GAS GÄBA-Festival: tief in Schwaben! - Steinberg

14.12.2022 | 23:10

24.09.2022, Turnhalle Steinberg

Es gibt sie noch, die kleinen, idealistischen Festivals, die auch nach Corona die Fahne des Stahls auf lokaler Ebene schwingen und alle Metaller zu einer großen Familie werden lassen. So wie die erste Ausgabe des GAS GÄBA-Festivals!

Die Pandemie war eine echte Durststrecke und man muss befürchten, dass die Metalwelt, oder besser, die gesamte Musikwelt, sie nicht unbeschadet überstanden haben wird. Wahrscheinlich wird es den einen oder anderen Club nicht mehr geben, die eine oder andere Band wird sich aufgelöst haben, und möglicherweise bleiben auch ein oder zwei Festivals auf der Strecke, ich schaue diesbezüglich nach Balingen. Umso schöner, dass sich ganz unvermittelt ganz in meiner Nähe ein paar Enthusiasten gefunden haben, die im September 2022 kurz entschlossen ein neues Festival aus der Taufe gehoben haben, das unter dem schönen schwäbischen Motto "Gas gäba!" segelt. Das muss ich mir natürlich ansehen!

Sobald ich bei der Festivalhalle ankomme, freut mich erst einmal die familiäre Atmosphäre. Hier ein Plausch mit einem Ordner, da ein kurzer Schnack mit Rüdiger, einem der Veranstalter, ein Blick auf das kulinarische Angebot, das genau das bietet, was man von Dorffest oder Feuerwehrjubiläum erwartet: Steaks, Wurst, Pommes, Schupfnudeln und Crêpes. Ja, das werde ich später wohl genau in dieser Reihenfolge...

Aber jetzt gibt es erst einmal Musik. Schon recht früh startet AVIAN auf der Bühne in der Turnhalle Steinberg. Die Halle ist wohl eher eine Mehrzweckhalle und die Bühne verhältnismäßig groß. Schön. Noch schöner, dass mit AVIAN eine Band, die wir in der POWERMETAL.de-Redaktion besonders mögen und die auch einen auf CD ansonsten unveröffentlichten Song zu unserem "Metalliance Volume 3"-Sampler beisteuerte, gleich mit flinkem, melodischen Metal loslegt. Was soll man auch anderes erwarten, wenn die Burschen einige meiner Favoriten als Inspiration nennen? Dass die Band es in zwanzig Jahren nur auf zwei EPs gebracht hat, ist natürlich ein Frevel, aber der wird noch dadurch getoppt, dass die 2002er EP seit geraumer Zeit ausverkauft ist. Ich hatte gehofft, sie mir hier und heute mitnehmen zu können, zusammen mit der aktuellen EP, die ich zwar kenne, aber nicht im Regal stehen habe, wie ich feststellen muss. Na gut, tüte ich eben nur die eine ein. Aber es werden noch andere Lieder gespielt, die ich auch gerne nochmal hören würde. Wahrscheinlich muss ich den Bandhamster kidnappen, um ein ein Exemplar der EP als Lösegeld zu fordern. Na gut, der Plan ist gefasst...

Musikalisch ist also alles im grünen Bereich und Sänger Armin Pohl macht ebenfalls eine gute Figur, auch wenn man eventuell an der Performance insgesamt noch etwas arbeiten könnte. Aber jetzt aus der Pandemie kommend müssen zahlreiche Bands erst wieder auf die Bühnenbretter zurückfinden, da geht es AVIAN wie vielen bekannteren Bands auch. Mit jedem Lied werden die Musiker sicherer, mit jedem wohlverdienten Applaus wird das Lächeln breiter. Hey, Jungs, Heimspiel, entspannt euch! Auch als erste Band darf AVIAN 45 Minuten spielen, die spannend und unterhaltsam gefüllt werden und den Corona-Staub aus der Kutte schütteln.

Pause. Zeit zum Ratschen, Tommy von POWERMETAL.de ist da, Fabian, auch einer der Veranstalter, ist sichtlich erleichtert, dass alles klappt. ANGSTKVLT läuft hier auch komplett rum, also alle beide, aber jetzt folgt erstmal SPITFIRE. Die Band ist mir nur dem Namen nach geläufig, irgendwie habe ich immer drum herumgehört. Prima, Premiere. Und was für eine! Sofort geht die Post ab, vielleicht sollten die sich Speedfire nennen, wow! Vor allem Gitarrist und Sänger Rico ist ein echtes Tier, der die Songs mit Kraft und Hingabe in die Halle schmettert. Dabei lässt er sich von der üblichen Lücke zwischen Publikum und Bühne, die irgendwie immer entsteht, nicht beeindrucken. Wir treten etwas näher. Dann allerdings schlägt das Schicksal erbarmungslos zu: Ricos Gitarre gibt den Geist auf. Nix geht mehr. Kurzentschlossen wird sich eine Gitarre geliehen und weiter geht es. Man wird auch mal langsamer, aber zumeist dröhnt es rasant aus den Boxen, bis... ja, bis Rico eine Saite reißt. Irgendwo zwischen Unglauben und Ärger wird das Lied noch zu Ende gespielt und dann wird versucht, zu improvisieren. Rico singt die letzten Stücke bis zum Ende des Sets nur noch und die Band agiert mit einer Gitarre. Klar, ein paar Soli bleiben auf der Strecke, aber da die Stimmung bestens ist und Rico, der dem Begriff Gitarren-Shredding eine ganz neue Bedeutung gegeben hat, trotzdem alles gibt, bleibt ein mitreißender Gig, bei dem alle Spaß haben. Nur Rico müssen wir nachher ein wenig aufbauen, damit er nicht zu enttäuscht ist. Katharina und ich gehen jedenfalls schnurstracks zum Merch-Stand und holen uns die drei CDs und ein T-Shirt. Damit sind wir nicht allein: Die Band vermeldet am Ende einen nahezu ausverkauften Merch-Stand.

Jetzt wird es etwas Heftiger. GODSKILL aus Heilbronn spielt eine Mischung aus Death und Black Metal, mal mit heftiger Geschwindigkeit, mal auch eher doomig unterwegs. Dazu kommen Keyboards, die die Kompositionen sogar etwas episch machen, und melodische Gitarrenläufe. Ja, und ich dachte, ich hätte jetzt Pause, aber das Gebotene ist doch kurzweilig und abwechslungsreich. Der Sound könnte hier und da etwas differenzierter sein, manche der gnadenlos wummernden Passagen, die schon fast an Blastbeats erinnern, leiden darunter etwas, aber der Tonmann hoch über der Halle macht einen hervorragenden Job, der kann ja nichts dafür, dass GODSKILL gelegentlich einfach alles auf elf stellt. Ich dachte, ich höre mir mal die ersten zwei, drei Stücke an und verziehe mich dann, aber wider Erwarten bleibe ich länger und genieße die Show, die sogar mit ein paar Utensilien aufgepeppt wird, prominent mittendrin: ein Schädel. Musikalisch und optisch sehr ansprechend, dazu der gutturale Gesang und ein paar Ausbrüche, das Ganze macht einen runden Eindruck.

Die Pausen zwischen den einzelnen Bands sind relativ kurz, fast schon zu kurz, da man ja eigentlich gar nicht anders kann, als mit jedem, der einem über den Weg läuft, ein paar Worte zu wechseln. Hey, endlich wieder Festival! Endlich wieder echter Untergrund! Und Wurst! Ich habe nämlich Hunger. Aber pünktlich zu HEADLESS BEAST sind wir natürlich wieder oben in der Halle. Die Lokalmatadore aus Ulm sind eher im traditionellen Heavy Metal verwurzelt, aber für mich ist das "Gas Gäba!" auch in Bezug auf diese Band eine Premiere. Stilistisch kann da eigentlich nicht allzu viel anbrennen, denn das Piblikum ist genau das, eine echte Heavy-Metal-Crowd. Aber leider steht der Auftritt unter keinem guten Stern. Zuerst einmal bin ich verwundert, dass der Sänger alle Texte von einem Pad ablesen muss, dann gibt es einen ausgedehnten Soundcheck, der deutlich in die Spielzeit hineinreicht, und als es dann losgeht, bin ich vom Frontmann nur bedingt begeistert. Ich erfahre später, dass der eigentliche HEADLESS BEAST-Sänger ausgefallen ist und der neue Mann kurzfristig als Ersatz eingesprungen ist, aber das rettet die Performance nur bedingt. Eine kurzfristige Absage wäre aber ziemlich blöd gewesen und so ist es der Band auf jeden Fall sehr hoch anzurechnen, dass sie alle Hebel in Bewegung gesetzt hat, um trotz der widrigen Umstände da sein zu können. Aber dieser ungewöhnliche Auftritt ist natürlich damit ein Gig mit großen Hindernissen, deswegen belassen wir es dabei, dass ich mir während des Auftritts eine Pause genehmige, denn sechs Bands am Stück ist viel und ich habe mit Julian und Michael von ANGSTKVLT noch gar nicht richtig Palaver gehalten. Sorry, ihr Kopflosen, nächstes Mal, an diesem improvisierten Auftritt will ich euch nicht messen und breite das Mäntelchen des Schweigens darüber. Es soll dabei aber nicht verschwiegen werden, dass in der Halle auch zahlreiche Fans mit den kopflosen Viechern gefeiert haben.

Ursprünglich sollte STORMHUNTER spielen, aber die Band musste wegen eines akuten Krankheitsfalles absagen, und so kommt heute der FIREPHOENIX zum Einsatz. Das ist für mich egal, ich kenne weder die eine, noch die andere Kapelle, also lasse ich mich überraschen. Und das werde ich, und zwar positiv! Klarer, klassischer Metal, der gerne auch mal in den klassischen Hardrock schlingert, dargeboten von einer gut aufgelegten Band mit einem starken Sänger namens André Grabner. Ich bin sehr begeistert! Die Band hat gerade einmal ein Album veröffentlicht und spielt dementsprechend einmal quer durch die Scheiblette, für die man gehörig Werbung macht. Mittlerweile ist das Publikum natürlich auch, ähm, warmgespielt und mit flüssigem Mut angefeuchtet, sodass auch einige Banger vor der Bühne stehen und den Musikern ein positives Feedback geben, das bislang etwas gefehlt hatte. Damit kommt mehr richtige Konzertatmosphäre auf. Vielleicht sollte man bei Festivals anfangs nur die ersten fünf Meter vor der Bühne freigeben und den Rest absperren, damit die Banger vorne bleiben müssen? FIREPHOENIX toppt für mich sogar noch den mitreißenden Katastrophen-Gig von SPITFIRE. Auch das restliche Publikum zeigt sich ziemlich euphorisch, denn für nicht wenige Anwesende ist FIREPHOENIX die Entdeckung des Tages!

Headliner ist heute SKULL & CROSSBONES. Nein, keine Rock'n'Rolf-Verneigung, sondern eine Truppe von Musikern, die bis auf den Sänger alle etwas gemeinsam haben: Sie gehörten alle bis 2019 zu STORMWITCH, den lokalen Heroen von der Alb. Selbst ich als Norddeutscher kenne die Band, auch wenn sie bei uns oben eher ein Randdasein fristeten. In den letzten Jahren gab es immer mal wieder Zoff bei STORMWITCH, was zu regelmäßigen Line-up-Wechseln führte, die durchaus als Brüche in der Bandgeschichte zu bezeichnen sind. Der letzte davon vor drei Jahren war so radikal, dass fortan Bandleader Mück und die anderen vier Musiker getrennte Wege gingen, letztere nun eben verstärkt durch Stefan Fronk, den Ur-Sänger von BRAINSTORM. Wer mehr wissen will, kann hier nachlesen. Das heißt, alle STORMWITCH-Fans, und davon gibt es hier heute ausgesprochen viele, warten sehnsüchtig auf die alten Gassenhauer. Trotzdem wir mittlerweile durchaus beachtlich hinter dem Zeitplan her hinken, entscheiden die Veranstalter, dass keiner Band auch nur eine Minute Spielzeit genommen und das Festival eben kurzerhand ausgedehnt wird. Das bedeutet: SKULL & CROSSBONES spielt einen Gig mit nicht weniger als 24 Stücken! Die Band ist dabei völlig bodenständig und agiert unprätentiös, was auch einen Kontrast zu den STORMWITCH-Auftritten bildet, wo Sänger Andy Mück auch gerne mal etwas kitschiger und mit Props visuell unterstützt zu Werke gegangen ist. Schwarz und rockig, aber natürlich mit den epischen Hymnen der schwäbischen Kult-Metal-Band am Start, genießt man das Heimspiel und das Publikum lässt auch zu später Stunde nichts anbrennen. Allerdings bin ich langsam ein wenig kaputt, sowieso kein STORMWITCH-Kenner, und meine mit angereiste Tochter ist auch langsam erschöpft. Wir machen uns auf den fast einstündigen Heimweg und lassen die Fans und SKULL & CROSSBONES allein feiern bis zur 'Walpurgis Night'. So heißt nämlich der traditionelle Rausschmeißer bei STORMWITCH-Gigs und SKULL & CROSSBONES knüpft nahtlos an diese Gewohnheit an.

Schön war's. So schön, dass nicht nur ich, sondern viele der Anwesenden noch im Verlauf des Abends eine Neuauflage im kommenden Jahr gefordert haben. Dabei geht es gar nicht nach dem größer-höher-weiter-Prinzip, denn gerade die Tatsache, dass das "Gas Gäba!"-Festival eine Bühne für kleinere Bands aus dem schwermetallischen Untergrund bietet, macht es so interessant. So war es früher, man ging zu einem Konzert oder Festival und entdeckte neue Bands. So war es auch heute und ich habe das sehr genossen. Also hoffen wir auf eine Neuauflage im September 2023. Organisatoren und Publikum waren heute jedenfalls viel besser, als man es für eine Premiere erwarten darf. Ich bin sicher, die haben Blut geleckt. Mal sehen, wann die erste Band für "Gas Gäba II" angekündigt wird. Ich werde wieder dabei sein.

Redakteur:
Frank Jaeger
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