Metalfest Pilsen 2025 - Pilsen
16.06.2025 | 13:4406.06.2025, Amphitheater Lochotin
"Fu.. You Metalfest!"
Freitag:Alle Jahre wieder geht's für mich zeitig zum Metalfest nach Pilsen. Auch in diesem Jahr wird der externe Campingplatz angesteuert, von dem wir das Festivalgelände in wenigen Minuten mit dem Rad erreichen. Da wir die Formalitäten bereits am Vortag erledigt haben, erreichen wir zügig das Gelände. Die Wettervorhersage zeigt, dass unsere leichten Regenjacken für heute ausreichen. Gut so, ein Debakel wie im letzten Jahr brauchen wir nicht noch mal. Meine Holde macht es sich auf ihrem Stammplatz im Amphitheater Lochotin bequem, ich wandere langsam zum Fotograben.
Es bleibt noch etwas Zeit, bis HOUSE OF DAWN als erste Band das Metalfest 2025 eröffnet und es folgt eine herzliche Begrüßung. Die Fotografen Hartl und Zdenek sind genauso wieder hier wie Lucie und Dominika, die auf ihrem angestammten Platz vor dem Wellenbrecher stehen. Auch bei der tollen Security-Gruppe erkenne ich wieder zahlreiche vertraute Gesichter. Ich bin wieder angekommen, in meinem tschechischen Wohnzimmer. Doch widmen wir uns der Musik.Von der spanischen Band HOUSE OF DAWN habe ich bisher noch nichts gehört, was jedoch nichts heißen soll. Das weite Rund des Amphitheaters hat noch einige weiße Flecken, auch vor der Stage gibt es noch reichlich Platz. Okay, das Konzert fängt an diesem Freitag bereits um 12:30 an, viele Metalheads müssen noch arbeiten, sind auf der Anreise oder bauen gerade ihr Zelt auf dem benachbarten Campground auf. Mir gefällt das Gehörte recht gut. Während 'Freedom' fast Ohrwurm-Charakter hat, kann der abwechslungsreiche Track 'Chase Your Goals' mit einigen Growls und Akustik-Einlagen überrascht. Nach 50 Minuten ist dann Schluss und HOUSE OF DAWN bekommt vom Publikum ordentlich Applaus. Ein durchaus gelungener Auftritt.
Die Sonne brennt unbarmherzig vom Himmel und ich verzichte erst einmal auf ein Bier. Auch in Tschechien haben die Preise gut angezogen, doch mit umgerechnet 3,60 Euro ist das kühle Blonde im Vergleich zu deutschen Festivals mehr als günstig. Ich begnüge mich erst mal mit einem ebenfalls günstigen alkfreien Getränk, schaue bei meiner Herzdame vorbei und schon geht es wieder in den Pit.Ich habe mich im Vorfeld wie ein Schnitzel auf den Auftritt von MAJESTICA gefreut. Klar, Mastermind, Gitarrist und Sänger Tommy Johansson habe ich mehrfach mit SABATON live erleben dürfen und mir hat sein Agieren immer gut gefallen. Doch ein Auftritt mit seiner Band war mir bis heute vergönnt. Der gar nicht so alte Schwede hat sein im Februar veröffentlichtes Album "Powertrain" mit nach Pilsen gebracht, mit dem gleichnamigen Titeltrack gibt es dann auch sofort Power Metal auf die Ohren, der absolut meinem Geschmack entspricht. Es dauert nicht lange, bis die Crowd rhythmisch klatscht und für gute Stimmung sorgt.
Ich bin extrem beeindruckt, wie scheinbar mühelos Tommy die hohen Lagen singt, doch auch seine Mitmusiker lassen sich nicht lumpen. Vor leuchtend blauem Backdrop sind die Axtmänner permanent in Bewegung, lediglich Drummer Joel Kollberg ist zwangsläufig an seinen Platz gebunden. Apropos Farbe. Die hat sich oberhalb von uns von himmelblau zu schwarz geändert. Es kommt ein ordentlicher Schauer über uns und wir fühlen uns wie begossene Pudel. Natürlich ist es zu spät, in die leichte Regenjacke zu schlüpfen. Erinnerungen an 2024 werden wach, bitte nicht schon wieder eine Kamera schrotten.
Der Band macht der tschechische Regen nicht aus, immer wieder verlassen die Jungs ihre überdachte Stage und präsentieren sich auf dem halbrunden Vorfeld der Bühne. Diese Aktion kommt natürlich gut bei den Fans an und wird entsprechend gefeiert. Auch MAJESTICA hat 50 Minuten Spielzeit und bringt zehn Songs unter die Meute. Ich hätte gerne ein komplettes Set der Band gesehen, aber was nicht ist, kann ja noch auf einer möglichen Tour kommen. Für mich wird es Zeit, die Technik ins trockene zu bringen.Das Wetter wird auch nicht besser, als ALL FOR METAL die Bühne betritt. Vor exakt 736 Tagen begann die Geschichte der deutschen Power Metal-Band hier im Amphitheater Lochotin. Gänzlich unbekannt und ohne ein Album im Gepäck spielte das Sextett mit zwei Tänzerinnen seinen ersten Auftritt, welcher beim Publikum sehr gut ankam. Wer die Geschichte der Band verfolgt hat, weiß, dass diese sich durch eine enorme Fleißarbeit eine große Fanbase erspielt hat. Mittlerweile sind mit "Legend" und "Gods Of Metal - Year Of The Dragon" zwei Alben erschienen, die Band kann also aus dem vollen schöpfen. Wie 2023 wird die Show mit 'All For Metal' eröffnet. Auf Podesten recht und links hantieren zwei Tänzerinnen mit Flammenwerfern, was für die Fotografen gute Motive bedeutet.
Ja, ich habe ALL FOR METAL mittlerweile sehr oft live gesehen, zuletzt mit ORDEN OGAN und mit DIRKSCHNEIDER. Doch mir macht die Band nach wie vor viel Spaß und auch das mittlerweile ordentlich gefüllte Rund feiert die Band gut ab. Gleich vierzehn Songs laden zum Mitmachen ein. Lediglich die Farbe der Fans hat sich gewaltig verändert. Stehen diese sonst mit schwarzen Shirts und Kutte vor dem Wellenbrecher, tragen sie nun Regenponchos und -Capes in den buntesten Farben. Wie schon die Band zuvor wagen sich die Musiker in den strömenden Regen und machen ordentlich Alarm. Bassist Florian Toma bekommt für sein Solo vor dem Wellenbrecher einen Sonderapplaus. Auch heute darf die Ballade 'Legends Never Die' nicht fehlen und mit 'Goddess Of War' endet nach 60 Minuten eine weitere gute Show von ALL FOR METAL.
Ich schaue mal, ob meine Frau mittlerweile ertrunken ist. Dem ist zum Glück nicht so, vielmehr macht sie sich auf dem Weg zum Campingplatz, um unsere guten Regenmäntel zu holen. Für diese Aktion bin ich ihr auf Lebzeiten dankbar, schließlich warten noch vier weitere Bands auf uns.Mit BLOODBOUND hatte ich bereits 2022 in Pilsen Spaß. Die Spielfreude der schwedischen Power Metal-Band überträgt sich direkt auf die Metalheads im Theater und es ist eine Freude, dem Treiben zuzuschauen. Natürlich gibt es einige Songs vom 2023 veröffentlichten Album "Tales From The North". Die Besucher des Festivals erweisen sich als sehr textsicher und singen viele Songs der Band mit. Mittlerweile brennt der Lorenz wieder vom Himmel und ich fühle mich in meiner Regenjacke wie in einer Sauna. Keine Ahnung, warum meine Gattin die dicken Regenmäntel holen möchte. Sänger Patrick wagt sich angesichts des guten Wetters auch in den Bereich vor der Bühne. So schön kann es gerne bleiben. Zu 'Drink With The Gods' bekommt BLOODBOUND Besuch und stößt mit einigen Protagonisten von ALL FOR METAL mit feiner Pilsner Braukunst an. Mögen die Götter milde gestimmt werden, dass das Wetter nun endgültig hält. Ich entdecke die ersten Crowdsurfer an diesem Tag.
War das Lineup bis jetzt Power Metal-lastig, geht es nun mit LACUNA COIL in die alternative Richtung. Die Band nimmt mich mit ihrem Gothic-Metal einfach nicht mit, doch ich bin keineswegs der Maßstab. Wieder einmal beweisen die Veranstalter vom Metalfest, dass sie für Vielfalt in Pilsen sorgen. Gleich fünf Lieder gibt es vom im Februar veröffentlichten Album "Sleepless Empire". Band und Meute haben ordentlich Spaß, für mich wird es nach den drei üblichen Fotosongs Zeit, gemeinsam mit der Frau etwas Nahrung aufzunehmen. Die Essenspreise haben durchaus deutsches Festival-Niveau. Nudeln und Döner kosten jeweils ungefähr 10 Euro. Während des Kauens hören wir ein Geburtstagsständchen im Infield. Sängerin Cristina Scabbia feiert in Pilsen ihren 25. Wiegenfest und bekommt von Simone Simons und Sharon Den Adel eine Torte überreicht. Die beiden Sängerinnen werde ich heute noch in ihrer eigentlichen Rolle sehen. Mit 'Enjoy The Silence' hat LACUNA COIL neben 15 eigenen Songs eine Coverversion von DEPECHE MODE auf der Setlist.
Es bleibt noch etwas Zeit für ein Bier, welches ich mit dem Chip am Festival-Bändchen bezahle. Diese Methode hat sich mittlerweile bewährt und ich wünsche mir, dass sich die Festivals in Deutschland auch endgültig vom Bargeld verabschieden. Klar, bei einigen gibt es mittlerweile schon andere Bezahlmethoden, doch es gibt noch viel Luft nach oben. Das Ganze ist halt enorm praktisch, man schleppt kein Bargeld durch die Gegend, die Schlangen an den Ständen sind quasi durch den schnellen Ablauf nicht vorhanden und über eine App sehe ich jederzeit, wie viel Guthaben ich noch habe. Die Rückbuchung funktioniert immer schnell und reibungslos.Nun aber wieder ab in den Pit, ich möchte nicht, dass EPICA wegen mir die Show später anfangen muss. Hinterm Wellenbrecher werde ich jedoch erst mal vom freundlichen Sicherheitsbeauftragten darauf hingewiesen, dass ich erst zum zweiten Song in den Graben darf. Das macht durchaus Sinn, schießen doch zu 'Cross The Divide' vom aktuellen Langspieler "Aspiral" meterhohe Flammensäulen in den Abendhimmel. Na gut, es ist noch etwas zu hell und der Effekt verpufft ein wenig. Aber okay, man kann nicht alles haben. Zum komplexen Song 'Menace Of Vanity' geht's dann endlich auf den mir angestammten Platz und ich kann eine durchaus agile Sängerin Simone Simons ablichten. Immer wieder lässt sie ihr langes rotes Haar kreisen, doch auch der Rest der Band zeigt sich äußerst agil.
Zur Hälfte des dritten Songs werden wir Fotografen aufgefordert, den Graben zu verlassen. Zeigt sich mein Fotografen-Nachbar etwas verschnupft, kann ich mit der Entscheidung leben. Ich denke, dass ich genug Motive eingefangen habe und genieße den Rest der Show zusammen mit der Gattin oberhalb der Bühne. So ein Amphitheater ist einfach klasse. Es gibt mehr als genügend Sitzplätze und oberhalb der Ränge gibt es einige Rasenflächen, auf denen man es sich gemütlich machen kann. Das passt einfach alles. Wir lauschen uns durch die Show von EPICA, die uns wirklich gut gefällt. Immer wieder schießen Flammen nach oben und auf dem digitalen Backdrop laufen ein paar Einspieler, welche von hier viel besser zu erkennen sind als direkt vor der Bühne. Mit 'Consign to Oblivion' endet nach elf Songs und 80 Minuten eine gute Show. Natürlich kübelt es längst wieder aus allen Eimern. Man bin ich froh, dass die Dame des Hauses die Regenmäntel geholt hat.
Die Beine werden schwerer, doch eine Band haben wir heute noch. Also noch einmal die gefühlt 666 Stufen hinunter zu meinem Arbeitsplatz. Es geht weiter mit WITHIN TEMPTATION. Die Setliste beginnt wie bei meinem Konzertbesuch im Oktober vergangenen Jahres in Frankfurt mit dem Track 'We Go to War', der leider sehr aktuell ist. Die Band engagiert sich sehr für die Ukraine, was auch an dem Aufkleber auf dem Arm von Sängerin Sharon Den Adel ersichtlich ist.
Die ersten beiden Songs trägt Sharon eine Maske und die Bühne ist komplett in Rot ausgeleuchtet. Wir Fotografen schauen uns fragend an und haben das Gefühl, dass das heute nichts wird mit guten Fotos vom Headliner.
Immerhin hat der Lichtmensch zum letzten Fotosong ein Einsehen mit uns und findet den Regler für weißes Licht. Na also, geht doch. Neben drei weiteren Liedern von der aktuellen Platte "Bleed Out" gibt es natürlich zahlreiche Klassiker. Ich suche mir einen guten Platz, um den Rest der Show zu sehen. Da diese nahezu identisch ist mit dem Konzert in Frankfurt, verweise ich gerne auf den Bericht von meinem Kollegen Raphael. Die Stimmung ist fantastisch und mit 'Mother Earth' endet der erste Festivaltag für mich.
Text: Andre Schnittker, Karin Heinritz
Fotocredit: Andre Schnittker
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