Metalfest Pilsen 2025 - Pilsen

16.06.2025 | 13:44

06.06.2025, Amphitheater Lochotin

"Fu.. You Metalfest!"

Samstag:

Die Nacht war entspannt, ihr glaubt gar nicht, wie gut man schlafen kann, wenn der Regen auf das Dach vom Wohnmobil prasselt. Dagegen kann jede Schlaftablette einpacken. Dazu kommt, dass auf dem Campingplatz sehr schnell Ruhe eingekehrt ist. Wer sich in einem Zelt liegend mal nächtelang Schlager von den "freundlichen" Nachbarn anhören musste, weiß, wovon ich schreibe. Selbstverständlich regnet es auch an diesem Morgen wie blöd und wir beschließen, es ruhig angehen zu lassen. Natürlich wären wir gerne zur ersten Band auf dem Gelände, doch heute siegt die Vernunft.

Wir erwischen eine Lücke, in der es nicht ganz so heftig schüttet und schwingen uns wasserdicht verpackt auf die Räder. Von der niederländischen Pagan/ Folk Metal-Band VANAHEIM bekommen wir leider nichts mit. Auch die Eidgenossen von MIRACLE FLAIR spielen Symphonic Metal und sind schon auf der Zielgeraden ihrer Show eingebogen, als wir unseren Platz oben an der Mauer erreichen. Eigentlich sehr schade, das, was ich höre, gefällt mir ganz gut. Immerhin schaffe ich es noch, vom oberen Rang ein schnelles Foto zu machen. Die Stimmung ist trotz miesem Wetter echt gut. Wir lassen uns überraschen, was der Tag noch so bringt.

Für mich fängt der "Arbeitstag" dann mit FROZEN CROWN an. Die italienische Power Metal-Band um Sängerin Giada Etro nutzt die kommenden 50 Minuten, um einige Stücke aus dem 2024 veröffentlichten Album "War Hearts" zu präsentieren. Mit dem gleichnamigen Titeltrack geht es dann auch gut los. Hat mir das Album schon gut gefallen, legt die Band live noch eine Schüppe drauf. Giada ist extrem präsent, gibt ihren Kollegen auf der Bühne jedoch viel Raum, um sich auszutoben. Wobei, Kollegen ist nicht der richtige Begriff. Immerhin stehen hier mit den beiden Gitarristinnen Alessia Lanzone und Alexandra Lioness zwei Frauen auf der Bühne. Letztere sehe ich zum ersten Mal und wundere mich, dass Fabiola "Sheena" Bellomo nicht mehr dabei ist. Hätte ich mal die News auf POWERMETAL.de gelesen wüsste ich, dass Fabiola die Band im Mai aus persönlichen Gründen verlassen hat.

Doch auch Alexandra als ihre Nachfolgerin versteht durchaus ihr Handwerk. Immer wieder lässt sie ihre blonde Matte kreisen und spielt sich souverän durch die Setliste. Ich mag die hohe Geschwindigkeit in den gitarrenlastigen Songs einfach. Auch die wieder bunten Metalheads gehen vollkommen mit und haben sichtlich Spaß an dem Auftritt von FROZEN CROWN. Mit 'Call Of The North' und 'I Am the Tyrant' verabschiedet sich die Band unter großem Jubel aus Pilsen.



Ist ELVENKING 2022 noch sehr kurzfristig als Ersatz für ENSIFERUM eingesprungen, haben die Veranstalter vom Metalfest 2025 die italienische Folk Metal-Band schon sehr früh im Lineup bestätigt. Zum 'Perthro'-Intro vom Band betritt das Sextett die Bühne und steigt zu 'Throes of Atonement' ins Set ein.

Violinist Lethien hüpft wie ein Flummi über die Stage und Sänger Damnagoras trägt - warum auch immer - ein zwölf-endiges Geweih. Na gut, Äußerlichkeiten werden überbewertet, wichtig ist die Musik der Band und die ist wie schon 2022 gut. Der Meinung ist auch das feiernde Publikum. Immer wieder werden die Pommesgabeln in die Luft gereckt, immer wieder bilden sich Circle Pits im Infield. Dieses wurde in diesem Jahr geteert. Konnte man die letzten Jahre entweder durch knöcheltiefen Schlamm waten oder vor lauter Staub nichts mehr auf der Bühne erkennen, finde ich die Lösung mit dem Teer wirklich gut. Es gibt nichts, was man nicht noch verbessern kann. Auch im Pit stolpern wir Fotografen dadurch nicht mehr über lose Steine.

DYNAZTY konnte ich bereits im März in Nürnberg sehen, schließlich will das gute neue Album "Game Of Faces" gut promotet werden. Doch Sänger Nils Molin greift erst einmal in die Mottenkiste. Mit 'In The Arms Of A Devil' gibt es einen Track vom 2018 veröffentlichten Album "Firesign". Ich bin nach wie vor fasziniert von Nils Stimme. Kraftvolle und hohe Lagen haut er mit einer Leichtigkeit in die Menge, dass einem Hören und Sehen vergeht. Dazu gibt er im positivsten Sinne die Rampensau. Permanent turnt der Sänger über die komplette Bühne einschließlich Vorplatz und schon sich absolut nicht. Insofern beachtlich, da er heute quasi eine Doppelschicht hat. Doch dazu später mehr.

Da eine Band nicht nur aus einem Sänger besteht, bekommen die restlichen Musiker natürlich hier auch ihr Fett weg. Dieses ist keinesfalls negativ gemeint. Den beiden Gitarristen Mike Lavér und Love Magnusson steht der Spaß sichtlich ins Gesicht geschrieben. Immer wieder liefern sie sich Duelle mit ihren Instrumenten. Love bietet mit seiner verspiegelten Sonnenbrille ein paar interessante Motive für die Fotografen. Neugierig geworden? Dann schaut mal in die Galerie. Bassist Jonathan Olsson ist eher der ruhende Pol in der Band, unterstützt den Sänger stimmlich jedoch hervorragend. Drummer Georg Härnsten Egg kann sich durch ein schönes Drumsolo auszeichnen, welches in dem Song 'Who Let The Dogs Out' endet. Jetzt gibt es endgültig kein Halten mehr in der Crowd. Die Meute dreht durch und selbst die Secs im Pit sind in Feierlaune. Ein absolut guter Auftritt von DYNAZTY bei wieder mal strahlendem Sonnenschein.

Dieser herrscht auch noch, als ich zu LORD OF THE LOST wieder im Graben stehe. Die Darkrocker aus Deutschland bringen mit 'Moonstruck', 'I Will Die In It' und 'My Sanctuary' gleich drei Livepremieren mit nach Pilsen. Vor dem Wellenbrecher tobt der Bär, die Band um Sänger Chris Harms spielt heute zum ersten Mal auf dem Metalfest und der Stimmung nach zu urteilen, hat die Band eine große Fangemeinde in Tschechien. Nach unseren üblichen drei Liedern im Pit lädt mich Hartl zu einem Cocktail ein. Da man guten Freunden keinen Wunsch abschlägt und ich nicht wirklich ein Fan des Dargebotenen bin, machen wir uns gemeinsam mit Martin auf den Weg nach oben auf die Fressmeile, auf der auch Cocktails angeboten werden. Unterwegs ruft Martin noch eine Bierpause aus, der Weg ist schließlich lang, bevor wir unter Sauerstoffmangel die Pilsener Hochebene erreichen.

Mittlerweile hat es wieder angefangen zu regnen. Bei einem Cubra Libre fachsimpeln wir etwas über den bisherigen Verlauf der Veranstaltung und dann öffnen sich wirklich alle Schleusen. War es bisher unangenehm, eskaliert da Wetter nun vollends. Das in der Nähe stehende Bierzelt ist natürlich brechend voll und uns bleibt nichts anderes übrig, als mit mehr (Andre) oder minder (Hartl, Martin) guter Kleidung die Sache am Getränkestand auszustehen. Mittlerweile wurde wohl auch das Konzert von LORD OF THE LOST unterbrochen und wir sind gespannt, wie sich die Sache noch entwickelt. Nach ungefähr 20 Minuten sehen wir Licht am Ende des Himmels und wagen uns wieder unters headbangende Volk.

Okay, im letzten Jahr war das Wetter wesentlich zuverlässiger, es hat komplett durchgeregnet. In diesem Jahr brechen die Wechsel zwischen heiß und sonnig sowie grau und nass alle Rekorde. Innerhalb weniger Minuten wird man entweder von innen feucht durch Schweiß oder klitschnass durch den Regen. Zumindest die Technik ist bis jetzt zuverlässig und bei Trockenheit geht es dann weiter mit AMARANTHE. Trotz der Umstände leistet die Crew in Pilsen einen absolut tollen Job. Wir sind immer noch im Zeitplan, als Sängerin Elize Ryd und ihre Mannen mit 'Fearless' ihre 75-minütige Show starten. Ich verfolge die Band schon seit vielen Jahren und bin immer noch fasziniert davon, wie Elize gemeinsam mit den Sängern Mikael Sehlin und Nils Molin die Songs zum Besten gibt. In den drei Stimmen steckt so viel Abwechslung, doch irgendwie passt das alles richtig gut zusammen.

Natürlich gibt es wie auf dem Konzert in München wieder einige Songs vom aktuellen Album "The Catalyst", doch mit sechs Songs liegt der Fokus heute auf dem 2020 veröffentlichten Album "Manifest". Auch in Pilsen kommen die Keys überwiegend leider vom Band. Ich wünsche mir nicht nur bei AMARANTHE, dass weniger aus der Konserve kommt und mehr wirklich live gespielt wird. Ich weiß, ein Wunsch, der mir nicht erfüllt wird, den Metalfans macht dieses Manko jedoch nichts aus, sie sind in bester Feierlaune. Die Zeit fliegt und die Band gibt Vollgas. Nils zeigt trotz weiterem Auftritt an diesem Tag keinerlei Schwächen. Zur Ballade 'Amaranthine' wechselt Gitarrist Olof Mörck zumindest für einige Augenblicke das Instrument und spielt die Einleitung auf dem Keyboard. Der von Elize und Nils gemeinsam gesungene Refrain erzeugt nicht nur bei mir Gänsehaut. Das feiernde Volk liegt sich glücklich in den Armen und singt den Track voller Euphorie mit.

Ich nutze die halbstündige Umbaupause, um meine Holde mit einem Kaltgetränk etwas milde zu stimmen. Schließlich macht sie sich einige Notizen, die hier in den Bericht einfließen, hat aber während der drei Festivaltage recht wenig von mir. Auch sie hat dem Wetter getrotzt und stoisch unseren Platz im Platzregen verteidigt. Manche Dinge sind halt unbezahlbar. Doch es warten noch zwei Bands auf mich unten im Pit.

Natürlich weiß jeder dank Running Order, wer nun die Bühne des Amphitheaters betritt. Gleich drei Enten auf der Stage kündigen den Auftritt von ALESTORM an. Angesichts des feuchten Infields kommt mir unweigerlich ein Sketch von Loriot in den Sinn. Doch leider bleibt die Ente heute draußen. Erwartungsgemäß kommt die Mischung aus Folk Metal und Comedy nicht bei allen in der Redaktion gut an, wie man zum Beispiel im Konzertbericht meines geschätzten Kollegen Marius aus Bremen lesen kann. Fakt ist, dass die Band aus Schottland für ordentlich Trubel in der Crowd sorgt. Eine Vielzahl an Crowdsurfern hält die Secs im Pit ordentlich auf Trab. 'Killed To Death By Piracy' feiert in Pilsen sein Livedebüt und 'Over The Seas' wird zum ersten Mal seit 2019 vor Publikum gespielt.

Auch ich bin sehr zwiegespalten beim 'Hangover'- Cover, nicht so die Metalfest-Besucher. Circlepit reiht sich an Circlepit und ich schaue dem Treiben einfach nur zu. Klar ist das Klamauk, wenn ein "Hai" Mastermind, Keyboarder und Sänger Christopher Bowes am Mikrofon unterstützt. Doch wichtig ist, dass die zahlenden Gäste Spaß haben. Natürlich darf 'Mexico' ebenso wenig fehlen wie 'Nancy The Tavern Wench', bei der das ganze Theater anfängt zu schunkeln.  Aus einer Zeile des Songs 'Fucked With An Anchor' wird kurzerhand ein "Fuck you Metalfest!" gemacht und alle singen lauthals mit. Natürlich ist dies kein lauter Protest gegen die Veranstaltung. Aber ich habe zumindest eine Überschrift für diesen Bericht. An alle, die sich jetzt fragen, was das mit "Metal" zu tun hat, keine Angst, es gibt ja noch einen Headliner.

Und dieser ist am zweiten Tag des Metalfestes kein geringerer als KREATOR. Als einzige Band auf dem Festival verhüllt die deutsche Thrash-Legende die Bühne mit einem Vorhang. Mit 'Violent Revolution' geht es dann direkt in die Vollen. Metalheads, welche vor einer Stunde noch Songs von ALESTORM mitgesungen haben, brüllen nun den Refrain des ersten Songs auf der Setlist Richtung Stage. Die Bühne ist in düsteres Licht getaucht, Nebelschwaden kriechen über den Boden und Flammensäulen reichen in den Nachthimmel. Mille Petrozza schreit ins Mikrofon, als ob es um sein Leben ginge, und die Band entfesselt ein Thrash-Gewitter, das durch Mark und Bein geht. Die Gitarren sägen, der Bass pumpt, und der Doublebass-Drum-Teppich lässt die Brust vibrieren. Ich drehe etwas an meinen Einstellungen, endlich möchte ich mal perfekte Fotos von den Flammen, die vor dem Sänger züngeln. Bassist Frédéric hält sich überwiegend auf der rechten Bühnenseite auf.

Die Show von KREATOR ist eher statisch, unspektakulär. Hier steht ganz klar die Musik im Vordergrund. Im Publikum tobt ein wilder Moshpit, Circle Pits bilden sich spontan, Fäuste fliegen in die Luft, während alle gemeinsam brüllen: "PEOPLE OF THE LIIIIIIIIIIES!". Natürlich gibt es neben 'Enemy of God' noch viele weitere Klassiker, 16 Songs und 90 Minuten Zeit haben die Metalfans, um sich noch einmal so richtig zu verausgaben. Auch ich bin dann doch froh, dass mit 'Pleasure To Kill' ein in allen Belangen abwechslungsreicher langer Tag endet und sammle meine Frau ein, welche ebenfalls Erschöpfungszustände zeigt. Ab aufs Rad und im Slalom durch die Menschenmassen. Einen Tag haben wir noch.

Unsere Nachbarn auf dem Campingplatz sind bereits dort und erzählen uns, dass HEAVEN SHALL BURN, welche am letzten Festivaltag spielen sollen, Probleme beim Auftritt auf dem Rock am Ring hatten. Nach nur einem Song musste die deutsche Metalcore-Band den Gig abbrechen, weil Sänger Marcus sich eine Verletzung am/im Hals zugezogen hat. Von Seitens Metalfest gibt es noch keine News. Wir nehmen noch einen Schlaftrunk in großer Runde und lassen uns überraschen, wie es Sonntag weitergeht.

Text: Andre Schnittker, Karin Heinritz

Photocredit: Andre Schnittker

Hier geht es zum Sonntag.

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Andre Schnittker

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