DIE KRUPPS, VIRAL und MANNTRA - München
08.12.2019 | 19:1002.12.2019, Strom
Vierzig Jahre Musik aus der Stahlfabrik.
"Vision 2020 Vision" heißt das aktuelle Album von Jürgen Englers DIE KRUPPS. Man mag es kaum glauben, doch der Beginn der KRUPPS datiert schon vierzig Jahre zurück und das erste Album "Stahlwerksinfonie" von 1981 gilt als Klassiker der Industial/Elektronik-Musik. Unter Metalfans wurde die Band aber wohl erst in den 90ern bekannt, als die groovigen Hits 'Metal Machine Music' und vor allem 'To The Hilt' die Tanzflächen der Clubs aufheizten.
Ich gebe zu, großer KRUPPS-Fan war ich nie, und so gehe ich eher über einen Umweg zu dieser Show. Und dieser Umweg heißt MANNTRA, eine Folk-Metal-Band aus Kroatien, die uns (mich und Fotgrafin Nives) seit einiger Zeit mit einschmeichelnden Liedern - gesungen in der Landessprache - verzückt. Auch wenn "Oyka", das diesjährige internationale Debüt mit einfacheren, englischen Songs nicht besonders überzeugend war, ist die Vorfreude groß, die kroatischen Barden endlich mal live zu sehen.
Tja, und schon wieder laufe ich in die Zeitfalle. Natürlich fängt MANNTRA früher an, als im Netz angekündigt, und obendrein soll noch eine zweite Vorband spielen. So läuft schon der dritte Song 'Yelena', als wir in den Club kommen. Also sofort nach vorne, noch mit dicker Winterjacke und ohne Bier in der Hand. Doch man will ja nicht mehr als nötig verpassen. Optisch macht MANNTRA auf jeden Fall Eindruck, die Band wirkt professionell durchgestylt, eine Frau am Bass macht auch immer was her, und gute Stimmen haben sie auch alle. Natürlich kennt kaum jemand die Band geschweige denn ihre Songs, doch Frontmann Marko Sekul und sein Kollege am Dudelsack Boris Kolarić versuchen das Publikum immer wieder zu animieren. Das wirkt vielleicht noch ein klein wenig unbeholfen, aber insgesamt sehr sympathisch. Man merkt, dass die Band aufsteigen möchte. Leider leiden darunter meines Erachtens aber die Songs ein wenig, die auch live mehr auf ein Partypublikum zugeschnitten sind, auch wenn Marko Sekul gerne beteuert, dass viel Herzblut in diesen Liedern stecke. Zu meiner Überraschung befinden sich in MANNTRAs Set zwei von sieben Songs, die ich gar nicht kenne: 'Eat You' und 'Manntra 2', beide wieder mit englischen Lyrics und ziemlich auf RAMMSTEIN getrimmt. Die dritte Überraschung sorgt aber für viel Freude, denn man spielt tatsächlich 'Kiša', den Hit mit dem 2012 alles begann. Sehr versöhnlich, danke MANNTRA!
Mit VIRAL entert dann die große Unbekannte die Bühne. Es handelt sich um einen Newcomer aus Los Angeles, der eine Mischung aus Industrial und Hardcore mit experimentellen elektronischen Sounds spielt. Optisch wirkt die Band mit ihren verschmierten weißen Kitteln und schweren Tätowierungen ziemlich psychopathisch, vor allem der Typ mit den Plastikohren und dem Mundschutz gewinnt bei mir keinen Preis für ästhetische Optik. Ähnlich ist auch die Musik. Walzende Riffs, verzerrte Elektronik, brüllender Core-Gesang, juhu, das ist überhaupt nicht meine Musik. Allerdings muß ich konstatieren, dass die Amis sehr engagiert aufspielen und spielerisch nicht viel anbrennen lassen. Das passt schon alles zusammen und der eine oder andere KRUPPS-Fan ist den Grobianen auch nicht allzu abgeneigt, im Gegenteil. Das heißt aber noch lange nicht, dass ich unglücklich bin, als es vorbei ist.
Ganz anders dann DIE KRUPPS. Die haben mich echt schon mit dem ersten Song 'Welcome To The Blackout' am Wickel. Wow, was für ein Sound, was für eine spielerische Präzision, ein Schweizer Uhrwerk in der Stahlfabrik. In der Mitte Jürgen Engler, ein Unikat mit enormer Bühnenpräsenz, auch wenn ich aus ihm eine gute Zeit lang nicht schlau werde. Was sagt mir seine Gestik, ist das ein freundlicher oder eher mürrischer Typ? Und mag ich die Stimme? Würde ich zu dieser Musik nicht doch lieber Till Lindemann hören? Zudem verstehe ich seine genuschelten Ansagen nicht.
Doch er zieht mich mehr und mehr auf seine Seite, auch weil seine Band groovt, als gäbe es keinen Morgen. Dazu muss man sich einfach bewegen und bald fliegen auch die Stagediver durch den vollen, engen Club. Laut ist es, aber der Sound ist so gut, dass bis auf ein wohliges Grummeln im Magen nichts weh tut. Oft ist die KRUPPS-Musik mehr harter Techno und House-Music als Rock oder Metal, doch der Stilmix ist homogen und in der Form absolut überzeugend. Das liegt auch an Englers Mitmusikern, vor allem Gitarrist Marcel Zürcher zeigt ein paar kraftvolle Posen, während sich Urmitglied Ralf Dörper dezent im Hintergrund hält und mit klangvollen Samples und krachenden Beats überzeugt. Und auch das Stahlophon, ein von Engler entworfenes Riesen-Xylophon aus Stahlrohren, ist wieder auf der Bühne und Engler kloppt mit Wonne darauf rum, während die Menge im Club langsam ausrastet. Spätestens als die oben schon genannten 90er-Hits angestimmt werden, ist der Club am Toben und die Band wird frenetisch gefeiert. Wir sind beeindruckt!
Setliste: Intro; Welcome To The Blackout; Isolation; Nazis Auf Speed; Essenbeck; Schmutzfabrik; Destination Doomsday; Trigger Warning; The Vampire Strikes Back; Der Amboss (VISAGE-Cover); Scent; Obacht; Alive; Robo Sapien; Vision 2020 Vision; Metal Machine Music; Fatherland; Zugaben: Crossfire; To The Hilt
Wir klingen den Abend dann noch mit einem Besuch beim MANNTRA-Merch aus und helfen der Band mit Geld für Sprit und Essen. Dafür bekommen wir schöne Shirts und die mir noch fehlende Debüt-CD "Horizont" und gehen zufrieden nach Hause.
- Redakteur:
- Thomas Becker