Amphi-Festival 2010 - Köln

06.08.2010 | 18:34

24.07.2010, Tanzbrunnen

Schwarzer Fasching in der Domstadt.

Auf zum zweiten Tag des Amphi-Festivals. Auch heute ist es trocken, doch ab und an zieht sich der Himmel zu. Es wird doch nicht etwa regnen? Ernüchterung gleich zu Beginn. Der Getränkestand will die Becher vom Vortag nicht zurücknehmen, da es gestern gelbe, grüne oder karierte Pfandmarken gab und heute andere. Bloß können wir ja nichts dafür, wenn jemand das Gelände zuschließt und keinem was gesagt wird. Nach einer kurzen Diskussion geht es dann plötzlich doch, und wo wir nichts mehr kaufen, wissen wir.

Auf der Hauptbühne legen EXT!ZE los. Die monotone Cyber-Mugge zieht dementsprechendes Publikum an, und auf der kleinen Plattform rechts neben der Bühne tanzt eine wilde Horde der Cyber-Jünger. Mir fallen spontan die gestrigen Worte von Dr. Benecke ein, aber das hier ist dummerweise real.

Schnell ab in die Halle, um dem Schauspiel zu entfliehen! Dort gibt es mit ESCAPE WITH ROMEO zum frühen Morgen einen guten wavigen Gitarrensound. Die Band hat wohl den kürzesten Anreiseweg, denn zumindest Sänger und Gitarrist Thomas Elbern ist in Köln beheimatet. Für diese Zeit ist die Halle durchaus gut gefüllt.

Bei 'Glitter On The Snow' gibt es schon eine feine Gitarreneinlage des Meisters, die nur noch beim bekanntesten Song der Band, 'Somebody', getoppt wird. Da ist es eine wahre Freude, der Band zu lauschen, was sie alles aus ihren Gitarren zaubert. Auch 'It's Loneliness' und 'White Room' begeistern die Menge. Der heutige Tag beginnt also erneut mit einem tollen Auftritt, und die Fans sind mehr als zufrieden. Schließlich konnten sie noch einmal ein Klassekonzert erleben, denn die Band will sich vorerst aus dem Musikbusiness zurückziehen. In die gleiche musikalische Richtung geht es danach mit FRANK THE BAPTIST. Der braucht auch nicht mehr von so weit anzureisen, da er von Kalifornien nach Berlin gezogen ist.

Die musikalischen Außenseiter des Festivals sind zweifelsohne BLITZKID. Als Horrorpunk-Band angekündigt, legt das Trio ordentlich los. Bei dem Genre erwartet man visuell eigentlich etwas anderes, denn bis auf ein leicht gruseliges Bandlogo auf der Stoffbahn im Hintergrund ist von Horrorpunk keine Spur zu sehen. Dafür servieren die drei schnellen und rauen Punk, direkt von der Straße. Sogar ein paar Punks haben den Weg auf das Festival gefunden, und der erste Pogo lässt nicht lange auf sich warten. Es geht vor der Bühne ausgelassen zu, auch wenn nicht viele Besucher da sind. Das mindert weder die Stimmung der Anwesenden noch die der Band, und so haben alle Spaß an diesem Gig. Derweil werden draußen ganz andere Töne angestimmt, denn Erk Aicrag, Frontmann von HOCICO, lässt es bei RABIA SORDA ordentlich krachen.

Im Anschluss gibt es wieder eine 180-Grad-Wendung der Musikrichtung. Liv Kristine hat sich mit ihrer Band LEAVES' EYES angekündigt. Die laden zum allgemeinen Headbangen ein, und da einem Großteil der Anwesenden erst mal gezeigt werden muss, wie das geht, macht die Band das gleich im Takt einmal vor. Doch so richtig überzeugen lassen sich die Zuschauer nicht davon. Bis auf die Fans steht der Rest eher gelangweilt herum oder geht. Dabei geben sich alle auf der Bühne redlich Mühe und bieten eine gute Show, die optisch und akustisch passt - seien es Liv solo oder im Duett mit Ehemann Alex. Der Auftritt verbreitet gute Laune; man muss sich eben auf die Musik einlassen. Vorgetragen werden beispielsweise 'Njord' und natürlich auch 'My Destiny'.

Manchmal gibt es Bands, die nimmt man einfach nicht wahr, obwohl sie schon einige Jahre existieren. Dazu gehören bei mir COMBICHRIST. Wahrscheinlich geht mir das heute allein so, denn für diese Uhrzeit ist es vor der Bühne gerappelt voll, als Frontmann Andy LaPlegua loslegt. Die Band wurde extra von dem VNV-NATION-Chef Ronan Harris angekündigt. Wenn das mal nix ist.

Von Beginn an geben die Jungs richtig Gas und heizen der Masse ein, die gleich mitmacht. Die beiden Kollegen am Schlagzeug und am Keyboard dreschen wutentbrannt auf ihre Instrumente ein, und so muss der Roadie alsbald noch mal alles festziehen, damit nichts umfällt. Der harsche Sound geht sofort in die Beine und macht Spaß. Vom einsetzenden Regen lässt sich niemand stören, und so wird unter anderem zu 'Without Emotions' oder 'What The Fuck Is Wrong With You People' tüchtig gefeiert.

Begeistert von der persönlichen Neuentdeckung geht es in die Halle, den jetzt folgt mit FRONTLINE ASSEMBLY eine weitere Größe der elektronischen Musik. Gestern Abend waren Bill Leebs Ex-Kollegen SKINNY PUPPY am Start, heute darf er selbst ran. Der legt mit 'I.E.D.' ordentlich los, und die Fans gehen mit ab.

Bei heftigem Blitzlichtgewitter wird das Tempo angezogen und die Masse aufgeheizt. Zu 'Resist' gehen alle drei an eine Trommel und lassen es krachen. Dabei fällt diese bei dem Keyboarder erst einmal um, und man sieht schön, was vom Band kommt und was live ist. Egal, wen interessiert das jetzt schon? Schließlich soll noch mal richtig abgefeiert werden, wenn die alten Helden da sind. Die machen mit 'Mindphaser' Schluss und ernten für ihren Auftritt tosenden Applaus von den Fans.

Wieder folgt in der Halle ein abrupter Musikwechsel, denn der gerade gehörte Sound lässt sich nur schwer mit dem von DIARY OF DREAMS vergleichen. Die Jungs sind sichtlich gut gelaunt, und neuerdings trägt Herr Hates sein Haar von Anfang an offen. Schlecht für die weiblichen Fans, die früher immer einen Seufzer loslassen konnten, wenn er Luft an die Haarpracht ließ. Doch auf die Stimmung hat das keinen negativen Einfluss, und wir sind ja schließlich wegen der Musik hier.

Los geht es mit 'Wahn!Sinn?', und die gute Laune der Band überträgt sich schnell auf die Zuschauer. Nach 'MenschFeind' erklingt 'Kindrom', aber danach müssen wir leider von DIARY OF DREAMS und vom Staatenhaus Abschied nehmen, denn draußen warten VNV-NATION und danach die Heimreise auf uns. Die LETZE INSTANZ und EISBRECHER spielen heute nicht für uns.

Mittlerweile haben sich die Schauer zu dauerhaftem Regen entwickelt und erst mal alle eingeweicht. Es geht halt nicht ohne Regen. Auf dem Gelände ist jetzt kaum noch ein Durchkommen. Alle wollen VNV-NATION sehen. Sänger Ronan Harris sieht man den Spaß an dem Auftritt an, denn er freut sich wie ein kleines Kind, dass er endlich draußen spielen darf. Mit 'Pro Victoria' beginnt der Auftritt. Wie gewohnt wirbelt er wild über die Bühne und kommt dabei ab und an ganz schön aus der Puste, was man dann hört. Doch das nimmt ihm niemand übel, denn er ist ein toller Entertainer und Gute-Laune-Garant. 'Genesis' und 'Dark Angel' stehen heute Abend selbstverständlich auf der Setlist.

Mittlerweile hat auch der Regen kurz aufgehört, und Ronan erkundigt sich immer wieder, ob noch alle da seien und ob sie Spaß hätten. Das bekräftigen die Anwesenden mit lautem Geschrei, und der Sänger hat die Menge fest in seiner Hand. Das hat was von Volksfestcharakter - im positiven Sinne.

'Nemesis' beendet das reguläre Set, und die Zuschauer danken es mit viel Beifall. Natürlich ist noch nicht Schluss, obwohl die Uhr straff auf 22.00 Uhr zugeht und diese Zeit wohl peinlich genau eingehalten werden muss.

Der erste musikalische Nachschlag folgt mit 'Beloved', und bei den ersten Tönen zu 'Perpetual' singt die Masse, die von Ronan dirigiert wird, fleißig mit. Noch einmal laufen alle zur Hochform auf, und ein tolles Konzert findet sein Ende. Der Sänger bedankt sich bei allen und fragt den Security-Mann, ob er auch zufrieden sei. Wahrscheinlich hatte der schon graue Haare bekommen, als er auf die Uhr gesehen hat. Doch überpünktlich sind alle fertig, und zufrieden können wir den Heimweg antreten. Dass man mit VNV-NATION als Headliner nie etwas falsch machen kann, bestätigt sich auch heute wieder.

Redakteur:
Swen Reuter

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