EVERGREY, KLOGR, VIRTUAL SYMMETRY - Siegburg

07.11.2024 | 22:50

06.11.2024, Kubana

EVERGREY ist in diesem Jahr schlicht unantastbar!

Wer im Juni ein Auge auf unseren Soundcheck hatte, der wird wissen, dass die Schweden EVERGREY nicht nur in meiner persönlichen Rezension mit dem neusten Langdreher "Theories Of Emptiness" auf ganzer Linie abgeräumt haben, sondern auch den Soundcheck mit massivem Punktevorsprung für sich entscheiden konnten. Dass wir uns angesichts der Klasse des aktuellen Albums und eines Backkatalogs, der nur so vor Höhepunkten strotzt, auch die zum Album gehörende "Emptiness Over Europe"-Tour nicht entgehen lassen können, versteht sich da schon fast von selbst. Und so machen meine Frau Jule Dahs, die euch heute mit den visuellen Eindrücken der Show versorgt, und ich uns an einem kalten Novemberabend auf den Weg ins Siegburger "Kubana", um die schwedischen Prog-Power-Metal-Titanen aus nächster Nähe zu erleben.


Ganz alleine sind wir dabei aber nicht unterwegs, denn seit unsere fünfjährige Tochter erstmalig 'Falling From The Sun' hörte, liebt sie die Musik von EVERGREY und darf so heute ihr erstes Livekonzert erleben. Das "Kubana" bietet mit seinem Ambiente, einem immer sehr entspannten Publikum und einer alten ausgemusterten Theke am hinteren Ende des Raums, die perfekt als Sitzgelegenheit mit Blick auf die Bühne genutzt werden kann, den passenden Rahmen, um auch als kleiner Mensch erstmalig mit Livemusik in Kontakt zu kommen. Dass wir daher aber nicht den kompletten Konzertmarathon mit drei Bands mitnehmen können und so VIRTUAL SYMMETRY als Opener leider verpassen, sei uns auf Grund dieses Umstands hoffentlich verziehen. Dafür erreichen wir das "Kubana" pünktlich zum Beginn der Show des zweiten Supportacts KLOGR, der heute in Nebelschwaden gehüllt sein jüngst erschienenes quasi-Comeback-Album "Fractured Realities" präsentiert. Und was soll ich sagen, die Show der vier Italiener überzeugt mich und räumt auch durchaus Zweifel auf, die ich anhand des aktuellen Studiolangdrehers noch hatte. Wo mich die Hooklines und Riffs auf Platte nämlich nicht immer abholen konnten, bewegt sich die Nackenmuskulatur heute praktisch von selbst und auch handwerklich ist der Vierer eine unheimlich eingespielte Truppe, die zusätzlich weiß, wie man ein Publikum auf sympathische Art anheizt. Dass der Headliner dabei netterweise die Mitbenutzung der bereits aufgebauten LED-Screens erlaubt, ist da natürlich auch hilfreich, weil so die wuchtigen Riffs und kehligen Gesänge von Fronter Gabriele "Rusty" Rustichelli auch visuell ins rechte Licht gerückt werden. Dass sich KLOGR dann nach getaner Arbeit auch über einen lautstarken Schlussapplaus freuen darf, ist da mehr als verdient. Und auch ich mache mir gedanklich die Notiz, dem Studiowerk nach dem Live-Erlebnis nochmal eine zweite Chance zu geben.

 

So richtig ernst wird es aber erst jetzt, als nach angenehm kurzem Umbau das Saallicht erlischt und ein Countdown beginnt, der mit Animationen des Album-Artworks von "Theories Of Emptiness" den Beginn der EVERGREY-Show einläutet. Inzwischen ist das "Kubana" auch ordentlich gefüllt und sobald Tom Englund und seine Mitstreiter die Bühne betreten, haben sie die Menschenmenge fest im Griff. Wer allerdings auch so viel Selbstbewusstsein und einen so breiten Katalog an Hits hat, sodass er direkt zu Beginn der Show mit 'Falling From The Sun' und 'Say' direkt ein Doppelpack der beiden Single-Hits des aktuellen Langdrehers abfeuern kann, der muss sich definitiv um die Begeisterung im Publikum keine Sorgen machen. Dass dann auch die gewohnte Mitsing-Nummer 'Midwinter Calls' von "A Heartless Portrait" im Anschluss sofort auf lautstarke Publikumsbeteiligung trifft, ist dann fast schon ein Selbstläufer. Und so muss Fronter Tom oder auch mal Schlagzeuger Simen Sandnes auch im weiteren Verlauf der Show nur eine Faust gen Himmel recken und Zuhörer und Zuhörerinnen folgen bereitwillig.

Wo wir gerade schon den neuen Schlagzeuger erwähnt haben, möchte ich kurz festhalten, dass der Norweger mit seiner unbändigen Energie schnell jegliche Trauer über den Abgang von Jonas Ekdahl vergessen lässt und heute einen mehr als überzeugenden Job abliefert. Auch wenn Tom sich im weiteren Verlauf des Abends scherzhaft darüber beschwert, dass norwegische Drummer wohl pro Schlag bezahlt werden und die Performance die Schweden somit das letzte Hemd kosten würde. Dass die Aussage bezüglich der handwerklichen Klasse natürlich auch für den gesamten Rest der Band gilt, muss ich eigentlich nicht gesondert erwähnen, wobei vor allem Tom heute gesanglich so richtig auftrumpft und emotionale, wie auch bissigere Gesangspassen perfekt serviert. Henrik Danhage punktet dagegen mit gewohnt tollen Leads und seiner energiegeladenen Bühnen-Performance, wobei natürlich auch Tom das eine oder andere geschmackvolle Solo beisteuert. Und wie üblich darf natürlich Basser Johan Niemann nicht übersehen werden, der grinsend oder headbangend seine Basslinien mit markerschütterndem Sound serviert. Abgerundet wird der handwerkliche Teil des Abends von einem Bühnenaufbau, bei dem EVERGREY ebenfalls im Vergleich zur letzten Tour nochmal eine ordentliche Schippe draufgelegt hat. So untermalen drei große LED-Screens sämtliche Songs mit passenden Animationen und Bildern und auch die Platzierung der Musiker, bei der das Drumkit seitlich zur Bühnenfront und praktisch dem Keyboard gegenüber angeordnet ist, gefällt mir unheimlich gut. Auch, weil man Simen Sandnes und Keyboarder Rikard Zander so nochmal besser auf die Finger und Füße schauen kann.

Doch nicht nur das Handwerk überzeugt heute Abend, auch die Songauswahl trifft meinen Nerv ganz genau. So liefern 'A Silent Arc' und gerade 'Distance' wohl die emotionalen Höhepunkte des Sets, während insbesondere die "Theories Of Emptiness"-Nummer 'One Heart' einen besonders lauten Chor aus dem Publikum verpasst bekommt. Natürlich dürfen auch gewohnte Kracher wie 'Call Out The Dark', 'Weightless' und die Übernummer 'Where August Mourns' nicht fehlen, wobei sich auch das neue 'Misfortune' mit seinen wuchtigen Riffs und Mitsing-Chören perfekt in den Hit-Reigen einfügt. Das erneut emotional geladene 'Save Us' beendet schließlich das reguläre Set, in dem trotz toller Songauswahl noch einige meiner Lieblinge fehlen, wobei gerade die Alben vor der Reunion mit Henrik Danhage und Jonas Ekdahl auf "Hymns For The Broken" nicht wirklich berücksichtigt werden. Andererseits ist es bei einem so reichhaltigen Katalog, der inzwischen 31 Jahre umspannt, eben auch unmöglich, sämtliche Hits abzufertigen. Wer aber die Klassiker vermisst, wird mit 'A Touch Of Blessing' zu Beginn des Zugabenblocks sofort zufriedengestellt und das grandiose 'King Of Errors' bringt das "Kubana" im Anschluss noch einmal so richtig zum Kochen, bevor 'Our Way Through Silence' die Show mit emotionalen Tönen beendet. Ich bin ehrlich, vorweg sah die Platzierung der Nummer etwas eigenartig aus, doch die Schweden wissen besser, welcher Song an welcher Stelle im Set funktioniert, und so liefert der Track den perfekten Schlusspunkt für eine grandiose Show, die bei mir persönlich keine Wünsche offengelassen hat.

Setliste EVERGREY: Falling From The Sun; Say; Midwinter Calls; Distance; Eternal Nocturnal; A Silent Arc; Call Out The Dark; One Heart; Where August Mourns; Weightless; Misfortune; Save Us; A Touch Of Blessing; King Of Errors; Our Way Through Silence


Und der Nachwuchs? Nun, der erlebte dank der sympathischen Vorband KLOGR und vor allem den unheimlich netten Mitgliedern von EVERGREY einen Abend, der dauerhaft in Erinnerung bleiben wird. Wann immer einer der Musiker die Kleine im Publikum erspäht, wird breit gegrinst, eine Pommesgabel gehoben oder auch mal schnell ein Plektrum gereicht. Dass sie obendrauf nach der Show von einem Crew-Mitglied noch in den Backstage-Bereich gelassen wird, um sich ihre ersehnten Autogramme abzuholen, ein Bild mit Tom machen darf und auch noch ein T-Shirt geschenkt bekommt, unterstreicht mit was für einer sympathischen Band wir es hier zu tun haben. Übrigens alles keine Privilegien nur für die jungen Fans im Publikum, denn nach der Show steht die Band auch für die erwachsenen Anhänger und Anhängerinnen bereitwillig für einen Plausch, ein Foto oder Autogramme bereit. Bei so viel Fannähe verwundert es auch nicht, dass Tom im Laufe der Show auch noch zwei Fans, die er sogar namentlich kennt, zu ihrem jeweils 44. und 51. (!) EVERGREY-Konzertbesuch gratuliert. Verbundenheit und Dankbarkeit funktioniert eben in beide Richtungen.

Wo wir gerade von Fannähe sprechen, sollen auch die mehr als humanen Merchpreise nicht unerwähnt bleiben, bei denen man für 25 bzw. 30 € ein Shirt eintüten kann. Gerade in der heutigen Zeit keine Selbstverständlichkeit. Dass natürlich auch unsere Textilsammlung um zwei Stücke reicher wird, dürfte da wohl niemanden überraschen. Und mit dem Einkauf endet dann auch ein Konzertabend, den Eltern und Tochter wohl so schnell nicht vergessen werden, und der für mich klar zu den besten Live-Erlebnissen der letzten Jahre gehört. Der Platz an der Sonne bei meinem "Konzert des Jahres" kann EVERGREY so wohl nur von der Band selbst streitig gemacht werden, wenn wir den Tourtross wahrscheinlich in Andernach am 21. Dezember gleich nochmal besuchen. Und auch ihr solltet euch diese Tour nicht entgehen lassen, wenn ihr auf harte Riffs, tolle Melodien und große Refrains steht. Eine Übersicht der verbleibenden Tourdaten findet ihr in unseren News.

 

Text: Tobias Dahs
Fotos: Jule Dahs

Redakteur:
Tobias Dahs

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