Herbstoffensive V - Weimar
15.10.2024 | 00:4820.09.2024, Uhrenwerk
Beim Party.San-Ableger zerstört vor allem Headliner KANONENFIEBER das Weimarer Uhrenwerk.
Einst zu Corona-Zeiten als auf 666 Besucher limitierte Alternative ins Leben gerufen, hat sich die "Herbstoffensive" zu einem richtig familiären Abschluss des Festivalsommers gemausert. Die Bühne ist inzwischen in die Halle selbst gezogen, während auf dem übrigen Gelände Thüringer Rostbratwurst, Hellburger, Satan-Brathahn und das hauseigene Party.San-Bier frohlocken. Headliner KANONENFIEBER nutzt die Gelegenheit erstmals für eine eigene Ausstellung, bei der das Projekt mit diversen Original-Utensilien auf die Grausamkeit des Ersten Weltkriegs hinweisen will. Einzig ein Stand von "Brutz & Brakel" oder "Seven Lords" fehlt, um das Party.San-Feeling gänzlich perfekt abzurunden. Sei's drum, Vorhang auf für Ausgabe Nummer 5!
Wirklich herbstlich ist es am letzten warmen Wochenende des Jahres noch nicht. Draußen strahlt die Sonne, während drinnen ab 16 Uhr die Tiroler ASPHAGOR den Reigen mit Black Metal einläuten. Anschließend serviert BOÖTES VOID mit Songs wie 'Breathe' den ersten maskierten Schwarzmetall des Festivals. Der Haken direkt im Anschluss: Richtung 18 Uhr ist das Party.San-Bier schon vergriffen und wird das restliche Wochenende auch nicht mehr nachgeliefert. Sehr schade, denn es fehlt eine dunkle Alternative. Davon unbeeindruckt fahren nun die Neu-Leipziger DEATHRITE lässig in Bluejeans und ärmellosen Shirts das Kontrastprogramm zur vorigen Band. Musikalisch gibt's thrashigen Death Punk, wobei Sänger Tony anfangs ziemlich gegen die laute Soundkulisse ansingen muss. Das gibt sich aber und die Fünf sorgen bangend für Stimmung.
Erstmals wird das bisherige Konzept aufgeweicht, einen Tag dem Schwarzmetall zu widmen und den anderen dem Death Metal. Denn nun folgt zur Abwechslung technischstes Todesblei. Eine Sirene ertönt, dann geht das Geballer los. Der Bass wummert ordentlich, als die Chemnitzer CYTOTOXIN auf die Bühne stürmen – mit neon leuchtendem Atomsymbol auf den Shirts und Gasmasken auf den Birnen. "Strahlung und Ausstrahlung ohne Ende", wie Party.San-Mitorganisator Erik sagen würde. Der ebenso charismatische wie muskelbepackte Sänger Grimo (nur anfangs mit Maske) lockert die ernste Kernschmelz-Thematik immer wieder mit seinen sympathischen Ansagen auf und grunzt auch mal mit dem Mikro im statt vor dem Mund. Ebenso hat er seine ganz eigene Art, zum Circle Pit aufzufordern: Er hält einfach ein Kreisverkehr-Schild hoch. Dem kommen die vorderen Reihen auch dann noch nach, als seine folgenden Handbewegungen immer schnelleres Rennen einfordern. Eine ziemliche Dampfwalze, das Ganze.
Mit Death Metal geht es auch weiter, diesmal in der schwedischen Variante à la VOMITORY. Mit dem aktuellen 'All Heads Are Gonna Roll' und satter Lichtshow legen die vier Karlstader amtlich los, um nach einem wortlosen Gruß gleich 'Stray Bullet Kill' hinterherzuschieben. Dann erst demonstriert Frontman Erik Rundqvist mit einem "guten Abend, alles gut?" seine Deutschkenntnisse. Seine Nachfrage, ob man "ready for some more swedish death metal" sei, wird natürlich lautstark bejaht. Allzu viel Bühnenaction darf man bei den inzwischen schon etwas älteren Herrschaften zwar nicht erwarten, aber das gleicht das Quartett mit sichtlicher Spielfreude und sympathischem Grinsen wieder aus. Mit Songs wie 'Raped In Their Own Blood' vom gleichnamigen Debütalbum wird zudem ganz tief in die Old-School-Kiste gegriffen. Höhepunkt des Gigs dürfte aber sicherlich 'Raped, Strangled, Sodomized, Dead' sein, bei dem bis in die letzte Reihe inbrünstig mitgegrölt wird. Extrem solide!
Dann steht die unumstrittene Hauptattraktion der diesjährigen Herbstoffensive an: Die Bamberger KANONENFIEBER stellen ihr nicht mal 24 Stunden zuvor veröffentlichtes Album "Die Urkatastrophe" erstmals offiziell live vor. Und um es vorwegzunehmen: Was für eine mehr als gelungene Premiere! Der einzige Nachteil: Der Gig wird nicht mehr mit dem jetzt schon legendären 'Die Feuertaufe' eröffnet, stattdessen ballert 'Menschenmühle' aus den Boxen. Dass die Truppe um Frontmann Noise wie immer maskiert in Uniformen auf der mit Stacheldraht und Kanonen verzierten Bühne Vollgas gibt, muss eigentlich nicht extra erwähnt werden. Allerdings wechselt Noise diesmal schon recht früh bei 'Der Füsilier I' zur Winter-Pickelhaube und es sollen noch einige Kostümwechsel folgen. Bei 'Der Maulwurf' hantiert er im dreckigen Unterhemd mit einer Schaufel, ehe die gesamte Mannschaft zu 'Kampf und Sturm' ins Seemanns-Outfit wechselt und Noise das Publikum zum anschließenden 'Die Haverie' mitsingen lässt.
KANONENFIEBER war live von Anfang an ein echter Hingucker, aber es ist tatsächlich beeindruckend, wie sich der Sturmtrupp inzwischen – passend – zu einer absoluten Livemacht entwickelt hat. Und das, obwohl man sich heute mit Pyros sogar vergleichsweise zurückhält. Dafür feuern alle fünf unentwegt das Publikum nonverbal an: Nur ein Wink von Noise, und ein Pit bricht aus. Eine weitere Handbewegung und schon formiert sich eine für Black Metal und Party.San-Veranstaltungen eher untypische Wall of Death. Natürlich packt Noise gegen Ende des Gigs noch die obligatorische Totenkopfmaske und dazu sein neues Lieblingsspielzeug aus, den Flammenwerfer. Mit 'Ausblutungsschlacht' geht dann ein wirklich mitreißender und bis in die letzte Reihe abgefeierter Gig zu Ende. Innerhalb kürzester Zeit hat KANONENFIEBER eine dermaßen steile Karriere hingelegt – wenn die Truppe so weitermacht, kann sie bei ihrem nächsten Party.San-Abstecher auch in Schlotheim einen der Headliner-Slots einfordern. Hammer!
Setliste: Menschenmühle, Sturmtrupp, Der Füsilier I, Grabenlieder, Der Maulwurf, Panzerhenker, Kampf und Sturm, Die Havarie, Lviv zu Lemberg, Waffenbrüder, Ausblutungsschlacht
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- Redakteur:
- Carsten Praeg