Bang Your Head - Balingen

29.07.2015 | 14:48

16.07.2015, Messegelände

Zum Jubiläumsfestival gibt es ein Treffen mit vielen alten Bekannten, vor und auf der Bühne!

Samstag, 18. Juli 2015

Heute hat der Wettergott ein Einsehen, es ist bewölkt. Puuh. Da es glücklicherweise auch nicht erwähnenswert regnet, können wir uns alle ein wenig erholen, und nachmittags kommt dann auch wieder die Sonne durch. Sehr angenehm. Und notwendig, mal ehrlich, dreimal Thrash gleich am Anfang wäre in der prallen Hitze der letzten Tage auch nur mit viel Mühe durchzustehen gewesen. Übrigens hat unser Fotograf Frank Hameister auf dem Gelände den Menschen fotografiert, den wir schon seit zwei Tagen mit einer Mischung aus Entsetzen und Ehrfurcht betrachtet haben. Ehrfurcht, weil das mal wirklich ein super-cooles Outfit ist, und gerade bei Rüdiger und mir, die ja durchaus IRON MAIDEN-Fans sind, Begeisterung auslöste. Entsetzen aber auch, weil ich mir nicht ausmalen möchte, wie es dem guten Mann bei 36 Grad Celsius unter dem Gummiding gehen mag. Ich hoffe, er hat immer ausreichend getrunken.

Davon abgesehen stellen wir allgemein fest, dass die Halle zwar eine Möglichkeit ist, mehr Bands unterzubringen, aber keiner von uns nach einem ganzen Festivaltag die Kondition aufbringt, nach dem Headliner noch weiterzurocken. Und das selbst bei einer so beliebten Band wie FLOTSAM AND JETSAM nicht. Einzige löbliche Ausnahme ist das Küken der Berichterstattung, Martin Loga, der sich als einziger einmal bis zum Schluss durchgeschlagen und sogar noch die deutsche Thrashinstitution DESTRUCTION angesehen hat. Trotzdem hätte ich einen Vorschlag für die Veranstalter: In diesem Fall ist weniger tatsächlich mehr. Warum nicht tagsüber einfach die Halle öffnen, noch mehr Biertischgarnituren aufstellen und im Anschluss an den Headliner auf der Hauptbühne in der Halle einfach einen DJ auf die noch Feierwütigen loslassen? Ich glaube, das käme noch besser an und würde vielleicht sogar noch Geld sparen. Aber vielleicht stehe ich ja mit dieser Meinung allein? Diskutiert werden kann es in unserem Forum.

[Frank Jaeger]

 

Nach der schier unerträglichen Hitze des Freitags entert EXUMER zu unchristlicher Festivalzeit (11:30 Uhr) bei wesentlich angenehmeren Temperaturen am Samstagvormittag die BYH-Hauptbühne. Eine ansehnliche Zahl von Headbangern lässt sich den Aufritt der Thrash-Legende um Shouter Mem von Stein nicht entgehen. Mit 'Fallen Saint' glückt ein musikalischer Einstand nach Maß. Auch das anschließend gezockte 'Vermin From The Sky' vom starken Comeback-Album "Fire & Damnation" (2012) erweist sich als Volltreffer in punkto Publikumsreaktionen. Frontmann Mem von Stein legt ein aggressives Stageacting an den Tag und ist gut bei Stimme. Höhepunkte der sehenswerten Performance sind unter anderem 'Xiron Darkstar' sowie 'A Mortal In Black', die besonders gut vom Publikum aufgenommen werden. Alles in allem liefert die Band einen knackigen Aufwecker-Auftritt, der rundum gefällt und mit fettem Applaus bedacht wird.

[Martin Loga]

 

Die Thrasher HIRAX mit ihrem charismatischen Frontmann Katon W. de Pena sind für ihre ausgesprochen starken Konzertauftritte bekannt. So ist es auch kaum verwunderlich, dass die Band sogar etwas mehr Zuschauer als EXUMER anzuziehen vermag. Motiviert bis in die Fingerspitzen sorgt HIRAX von der ersten Minute an für Druck ohne Ende. Frontmann Katon grinst wie ein Honigkuchenpferd, wirbelt über die Bühne und sucht permanent den Kontakt mit dem Publikum. Ein geborener Entertainer! Die Setlist ist gespickt mit alten Klassikern, aber auch einigen neueren Stücken vom aktuellen Werk "Immortal Legacy". Musikalisch präsentiert sich HIRAX perfekt eingespielt in beeindruckender Form. Die Rhythmus-Sektion in Gestalt von Mike Vega (Schlagzeug) und Steve Harrison (Bass) sorgt für ein wuchtiges Grundgerüst, das dem Bruder von Steve, Lance Harrison, eine perfekte Grundlage für dessen furiose, coole Gitarrensoli bietet. Geradezu fürsorglich erkundigt sich der Frontmann, ob denn alle Zuschauer bereits mit einem Bier eingedeckt seien und hat mit seinem Spruch "Beer is instant breakfast!" die Lacher auf seiner Seite. Tracks wie 'Hellion Rising', 'Black Smoke' und das wuchtige 'La Boca De La Bestia - The Mouth Of The Beast' vom aktuellen Dreher "Immortal Legacy" werden von den Headbangern ebenso gierig aufgesogen wie das mächtig auf die Lauscher einpreschende 'Lucifer's Inferno'. Auch die steinalte 30-Sekunden-Eruption 'Hate, Fear & Power' mit ihrem latenten Hardcore-Einfluss darf natürlich nicht fehlen. Frontmann Katon gelingt es in beeindruckender Art und Weise, das Publikum durch seinen großen Aktionsradius (kriegt der Mann eigentlich Kilometergeld?!), seinen Enthusiasmus und seine Ausstrahlung mitzureißen. Dabei liefert er außerdem eine bockstarke Gesangsleistung ab, die einige Genre-Kollegen definitiv alt aussehen lässt. Dieser Mann lebt und versprüht den Metal-Spirit wie nur wenige sonst im Thrash-Metal-Zirkus. Bei so manchem Frontmann würde man es als lächerlich wahrnehmen, wenn man zur Ankündigung von 'El Diablo Negro' beispielsweise teuflisch grinsend über die Bühne wuselt und die Teufelshörnchen hinter seinem Kopf hervorblitzen lässt. Bei Katon W. de Pena jedoch sieht man: Er hat unglaublichen Spaß am Performen und gibt immer 100%. Am Ende dieses großartigen Auftritts steht natürlich der Klassiker 'Bombs Of Death'. So muss das sein! Auch abseits der Bühne zeigen sich die Bandmitglieder stets sehr Fan-nah und super-sympathisch. So konnte man backstage zum Beispiel einen sichtlich angeschiggerten Lance Harrison antreffen, der einfach nur verdammt glücklich war, tolle Publikumsreaktionen mit HIRAX einzuheimsen und eine gute Zeit in Balingen zu haben. Für mich persönlich haben HIRAX einen der Top-5 Auftritte des diesjähren Jubiläums-BYH auf die Bretter gelegt, basta!

[Martin Loga]

 

Wer hätte es vor einigen Jahren noch für möglich gehalten, dass die Gründungsmitglieder John Ricci, Dan Beehler und Alan Johnson noch einmal zueinander finden, um EXCITER in seiner Originalbesetzung wieder aufleben zu lassen? Ich für meinen Teil konnte mir das nicht vorstellen, aber es ist tatsächlich passiert! Die kanadische Legende hatte im April 2015 beim Keep It True mächtig abgeräumt. Und nun betritt sie die Bühne in Balingen vor mehreren tausend, ja vielleicht sogar 10.000 Fans, um ihnen eine satte Old-School-Kelle zu verpassen. Unter tosendem Applaus platziert sich Dan Beehler hinter seinem Drumkit, um 'Stand Up And Fight‘ zur Eröffnung rauszukloppen. Energisch shoutet er in das Mikro seines Headsets, während Schredder-Meister John Ricci an der Gitarre und der heutzutage recht bullig wirkende Alan Johnson am Bass timing-sicher in die Saiten greifen. Die Setlist wurde gegenüber der starken Darbietung auf dem diesjährigen Keep It True praktisch nicht verändert. Echte Überraschungen bleiben daher aus. Aber: Wen stört das denn, wo EXCITER ausschließlich großartiges Klassiker-Material zum Besten geben? Eben! Es reiht sich Hit an Hit: 'Heavy Metal Maniac', 'Victims Of Sacrifice', 'Violence And Force' (yeah!) und das Mitsingspielchen bei 'Pounding Metal' kommen alle prima beim Publikum an. Der sich langsam während des Auftritts verstärkende Nieselregen tut der Stimmung keinen Abbruch. Frontmann Dan hält sein Ansagen eher kurz und verdrischt dafür lieber mit Leidenschaft die Felle seines Drumkits und shoutet ins Mikro. Und dies macht er wirklich gelungen, so dass das Frühachtziger-Feeling zumindest teilweise in das Hier und Jetzt transportiert wird. Der in Leder mit zahlreichem Nietenbesatz gehüllte John Ricci lässt die Sechssaitige ordentlich glühen und wirkt trotz seiner 59 Jahre durchaus agil auf der Bühne. Warum der nicht gerade als Filigrantechniker bekannte Gitarrist wiederum ein eher monotones Gitarrensolo nach 'Pounding Metal' herunterschreddern darf, bleibt rätselhaft. Viel lieber hätten die Zuschauer wohl nach der Zugabe 'Evil Sinner' einen weiteren Track wie 'Swords Of Darkness' gehört. Obgleich der Gig hier auf dem BYH als einer der musikalischen Höhepunkte zu werten ist, vermag sich die Euphorie, die der Auftritt der Kanadier am Keep it True hervorrief, bei mir nicht ganz einzustellen. Dessen ungeachtet wurden die Erwartungen der Fans vollauf erfüllt. EXCITER erhielt tolle Publikumsreaktionen und es bleibt zu hoffen, dass das Trio in absehbarer Zeit das Kunststück gelingt, ein weiteres, starkes Studiowerk in der Original-Besetzung einzutüten. Welcome back!

[Martin Loga]

 

Es wird mal wieder Zeit für ein paar Schweden auf der Bühne. So langsam kriege ich ja richtige Entzugserscheinungen. Da kommt doch MORGANA LEFAY genau richtig. Außerdem kann ein bisschen amtlicher Power Metal nach all dem Gebolze auch nicht wirklich schaden. Das sehen wohl noch mehr Metalfans so, denn das tapfere und scheinbar unkaputtbare Quintett darf sich über einen großen Zuschauerzuspruch freuen. Denn egal, ob die Band eigentlich aufgelöst ist, gerade eine Zwangspause einlegt, sich im Studio befindet oder direkt aus dem Proberaum nach Balingen gekommen ist, wir sind sehr dankbar dafür.

Pünktlich zum Eröffnungsstück 'To Isengard' hat der leichte Regen aufgehört und die Sonne kommt gar wieder zum Vorschein. Von diesen kleinen Wetterkapriolen zeigt sich die Band unbeeindruckt, denn Charles Rytkönen ist super bei charismatischer Stimme, die gesamte Band agil und spielfreudig und die Setlist gespickt mit Klassikern ihrer bisherigen Laufbahn. Nur schade, dass sich der Fünfer ausschließlich auf Songs zu konzentrieren scheint, die sie unter dem Banner MORGANA LEFAY geschrieben haben. Somit bleiben Granaten wie beispielsweise 'The Boon He Gives' oder 'End Of Living' leider auf der Strecke, bei deren Entstehung die Musiker unter zwangskastrierter LEFAY-Flagge segelten. Das sollten die Schweden in Zukunft nicht mehr ganz so eng sehen, denn wie schon im Falle von QUEENSRYCHE wissen wir doch alle, wer die wahre böse Fee ist.

'The Source Of Pain', 'In The Court Of The Crimson King' und 'Maleficium' walzen alles und jeden nieder. Dafür gibt es die volle Händeanzahl in der Höhe. Doch so sympathisch Charles und seine Bande auch sind, dieses leicht chaotische Durcheinander auf der Bühne kostet die Band ein paar Pünktchen in der B-Note und letztendlich auch die hinteren Reihen. Der Bereich direkt vor der Bühne ist dagegen brechend voll und feiert sich derbe grinsend einen Wolf. Dass nicht alles klappt, zeigt der Verspieler und der damit verbundene Abbruch des Songs 'Angels Deceit', was der Frontmann mit einem nicht funktionierenden "plopp"-Spielchen überspielen möchte - das geht jedoch völlig in die Hose. Dann lieber neu einzählen und weiter geht die Fahrt im Schwedenexpress. Der nächste Halt sollte definitiv im Studio sein, um die Anhängerschaft mit einem längst überfälligen neuen Rundling zu beglücken. Zeit wird es. In Balingen endet mit 'Symphony Of The Damned' leider viel zu früh ein großartiger Auftritt einer der noch immer unterbewertesten Bands der Heavy-Metal-Musikgeschichte. Das hätte gerne noch ein bisschen so gehen dürfen. Auf ein baldiges Wiedersehen.

Setliste: To Isengard, Master Of The Masquerade, The Source Of Pain, In The Court Of The Crimson King, Maleficium, Face Of Fear, Hollow, Angels Deceit, I Roam, Symphony Of The Damned

[Chris Staubach]

 

Letztes Jahr in der Halle verbraten, empfahlen sich die Texaner von OMEN mit einem bärenstarken Auftritt direkt fürs Folgejahr und die große Bühne. Hier natürlich mit etwas kürzerer Spielzeit mitten im Billing. Eine knappe Stunde kann die Band um die Gründungsmitglieder Kenny Powell und Steve Wittig natürlich problemlos mit ausschließlich Klassikern füllen. Das führt zum einen dazu, dass das zahlreich anwesende und sich von vorne fönen und von hinten rösten lassende Publikum immerzu mitsingen und jeden einzelnen Hit bejubeln darf, zum anderen aber auch dazu, dass ein OMEN-Gig anno 2015 schon ein bisschen vorhersehbar geworden ist. Zumindest ein kurzer Auftritt auf einem Festival, denn beim Clubgig mit doppelter Spielzeit gräbt die Band natürlich auch stets die eine oder andere Überraschung aus.

Eine solche gibt es heute mit 'Last Rites' nur einmal, und zudem eine kleine, während ansonsten eben die ganz großen Hymnen der ersten beiden Alben herunter gespult werden. Keineswegs zu routiniert, nein, denn Kevin Goocher bringt die Sachen absolut motiviert und überzeugend, das Saitenduo aus Kenny und Andy hat wie immer Pfeffer im Hintern und tobt wie angebrannt über die Bühne, währen Steve Wittig als Urgestein hinter seinem Drumkit thront und den Songs den passenden Groove auf den Leib zimmert. So bleibt ein rundum überzeugender Gig, der viel Applaus erntet, der aber andererseits den eingefleischten OMEN-Fans nach dem Verklingen der Zugabe 'Teeth Of The Hydra' auch nur gewohnt solide Kost geliefert hat.

Besonders schade ist dabei, dass die Band keinen einzigen Song von einem Album nach "The Curse" (1986) abgefeuert hat, denn dass wir inzwischen alle seit bald sieben Jahren auf "Hammer Damage" warten, ist ja kein Geheimnis mehr. Ein einziger Song davon, oder eine kleine Ansage, dass das lange Währende vielleicht bald gut werden würde, hätte die darbende Hoffnung genährt. Die stirbt zuletzt, das ist bekannt; am heutigen Gig hatte ich wie immer großen Spaß, doch ein Ausrufezeichen hat die Band leider nicht gesetzt.

Setliste: Death Rider, The Axeman, Last Rites, Dragon's Breath, Warning of Danger, Ruby Eyes (Of The Serpent), Termination, In the Arena, Battle Cry, Teeth of the Hydra

[Rüdiger Stehle]

 

Dave Meniketti kann mit seiner Band Y&T mittlerweile auch aus dem Vollen schöpfen. Songs hat er zur Genüge und noch dazu sehr viele gute, die durch seine außergewöhnliche Stimme zu absoluten Granaten werden. Und wie es scheint, hat es sich auch endlich herumgesprochen, dass Y&T live eine Wucht ist, denn die Fläche vor der Bühne ist gut gefüllt und das Publikum ist in Feierlaune. Trotzdem bestätigen mich einige Gespräche und aufgeschnappte Fetzen, dass viele Anwesende mit der Musik wenig oder sogar gar nicht vertraut sind. So macht es nichts aus, dass Y&T heute erstmal ein paar weniger bekannte Lieder zum Besten geben. Das liegt vor allem daran, dass sich die Band in der letzten Zeit besonders auf ihre Frühphase besonnen hat, die immerhin mittlerweile über 40 Jahre in der Vergangenheit liegt. Besonders die ersten beiden Alben "Earthshaker" und "Black Tiger" werden einer Frischzellenkur unterzogen, aber der Rest der Setlist ist ein wohliger Streifzug durch die ganze Historie bis hin zum letzten Album "Facemelter" aus dem Jahr 2010. Dafür ist eine Stunde natürlich zu wenig, und dass von "Mean Streak" nur der Titelsong gespielt wird, finde ich schade, ist doch 'Midnight In Tokyo' mein absoluter Lieblingssong der Band. Aber wenn man die älteren Herren so rocken sieht, ist das eigentlich auch egal. Vor allem Daves brillante Stimme macht auch noch aus den simpelsten Rockern großartige Melodic-Metal-Songs. Dabei lässt Dave es sich nicht nehmen, deutlich zu machen, dass sie rein handgemachte Musik ins Publikum feuern, keine Samples oder Computer, die irgendetwas kaschieren. Was hat ihn dazu animiert? So schlimm ist das Line-up auf diesem Bang Your Head diesbezüglich doch gar nicht. Wie auch immer, authentisch und ehrlich rockt sich das Quartett durch einen Set, der für mich nur mit der Ballade 'I Believe In You' einen Song enthält, der bei 35 Grad im Sonnenschein am Nachmittag eher als Fehlbesetzung gelten muss. Dafür kündigt Dave einige Zeit später an, dass sie jetzt etwas "darker" würden, also dunkler, düsterer. Und was folgt? 'Summertime Girls', leicht und flockig, alles wiegt sich, lacht mit dem sympathischen Sänger und genießt den gradlinigen, mitsingbaren Rock, der genauso angenehm wie zeitlos ist. Y&T kommt im Herbst wieder auf Deutschlandtour. In dieser Verfassung für Freunde guten, handgemachten Rocks eigentlich eine Pflichtveranstaltung. Nur ein neues Album hätte ich gerne mal, denn "Facemelter" ist wirklich klasse. Dave, hast du das gehört? Aufnehmen!

[Frank Jaeger]

 

Das Beste kommt bekanntlich (fast) zum Schluss. PRETTY MAIDS ist zum fünften Mal Gast in Balingen und hat bisher noch nie wirklich enttäuscht. Seit "Pandemonium" erleben die Dänen ihren zweiten oder dritten Frühling und möchten diesen mit einer wilden Party feiern. Ich bin natürlich dabei. An vorderster Front. Mittendrin statt nur dabei. Die Rahmenbedingungen könnten also besser nicht sein - und die Band nutzt ihre Chance.

Mit 'Mother Of All Lies' und 'Nuclear Boomerang' startet das Quintett recht modern in ihr Set, ehe sie für 'Rodeo' und 'Lethal Heroes' tief in der Schatzkiste wühlen. Die Sonne strahlt mit dem "Danish Dynamite" um die Wette, das Publikum frisst ihnen aus der Hand. Ronnie Atkins ist erstaunlich gut bei Stimme, woran auch leichte technische Probleme zu Beginn nichts ändern. Der mittlerweile 50-jährige Frontmann und Bassist Rene Shades sind die absoluten Rampensäue, die den ganzen Laden schmeißen. Immer in Bewegung, immer auf der Suche nach dem Kontakt mit der Anhängerschaft. Gitarrist Ken Hammer hält sich in Sachen Bewegung ein wenig zurück, sieht aber dafür optisch mit seinem weißen Cowboyhut aus wie eine coole Socke und zaubert noch immer einen der fettesten Gitarrensounds aus seinen Fingern. Allan Tschicaja strotzt ebenso vor lauter Spielfreude und wirft unzählige Schlagzeugstöcke ins weite Rund, was seinen Endorser sicherlich ganz schön ins Schwitzen bringen dürfte. Vor dem starken und mittlerweile schon zum Bandklassiker avancierten 'I.N.V.U.' bauen sie noch 'Another Brick In The Wall' mit ein, was nett ist, aber lieber einem eigenen Song hätte weichen dürfen. Danach holen die hübschen Hausmädchen die ganz große Keule heraus. 'Yellow Rain' wird bis in die letzten Reihen, bis zum Zelt der Metalbörse, mitgesungen und 'Red, Hot And Heavy' kracht wie zu besten Zeiten und markiert gleich das gesamte Festivalmotto. Besser geht nicht.

Das denken sich wohl auch PRETTY MAIDS, denn mit 'Little Drops Of Heaven' schenken sie dem Balinger Publikum erst einmal eine kleine Verschnaufspause. Dazu werden noch große bunte Luftballons von der Bühne geschossen, die ein wenig unbeholfen im Spiel gehalten werden - man gebe erwachsenen Menschen etwas zum Spielen und schon gerät die Musik zur Nebensache. Das Finale? Mit 'Back To Back' und vor allem dem noch immer überragenden 'Future World' machen die Dänen den Sack endgültig zu. Die perfekte Band zum Sonnenuntergang. Keine Gefangenen. Keine enttäuschten Gesichter. Die sechzig Minuten sind wieder einmal wie im Fluge vergangen und lassen nur ein Fazit zu: Festivalsieg!

Setliste: Mother Of All Lies, Nuclear Boomerang, Rodeo, Lethal Heroes, Pandemonium, I.N.V.U., Yellow Rain, Red, Hot & Heavy, Little Drops Of Heaven, Back To Back, Zugabe: Future World

[Chris Staubach]

 

Es kann mir keiner sagen, dass er nicht auch der Meinung ist, dass DREAM THEATER aus dem Billing heraussticht wie eine Gurke im Obstsalat. Irgendwie deplatziert mit ihrem Prog Metal, finde ich. Natürlich freue ich mich, sie mal wieder zu sehen, aber zwischen PRETTY MAIDS und ACCEPT fühlt es sich doch irgendwie fremd an. Zumal ich meine, dass die Band außer als Headliner hier nichts zu suchen hat. Aber die BYH-Organisatoren wissen sicher, was sie tun, denn DREAM THEATER polarisiert sicher auch mehr als die deutsche Metal-Institution, die noch folgen wird. Aber egal, immerhin 70 Minuten dürfen die US Amerikaner reinklotzen, und es geht gleich überraschend mit einem Lied von "When Dream And Day Unite" los: 'Afterlife' löst Begeisterung in der Fanmeute aus. Allerdings, seien wir ehrlich, James singt das Ding nicht besonders gut. Natürlich muss er sich den Song umarrangieren, anpassen, aber für mich fehlt da heute ein großer Teil des Charmes, der das Debüt der Band ausmacht. Es sind ja auch nur noch zwei der fünf Originalmusiker dabei, vielleicht ist es besser, diese Lieder nicht mehr zu spielen? Oder eventuell war es auch nur ein schlechter Tag für James, der im Folgenden viel besser zu Werke geht als anfangs.

DREAM THEATER-Touren und auch einzelne Konzerte sind immer Wundertüten. Man weiß nicht genau, was kommen wird. Gerade in den letzten Jahren hat die Band immer wieder stark gewechselt und sich vor allem nicht darum gekümmert, alle Songs zu spielen, die "natürlich kommen müssen". Beispiel gefällig? Klar, heute wird kein 'Pull Me Under' gespielt. Dafür aber tatsächlich 'Metropolis Pt. 1: The Miracle and the Sleeper'! Und im Folgenden sieben weitere Lieder von ebenso vielen verschiedenen Alben, in chronologisch aufsteigender Reihenfolge, so dass sie mit 'Behind The Veil' vom aktuellen, selbstbetitelten Album enden. Die Band hat schon immer gemacht, was sie wollte, und vor ihrem eigenen Publikum ist das auch ein großartiges Rezept, auf einem Festival wie dem Bang Your Head würde natürlich eine Best-Of-Auswahl mehr zünden. Daran kann auch die Virtuosität eines John Petrucci, der häufig mit einem Fuß auf einem Hocker seine Soli zelebriert, eine Exaltiertheit des Jordan Rudess, der sich mit seinen Tasteninstrumenten dreht und neigt und auch mal mit einem tragbaren Keyboard, das aussieht wie ein zu fett geschmiedetes Bathlet, nach vorne kommt, oder auch die unglaubliche Drumperformance von Mike Mangini nichts ändern. Die Band ist brillant, spielt in ihrem eigenen Universum, nur findet eben nicht jeder Zugang zu diesen teilweise verkopften Sphären. Ich finde es großartig, merke aber auch, dass ich ganz dringend mal wieder meine DREAM THEATER-Historie auffrischen muss. Die Setlist muss ich mir tatsächlich mit Hilfe einiger Kollegen zusammenbauen. Jeder von uns weiß ein bisschen. Spaß macht der Gig aber auf jeden Fall. James LaBrie bemüht sich nach Kräften, das Publikum zu animieren, und läuft auch ständig über die große Bühne, doch viele Passagen der Band sind eben eher etwas zum Zusehen und Genießen. Eine geniale Band, aber nur bedingt das Futter für ein Sommerfestivalpublikum. Aber die Reaktionen sind dennoch begeistert, also stimme ich dem jetzt einfach mal zu, auch wenn hier eben noch mehr drin gewesen wäre, wenn sich die Band mehr auf die Situation und das entsprechende Publikum eingelassen hätte.

Setliste: Afterlife, Metropolis Pt. 1: The Miracle and the Sleeper, Burning My Soul, The Spirit Carries On, As I Am, Panic Attack, Constant Motion, Bridges in the Sky, Behind the Veil

[Frank Jaeger]

 

ACCEPT sind momentan einfach die größte deutsche Metalkapelle. Da gibt es überhaupt nichts dran zu rappeln. Seit dem Comeback mit Mark Tornillo am Mikrophon 2010 hat die Band drei großartige Alben veröffentlicht, von denen jetzt schon einige Songs in einer Reihe mit alten Klassikern stehen. Ein Umstand, der den Herren offensichtlich auch bewusst ist. Denn vor den wütenden Blicken des riesigen "Blind Rage"-Stieres wechselt die Band von Anfang bis Ende zwischen alten Kamellen und aktuellen Brechern ab.

Und was soll ich sagen, ich pfeife mittlerweile genauso 'Dying Breed' vor mich hin wie 'Metal Heart'. So lassen wir uns doch einfach mal den Beginn unter die Lupe nehmen. Der Opener ist natürlich 'Stampede', der auch das aktuelle Album beginnt. Klar. Guter Song, wenn er auch nicht das Zeug zum ganz großen Klassiker hat. Aber der Titelsong des Vorgängers, 'Stalingrad', lässt dann das Publikum erstmals mitsingen. Und das lässt es sich nicht zweimal sagen. Tatsächlich schaffen es die Songs, das Euphorielevel genauso anzuheben wie es zwei Lieder aus den Frühzeiten der Diskographie getan hätten. Denn das drauffolgende 'London Leatherboys' vermag die Stimmung nicht weiter zu heben und selbst 'Restless And Wild' versagt diesbezüglich. Dafür animiert Mark Tornillo das Publikum erfolgreich, mit ihm 'Dying Breed' zu schmettern, während die Saitenfront bestehend aus Wolf Hoffmann und dem Neuzugang Uwe Lulis post, was das Zeug hält. Auch Originalbassist Peter Baltes lässt es sich nicht nehmen, Show zu machen. So ist auf der Bühne immer etwas los und man merkt deutlich, dass die erfahrenen Musiker genau wissen, welche Reaktion sie mit welcher Geste erzeugen. So wird das Soundduell zwischen Baltes und Hoffmann zu einer triumphalen Showeinlage.

Aber auch Tornillo muss noch einmal erwähnt werden. Schrille Screams sitzen ebenso wie die rauen Melodien, und er ist ständig aktiv. Der gute Sound, die tolle beleuchtete Bühne, und diese unglaubliche Songauswahl machen ACCEPT heute zur besten deutschen Band, die hier spielen kann. KREATOR war gut, ACCEPT ist in jeder Hinsicht besser. Daran ändert auch die Stusslyrik von 'Losers And Winners' mit dem berühmten, albernen "write a letter, you feel better" nichts, das die ACCEPTler ohne zu lachen darbieten. Der Set neigt sich langsam dem Ende entgegen, doch die Fülle an unsterblichen Songs kann man erahnen, wenn man hört, dass eine Granate wie 'Princess Of The Dawn' im Hauptset gespielt wird. Das Publikum macht begeistert mit und trägt damit sicher auch dazu bei, dass der Funke zwischen Band und Fans hin- und herspingt. Als dann etwas später mit dem Brecher 'Fast As A Shark' der reguläre Set endet, ist es klar, dass die Band bei dieser Lautstärke noch ein paar Noten ins Rund schießen muss.

Und hier ist wieder ein Beispiel für meine eingangs aufgestellte Behauptung, nämlich dass die neueren Songs es absolut mit den alten Hymnen aufnehmen können. Denn zwischen 'Metal Heart' und 'Balls To The Wall' spielt ACCEPT 'Teutonic Terror' und die Begeisterung nimmt nicht ab. Obendrein ist einer meiner ersten Gedanken auf der Heimfahrt, dass tatsächlich 'Blood Of The Nations' nicht gespielt wurde. Aber das wird wohl in Zukunft häufiger geschehen, dass einem nämlich tolle Lieder fehlen. Die Band kann einfach gar nicht alles spielen. Und vielleicht ist auch deshalb der heutige Abschluss des Jubiläums-Bang-Your-Head-Festivals eine umso denkwürdigere Show. No filler. Eine Band auf einem neuen Höhepunkt der Karriere und dabei größer als je zuvor. Es hätte keinen besseren Headliner geben können.

Setliste: Stampede, Stalingrad, London Leatherboys, Restless and Wild, Dying Breed, Final Journey, Shadow Soldiers, Losers and Winners, Midnight Mover, No Shelter, Princess of the Dawn, Dark Side of My Heart, Pandemic, Fast as a Shark, Zugabe: Metal Heart, Teutonic Terror, Balls to the Wall

[Frank Jaeger]

 

Und in der Halle?

 

Das Festivalgelände hat sich nach dem überragenden Auftritt von ACCEPT bereits geleert und erste Aufräumarbeiten laufen zu später Stunde an, während sich Hartgesottene noch eineinhalb Stunden DESTRUCTION in der Halle reinziehen können. Und die ist - obwohl drei Festivaltage bei teilweise unerträglicher Hitze ihren Tribut fordern - zumindest anfangs sehr gut gefüllt. Der Opener 'Curse The Gods' sorgt erwartungsgemäß für tolle Publikumsreaktionen. Positiv angetan gibt Fronthüne Schmier zu Protokoll: "Ich glaub, ihr seid noch fit!". Bei 'Thrash 'Till Death‘ macht sich leider die sehr grelle Lichtshow unangenehm bemerkbar, denn die Beleuchtung blendet wie blöde. Hätte ich bloß nicht meine Sonnenbrille verschlampt...! Zahlreiche Klassiker peitscht DESTRUCTION durch, darunter natürlich den 'Mad Butcher', 'Nailed To The Cross' und 'Eternal Ban‘, aber auch neuere Volltreffer wie 'Armageddonizer'. Immer wieder gibt es Probleme mit dem Bass-Sound von Schmier, der doch einigermaßen brockig aus den Lautsprechern dröhnt. Dies tut der Gesamtstimmung während der energiegeladenen Performance aber keinen Abbruch. Besonders gegen Ende des 90-minütigen Auftritts lichten sich die Reihen der Zuschauer allerdings deutlich. Nach drei vollgepackten Festivaltagen sind die Knochen eben müde. Auch der Verfasser dieser Zeilen nimmt sich zwischendrin eine kurze Auszeit, um beim zum letzten Part des DESTRUCTION-Sets wieder einzusteigen und abzuschädeln. Mehrere Bandmitglieder von HIRAX - darunter Sänger Katon - haben sich unters Publikum gemischt und verfolgen gespannt den Set von Schmier, Mike und Vaaver und machen Posing-Fotos mit den Fans. Nach rund 80 Minuten endet der reguläre Auftritt von DESTRUCTION, doch das Publikum verlangt mehr. Nach den Klängen des Soundtrack-Intros des Horror-Klassikers "Re-Animator" haut die Band noch 'Total Desaster' sowie 'Bestial Devastation' heraus und entlässt die BYH-Besucher nach einem starken Auftritt in die Nacht.

[Martin Loga]

 

Und so endet das zwanzigste Bang Your Head für die meisten, die es nicht mehr in die Halle zieht, mit einem Feuerwerk, das nur den Schlusspunkt setzt hinter ein musikalisches ebensolches, das drei Tage lang abgebrannt wurde. Diskussionen, welche Band nun die beste gewesen sei, mal außen vorgelassen, gab es kaum eine Gruppe, die enttäuschte. Am ehesten noch SONATA ARCTICA, deren Hörspieleinlagen so gar nicht in die Atmosphäre passten, aber sonst gibt es überhaupt nichts daran zu deuteln, dass das BYH Nummer 20 ein strahlendes Highlight in der Geschichte des süddeutschen Festivals sein wird. Es gibt überhaupt nichts zu bemängeln, die Organisation ist ausgezeichnet und erprobt, Schwachstellen wie die Einlasskontrolle, die in früheren Zeiten zu massiven Verzögerungen führte, sind soweit möglich abgestellt, und die Atmosphäre ist so familiär, wie man es für ein Festival mit mehreren tausend Zuschauern nur schaffen kann.

Auch 2016 wird das Festival wieder drei Tage dauern und sich damit in den Reigen der "mehr - höher - weiter!"-Philosophie der Sommer-Megaevents einreihen. Das ist verständlich, das man sich nicht abhängen lassen will, allerdings bin ich noch unentschlossen, ob ich nun begeistert bin oder nicht. Denn das BYH findet außerhalb der Schulferien statt und ist damit leider nicht ganz so familienfreundlich, wie ich es mir wünschen würde. Zumal wir uns alle einig sind, dass es das Bang Your Head auch ausmacht, dass es eben so familiär, relaxt und übersichtlich ist. Ja, zurück auf zwei Tage und in der Halle keine Konzerte mehr, sondern eine Fläche zum Ausruhen, reden, Kraft tanken. Zwei Tage zu je 11 Stunden ist schon hart genug. Drei Tage ist irgendwie anders und nicht mehr mein gemütliches Bang Your Head, das es zu meinem Lieblingsfestival gemacht hat. Von allen!

Aber davon abgesehen gibt es von unserer Seite viel Lob für das Bang Your Head für ein gelungenes Jubiläum, tolle Organisation, eine brillante Bandauswahl und überhaupt: Einfach für das da Sein. Noch einmal eine herzliche Gratulation und Glückwünsche - wir sehen uns 2016 und hoffen, dass wir 2025 dann das 30ste zusammen werden feiern können!

[Frank Jaeger]

Redakteur:
Frank Jaeger
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