziert, wir wissen, wie man Platten presst, und wir wissen, wie man diese Platten an die entsprechenden Händler verkauft. Es mag sein, dass ein größeres Label tatsächlich ein paar hundert Platten mehr verkauft, aber dennoch ist der Käuferkreis für unsere Art von Musik so begrenzt, dass wir die Zügel ohne weiteres selbst in der Hand behalten können, ohne größere Einbußen befürchten zu müssen. Und das ist eigentlich der entscheidende Punkt: die Zügel selbst in der Hand zu behalten, von der Wahl des Studios bis zur Distribution alle Entscheidungen bedingungslos selbst treffen zu können, die absolute Freiheit, alles genau so umsetzen zu können, wie wir es uns vorstellen. Der do-it-yourself-Gedanke ist eine wesentliche Säule des Undergrounds, die für Unabhängigkeit und damit Qualität und Vielfalt sorgt. Davon wollen wir nicht abrücken. Wir werden deshalb auch alles weitere auf unserem eigenen Label Iron Kodex Records veröffentlichen, weil wir so die totale Kontrolle über alle Belange haben.
Was fasziniert euch am metallischen Untergrund, und was grenzt ihn aus eurer Sicht vom metallischen Mainstream ab?
Es ist vor allem der Idealismus, mit dem im Untergrund unglaublich viel bewegt wird. Es gibt unzählige Labels, Fanzines und Bands, die ohne je einen Cent Gewinn zu machen Jahr für Jahr Großartiges leisten – einfach aus Leidenschaft für den Metal. Faszinierend ist auch die Unabhängigkeit der Fans, die ihre Meinung nicht von den Werbekampagnen der großen Firmen abhängig machen, sondern einzig und allein vom eigenen Geschmack und von dem, was ihnen ihre Kumpels empfehlen. Die Folge davon ist eine unglaubliche Vielfalt und vor allem Vitalität, die ständig für neue Entdeckungen und Newcomer sorgt. Diese Vielfalt und Vitalität ist dem Mainstream trotz (oder wegen?) seines Stilmischmaschs verloren gegangen. 95 Prozent von dem, was Monat für Monat in den Soundchecks der großen Magazine zu finden ist, ist nichts weiter als Popmusik, die mit möglichst konsensfähiger Produktion auf größtmögliche Akzeptanz und Verkaufszahlen zugeschnitten ist. Spannend ist das alles nicht mehr. Metal wohl auch nicht.
Wie sieht es mit Liveauftritten aus? Ist da in absehbarer Zeit mal was geplant?
Definitiv. Markus verlegt gerade ein Starkstrom-Kabel durch die Bay Area, und Florian forscht im Moment in einer Dominikanerbibliothek in Polen nach frühmittelalterlichen Aufzeichnungen über die Rezeption Isidors von Sevilla bei den Karolingern. Ich selbst suche weiterhin nach Möglichkeiten, Katzen auf Lichtgeschwindigkeit zu beschleunigen. Sobald das geregelt ist, werden wir auch live spielen.
Wann können eure Fans mit einem ersten Longplayer oder mit einer weiteren EP rechnen?
2008 wird auf jeden Fall noch mindestens eine ATALNTEAN KODEX-Veröffentlichung erscheinen. Die Musik ist schon fertig aufgenommen. Im Sommer wird’s wohl so weit sein. Mehr will ich aber noch nicht verraten.
Welchen fremden Song hättet ihr selbst gerne geschrieben, und für welche Band würdet ihr gerne mal einen Song schreiben?
'Gloves Of Metal' und 'Secret Of Steel' sind schon ziemlich perfekt. Da fragt man sich schon, wie eine Band auf so was Geniales kommen kann. Das hätte man selber auch gern geschrieben. Ansonsten würden wir gerne mal MANOWAR ein oder zwei unserer Songs zur Verfügung stellen, aber damit würden sie wahrscheinlich einen Großteil ihres neuen Keyboard-affinen Publikums vergraulen.
Welchen verstorbenen Musiker vermisst ihr in künstlerischer Hinsicht am meisten?
Der Tod von Quorthon war schon ein ziemlicher Schlag. BATHORY sind neben MANOWAR sicherlich der Haupteinfluss für ATLANTEAN KODEX. Gerade "Twilight Of The Gods", "Hammerheart" und "Blood On Ice" sind unerreichte Meisterwerke. Es ist sehr traurig, dass es dafür nie mehr Nachfolgeplatten geben wird. Keine andere Band hat es bislang auch nur im Ansatz geschafft, die epische Atmosphäre von Tracks wie 'Blood And Iron' oder 'Under The Runes' zu erreichen.
Das ist leider nur zu wahr. Doch nun zur Zukunft: Wohin geht die Reise der Heavy-Metal-Szene? Weiter in den Mainstream und höher in die Charts oder zurück in den Underground, in die Liebhaber-Szene. Und wo schlägt das Herz der Szene? In Wacken oder in Königshofen? Wo wird es in zehn Jahren schlagen?
Na ja, Wacken hat ja mit Metal nicht mehr viel zu tun. Generell ist die Metal-Kultur heutzutage sowieso in die unterschiedlichsten Teilszenen zersplittert. Das ist auch ganz gut so, weil ja im Moment doch auch ziemlich viel Mist unter der Bezeichnung "Metal" läuft, der mit dem ursprünglichen Gedanken eigentlich nicht mehr viel zu tun hat. Zumindest das Herz der traditionellen Metal-Szene schlägt in Königshofen. Das Keep It True bringt auf jeden Fall die meisten Leute zusammen und ist sicherlich der zentrale Treffpunkt für Fans dieser Sparte. Wo die anderen "Szeneherzen" schlagen, kann ich nicht sagen, weil ich mich für andere Stile eigentlich nicht interessiere.
Ich denke, in zehn Jahren wird es den "Metal", so wie wir ihn seit den 1980ern kennen, nicht mehr geben. Die Industrie und ihre Zeitschriften, werden es geschafft haben, die stilistischen Grenzen so weit einzureißen, dass im Prinzip alles unter der Bezeichnung "Metal" vermarktet werden kann. Gleichzeitig denke ich aber, dass der Untergrund sich noch stärker positioniert haben wird. Die Netzwerke werden dank neuer Kommunikationsmöglichkeiten noch intensiver sein und die Möglichkeiten für unabhängige Bands, Händler und Fans noch größer. Ein, zwei großen Plattenfirmen, die sich den Mainstream untereinander aufteilen und nach herkömmlichen Vertriebs- und Werbemethoden arbeiten, wird ein vielfältiges Heer von unabhängigen Bands und Kleinlabels gegenüberstehen, die den Untergrund und letztlich auch den eigentlichen Metal am Leben erhalten.
Und das klingt für mich gar nicht so schlecht. Ich danke dir für das Interview, Manuel.
[Rüdiger Stehle]
Steckbrief:
Name: STATUS MINOR
Mitglieder: Markku Kuikka (v.), Sami Saarinen (g.), Jukka Karinen (key.), Marko Kolehmainen (b.), Rolf Pilve (dr.)
Herkunft: Tampere, Finnland
Veröffentlichung(en): "Demo I" (2006), "The Sun" (2007)
Bandinterne Konsensplatte: SYMPHONY X - "The Odyssesy"
Ultimativer Song: QUEENSRYCHE - 'Eyes Of A Stranger'
Dieses Vergleich verbitten wir uns: Es ist nichts Schlechtes an Vergleichen. Musik ist Kunst, da kann jeder machen, was er möchte.
Lieblingscoverartwork: ENCHANT – "Blink Of An Eye"
Homepage: http://www.statusminor.com/
MySpace: http://www.myspace.com/statusminor
Eines ist sicher: STATUS MINOR haben das besondere Gespür für außergewöhnliche Melodien. Melodien, die sich unwillkürlich beim Hörer einprägen, sich festsetzen und das Gefühl auslösen, dass man die Songs sofort erneut hören möchte. Häufig nutzen sich solche Kompositionen schnell ab, aber dagegen hat das finnische Quintett die nötige Dosierung spieltechnischer Finesse und Komplexität eingeflochten. Es entstehen Musikstücke, die jeden Freund von anspruchsvollen und zugleich kraftvollen Kompositionen in ihren Bann ziehen müssen. Obendrein haben STATUS MINOR mit Markku Kuikka einen Vokalakrobaten in ihren Reihen, der angenehm an die alte Garde großer Metal-Shouter erinnert. Ein erstes Demo ist lange ausverkauft und kann nun problemlos über die Homepage gesaugt werden. Der Nachfolger "The Sun" ist immer noch zu haben.
Auch seit "The Sun" hat sich einiges getan im Hause STATUS MINOR: Basser Marko Kolehmainen hat sich entschlossen, nun bei den Landsmännern von MASTERSTROKE aktiv zu werden, was bedeutet, dass aktuell ein neuer Mann am Tieftöner benötigt wird. Außerdem haben die Jungs mit 'Blinded' einen exzellenten neuen Song auf ihre Site gestellt, der belegt, dass man nichts verlernt hat. Ganz großes Tennis!
STATUS MINOR im Kurzinterview
In eurer recht kurzen Bandgeschichte gibt es schon relativ viele Umbesetzungen. Liegt es am finnischen Wetter? Oder am Wasser?
Markku:
Da die Band nach einem festen Keyboarder suchte, wurde ich als letztes festes Mitglied addiert. Das war 2005. Da spielte Marko Kolehmainen bereits nebenher bei MASTERSTROKE. Unser erster Drummer Perttu Helin machte dann 2007 seinen Abschluss und fand Arbeit in Helsinki, was bedeutet, dass er dahin umziehen musste. Aber das Wetter ist hier natürlich miserabel.
Jukka
Es liegt ausschließlich am Wetter. Woran auch sonst?
Sami:
Ich denke aber, dass wir jetzt die richtige Besetzung zusammen haben, um dieses Jahr durchzustarten.
Mit eurem ersten Demo hattet ihr überhaupt keine Presse. Habt ihr das Teil nicht an Magazine verschickt?
Markku:
Wir haben ungefähr hundert Tapes versandt, aber nur in einigen wenigen Ländern wie Italien, Deutschland, England und den USA Resonanz erhalten. Die finnische Presse hat damals gar nicht reagiert.
Vergleicht doch bitte mal die Songs vom ersten Demo mit denen von "The Sun".
Jukka:
Auf beiden Demos gibt es einen recht einfachen, schnellen Song und zwei progressivere Tracks. Allerdings gibt es auf dem Erstling mit 'The Guide' eine zweiteilige Story. Die drei Nummern auf "The Sun" stehen textlich in keinem engeren Zusammenhang.
Markku:
Das erste Demo wurde unter gänzlich anderen Bedingungen aufgenommen als "The Sun". Ich habe meinen Gesang zum Beispiel bei mir zuhause im Wohnzimmer mit einem miesen Mikrophon aufgenommen, und ähnlich verlief es mit den Gitarren- und Keyboardtracks. Lediglich Bass und Schlagzeug sind in einem professionellen Studio eingespielt worden. Bei unserem aktuellen Demo wurden alle Instrumente dort aufgenommen, und nur noch meine Gesangsaufnahmen fanden in meinen privaten vier Wänden statt. Ich denke, man kann den Unterschied sehr gut heraushören. Es klingt halt viel besser.
Wenn man sich die Pressefotos von euch anschaut, kommen Vergleiche zu AMON AMARTH und THE HAUNTED in den Sinn.
Markku:
Hell yeah. Ich bin ja auch ein Wikinger! Nein, natürlich nicht. Ich habe einen Bart und wiege 100 Kilo. Mehr nicht. *lacht* Das Alter unserer Bandmitglieder liegt zwischen 19 und 38 Jahren und wir wiegen zwischen 60 und 100 Kilo. Und trotzdem funktioniert das. Den Bart habe ich seit über zehn Jahren, der ist ein Teil von mir. Punkt. Aus. Basta *lacht*
Sami:
Unsere Promofotos sollen schon cool und einzigartig aussehen. Das aktuelle sollte übrigens an "Reservoir Dogs" erinnern, aber das nur am Rande. Beim nächsten Mal sehen wir aber völlig anders aus. Ich habe da schon so meine Vorstellung.
Es fällt mir recht schwer, eure Musik zu beschreiben. Irgendwie ist es "progressiv", aber zugleich auch sehr kraftvoll. Vielleicht beschreibt ihr euren Stil aus eurer Sicht. Was wollt ihr mit der Musik überhaupt erreichen? Die ultimative Balance zwischen Melodie und technischer Raffinesse?
Markku:
Natürlich gibt es viele "progressive" Momente in unserer Musik. Vor allem die Gitarren- und Keyboardmelodien sind teils recht anspruchsvoll. Dagegen stehen meine Gesangslinien. Ich bin ein Old-School-Metalhead und schreibe daher auch einfache Melodien. Diese schwierigen Dinger kann ich mir live sowieso nicht merken *lacht*
Sami:
Es muss sich einfach gut anfühlen. Musik soll doch in erster Linie Spaß machen, oder nicht?
Jukka:
Sami trifft den Nagel auf den Kopf. Klar, da schlummert tief in mir dieser "Hey Mama! Schau mal, was ich alles kann!"-Komplex, aber ich bemühe mich, den hinter schönen Melodien zu verstecken.
THRESHOLD, SYMPHONY X und SHADOW GALLERY kamen mir in den Sinn.
Jukka:
Ich höre und liebe alle drei Bands, bin mir aber nicht bewusst, dass sie ein großer Einfluss für STATUS MINOR sind. Wahrscheinlich mehr unterbewusst, vermute ich mal. Ich bin also daran schuld, dass wir solche Elemente in unseren Songs haben.
Markku:
Ich kenne weder Songs von THRESHOLD noch von SHADOW GALLERY, aber SYMPHONY X liebe ich. Mr. Allen ist einer meiner Lieblingssänger.
Bleiben wir beim Thema "Melodien". Bereits nach dem ersten Durchlauf von "The Sun" hatten sich die Nummern trotz ihrer Verspielheit bei mir verankert. Und das liegt eindeutig an den Gesangsarrangements.
Markku:
Ja, die sind mir extrem wichtig. Sami komponiert mit Cubase oder Acid Pro und schickt mir dann seine Ideen. Da er auch Keyboard spielen kann, kommen da manchmal komplett fertige Arrangements bei mir an, bei denen es mir dann sehr schwerfällt, noch Gesang einzubauen. In letzter Zeit, lässt er mir aber weitaus mehr Freiraum, was man gut nachhören kann, wenn man 'Blinded' mit 'Seek & Hide' vergleicht. Ich stehe halt auf diese altmodischen Truppen wie DOKKEN, DIO, MALMSTEEN, SCORPIONS und deren Einsatz von starken Gesangspassagen.
Sami:
Häufig habe ich bereits Gesangsmelodien im Kopf, wenn ich komponiere. Aber es hat sich gezeigt, dass es weitaus effektiver klingt, wenn Markku seine eigenen Ideen einbringen kann.
Jukka:
Nach dem sogenannten "Vocaltest" bekommen wir auch Gefühl dafür, ob die Songstruktur überhaupt funktioniert. Wenn dem nicht so ist, wird die ganze Chose komplett erneuert. Erst wenn wir denken, dass alles zusammenpasst, wird der Song bei den Proben gespielt. Man kann natürlich Songs schreiben, die man niemals live spielen wird, aber wir wollen das nicht.
Dann beleuchten wir das Herzstück 'Wounds' doch mal etwas genauer. Der Text ist sehr traurig und hat mich sofort berührt. Magst du uns erzählen, worum es genau geht?
Markku:
Die Geschichte ist von einem Gedicht inspriert, welches ich zu einem Songtext umgewandelt habe. In dieser Phase habe ich sehr viel QUEENSRYCHE gehört, und ich glaube, dass man das dem Song auch anhören kann. Ach ja, das Gedicht stammt übrigens im Orignal von einer Frau und von mir, aber mehr wird nicht verraten. Es ist ein sehr, sehr trauriger Song.
Euer Keyboarder ist seit einiger Zeit auch noch bei THUNDERSTONE aktiv. Wie ist es dazu gekommen?
Markku:
Als wir unsere 'Blinded'-Session im Sonic Pump Studio in Helsinki hatten, sind Jukka und ich noch einen Abend länger geblieben, da Tero Kinnunen, unser Engineer, uns noch auf ein paar Bierchen eingeladen hatte. Zur gleichen Zeit nahm Nino Laurenne, der Gitarrist von THUNDERSTONE, dort sein Solo-Album auf. Es kam, wie es kommen musste: Nino kam auch zu der kleinen Party, lernte Jukka kennen und versprach, sich zu melden, falls Jens Johansson nicht für die anstehende Tour mit NOCTURNAL RITES abkömmlich sein sollte. Zwei Wochen später rief er mich an und wollte Jukkas Nummer haben. Seither ist Jukka ein festes Mitglied von THUNDERSTONE.
Welchen Effekt hat das auf STATUS MINOR?
Jukka:
Ich hoffe, dass STATUS MINOR davon profitieren werden. Natürlich liegt mein Hauptaugenmerk momentan auf THUNDERSTONE, aber es wird sicherlich nicht schaden, wenn ich etwas mehr im Rampenlicht stehe. Wir müssen natürlich schauen, wie sich die Verpflichtungen der beiden Bands in Zukunft unter einen Hut bekommen lassen. Aber das ist nur eine Frage der Organisation.
Markku:
Ich kann noch nicht sagen, wie stark es STATUS MINOR betreffen wird. Uns ist klar, dass THUNDERSTONE momentan seine erste Band sind, aber ich denke, es wird Jukka ausreichend Zeit für STATUS MINOR bleiben. Außerdem habe ich mit ihm ja auch noch eine weitere Truppe namens MATRA-X im Start. Das ist eine reinrassige Metalband, von der es bald etwas zu hören geben wird.
Was ist denn eigentlich seit Veröffentlichung von "The Sun" bei euch passiert?
Markku:
Hm, einige tolle Gigs, eine Handvoll guter Reviews, ein paar schräge Fragen, sonst nichts. Ach doch: Wir haben ein Video zu 'Blinded' gedreht. Außerdem haben wir sechs neue Songs am Start. Leider haben wir von den Labels bislang nur Absagen erhalten. Meistens waren das diese automatischen Antwort-Mails, die mich zu der Annahme verleiten, dass man sich unser Material nicht einmal angehört hat.
Sami:
Es ist sehr still geblieben, fast schon beängstigend. Es scheint sehr schwer zu sein, die richtigen Leute zu erreichen, die sich vielleicht mit unserer Musik beschäftigen würden.
[Holger Andrae]
Steckbrief:
Name: SHAPESHIFT
Mitglieder: Bernd Wener (v.), Jossi Lenk (g.), Sebastian Moser (b.), Hannes Großmann (dr.)
Gründung: 2002
Stil: Progressive Metal/Thrash
Herkunft: Nürnberg, Deutschland
Veröffentlichungen: "Confusedated" (Demo 2004), "Fragments" (Full-length, 2007)
Ultimativer Song: KARL DALL - 'Itzi Bitzi Ibiza' (aus dem legendären Film "Sunshine Reggae auf Ibiza")
Ultimatives Artwork: JETHRO TULL - "Thick As A Brick" (in der Original-Version mit Zeitung)
Vergleiche mit diesen Band schmeicheln uns: NEVERMORE, ANNIHILATOR
Diesen Vergleich verbitten wir uns: TOKIO HOTEL
Homepage: http://www.shapeshift-music.de/
MySpace: http://www.myspace.com/shapeshiftprogmetal
Die Nürnberger SHAPESHIFT spielen intelligente, originelle, harte Musik – Brain Metal eben, wie sie selbst sagen. Für ihren ersten, selbst vermarkteten Longplayer "Fragments" bekommen diese vier Herren noch nachträglich von mir den Titel "Eigenproduktion des Jahres 2007" verliehen. Wer moderne, ordentlich drückende Riffs so geschickt und feinfühlig mit rhythmischen Sonderbarkeiten (im besten Sinne des Wortes!) und fast schon zarten Melodien zu sehr emotionalen, originellen Songs verbindet, der braucht sich bestimmt nicht beschämt verstecken, wenn vom Metal der Zukunft die Rede ist. "Fragments" ist eine einzigartige, überaus vielseitige und faszinierende Scheibe, auf der es so einiges zu entdecken gibt für den aufgeschlossenen Musikfreund.
Solche klangliche Tiefe und Breite macht neugierig auf das Innenleben dieser Band, auf die Menschen, die diesen Sound kultiviert haben. Wie funktioniert das Phänomen SHAPESHIFT? Bassist Sebastian gibt uns ein paar Einblicke: "Wir sind schon recht unterschiedliche Typen, das kann man auf jeden Fall so sagen. Unser Sänger Bernd zum Beispiel ist gleichzeitig unser Computer-Fuchs. Er hat auch die Homepage gestaltet und kümmert sich um die Bestellungen. Musikalisch ist er ungemein vielseitig, von sanften Akustik- und Pop-Sachen bis hin zu richtig hartem Metal hat er schon so gut wie alles mal gemacht. Ohne einen Musik-Junkie wie ihn würden SHAPESHIFT nicht halb so viel Spaß machen. Jossi und meine Wenigkeit sind die musikalischen Ideenlieferanten für SHAPESHIFT. Neben der kreativen Seite kümmern wir beide uns auch noch darum, dass ständig neue Gigs an Land gezogen werden. Als inoffizieller Bandmanager (wenn das jetzt meine Kollegen lesen, hahaha) bin ich zudem für Pressekontakte zuständig, halte alle möglichen Online-Portale aktuell, überleg mir neue Schandtaten für die Werbung und nerve ständig Bernd mit komischen Ideen."
Auf dem Drum-Hocker hat es vor kurzem erst einen Besetzungswechsel gegeben. Jochen Götz hat die Band verlassen und für Hannes Großmann Platz gemacht. "Jochen hat es zeitlich einfach nicht mehr gepackt, da er sich mehr auf Familie und Beruf konzentrieren wollte. Dass Hannes ihn würdig ersetzen kann, haben wir im Endeffekt schon bei der ersten Bandprobe mit ihm festgestellt. Du kannst dir unser breites Grinsen gar nicht vorstellen, als wir nach mehreren erfolglosen Sessions mit anderen Drummern das erste Mal mit Hannes spielten, der sich zum dem Zeitpunkt bereits drei unserer Songs nahezu perfekt angeeignet und dazu sogar noch ein paar eigene Ideen mit eingebracht hatte. Um diesen Mann ranken sich ja spätestens seit seiner Zeit bei NECROPHAGIST Legenden. Wir konnten zum Glück feststellen, dass er ein ganz normaler Mensch wie du und ich geblieben ist. Hannes’ Humor hat es uns sofort angetan. Zudem steuert er natürlich eine ganze Menge Erfahrung in Sachen Business bei."
Aus Nöten Tugenden zu machen, das verstehen die Franken auf jeden Fall. Auf diese Weise ist nämlich das ziemlich coole, selbst verpasste Etikett "Brain Metal" entstanden. "Die Leute verlangen fast immer nach einer Schublade, wir passen aber in keine so richtig rein. Daher haben wir uns unsere eigene Schublade gebaut. "Brain Metal" zielt gleichzeitig darauf ab, dass man sich mit unserer Musik etwas eingehender beschäftigen sollte." Deshalb wird man beim Betreten der SHAPESHIFT-Homepage wohl auch gleich von einem freundlichen Warnschild mit der Aufschrift "Brain Required!" begrüßt. Drei Jahre haben die Vier im Teamwork ihre Gehirne gequält und an "Fragments" gefeilt. Das erklärt auch den qualitativen Quantensprung seit der Demo-CD "Confusedated". "Ich halte es für einen ganz wichtigen Punkt, dass "Fragments" als Gesamtwerk aller Beteiligten entstanden ist. Bei der "Confusedated" hatte Bernd leider noch das zweifelhafte Vergnügen, über bereits fertige Songs singen zu müssen. Diesen Fehler haben wir diesmal bewusst vermieden und zudem viel Wert auf kleine Details gelegt, die beim ersten Hören vielleicht nicht gleich auffallen."
Bei so viel Sinn für die Feinheiten dürfte es nicht verwundern, dass sich im Falle von "Fragments" auch mal wieder der Blick ins Booklet lohnt. Die Texte der Jungs handeln oft von Verlust, Verzweiflung und Wut, allerdings ohne in die üblichen Aggro- oder Depri-Klischees zu verfallen. Manche Stellen kann man durchaus als poetisch bezeichnen. "Ein Text entsteht bei SHAPESHIFT im Normalfall aus dem Zusammenwirken mit der Musik. Zumindest gilt das im Hinblick auf die Gesangsmelodien. Inhaltlich gibt es eigentlich keine großartigeren Inspirationsquellen als das Leben selbst. Häufig ist es aber auch einfach eine spontane Idee, die sich dann zu einem Text entwickelt. 'New Extreme' von der neuen Platte soll zum Beispiel einfach mitreißen und einen guten Schuss "Fuck off"-Attitüde rüberbringen."
"Fragments" glänzt auch optisch, denn das stimmungsvolle, zum Nachdenken anregende Artwork, das in Sachen Atmosphäre ein bisschen an THRESHOLD erinnert, ist ebenso interessant wie die Idee, der CD einen kleinen, auf alt getrimmten Zettel beizulegen, auf dem die Zeilen "It's time to go on and leave the fragments behind" stehen. Meine Fantasie wurde durch diesen unscheinbaren Zettel stark angeregt. Was ist wohl die spezielle Bedeutung dieses Ausspruchs, dass er so hervorgehoben wird? "Die Idee war eher andersherum", erläutert Sebastian. "Es gab das Design mit dem abgerissenen Zettel, und da war natürlich klar, dass hier die Kernaussage des Titelstücks drauf muss. Dessen – zugegeben etwas melancholische – Bedeutung liegt in der Feststellung, dass es keine Wiedergutmachung für begangene Fehler oder verpasste Chancen gibt."
Es müsste schon mit dem Teufel zugehen, wenn die Klasse dieser Band noch allzu lange verborgen bleiben sollte. Überzeugt euch selbst und ordert ein Exemplar von "Fragments", am besten über den Online-Shop auf der Band-Homepage. Wer jetzt einsteigt und SHAPESHIFT-Jünger wird, kann jetzt noch sagen, dass er mehr oder weniger von Anfang an dabei war, wenn Sebastian, Bernd, Jossi und Hannes eines Tages die Cover von Metal Hammer und Rock Hard zieren.
[Martin van der Laan]
- Redakteur:
- Oliver Schneider