QUEENSRŸCHE und NIGHT DEMON - Hamburg

10.03.2025 | 10:59

28.02.2025, Fabrik

Geglückter und toller Tour-Ausklang in ausverkaufter Hütte.

Nachdem der Kollege Timo bereits vom Abstecher der beiden Bands aus dem südlichen München berichtet hat, geht es zum ultimativen Tourneefinale heute an die nördliche Waterkant. Genauer gesagt, in die im wunderschönen Hamburg-Ottensen gelegene Fabrik. Dafür schickt powermetal.de heute mit Chris und meiner Wenigkeit zwei mehr oder weniger noch relativ frische Reporterkollegen ins Rennen. Eine gute Möglichkeit also für uns beide, sich bei der Gelegenheit doch gleich einmal persönlich kennenzulernen. Dafür verabreden wir uns eine halbe Stunde vor Konzertbeginn vor der Fabrik. Da ich bereits einige Minuten eher vor Ort bin, beobachte ich interessiert die emsigen Bemühungen von Anwesenden, kurz vor Toresschluss noch das eine oder andere Ticket an den Mann oder die Frau bringen zu wollen. Obwohl der Gig bereits seit mehreren Wochen ausverkauft ist, scheint hier augenscheinlich allerdings niemand mehr Bedarf zu haben. Außerdem nehme ich mit Wohlwollen das über dem Hauptgebäude hängende und für alle gut sichtbare Transparent wahr, auf dem in dicken Lettern zu lesen ist: "Rechtsruck: Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie die Jahre 1933 – 1945." Ganz genau so ist es!

Nach einem Shakehand und kurzem Pläuschchen begibt sich Chris drinnen angekommen bereits langsam Richtung Fotograben, während ich es mir im vorderen linken Bereich, mit kurzem Fußweg zur Trinkstelle, bequem mache. Den Anheizer gibt heute, wieder einmal, NIGHT DEMON aus dem kalifornischen Ventura. "Wieder einmal" einfach deswegen, weil es heute wohl die gefühlt drölfste Show ist, bei der ich die Band um den umtriebigen Tausendsassa Jarvis Leatherby heute wohl als Support erlebe(n muss).

Auch wenn ich, zumindest auf Tonträger, mit dem schnörkellosen, aber leider auch recht drögen, Heavy Metal der Truppe nur sehr wenig anfangen kann, respektiere ich auf ganzer Linie das bedingungslose Bestreben von Leatherby, die Band step by step immer weiter und unaufhörlich mit der dafür nötigen Portion Eifer und Maloche nach oben bringen zu wollen. Gerade, wenn die Musik in seinem Fall wohl die finanzielle Haupteinnahmequelle darstellt, ist es wohl unausbleiblich, hier beständig am Ball zu bleiben, um bei Bookern und Promotern nicht in Vergessenheit zu geraten. Wie überall im Leben ist aber auch hierbei ein gewisses Maß an Ausgewogenheit nicht unbedingt von Nachteil. Zum einen stellt sich unweigerlich irgendwann definitiv ein gewisser Überdruss beim hiesigen Konzertpublikum ein, und zum anderen existiert da draußen noch eine weitere Fülle an guten Bands, denen ein Karriereschub in Form von Support-Slots ebenfalls sehr zu wünschen wären. Nun gut, sei's aber drum.

Auch wenn mich die Songs, wie bereits erwähnt, auf Albumformat nur sehr bedingt vom Hocker reißen, live liefern die drei Gentlemen noch immer absolut verlässlich und leidenschaftlich ab. In Anbetracht einer mittlerweile bestimmt vierstelligen Anzahl an Liveauftritten auf der Habenseite, nicht wirklich ein Wunder, aber die Spannung muss man auf der anderen Seite auch erstmal all die Jahre konstant hochhalten. Nach dem mittlerweile traditionell vom Band kommenden 'Night Of The Demon' (DEMON)-Intro betritt der Dreier dann auch topfit und gut gelaunt die Bühne. Die ersten vier Songs decken dann sogleich auch alle bisher drei erschienenen Alben ab.

Die Stimmung ist gut, und wie bereits bei dem einen oder anderen kürzlich besuchten Konzert nehme ich auch hier wahr: Der gute, alte Bühnennebel scheint eine wahre Renaissance zu erleben. Die in rot bestrahlten Bretter werden hier großzügig mit üppigen Nebelschwaden eingedeckt. Ich steh ja total auf solchen Budenzauber, möglicherweise sehen das die Knipser ob der Sorge um gestochen scharfe Bilder im Fotograben aber vielleicht ein wenig anders. Weiter geht's mit 'The Howling Man' vom Debüt und 'Beyond The Grave' vom aktuellen Album "Outsider". Jarvis und Gitarrist Armand, beide bekanntlich auch bei CIRITH UNGOL ein verlässliches Klampfen-Gespann, sind hier ausgesprochen bewegungsaktiv unterwegs und haben sichtlich Spaß in den Backen. Das synchrone Gitarren-Posing erinnert an gute alte Glenn Tipton/K.K. Downing-Momente.

Leatherby hält sich mit Ansagen zunächst sehr bedeckt, bedankt sich aber gegen Ende brav bei allen Anwesenden für den Support und merkt in diesem Zusammenhang an, dass man in Hamburg ja quasi schon an fast jeder Steckdose gespielt hat (Jarvis und Armand haben eine Zeit lang in Hamburg gewohnt) und nun froh ist, auch die Fabrik diesbezüglich abhaken zu können. Während des vorletzten Songs 'The Chalice' darf dann zur Erheiterung aller, das Bandmaskottchen in Form des Sensenmanns ebenfalls, halb blankgezogen, mit Badehose bekleidet und einem Kelch in den Händen, in bester Eddie-Manier einmal über die Bühne stampfen. Und um dem Ganzen hier noch ein wenig die Krone aufzusetzen, marschieren Armand und Jarvis während des finalen Songs 'Night Demon' einfach mal mit ihren Saitenäxten locker und lässig weiterzockend durch die Menge. Würdiger Abschluss einer wie immer guten und grundehrlichen Performance!

Setliste: Outsider; Screams In The Night; Escape From Beyond; Dawn Rider; The Howling Man; Beyond The Grave; The Wrath; Welcome To The Night; The Chalice; Night Demon

Nach guten zwanzig Minuten ist es dann so weit. Nachdem ich beim Bierholen einen guten alten Kumpel, mit dem ich mich seinerzeit zusammen durch die furchtbare Abi-Zeit gequält habe, nach ca. dreißig Jahren wiedergetroffen habe, finde ich mich fast pünktlich zu den ersten Tönen von 'Queen Of The Reich' (in der Regel bisher sonst immer als Zugabe und Rausschmeißer verwendet) wieder am gewohnten Platz ein. Es ist nun also an der Zeit für die US-amerikanischen Prog Metal-Pioniere QUEENSRŸCHE. Nachdem der ehemalige Mitstreiter und Ex-Sänger in Person von Geoff Tate bereits mehrere Male diverse Album-Touren absolviert und dabei Götterwerke "Rage For Order", "Operation Mindcrime" und "Empire" abgefrühstückt hat, sind heute seine ehemaligen Kollegen an der Reihe und spielen, einer gerichtlichen Einigung vor einigen Jahren sei Dank, heute die ersten beiden Werke in kompletter Länge.

Das ist zum einen die selbstbetitelte EP aus dem Jahr 1983 und die ein Jahr später erschienene Debüt-LP "The Warning". Damit ist dann auch schon die Frage nach der genauen Setliste geklärt, da die Band beide Werke nacheinander in exakt derselben Trackliste zum Besten gibt, wie wir sie eben auch von den Veröffentlichungen her bereits kennen und lieben. Dreizehn Songs, die in über vierzig Jahren verdammt gut gealtert sind und daher auch heute noch in jeden qualitätsbewussten Prog Metal-Songkanon gehören sollten. Ich bin mir zunächst gar nicht sicher, ob es die Kombo mit dieser Songauswahl überhaupt live schon einmal auf den alten Kontinent geschafft hat, werde aber dank setlist.fm aufgeklärt, dass es Ende 1984 bereits diverse Auftritte der Band in Europa gegeben hat, unter anderem auch in Hamburg.

Damals fanden Konzerte hier in der Stadt mangels geeigneter und passender Lokalitäten noch im Audimax der hiesigen Universität statt, irre! Muffige Uni-Atmosphäre bleibt allen Anwesenden heute aber zum Glück erspart, und so zockt die Band ewige Göttergaben wie 'The Lady Wore Black', 'Warning', 'En Force' und 'Take Hold The Flame' hier in einer atemberaubenden Perfektion, die total vergessen lässt, dass es in den vierzig Jahren Bandhistorie dazwischen ja auch den einen oder anderen ziemlich mauen Release der Gruppe gegeben hat.

Die Gesangsleistung von Todd La Torre ist wieder einmal par excellence, wie sie im Buche steht. Man kann sich im Nachhinein gar nicht vorstellen, dass es vor seiner Zeit als Sänger eine verhältnismäßig lange Periode gegeben hat, in der er als Schlagzeuger lediglich die Stöcke geschwungen hat. Auch, dass seine Stimmfarbe der von Tate nahezu gleichkommt, spielt dem guten Mann bei seinem Job hier natürlich absolut in die Karten. Davon abgesehen hält auch La Torre sich mit Zwischenansagen Richtung Audienz sehr zurück. Artig und höflich bedankt er sich bei den Leuten später aber für den jahrelang geleisteten Support und erkundigt sich bei dieser Angelegenheit gleich noch, wer die Band heute denn zum ersten Mal sehen würde. Tatsächlich werden nicht gerade wenige Hände in die Luft gereckt. Der Sound ist, wie auch bereits bei NIGHT DEMON zuvor, rundherum makellos.

Auch an der Performance der Band lässt sich im Großen und Ganzen überhaupt nichts aussetzen, auch wenn man den beiden älteren Herren hier im Bunde und einzig verbliebenen Gründungsmitgliedern Michael Wilton (Gitarre) und Eddie Jackson (Bass) doch schon ein wenig die Strapazen der zurückliegenden Tour anmerkt und diese wohl nicht böse sind, schon sehr bald wieder im Kreise ihrer Familien auf der heimischen Couch sitzen zu dürfen. Doch bis es so weit ist, muss QUEENSRŸCHE hier noch ein wenig für ihre Gage tun, da der anwesenden Meute das reguläre Set noch lange nicht ausreicht und sie folglich nach mehr dürstet, und zwar nach einer Zugabe, die diesen Namen auch wirklich verdient. Jene Nachspielzeit hat es in der Tat in sich. Mit 'Walk In The Shadows', von meinem persönlichen Lieblingsalbum "Rage For Order", 'Empire', vom gleichnamigen 90er-Album und dem abschließenden 'Eyes Of A Stranger', von dem wohl besten progressiven Konzeptalbum ever ("Operation Mindcrime") werden hier noch einmal alle erdenklichen Register eines würdigen Konzertausklangs gezogen.

Dass die Stimmung im weiten Rund bei den drei Nummern um einiges euphorischer ausfällt als bei den mitunter sehr komplex-verschachtelten Songs der Erstlingswerke, mag zum einen der Tatsache geschuldet sein, dass die Stücke ab 1986 natürlich um einiges griffiger und tanzbarer daherkommen. Möglicherweise war aber vielleicht auch nicht allen Anwesenden klar, was hier und heute genau auf sie zukommen würde, who knows?

Anyway, der Abend hat sich in Gänze gelohnt, und mehr als zufrieden treten wir den Heimweg nach Hause an. Die obligatorischen Aftershow-Drinks spare ich mir heute ausnahmsweise, denn am folgenden Tag steht unsere alljährliche Redaktionssitzung in meiner Geburtsstadt Buxtehude an. Und da will und muss ich natürlich topfit sein, um einer eventuellen Rappmahnung (internes Redaktions-Wortspiel) aus dem Weg zu gehen...

Setliste:"QUEENSRŸCHE EP": Queen Of The Reich; Nightrider; Blinded; The Lady Wore Black; "The Warning-Album": Warning; En Force; Deliverance; No Sanctuary; NM 156; Take Hold The Flame; Before The Storm; Child Of Fire; Roads To Madness; Zugaben: Walk In The Shadows; Empire; Eyes Of A Stranger

Fotocredit: Chris Schantzen

Redakteur:
Stephan Lenze

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