SODOM: 32 Jahre "Tapping The Vein"

14.11.2024 | 16:15

Es gibt Alben, die begleiten einen das gesamte Leben. Das können sehr offensichtliche sein wie "Master Of Puppets" oder "Number Of The Beast". Das können aber auch absolute Kultklassiker der zweiten Reihe sein. Und ihr glaubt gar nicht, wie sehr mich diese Wertschätzung für "Tapping The Vein" doch freut. In diesem kleinen Schwenk in die Vergangenheit möchte ich nicht nur die Bedeutung des 1992er Albums festhalten, sondern euch auch kurz den Inhalt der Deluxe-Edition näherbringen.

Ich müsste 15 gewesen sein, als ich einen Sommerurlaub im hohen Kieler Norden verbrachte. Diese wunderschöne Stadt hatte zu einem Fest eingeladen, in dem auch ein kleiner Trödelmarkt integriert war. So schlenderte ich durch die Gassen und sah auch einige Händler mit CDs. Metal-CDs. Als blutjunger Anfänger war ich sofort geplättet von einer CD, der ich mich nicht entziehen konnte. Ich hatte von der Band schon einmal gehört, doch das erste Mal hielt ich einen Tonträger dieser in den Händen. Als ich im Hotelzimmer ankam und "Tapping The Vein" einlegte, fegte mich der Sound, fegten mich die Songs, fegte mich diese ungeheure Härte komplett gegen die Wand. Dies war meine erste Berührung mit SODOM.

Wir schreiben das Jahr 2010 und im Juni gab ich mir selbst einen Ruck und bewarb mich als Redakteur bei POWERMETAL.de. Eine sehr aufregende Zeit, sollte ich mir doch drei Platten zum Probe-Rezensieren aussuchen. Ich überlegte, ob ich ein Album meiner damaligen Lieblingsbands besprechen sollte oder ob meine Wahl lieber auf ein sehr einschneidendes Erlebnis fallen sollte. Ich entschied mich für zweiteres und so war die erste Rezension, die ich für POWERMETAL.de geschrieben habe, "Tapping The Vein".

Nun, 14 Jahre, mehr als 2.800 Rezensionen und fast 666 Artikel – darunter auch einige Interviews mit Herrn Angelripper selbstverständlich – später, sitze ich hier und blicke noch immer geplättet von dieser Wucht, Wut, Vehemenz und Geradlinigkeit auf dieses so kultige Artwork und freue mich, noch einmal tief in die Erinnerungen meiner ersten SODOM-Begegnung einzutauchen. Warum ausgerechnet jetzt? Nun, Tausendsassa Andy Brings, der auf "Tapping The Vein" seinen Einstand gab, hat sich diesem durch und durch besonderen Album nochmals angenommen und präsentiert gemeinsam mit Tom Angelripper die limitierte Edition dieses SODOM-Meilensteins im Super-Deluxe-Buchformat. Und diese Wiederveröffentlichung hat es in sich, meine Damen und Herren.

Ich möchte weniger auf die Songs eingehen, sind die doch noch immer eine Macht und wurden für dieses Album lediglich remastert. Hier ist Brings also mit sehr viel Feingefühl an sein musikalisches Debüt gegangen, wurde das Album aufgrund dieses machtvollen Originalsounds also quasi unverändert mit ins Paket aufgenommen. Ich sage euch, wie es ist, aber als Vinyl ist dieses Album noch viel stärker und brutaler als auf CD. Bitte lest auch dazu mein Interview mit Andy, das ich speziell zu seiner Arbeit an "Tapping The Vein" führen durfte.

Weiter geht es mit einem von Andy neu angefertigten Remix der gesamten Scheibe, bei dem die Songs sehr gut und authentisch ins Jahr 2024 transferiert wurden. Witchhunter würde es als "amtlich" bezeichnen und jeder, der die "Lords Of Depravity"-Teile gesehen hat, weiß viel mit diesem Gütesiegel Chris' anzufangen. Eine von vorne bis hinten amtliche Arbeit. Die Herzstücke allerdings sind die drei Live-Konzerte aus dem "Tapping The Vein"-Veröffentlichungsjahr. Auch hier wurde in Sachen Produktion und Sound das Optimum herausgeholt, bedenkt man, dass zwischen den Auftritten in Tokio, Düsseldorf und Köln, Witchhunters letzte Show mit SODOM, stolze 34 Jahre liegen.

Songs wie 'The Crippler', 'Skinned Alive' oder 'Wachturm' haben also auch live den Test der Zeit mehr als schadlos überstanden und rumoren noch immer tief in der Magengegend. So richtig wehmütig wurde ich dann allerdings beim Blick auf das 24-seitige XXL-Booklet inklusive rarer Bilder des einstigen Trios. Der blutjunge Brings mit langen Haaren, die so ikonische Figur der Angelrippers und eben Chris Witchhunter, möge er in Frieden ruhen und stolz auf das sein, was er auch auf "Tapping The Vein" geleistet hat. Da lohnen sich auch die Interviews mit den beiden noch verbliebenen Musikern sowie das Visuelle der Platten in rot-schwarzer-Swirl-Optik. Richtig geil!

Ich könnte noch stundenlang über diese Deluxe-Veröffentlichung berichten, all meine Erinnerungen an den damaligen Urlaub, meine Anfänge bei POWERMETAL.de, meine Erlebnisse der Live-Band SODOM, meine wirklich coolen Gespräche mit Tom erzählen, doch das würde hier den Rahmen sprengen. Natürlich sind die Songs hammergeil, natürlich sind Artwork, Chris' Seitenhieb gegen die Zeugen Jehovas, Toms knurrige Art, Brings wildes Klampfenspiel, dieser trockene, hammerharte Sound, dieses Gesamtpaket so perfekt aufeinander ausgerichtet, dass die Platte vollkommen zurecht als Kult abgefeiert und vollkommen zurecht diese Deluxe-Aufmerksamkeit bekommt, die sie verdient. Doch für mich geht die Stellung dieses 1992 erschienenen Albums weit über das Aufgezählte hinaus. Und ich hoffe, dass ich dies mit meiner Rezension klarmachen konnte.

Redakteur:
Marcel Rapp

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