Nova Rock 2025: Sonne, Staub und Jahrmarkt - Nickelsdorf

11.07.2025 | 01:34

11.06.2025, Pannonia Fields 2

Vier heiße Tage unter den Windrädern in Ost-Österreich!

Samstag

Der letzte Tag ist auch der heißeste, kein Wölkchen am Himmel, Sonnencreme ist wichtiger denn je. Bereits seit 11:30 Uhr gibt es Frühschoppen bei Blasmusik, das haben wir uns aber mal geschenkt, auch ein Künstler namens DJANGO3000 kriegt keine Chance. Stattdessen treffen wir kurz nach 14 Uhr auf dem Festivalgelände ein, pünktlich um den Rock von VELVET WASTED auf dem Weg zur "Blue Stage" mitzubekommen.

Katharina: "Als erste Band des Tages steht heute THE BUTCHER SISTERS auf dem Plan. Das kurze, aber prägnante Set der Band ist eine Mischung aus Metalcore und Rapcore und passt damit perfekt aufs Nova Rock. An sich finde ich die Band super und auch der Auftritt ist mal wieder gut. Mich holt die Band dieses Mal aber nicht so ab, weil ich von dem Stil mittlerweile genug gehört habe, wobei sie auf der Bühne eine tolle Show bieten und passend zu den Liedern auch mal ihre Bauchtasche oder ihre Sonnenbrille auf witzige Art in den Mittelpunkt stellen."

Frank: "So so, Show mit Accessoires. Das ist nicht meins, aber unfreiwillig witzig ist es schon. Erst soll es die größte Wall Of Death in Österreich geben, dann fragt er, ob das Publikum einen Ball möchte. Und dann eher im Selbstgespräch "Was heißt Ball auf Englisch? Ach ja, Boal"... Das ist gar nicht mal so gut, Zeit für mich, zu gehen."

Chris: "Ja, bei THE BUTCHER SISTERS gehen die Meinungen weit auseinander. Da kann ich es auch keinem verdenken, wenn man das nicht mag. Bei mir treffen die Jungs, vor allem live, allerdings genau den Nerv zwischen Metal und Ballermann und sorgen auch hier in Nickelsdorf für gute Stimmung. Ich teile aber auch Katharinas Bedenken, dass sie hier nicht so herausstechen können wie auf anderen Festivals, denn der Ballermann-Vibe trifft einen auf dem Nova Rock ja doch schon aus vielen Ecken. Dass die Sonne seit vier Tagen unerbittlich von oben knallt, hilft da auch nicht, sodass ich nach ein paar Songs kurz in den Schatten des Pressezeltes flüchte, bevor ich dann Katharina zur nächsten Bühne folge."

Katharina: "Als nächstes geht es für mich zur "Red Stage", zu einem meiner Highlights des Festivals: IMMINENCE. Der erste Song ist 'Temptation' und bereits als die Band auf die Bühne läuft, shoutet Sänger Eddie Berg die erste Textzeile vehement ins Mikro. Auch wenn Eddie viel Action auf der Bühne liefert, so ist die Frontsau doch eher Gitarrist Harald Barret, der auch die meiste Zeit auf den Bildschirmen an der Seite der Bühne zu sehen ist, denn sobald er mit seinen langen Haaren headbangt, ist das ein schönes Motiv. Zu meiner Freude spielt die Band 'Ghost' und 'Erase', die bei dem sehr aktuellen Set, das ich durch die Setlisten ihrer letzten Auftritte kenne, eher unwahrscheinlich waren, denn acht ihrer elf Lieder heute sind von ihrem neuesten Album "The Black"."

Frank: "Auch wieder nicht meine Kragenweite. Zuviel Gebrüll, dann auch noch aus zwei Kehlen, da hilft es auch nicht, wenn es mal kurz etwas Klargesang gibt. Och nö."

Katharina: "Ach, du hast keine Ahnung von guter Musik. IMMINENCE ist bei weitem eine der besten Bands des Festivals, die mit ihrer Violine optisch und akustisch herausstechen. Wie immer wird am Optischen nicht gespart und es stehen sechs große, verzierte Rundfenster, die von hinten beleuchtet werden, vor dem Logo ihres neuesten Albums. Die Musiker sind durchgehend in vornehmes Schwarz gekleidet. So trägt Eddie wie immer ein Hemd, diesmal in Kombination mit einem Anzug und mit goldenen Ohrringen und Harald trägt einen langen, schwarzen Mantel mit ebenso gefärbten Leder-Accessoires. Schick und gute Musik, da kann man doch gar nicht anders, als es mögen."

Frank: "Jetzt kommt etwas für mich, Punkrock mit ME FIRST AND THE GIMME GIMMES. Da die Band bekannte Hits covert und dabei durch den Punk-Wolf dreht, kann ja nicht viel schiefgehen. Oder? Doch. Zwar ist alles perfekt bereitet, die große Bühne ist mit aufblasbaren Palmen dekoriert, die Musiker in ihren grässlichen Hawaii-Hemden bringen jeden schon vor dem ersten Ton zum Grinsen, aber sobald es losgeht hört man den Sänger nicht. Ohne Gesang ist das allerdings sehr schwierig, ich habe keine Ahnung, was die da verwursten. Ab Song zwei ist der Sänger mit im Sound, es ist 'Take Me Home, Country Road', aber gut ist der Gesang immer noch nicht. Mal ist er zu hören, im nächsten Moment wieder fast komplett weg. Die Lieder sind zwar kurze Attacken auf Ohren und Zwerchfell, aber so macht das keinen Spaß. Schon gar nicht bei dreißig Grad im Schatten. Und Schatten gibt es hier nicht. Ich gehe welchen suchen, schade, da hatte ich mehr erhofft."

Katharina: "Gut, dass ich sie ausgelassen habe. Aber bei HALFLIVES bin ich wieder vor Ort. Ich bin bereits zum letzten Soundcheck da, mit dem die Vier bereits Applaus ernten. Seit drei Jahren ist HALFLIVES das Kind von Linda Battilani, die aus der Band ein Soloprojekt geformt hat und nun die Fans jedes Jahr mit einer neuen EP versorgt. Während der rockigen Show, hier um einen Bassisten verstärkt, der sonst aus finanziellen Gründen eingespart wird, muss das Mikro leiden und wird geschleudert und geworfen, wenn Linda nicht gerade singt. Da auch der Rest der Band nicht stillsteht, ist gehörig Action auf der Bühne."

Frank: "Chris sagt, er wolle die Band unbedingt fotografieren. Gute Idee, sonst hätte ich die Italiener wahrscheinlich verpasst. Wäre schade gewesen, denn der Alternative Rock der zwei Damen und zwei Herren macht Spaß. Ein Soloproject? Musikalisch in jedem Fall gut."

Chris: "Ja, ich war letzten Herbst auch eher zufällig über HALFLIVES gestolpert, als ich mit Linda ein paar Promobilder gemacht habe. Seitdem versuche ich, die Band immer mitzunehmen, wenn sich eine Gelegenheit bietet. Ist einfach schöner, positiver Rock mit einem gewissen Pop-Einschlag, dazu eine tolle Live-Energie. Ich bin Linda später auch noch bei den Verkaufsständen über den Weg gelaufen, dort hat sie mir dann verraten, dass sie auf Tour aus logistischen Gründen nur zu dritt auftreten können – der Tourcamper ist dann einfach voll. Wird also höchste Zeit für größere Bühnen und einen größeren Bus!"

Danach wechseln wir wieder die Bühne.

Frank: "LANDMVRKS ist ganz schon brüllig. Ich kenne die Burschen ja schon, aber ich weiß wieder, dass ich immer noch kein Fan bin. Das Gerappe nervt auch ziemlich, nicht nur, weil es auf französisch erfolgt. Die Bühnendeko ist gut, aber sonst ist das eher meh."

Katharina: "Du wolltest hier herkommen, ich habe die schon mal gesehen und für "nicht mein Geschmack" befunden. Aber haben die nicht auch auf einem Summer Breeze gespielt? Hättest du wissen sollen."

Frank: "Es soll ja Bands geben, die mit fortschreitendem Alter besser werden. Aber LANDMVRKS rappt, kann also nicht allzu viel besser werden. War wohl ein Fehler, schnell weg!"

Chris: "Ha ha, ihr werdet also wohl beide nicht mit meiner 8,5, die ich dem aktuellen Album gegeben hab, mitgehen. Ich mag es durchaus, dass die Jungs aus Marseille den französischen Rap ihrer Heimat in ihre Songs einfließen lassen, auch wenn ich anerkennen muss, dass der Funke beim Publikum nicht so ganz überspringt. Und das, obwohl das Festivalprogramm recht großzügig mit Hip Hop und verwandten Genres gespickt ist."

Wir blicken kurz auf die Hauptbühne, auf der die Frankfurter MEHNERSMOOS versuchen, uns den Tag zu verderben. Deutschsprachiger Hip Hop? Ernsthaft, das ist ganz schrecklich. Wären wir doch bei LANDMVRKS geblieben. Eindeutig, es ist Zeit für eine Pause, denn es ist wirklich heiß und ein paar Kapellen werden ja noch kommen. Ich muss auf jeden Fall mit meinen Kräften am vierten Tag etwas haushalten. So gesehen ist MEHNERSMOOS genau das Richtige, eine Band, die ich nicht sehen muss und ganz sicher nichts musikalisch Entscheidendes verpasse.

Frank: "Ich bin zu IDLES wieder am Start. Ich habe gelesen, das wäre Punk, kenne die Band aber nicht. Zu Beginn bin ich etwas überrascht, denn was uns da entgegenschallt, ist eher Post Metal. Aber dann wird es ungewöhnlich, es wird tatsächlich Punk, aber nicht der einfache, konventionelle Punk, mit dem man rechnet, sondern der ausfransende Punk, der überall schamlos klaut und alles durch sein Prisma zurückstrahlt. Das hier ist Punk mit Einflüssen von SOUXSIE AND THE BANSHEES, dann auch PLASTIC BERTRAND, dazu ein Saxophon und eine Horde wilder Musiker, die die Bühne in ein experimentelles Tollhaus verwandeln.

Es ist weniger Publikum da, wahrscheinlich ist dieser Punk einfach zu intellektuell. Der Sänger ist intensiv, aktiv, macht Faxen, ruft "Viva Palestina", was ich so ohne Kontext durchaus zwiespältig finde, ruft "Today it is okay to spin and wear white kimonos, but not blackfacing, that is not okay, not even in Holland!". Das ist Kunst, das ist wild, das ist eine echte Show, die in einen Höhepunkt mündet, als der Gitarrist von der Bühne steigt und losläuft und läuft und läuft und sich einmal über das Gelände shredderd, mit seinem Rock Schwierigkeiten hat, über den Wellenbrecher zu kommen, verfolgt von zwei Securities, weiterläuft bis er am Ende des Geländes ankommt und sich langsamer auf den Rückweg macht.

Der Sänger proklamiert, dass alle ihre Lieder Liebeslieder seinen und weil Liebe das Gegenteil von Faschismus sei, seien alle ihre Lieder auch antifaschistisch. Jau. Und der Drummer trägt Adidas. Antifaschistischer Liebespunk mit deutschem Ausrüster. Hell, yeah!"

Chris: "IDLES hat mich auch sehr positiv überrascht, ich hatte die Band vorher tatsächlich gar nicht auf dem Schirm. Respekt auch an den Gitarristen, der bei der hohen Bühne den Weg ins Publikum gefunden hat – das muss man auch erstmal schaffen. Den "Viva Palestina“ Ausruf sehe ich erstmal gar nicht so zwiespältig, würde ich den doch primär als Unterstützung für das palästinensische Volk verstehen. Daraufhin deutet zumindest auch das T-Shirt, das Sänger Joe Talbot trägt. Dort steht, in der Optik eines Wassermelonenstücks, "Lan tasiru wahdakum abadan", was übersetzt in etwa soviel heißt wie "Mögest du niemals alleine gehen". Gleichwohl wäre eine klare Abgrenzung zur Hamas in gleicher Lautstärke sehr wünschenswert. Das würde dann auch vollkommen in das "You'll never walk alone"-Lebensgefühl passen, das linker Punk mit seinen Liebesliedern ja auch vermitteln will. Tolles, unerwartetes und chaotisches Highlight – gerne wieder! Wie fandest du die Show denn, Katharina?"

Katharina: "Ich muss mich noch erholen. Was war das denn? Das fühlt sich an wie ein Rock-Kindergarten, sieht man ja, einmal ist der Gitarrist ausgebüxt, dann fällt der Mikroständer um. Chaos!"

Frank: "Ja, ne? Einfach klasse, aber jetzt schnell rüber zu DRAGONFORCE, ich musste mir den ganzen IDLES-Auftritt ansehen, aber die Flitzefinger müssen wir zumindest mal kurz ansehen, die sind live klasse. Auf dem Weg hören wir das charakteristische Gedudel, und das meine ich nicht despektierlich, des Gassenhauers 'Through The Fire And Flames'. Ja, trotz des Eindrucks, den IDLES auf mich gemacht hat, bin ich sofort drin im Sound der Londoner. Auf der Bühne stehen immer noch die überdimensionierten Arcade-Maschinen, dazu zwei Drachen, einer blau, einer rot, ja, der Kitsch gehört dazu, genauso wie heute kryptische Botschaften von weiteren Drachen auf dem Backdrop. Gerade, als ich mich auf zwei weitere Lieder der Drachenkraft freue, verabschiedet sich die Band und geht. Zehn Minuten zu früh? Wir haben das an den ganzen vier Tagen bereits immer wieder bemerkt, dass Bands ihren Auftritt vor ihrer Zeit beenden. Ich verstehe das nicht, ganze zehn Minuten sausen zu lassen, wenn die Meute feiert, macht doch keinen Sinn, oder?"

Chris: "Während ihr bei DRAGONFORCE früh verabschiedet werdet, bin ich noch bei PALEFACE SWISS. Die Schweizer haben Feuer mitgebracht und heizen der Menge vor der Bühne auch musikalisch ordentlich ein. Beeindruckend, dass die Leute nach vier Tagen Backofen noch so viel Energie für Mosh- und Circlepits haben – mir tun die Füße weh.

Während des Auftritts von PALEFACE SWISS denke ich allerdings nicht wirklich an meinen schmerzenden Körper, zu sehr springt die Energie von der Bühne ins Publikum über und ich erfreue mich an einer der wenigen richtig harten Bands an diesem Tag. Da das Interview mit Gitarrist Yannick mein erstes für POWERMETAL.de war, war der Weg zur "Red Bull Stage" natürlich sowieso Pflichtprogramm für mich – umso mehr freut es mich, dass ich diesen nicht bereue.

Danach muss ich mich aber beeilen, damit ich rechtzeitig zur "Main Stage" komme. Ich will ja schließlich nicht verpassen, wie der "Ober-Toahsten" aus dem Himmel fällt. Und wie ich dem Strom an Menschen entnehmen kann, geht es dabei nicht nur mir so."

Frank: "Zu ALLIGATOAH kommt die ganze Meute, wo waren die bei IDLES, der größten Überraschung für mich auf diesem Festival? Banausen. Und ich muss mir jetzt diesen HipHop-Krampf antun?"

Katharina: "Ich habe mich sehr auf ihn gefreut, nachdem er viel rockiger geworden ist. Zum ersten Lied "fällt" er aus einem Flugzeug vom Himmel, nachdem er das erste Stück halb per Handy vorgesungen hat, und steigt verwundert hinter einem Bühnenaufbau hervor, in roter Hose und Pelzmantel. Es gehen zwar alle mit, aber für mich war das zuviel hip und zuviel hop. Er wird zum dritten Lied kurz rockig, aber er rappt leider weiter. Wobei, als ich am Ende der Show nochmal vorbeischaue, spielt ALLIGATOAH gerade 'Willst du', das ist schon ganz gut und passt auch von seiner Art eher zu den Beschreibungen, die mir gegeben wurden. Auch unserem Fotografen Chris fällt auf, dass sich ALLIGATOAH sehr stark der Menge anpasst von seiner Art und viel weniger Rock bietet."

Chris: "Das stimmt, gefühlt ist bei diesem Auftritt weniger Metaleinschlag drin als bei seiner Arena-Tour im Winter, von denen wir ja gleich drei Shows besuchen durften und von denen wir im Team alle begeistert waren. Mir gefällt es trotzdem und da die Sonne sich so langsam gen Horizont bewegt, kann ich mir auch einen großen Teil der Show anschauen, ohne Angst haben zu müssen, dass ich als Dörrfleisch ende."

Frank: "Der Beginn ist ja ganz witzig, als er vom Himmel fällt, stimmt. Aber das Gerappe bleibt Kacke. Immerhin rockt das erste Lied ganz ordentlich, aber dann beginnt er, Bullshit zu predigen und ich weiß wieder: ALLIGATOAH gerne, aber ohne mich. Es sind ja auch so genug Feierwütige vor der Bühne, ich gehe jetzt richtige Musik hören.

Gesagt, getan, ab zu SKILLET. Die US-Amerikaner haben wir ja schon mal auf dem Graspop gemeinsam gesehen, erinnerst du dich noch?"

Katharina: "Ganz vage schon, die waren damals schon ganz gut. Hier auf dem Nova Rock sind sie durch den Kontrast zu den anderen Künstlern wirklich gut und auch sehr begehrt."

Frank: "Eine gemischte Band mit singender Schlagzeugerin und Gitarristin, außerdem mit echtem Cello und einem Keyboard, das Gitarristin Korey Cooper statt der Saiten immer wieder spielt, statt Samples vom Band, die echt rocken kann. Die Musiker bekennen sich zu ihrem christlichen Glauben, nun ja, jeder hat eben seine kleinen Fehler, da sie aber nicht predigen, stört mich das nicht so sehr. Stattdessen finde ich es sehr unterstützenswert, dass sie sich mit dem Thema Depression und mentale Gesundheit auseinandersetzen. Gerade nach Corona ist dieser Einsatz wertvoller denn je. Mit "Tonight we say no to depression, no to fear, tonight we rise!" bindet Sänger John Cooper das Thema ohne erhobenen Zeigefinger in seine Songankündigung ein. Der Anfang mit 'Showtime', 'Feel Invincible' und 'Rise' ist aber auch echt gelungen."

Katharina: "Auch die Ansagen, alle seien gleich, auch explizit auf Religion bezogen, ist für eine christliche Band stark. Er wird vor 'Hero' nochmal deutlich, als er sagt, "viele Menschen kommen zu Rock, weil es hilft bei Depressionen, Selbstmordgedanken und Einsamkeit" und den Song mit dem Worten "I love you so much, you are my people!" dem Publikum widmet. Dann singt die Drummerin und ein Roadie übernimmt das Schlagzeug."

Frank: "Ich meine, in Dessel damals wäre die Band noch besser gewesen, aber das ist schon ein paar Jahre her. John klingt sehr angestrengt, liegt auch mal neben dem Ton, SKILLET ist schon seit zwei Wochen in Europa unterwegs, vielleicht ist er etwas angeschlagen. Passiert. Das hier ist das komplette Kontrastprogramm zu der Plastikmusik auf der Hauptbühne, dementsprechend viel Zuspruch hat die Band aus Memphis, Tennessee. Verdientermaßen. Das schauen wir uns bis zum Ende an, gradlinig, klasse, achtzehn Lieder in fünfundsiebzig Minuten, ohne Fisimatenten. Auf jeden Fall in den Top Ten des Festivals für mich."

Chris: "Nachdem mir SKILLET bereits bei Rock Im Park gute Bilder und gute Laune beschert hatte, habe ich mich auf den Auftritt eigentlich gefreut. Jedoch wurde mir vorhin von einer Kollegin berichtet, dass sich Sänger John Cooper wohl sehr abfällig gegenüber der LGBTIQ+ Bewegung geäußert hat, welches eine kurze Recherche vor Ort bestätigt hat. Deswegen habe ich mich dann entschieden, dem Auftritt fern zu bleiben.

Dass diese Entscheidung richtig war, bestätigt mir dann im Nachhinein eine ausführliche Recherche zu Hause. So ist Cooper, der ja immer schon zu seinen sehr christlichen Werten stand, diese aber früher primär tatsächlich in Themen wie Liebe, Gemeinsamkeit und auch dem Kampf gegen Depressionen ausgedrückt hat, in den letzten Jahren wohl sehr stark ins fundamentalistische Lager abgerutscht – so sehr, dass seine Bücher selbst christlichen Verlagen zu extrem waren. Auch bei Themen wie Abtreibung, sexuelle Selbstbestimmung und institutionellem Rassismus vertritt er inzwischen Meinungen, die man ganz deutlich im Lager von Personen wie Donald Trump oder der, als vom Bundesamt für Verfassungsschutz gesichert rechtsextrem eingeordneten, AfD einordnen muss.

Wenn ich dann höre oder lese, dass er auf der Bühne Sachen wie "Tonight we say no to depression, no to fear.“ von sich gibt, dann ist das an zynischer Heuchelei nicht mehr zu überbieten. Gut, dass ich da weggeblieben bin, schade, dass ich das nicht früher wusste und dass somit eine Band, die ich eigentlich mochte, wegfällt."

Frank: "Echt? Jetzt bin ich überrascht, ich kenne die Band nur von der Bühne und habe mich sonst nicht mit SKILLET beschäftigt. Ich will auch gar nicht wissen, wer hier sonst noch FPÖ-Anhänger ist oder in Deutschland Blau wählt, das könnte mir den Spaß an so mancher Band vermiesen. Schade, seine Bühnenaussagen hätte ich jederzeit unterschrieben, besonders als er, obwohl ich weiß, dass er Christ ist, explizit auch andere Religionen in positiven Kontext stellte. Es ist schwer zu glauben, dass er privat dann so anders ist, aber ich habe gerade über sein neues Buch recherchiert und bin sogar über den schon ziemlich offensichtlich tendenziellen Titel hinausgekommen, der Auszug hat mich tatsächlich überrascht. So gesehen war der Auftritt ziemlich paradox in Sichtweite eines coolen, österreichischen "Gegen Nazis"-Stand, der übrigens ausgesucht tolle Sachen anbietet!"

Katharina: "Als nächstes geht es für uns zu DANKO JONES!"

Frank: "Danko ist auch ein Rock-Urgestein. Er ist direkt, unprätentiös, aber nicht immer sonderlich originell, deswegen fliegt er immer irgendwie unterhalb des Rocker-Radars. Das mag auch auf Tonträger eventuell etwas unspektakulär sein, aber live ist er eine echte Wucht. Er ist ein echter Rockerboy und ist obendrein auch noch witzig. Nach dem zweiten Song gibt es "Danko Jones"-Sprechchöre und Danko beschwert sich: "Hey, wir spielen hier zwei Stücke und ihr singt dann einfach den besten Song des Tages? Wie sollen wir das noch toppen? Jemand sollte euch alle damit unter Vertrag nehmen!"

Katharina: "Von dem habe ich das erste Mal etwas gehört, als Vanessa von Reigning Phoenix Music erwähnt hat, dass er in Hamberg gespielt hätte. In so einem kleinen Club ist das bestimmt noch besser, aber langsam bin ich kaputt."

Frank: "Nach dreißig Jahren und zwölf Alben ist er zwar Headliner, aber nur auf der kleinen Bühne. So ein bisschen wurmt ihn das wohl. Berechtigt, denn er hat wirklich ordentlich Publikum vor die "Red Bull Stage" geholt. Jedenfalls ist sein Statement: "Wir werden hier solange versuchen zu spielen, bis man uns auf die Hauptbühne lässt. Als Headliner!" und er fügt hinzu: "Jetzt und heute ist das hier die Hauptbühne!" Und so rockt er auch. Top!"

Wie allgemein bekannt sein dürfte, hat Marcus Bischoff und seine Band HEAVEN SHALL BURN beim Rock am Ring ihren Auftritt abbrechen müssen. Die Thüringer stehen hier und heute auch auf dem Billing.

Katharina: "Britta Görtz, Sängerin von HIRAES ist dann spontan für die restlichen Gigs eingesprungen. Sie meint selber, dass das für sie auch sehr überraschend kam und sie zunächst dachte, dass ihre Expertise als Vocal Coach gefragt sei. HIRAES habe ich letztes Jahr bereits im Backstage in München gesehen und weiß daher, die Lieder sind gut, aber Brittas Stimme ist hervorragend. Das stellt sie bei HEAVEN SHALL BURN auch unter Beweis. Ihre Stimme passt super zu den Liedern und harmoniert stark mit dem Rest."

Frank: "Wow, es ist voll. Die Band ist tight, der Sound ist gut und Britta wirkt wirklich nicht wie ein Fremdkörper. Sie teilt sich die Ansagen mit der Band, ersetzt Marcus dabei souverän. "Für achtzig Prozent der Scheiße ist Religion verantwortlich!" Ja, sehr treffend. Langsam kochen die Saalfelder mich weich, mir beginnt es auch live zu gefallen. Ich ziehe meinen Hut davor, dass HEAVEN SHALL BURN mit Britta Görtz einen vollwertigen Ersatz organisiert hat, das ist wirklich ausgezeichnet heute. Das wird aber ein Kulturschock, wenn Britta von dieser Riesen-Headlinerbühne wieder in die Clubs mit HIRAES zurückkehren wird. Aber ich denke, das sollte ihrer Band auch einen Schub geben."

Chris: "Da bin ich ganz bei euch! Absolut nicht selbstverständlich, dass die Band innerhalb so kurzer Zeit einen Ersatz für Marcus organisieren konnte und die Auftritte nicht einfach abgesagt hat. Und noch viel beeindruckender, wie gut sich Britta da innerhalb von Tagen eingefügt hat. Ich hoffe sehr, dass HIRAES in Zukunft ins Vorprogramm von HEAVEN SHALL BURN schaffen wird und wir dann auch mal Marcus und Britta gemeinsam auf der Bühne erleben werden!

Danach ist für mich dann Ende für heute, denn für die Partycorer von ELECTRIC CALLBOY werden wir natürlich wieder nicht für Fotos zugelassen. DREAM THEATER hätten wir dann zwar shooten dürfen, aber aus rein fototechnischer Sicht fühlt sich das dann wie ein sehr schwacher Trostpreis an. Außerdem hat man es versäumt, auf der "Red Bull Stage" noch was zu bieten, so dass erstmal noch weit über eine halbe Stunde stumpfes Rumgesitze angesagt wäre. Dann sich lieber zeitig auf den Weg unter die erfrischende Dusche machen und das Nova Rock abwaschen. Immerhin stehen morgen auch noch gute 12 Stunden Heimreise auf dem Programm."

Jetzt trennen sich also die Wege von uns dreien für den jeweils letzten Auftritt auf den beiden Hauptbühnen, die leider fast exakt gleichzeitig anfangen, man muss sich also entscheiden.

Frank: "Nun, das fällt nicht schwer, denn um mich von DREAM THEATER abzuhalten, muss man schon schwere Geschütze auffahren. Die Prog-Metaller haben gerade ihr sechzehntes Album, "Parasomnia", veröffentlicht, machen aber vor der eigentlichen Tour erstmal einen Festival-Abstecher. Hier gibt es natürlich auch zwei Lieder des neuen Drehers, den Konzert-Opener 'Night Terror' und 'Midnight Messiah', aber vor allem auch zwei Stücke von "Metropolis Pt. 2: Scenes From A Memory" und danach das unsterbliche 'Under A Glass Moon'. Für diese musikalische Qualität bin ich ob des Zuspruchs vor der Bühne etwas enttäuscht, ich hatte mehr Zuschauer erwartet.

Dabei ist neben der Musik auch visuell alles im Lot. Die Lichtshow stimmt und die Filme im Hintergrund, bei 'The Enemy Inside' ist es tatsächlich ein ganzes Video, sind auch stimmig. James singt gut, anfangs ist das Keyboard etwas leise, aber auch das wird schnell behoben. Unangenehm ist der Boller-Krach von der "Blue Stage" und dem Rummelplatz in den ruhigen Passagen, besonders bei 'Peruvian Skies'. Das geht schon die ganzen vier Tage so, die Bühnen und vor allem die "Blue Box" und die "Casa Bacardi" haben die Auftritte durchaus beeinträchtigt. Vielleicht wollen die Veranstalter keine ruhigen Songs? Vielleicht können sie für nächstes Jahr noch Mickie Krause buchen.

Aber zurück zu DREAM THEATER. Nach vier Tagen sind die anwesenden Metaller zwar langsam am Ende der Kräfte, aber es wird noch einmal alles mobilisiert und so gibt es einen... Circle Pit? James LaBrie ist ebenso verwundert und fragt lachend, "Hey, ihr da im Mosh Pit, wisst ihr eigentlich, wer wir sind? Oder mosht ihr einfach, egal, was ihr hört?". Zum Ende folgen noch zwei Klassiker, 'As I Am' und natürlich der Hit 'Pull Me Under'. Dann ist das Nova Rock 2025 für mich Geschichte!"

Katharina: "ELECTRIC CALLBOY fängt mit einem passenden Intro im Stil des Musikvideos von 'Elevator Operator' eben diesen Song an. Ganz vorne vor der Bühne merke ich bereits dann die alkoholisierten Fans, die überwiegend männlich sind, die unangenehm wenig Aufmerksamkeit ihrer Umgebung schenken. Aber wir Frauen passen aufeinander auf und so werde ich gleich unter die Fittiche genommen und bei ihrem zweiten Lied 'MC Thunder 2' aus einer sich entwickelten Wall of Death gezogen. Danach holt die Band die Klassiker raus, mit 'Spaceman' und 'Hypa Hypa', und spielt ein Cover von 'Still Waiting', was zu erwarten ist, nachdem Frank Zummo das erste Mal als festes Mitglied dabei ist. Zu 'Arrow Of Love' werden auf der Bühne noch große LGBTQ+-Flaggen geschwenkt, bevor die Klassiker-Reise mit 'Everytime We Touch' und 'Pump It' langsam zu Ende geht. Sänger Nico Sallach lässt es sich natürlich nicht nehmen, zu jedem Lied einen passenden Outfitwechsel einzulegen und so trägt er mal den bekannten 80er-Jahre Trainingsanzug und gleich darauf ein Hemd wie im Hawaii-Urlaub."

Gedanken und Überlegungen zum Abschluss des für uns neuen Festivals:

Katharina: "An sich war das Nova Rock eindeutig eine Erfahrung. Ein paar gute Bands haben gespielt, die Bühnen sind wirklich schön dekoriert und der Weg ist gut mit hohen Türmen mit Pyros ausgeleuchtet. Für mich ist es aber viel zu viel Musik, die ich nicht mag, dafür dass es sich für ein nächstes Mal lohnt. Auch der Soundschutz zwischen den Bühnen ist quasi nicht vorhanden und so haben die Bands einander häufig gestört. Noch schlimmer war der Lärm vom Rummelplatz, der teilweise die "Red Bull Stage" komplett übertönt hat. Zusammen mit dem Tattoo-Bus und den zahlreichen Jägermeister-, Cocktail- und Bier-Ständen gleicht das Nova Rock eher einer Kirmes, hat einen Schwerpunkt auf Party und Alkohol neben dem Festival. Auch werden Tagesgäste streng kontrolliert beim Einlass und es sind sowohl Flaschen als auch Dosen verboten, aber die Camper scheinen mit Dosen-Cocktails und Dosen-Bier frei ein- und ausgehen zu können. Zumindest müssen die riesigen Dosen-Berge in den Ecken des Festivals ja irgendwo herkommen. Zudem laufen permanent die Mülleimer über, deren Menge ich für zu gering erachte. Angenehm ist der Durchgang für die Presse, der von der einen Bühne vorne zur anderen führt, aber einen dann unglücklicherweise direkt neben den Pissoirs rauslässt."

Chris: "Eine Erfahrung trifft es ziemlich gut. Eine einmalige auf jeden Fall, denn nochmal werde ich nicht aufs Nova Rock kommen. Die Bands, die mich interessieren, spielen alle auch auf den großen Festivals in Deutschland und das Geld, was man am Ticket spart, geht für die Anreise drauf. Die Idee hinter unserem Besuch hier war ja, zu gucken, ob das Nova als Alternative zu Rock Am Ring und Rock Im Park taugt, welche beide dreißig Acts mehr haben und auf drei Tage kondensiert sind. Wenn ich jedoch rausrechne, wie viele von den Künstlerinnen und Künstlern hier in die Reggae-, Hip Hop- oder sogar fast schon Schlager-Schiene fallen, dann verschiebt sich diese Zahlenverhältnis nochmal deutlich zu den deutschen Alternativen.

Hinzu kommt, dass mir vieles im Organisatorischen sehr missfallen hat. Hauptsächlich natürlich der "Fotografen-Ausschluss" von den Headlinern und anderen Bands, was im Vorfeld nicht kommuniziert wurde, und es uns quasi unmöglich macht, euch, liebe Leserinnen und Leser, einen Bericht zu liefern, wie ihr ihn verdient. Dafür möchte ich mich an dieser Stelle bei euch entschuldigen. Auch falls ich zwischendrin zu viel gejammert und gemeckert haben sollte – mir wurde dadurch jedoch der komplette Spaß am Festival genommen und das will ich dann auch nicht verschweigen. Aber auch viele "softere“ Faktoren in puncto Taschenkontrolle, Security im Graben, wenige Wasserstellen, viel Müll oder, dass viele der Auftritte teilweise deutlich kürzer ausfallen, als angekündigt, schmälern das Festivalerlebnis stark.

Highlights waren ITCHY, JINJER, HALFLIVES, IDLES, HEAVEN SHALL BURN, THE WARNING und IMMINENCE. Dafür muss ich aber nicht bis nach Österreich fahren. Und wenn ich Ballermann haben will, flieg ich lieber nach Mallorca."

Frank: "Heiß war es und weit war es. Es ist gut, dass wir dem großen Rockfestival in Österreich mal einen Besuch abgestattet haben. Musikalisch fand ich es okay, aber nahezu alle Acts, die eben nicht auf dem Rock Am Ring oder Rock Im Park gespielt haben, konnten mich nicht begeistern. Ich gebe Katharina recht, mir war es auch zuviel Party, ich mag meinen Rock und Metal gerne ernsthaft. Einge Dinge finde ich merkwürding, vor allem in der Organisation, besonders seltsam fand ich die Abfahrt vom Tagesparkplatz inmitten vieler Fußgänger. Der Partylärm vom Rummelplatz ist unangenehm. Dafür gab es musikalisch aber einige Highlights, DREAM THEATER, IDLES, SKILLET, BIFFY CLYRO, RISE AGAINST, LINKIN PARK - gute Musik haben die Booker durchaus an den Start gebracht. Wenn man bedenkt, dass die genannten großen Festivals in Deutschland locker 100 Euro mehr kosten, bietet das Nova Rock durchaus "value for money". Wenn das Billing mal wirklich ungewöhnlich wäre, könnte ich mir vorstellen, wieder herzukommen, aber wenn ich die meisten Bands dann sowieso fast vor der Haustür habe, würde ich den kürzeren Anreiseweg natürlich vorziehen. Nächstes Jahr dann möglicherweise eher Rock Im Park."



Fotocredits:

Chris Schantzen "Nova Rock"; JERRY CANTRELL, IN FLAMES, SKILLET, BIFFY CLYRO: Rock im Park 2025
Frank Jaeger: Fotos aus dem Publikum
Norman Wernicke: LINKIN PARK: 16. Juni 2025, Hannover; LORNA SHORE: 6. Juni 2025, Dresden


Redakteur:
Frank Jaeger

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