INFECTED RAIN, DRAGONFORCE und AMARANTHE - München

16.03.2024 | 15:31

09.03.2024, Tonhalle

Musikalische Vielfalt in München.

Nu-Metal trifft auf Powermetal trifft auf Melodic-Death-Metal-Band. Diese Metal-Vielfalt ist in der Regel auf zahlreichen Festivals üblich und zieht viele Metalheads an. Für eine Doppel-Headliner-Show an einem Abend ist diese Mischung eher ungewöhnlich und ich lasse mich überraschen, ob das in München funktioniert. DRAGONFORCE ist gemeinsam mit AMARANTHE auf Tour und hat INFECTED RAIN als Support an Bord.

Da eine eher unbedeutende Fußballmannschaft aus der bayerischen Landeshauptstadt an diesem Samstag spielfrei hat, erreiche ich sehr entspannt und mehr als rechtzeitig die Tonhalle München. Ich kann mein Glück kaum fassen, als ich einen freien und kostenlosen (!!!) Parkplatz in der Nähe der Location finde. Die Pfützen einschließlich hellem Dreck auf dunkler Autohaut nehme ich gerne in Kauf, ist doch das überteuerte Parkhaus mit langer Wartezeit nach dem Konzert wahrlich kein Vergnügen.

Auf dem Weg zur Tonhalle steigt mir ein Grillgeruch in die Nase. Familie Küchle hat ebenfalls einen freien Parkplatz gefunden und erstmal die Holzkohle auf dem mobilen Bratgerät entzündet. Sarah und Thomas sind genauso Konzert- und Festival-verrückt wie ich und so ist es kein Wunder, dass wir uns immer wieder mal über den Weg laufen. Ob Miami, Tschechien, Schweden oder eben München, egal. Hauptsache Metal!

Es bleibt noch etwas Zeit für ein kurzweiliges Gespräch. Themen sind unter anderem die anstehende RAGE-Tour und die Sommer-Festivals, auf denen wir uns wiedersehen, denn das METALFEST in Pilsen sowie das SWEDEN ROCK haben wir auf unserer gemeinsamen Agenda. Die grillenden Küchles verzichten auf INFECTED RAIN und frönen erst einmal der Fleischeslust, ich mache mich auf dem Weg zur Tonhalle. Die Schlangen vor dem Eingang gehen gefühlt bis Südtirol und deuten auf eine ausverkaufte Veranstaltung hin.

Während draußen die Koteletts brutzeln, gönne ich mir ein hopfenhaltiges Kaltgetränk. Gönnen ist das richtige Wort, kostet dieses doch hier in München fast doppelt so viel wie in den Spielstätten meiner mittelfränkischen Heimat. Aber was solls, ich habe ja bei der Parkgebühr gespart, heute lass ich es krachen.

Das Licht geht aus und pünktlich um 20 Uhr steht INFECTED RAIN auf der Bühne, die Nu-Metal Band aus Moldau, die ich 2022 zum ersten Mal gesehen habe. Trotz der sehr frühen Spielzeit hat die Band damals das SUMMER BREEZE richtig aufgemischt. Ich bin wahrlich kein Fan dieser Richtung, doch die enorme Energie, die Sängerin "Lena Scissorhands" samt Band an den Tag legt, ist schon sehr beeindruckend. Lena und Gitarrist Vadim "Vidick" Ozhog toben wie Derwische über die Bühne. Die wehende Haarpracht der beiden sorgt für das ein oder andere gute Foto.



Die Show von INFECTED RAIN kommt in München sehr gut bei der Crowd an. Lena muss nicht lange bitten, nach einer Aufforderung formiert sich binnen Sekunden ein stattlicher Circle Pit. Songs wie 'The Realm Of Chaos', 'Fighter' und 'Sweet, Sweet Lies' sorgen für ein kollektives Ausrasten vor und auf der Stage. Dass die NU-Metal-Band nicht nur schneller und lauter kann, beweist sie mit 'Never To Return', welches man für INFECTED RAIN-Verhältnisse schon fast als Ballade durchgehen lassen kann. Von den acht gespielten Stücken stammen immerhin fünf vom aktuellen Album "Timee", welches Kollege Dahs in seinem Review als "stark" bezeichnet.

Nach dieser schweißtreibenden Show wird es Zeit für ein weiteres Kaltgetränk. Der Support hat die Tonhalle ordentlich auf Betriebstemperatur gebracht und die helfende Hände an den Getränkeständen können sich in der Umbaupause nicht über Langeweile beklagen. INFECTED RAIN hat die Masse mit ihrem Set absolut überzeugt.

Es geht weiter mit DRAGONFORCE. Die Extreme Powermetal Band ist heute mein persönliches Highlight, immer wieder freue ich mich auf Herman Li, Marc Hudson und Co. Mit 'Revolution Deathsquad' von der 2006 veröffentlichten Langrille "Inhuman Rampage" geht es direkt in die Vollen. Natürlich dürfen zumindest in München die beiden Spielautomaten an den Bühnenseiten nicht fehlen, die immer wieder von den Gitarristen Sam Totmann und Herman Li erklommen werden, um in luftigen Höhen ihre atemberaubend schnellen Soli zum Besten geben zu können. Auf Fotos anderer Konzerte konnte ich an den Seiten "Drachen" erkennen. Diese kommen in München vermutlich wegen der zu niedrigen Hallenhöhe nicht zum Einsatz.

Hymnen wie 'Cry Thunder' dürfen an diesem Abend natürlich nicht fehlen, doch die Band hat auch neues Material im Gepäck. Vom mittlerweile veröffentlichten neuem Studioalbum "Warp Speed Warriors" kann 'Power Of The Triforce' ebenso überzeugen wie 'Doomsday Party'. Wie mein geschätzter Kollege Marcel in seinem Review, erkenne auch ich einen Wandel bei der Band. Beide Tracks haben längst nicht die Geschwindigkeit der alten Stücke, kommen bei den Metalheads in München jedoch sehr gut an. Das gleiche gilt für 'Wildest Dreams', der aktuellen Coverversion von TAYLOR SWIFT, welche dann doch wieder ein ordentliches Tempo an den Tag legt. Gefühlt wird der Covertrack in der achtfachen Geschwindigkeit gespielt, ich hätte ihn niemals mit dem Original in Verbindung gebracht, was aber auch daran liegen mag, dass ich das Original nicht kenne.

Das ist gänzlich anders bei 'My Heart Will Go On'. Die Ecstasy-Version von DRAGONFORCE hat sich mittlerweile in mein Hirn gebrannt und wird auch vom metallischen Publikum gebührend abgefeiert. Doch nicht nur im Im Infield herrscht ordentlich Alarm, auch auf der Stage geht es vogelwild zu. Immer wieder wechseln Hudson, Li, Totman sowie Bassistin Alicia Vigil ihre Positionen und sorgen mit ihren gelungenen Fähigkeiten an den Instrumenten, sowie mehrstimmigen Gesang, für einen sehr guten Auftritt in der bayerischen Landeshauptstadt. Auf den digitalen Backdrops laufen passend zum aktuellen Albumtitel einige Computerspiel-Animationen. Alte Aerobic-Filmschnipsel teilen mir subtil mit, dass ich mehr Sport machen sollte.  

Sam versucht sich immer wieder mal in deutscher Sprache, so erfahren wir, dass München schöne Mädchen hat. Ein paar Rauchsäulen und Konfettikanonen sorgen für etwas Abwechslung, auf Pyroeffekte wird an diesem Abend komplett verzichtet. Die Musik steht ganz klar im Vordergrund. Mit 'Through The Fire And Flames', dem zehnten Song auf der Setliste, verabschiedet sich DRAGONFORCE unter lautem Jubel vom süddeutschen Publikum. Ich mach da mal einen Haken dran, wieder ein gelungener Auftritt einer meiner Lieblingsbands.

Doch auch AMARANTHE hab ich lieb, zumindest, wenn es um die Livequalitäten geht. Die Melodic-Death-Metal-Band aus Nordeuropa erlebe ich immer wieder auf diversen Festivals. Die Band kommt mit "The Catalyst" nach München, die Platte wurde wenige Wochen vor dem heutigen Konzert veröffentlicht. Während Kollegin Hanne dem Album ganze neun Punkte gegeben hat, fällt die zugehörige Gruppentherapie deutlich differenzierter aus und zeigt, dass die Geschmäcker in unserer Redaktion wirklich verschieden sind. Auch ich komme nicht wirklich mit dem Album klar. Live sieht es dagegen ganz anders bei mir aus. Das Trio am Mikrofon (Elize Ryd, Nils Molin und seit 2023 Mikael Sehlin) rockt die Tonhalle ordentlich ab, auch die restlichen Protagonisten der Band erfüllen ihr Soll mehr als gut. Mit 17 Songs hat die Band fast doppelt so viel Stücke auf der Setliste, wie DRAGONFORCE. Trotzdem wird das geplante Zeitfenster eingehalten. Es gibt keine Soloparts der Musiker, auch wird zum großen Teil auf Ansagen verzichtet. Wie auf einer Perlenkette reihen sich Songs wie 'Fearless', 'Viral',  und 'Interference' auf.

Vier neue Songs werden der feiernden Masse präsentiert, doch auch auf ältere Tracks stehen auf dem Zettel. Natürlich wird AMARANTHE auch live ihrem Stil gerecht und präsentiert viel Elektronik, welche leider überwiegend vom Band kommt. Speziell  bei 'The Nexus' haben die klassischen Metalinstrumente klar die Oberhand. Meinem persönlichen Befinden nach sind die Live-Auftritte deutlich metallischer als auf der Konserve. Die für meine tauben Ohren wunderschöne Ballade 'Amaranthine' beginnt mit einem ebenfalls wunderschönen und vor allem live vorgetragenen Klavierintro.

 

Die Band zeigt sich in bester Spiellaune und schließt nahtlos an die Leistung der beiden Vorgängerbands an. Auch den Fans in der Münchener Tonhalle gefällt der Auftritt des zweiten Headliners. Mit 'Archangel', 'That Song' und 'Drop Dead Clinical' geht es in den Zugabenblock, bevor sich AMARANTHE von den feiernden Metalfans aus München verabschiedet. Die Idee, drei verschiedene Stilrichtungen des Metals auf einem Konzert zu präsentieren ist definitiv aufgegangen.

 

 

Photo Credit: Andre Schnittker


Redakteur:
Andre Schnittker

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