RAMMSTEIN - München

10.06.2019 | 20:00

08.06.2019, Olympiastadion

Gigantismus in Perfektion.

Unverhofft kommt oft, und so ändere ich all meine Pfingstpläne kurzfristig, weil tags vor dem Konzert meine RAMMSTEIN-Akkreditierung bestätigt wird. Wow. RAMMSTEIN im ausverkauften Olympiastadion, bei bestem Sommerwetter, was für ein Geschenk!

Ich schlendere schon am Nachmittag aufs Olympiagelände, denn man möchte ja dem Stress entgehen und ganz relaxt mit Bekannten noch ein, zwei Aufwärmbiere trinken, den gigantischen Bühnenaufbau bewundern und der Vorfreude frönen. Und die Zeit vergeht wie im Flug, während sich das Station stetig füllt. Um 19:30 Uhr geht es dann los und zwar mit dem Pianoduo JATEKOK aus Frankreich. Die beiden Damen spielen diverse RAMMSTEIN-Songs auf zwei Flügeln, die auf einer kleinen Extra-Bühne in der Mitte der Arena stehen. Keine Frage, diese Interpretationen sind stimmungsvoll und virtuos, aber meiner Meinung nach nicht allzu passend, um die Aufmerksamkeit eines ganzen Stadions auf sich zu ziehen. Ich wette, ein Großteil hat das bisschen Geklimper gar nicht wirklich mitbekommen oder für Hintergrundbeschallung gehalten, denn allzu lautstark waren die Beifallsbekundungen nicht. Ich habe mich auf meinem Tribünensitz auch eher gelangweilt und Zeit mit dem Smartphone zugebracht, Asche auf mein Haupt. Aber hätte man nicht eine junge, hungrige Rock- oder Metalband im Vorprogramm auftreten lassen können? AUDREY HORNE, BEYOND THE BLACK, mir fallen da viele ein.

Um 20:30 Uhr ging es aber dann wirklich und wahrhaftig los. RAMMSTEIN! Über der Bühne und aus drei in der Mitte des Stadions platzierten Masten steigt schwarzer Rauch auf und verwandelt das Olympiastadion in einen Standort der Apokalypse, während Till Lindemann die Textzeilen "was ich liebe, das wird verderben" intoniert. Das wirkt schonmal, Adrenalin steigt auf und ich bin in bester RAMMSTEIN-Stimmung, die sogleich mit dem mächtigen 'Links 2 3 4' weiter befeuert wird. Der Sound donnert, RAMMSTEIN agiert wie eine Maschine, so eindeutig unverkennbar und trotz der Simplizität durch nichts und niemanden auch nur annähernd kopierbar. Das Publikum zelebriert den Event. Ja, natürlich, RAMMSTEIN ist mehr als ein Konzert, es geht um die Show, den Effekt, es ist Kunst gepaart mit Gigantismus, und es ist wirklich sehr beeindruckend.

Musikalisch legt man natürlich einen Schwerpunkt auf das neue Album "Rammstein" (zur Gruppentherapie), und man kann darüber streiten, ob man 'Tattoo' oder 'Ausländer' wirklich hätte spielen müssen, doch ich bin insgesamt sehr zufrieden mit der Setliste. Vor allem die alten Klassiker wie 'Mein Herz brennt', 'Mein Teil' und die bekannten alten Hits werden mit einer solchen Macht dargeboten, dass man fast zu Staub zerfällt. Oder verbrennt. Denn Feuer gibt es genug, RAMMSTEIN flambiert nicht nur die Bühne und den Keyboarder Flake, sondern im Grunde den ganzen Münchner Nachthimmel. Gewaltige Feuerbälle schießen nach oben und es wird heiß im Stadionrund. Doch auch die Lichtshow (oft blutiges Rot oder kühles Blau) und Bühneneffekte (unter anderem Flammenwerfer, ein brennender Puppenwagen und der obligatorische schaumspritzende Riesenpenis) sorgen für offene Münder. Im Prinzip bräuchte ich so etwas aber nicht unbedingt, vor allem weil bei RAMMSTEIN auch das Wesentliche stimmt: eine sehr tighte, spielstarke Band, die zudem immer noch Spaß hat, an die Fans der alten Tage denkt und mit 'Heirate Mich', 'Du riechst so gut' und 'Rammstein' gleich drei Knaller von "Herzeleid" spielt. Aber es gibt auch ein paar Verschnaufpausen. 'Deutschland', wohl das Herzstück des aktuellen Albums wird durch elektronische Remix-Klänge eingeleitet, während Tänzer im weiß strahlenden Neonanzügen für Unterhaltung sorgen. Und vor der Zugabe begibt sich RAMMSTEIN auf die kleine Bühne mit den Flügeln, während die Zuschauer auf der Tribüne die Taschenlampen ihrer Smartphones zünden. Eine stimmungsvolle Untermalung für 'Engel' und 'Ohne dich' die in einer akustischen Version dargeboten werden. Während den Akkorden von 'Seemann' lässt sich die Band dann auf Gummibooten auf den Händen der Fans zurück auf die Bühne tragen. 'Ich will' sorgt dann für ein furioses Finale, das mit tosendem Applaus gefeiert wird. RAMMSTEIN, wir sehen uns nochmal in Wien!

Ich danke Katharina Best für die Fotos.

Setliste: Was ich liebe; Links 2-3-4; Tattoo; Sehnsucht; Zeig dich; Mein Herz brennt; Puppe; Heirate mich; Diamant; Deutschland; Radio; Mein Teil; Du hast; Sonne; Engel; Ohne Dich; Seemann

Zugaben: Ausländer; Du riechst so gut; Pussy; Ich will

Redakteur:
Thomas Becker

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