RIVERSIDE: Interview mit Mariusz Duda, erster Teil

05.02.2013 | 07:32

Wir sprachen ausführlich mit RIVERSIDE-Frontmann Mariusz Duda. In ersten Teil geht es voll und ganz um die Musik von "SONGS": "Shrine Of New Generation Slaves".

Mariusz entschuldigt sich zunächst dafür, dass er zu spät angerufen hat, weil er im polnischen Schneetreiben steckengelieben ist. Dann reden wir ausführlich über das neue Album "Shrine Of New Generation Slaves", welches Thema dieses ersten Interview-Teils sein wird. Im zweiten Teil reden wir dann über die Lyrics von "SONGS" und plaudern etwas allgemein über Prog Rock und die polnische Musikszene.


"SONGS" bietet in Vergleich zu den vorherigen Alben, vor allem zur "Reality Dream"-Trilogie ("Out Of Myself", "Second Life Syndrome" und "Rapid Eye Movement") ein paar signifikante Änderungen: Man stellt einerseits einen verstärkten Hang zum 70ies Rock à la DEEP PURPLE fest, andererseits werden ruhige und verträumte Passagen mehr ausgebreitet.

Wir wollten wirklich und wahrhaftig ein anderes Album aufnehmen als die Alben zuvor. Wir hatten bislang eine Formel für unser Songwriting, die ich mittlerweile etwas leid bin. Wir wollten endlich einmal etwas Neues probieren. Die Idee, wie unser neues Album klingen könnte, kam von dem Track 'Left Out' von "Anno Domini High Definition". Hier ist am Ende ein härterer Part im Stile älterer Hardrockbands, der eine ganz bestimmte Stimmung transportiert. Wir dachten uns, dass wir genau solche Elemente auf "SONGS" auf Kosten der Metalparts ausweiten sollten. Weisst Du, unser Keyboarder Michal (Lapaj) besitzt Instrumente, die älter sind als er. Mellotrons, Moogs und eine Hammondorgel und die wollten wir diesmal mehr einsetzen. Vielmehr noch, wir wollten auch versuchen, die Gitarren in diesem für mich natürlicheren Stil zu spielen. Für uns war dies eine neue Herausforderung und ein Weg, etwas Spezielles zu erschaffen.

Nun habe ich im einem Interview bei den Kollegen vom ECLIPSED gelesen, dass Deine Bandmates, vor allem die beiden Piotrs (Grudzinski, git und Kozieradzki, dr) beinharte Metalfans sind, die auf so Zeug wie CELTIC FROST stehen. Wie bringst Du ihnen bei, bei RIVERSIDE nun ausgerechnet die Metalparts rauszunehmen?

Ich sag Dir: Alle meine Freude, vielleicht bis auf Michal, haben Metal-Roots. Unser Drummer (Piotr Kozieradzki) hat beispielsweise zehn Jahre lang in einer Death-Metal-Band gespielt. Doch als wir mit RIVERSIDE angefangen haben, war ich derjenige, der am meisten Metal machen wollte. Die Jungs jedoch sagten mir, dass sie etwas anderes machen wollten, denn sie haben ja die ganze Zeit schon Metal gespielt. Sie wollten sowas wie MARILLION und Balladen spielen! Es war paradox, denn ich hatte vorher immer Prog gemacht und wollte meinerseits was anderes probieren, nämlich Metal! Also habe ich angefangen, Metal-Riffs auf dem Bass zu spielen. Die Metal-Passagen auf den ersten Alben sind somit auf meinem Mist gewachsen. Nach "Anno Domino High Definition" wurde ich der Metalparts allerdings müde, sie haben mich gelangweilt und ich wollte mich ganz einfach nur noch auf die Songs an sich konzentrieren, schlicht und einfach gute, ambitionierte Kompositionen schreiben. Und wenn man ehrlich ist: RIVERSIDE sind im Grunde näher an Bands wie PINK FLOYD als an DREAM THEATER. Wir sind keine technische Band, ich bin kein großer Fan von Bands wie beispielsweise THRESHOLD. Prog Metal is not my cup of tea. Das ist mir zuviel Technik und zu wenig Emotion. Ich möchte mit RIVERSIDE weg von dieser Musik hin zu...nun ganz einfach zu guten Arrangements, Kompositionen, Songs! Das ist nun die große Herausforderung. Wir wollten diesmal etwas reiferes und erwachseneres machen, die sanften, emotionalen Passagen ausbauen und mit diesem Hardrock-Ding zu einer innovativen und zugegebenermaßen etwas sonderbaren Mischung kombinieren, dafür Metalparts und andere Sachen, die wir in der Vergangenheit gemacht haben, weglassen. Das heisst aber noch lange nicht, dass wir es auch in der Zukunft so machen werden. Das nächste Album könnte wieder sehr düster und heavy werden.





Du gibst mir das Stichwort: 'Erwachsen'. Du sagst, und man liest es überall, "SONGS" sei Euer erwachsenstes Album. Woran machst Du das fest? Was bedeutet denn 'erwachsen' im Zusammenhang mit Musik? Waren die anderen Alben im Umkehrschluss dann kindisch?


Mariusz muss etwas überlegen:
Es sind Details! Details, die Du aber erst bemerkst, wenn Du das Album fünf bis sechs Mal gehört hast. Wenn Du ein Album die ersten Male hörst, fokussierst Du Dich erst auf die Gesamtkomposition, also Harmonien, Melodien und so. Aber wenn Du es öfters hörst, dann fängst Du vielleicht an, tiefer zu suchen, auf Details zu achten. Auf unseren älteren Alben kamen etliche Passagen sehr spontan und wir hatten keine Zeit, diese auszuarbeiten. Es war Studioroutine, es gab Deadlines, wir wurden mit vielen Dingen nicht fertig, es war immer eine schwierige Situation unter Druck. Diesmal war das anders. Diesmal sind die Songs an sich simpler und dadurch konnten wir uns ausführlicher den Details widmen, die der Musik Tiefe verleihen. Früher lief es so: Du nimmst den Song als Gerüst auf, doppelst hier mal die Gitarren, dort mal die Gesangsspuren, damit es insgesamt besser klingt, Du machst aber nichts, das dem Song selbst mehr Tiefe verleiht. Diesmal wollte ich im Studio Dinge versuchen, die den Songs eine weitere Dimension verleihen, sie dreidimensionaler, detailreicher, ausgereifter - erwachsener -  wirken lässen.
Die große Kunst ist doch, einfache Songs zu schreiben, die aber trotzdem nicht nach Klischee klingen. Ein Weg, nicht nach Klischee zu klingen, ist, die Arramgements an sich so komplex zu gestalten, dass man das Klischeehafte darunter verstecken kann. Unser Anspruch diesmal war, genau dies nicht zu tun, uns auf die Songs an sich zu konzentieren und diesen so perfekt wie möglich Tiefgang und Reife zu verleihen.

Ich glaube, das habe ich nun verstanden.

"SONGS" gibt es auch all Doppel-CD mit zwei Bonus-Tracks, die auf dem Namen 'Night Sessions' hören. Sind das Jam-Sessions, die in einer dunklen, kalten polnischen Nacht entstanden sind?

Nein, haha. Es ist Ambient-Musik. Wir haben in letzter Zeit viel Ambient-Musik experimentiert. Du kennst die zweite CD von 'Rapid Eye Movement'? Da hatten wir auch schon mit Ambient-Passagen experimentiert. Wir spielen da gern mit rum, am liebsten zu dritt ohne den Schlagzeuger und wir machen gerne elektronische Musik, da sind wir große Fans von. Da "SONGS" ja insgesamt etwas softer ausgefallen ist, dachten wir, dass sowas diesmal wieder gut auf eine Bonus-CD passt. In der Tat beruhen einige Passagen auf 'Night Sessions I' auf Songteilen der Haupt-CD. Auf dem Mittelteil von 'Deprived', um genau zu sein. Da gibt es einen Part, der sehr nach TANGERINE DREAM klingt und den haben wir dann auf zehn Minuten ausgeweitet und mit ein paar neuen Arrangements versehen.

Da kann ich mir schon vorstellen, dass sich meine mehr dem Metal zugetanen Kollegen schwer tun werden. Einigen waren schon die sanften Stellen auf der Haupt-CD zu getragen und zu lang.

Nun, ja, kann sein. Ich andererseits bewundere solche Bands wie ULVER. Die haben ja auch früher puren Metal gemacht und haben sich dann sonderbarer Musik zugewendet. Sie haben auch schon mit Ambient-Sounds experimetiert. Eine solche Mischung ist doch toll!
Soweit zum ersten Teil. Im zweiten klären wir die Frage, was ein "new generation slave" ist und warum er in einem Schrein lebt. Einem Schrein mit Rolltreppe, um genau zu sein.

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Redakteur:
Thomas Becker
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