Rage, Nightwish - Ludwigsburg

28.10.2000 | 08:28

12.12.1999, Rockfabrik

Dienstag:

Geduld ist nicht meine Stärke, doch an diesem Dienstag ist diese Tugend gefragt. Die beste Ehefrau der Welt hat am Montag ein Konzert in Bremen besucht und ist nun mit unserem Wohnmobil auf der Rückreise nach Mittelfranken. Es ist ein fliegender Wechsel geplant und ich bereite schon alles für meine Tour vor. Ziel ist ein Flugplatz in Sachsen-Anhalt, die Herausforderung lautet, diesen vor 22 Uhr zu erreichen. Zudem gibt es die Info, dass mit einem größeren Anreisestau zu rechnen ist. Ich erlebe eine Kombination aus der schönsten und leersten Autobahn 71 in Verbindung mit 46 Kilometer kurvenreichen Landstraßen und die Vorfreude auf die nächsten Tage steigt.

Da bin ich nun angekommen, auf meinem ersten ROCK HARZ Festival. Die Veranstaltung in Ballenstedt ist in diesem Jahr nach einem kalten EPIC FEST in Roskilde, einem sehr nassen METALFEST in Pilsen und einem nicht so toll gelaufenen SWEDEN ROCK in Sölvesborg mein viertes mehrtägiges Event in diesem Jahr und ich bin sehr gespannt, was mich erwartet. Natürlich freue ich mich darauf, einige Kollegen aus der POWERMETAL.de-Redaktion entweder wieder- oder zum ersten Mal zu sehen. Seit einigen Jahren sind zum Beispiel Stefan, Frank und auch Erika Stammgäste auf dem ROCK HARZ. Die Wiedersehensfreude gilt aber auch meinen Fotografenkollegen anderer Magazine. Man läuft sich auf vielen Konzerten und Festivals über den Weg und hat eigentlich nie genug Zeit sich einmal auszutauschen. Das werden wir auf dem Festival im Harz ändern.

Als ich gegen 21:30 Uhr in Ballenstedt ankomme und meine üblichen Formalitäten erledigt habe, werde ich bereits von Flo samt Frau und Dominik erwartet. Sie haben mir einen Platz für mein Wohnmobil freigehalten und unsere im Vorfeld geplante Wagenburg wird mit meinem Bomber vervollständigt. Den Dienstag lassen wir bei ein paar kühlen Getränken im Festivalbereich ausklingen. Wir treffen noch Maik von POWERMETAL.de samt Kumpel Stefan und ich lerne schnell, dass das „Teufelszeug“ ein Teufelszeug ist. Dank Dominik finde ich zu früher Morgenstund mein Mobilheim wieder. Junge, Du hast einen gut bei mir 😉

Mittwoch:

Der erste offizielle Festivaltag startet für mich gemächlich. Dank meiner schreibenden Kollegen kann ich mich auf dem ROCK HARZ überwiegend der Fotografie widmen. Hier gibt es dann direkt mal ein großes Lob an Frank, der sich um die Akkreditierung gekümmert hat und an die Veranstalter, welche uns den Fotopass genehmigt haben. Nach dem Desaster in Schweden sind dies paradiesische Verhältnisse für mich. Ich darf jede Band fotografieren, lediglich bei Bruce Dickinson gibt es ein paar Einschränkungen, doch dazu später mehr.

Um kurz vor 15 Uhr werden wir Fotografen auf das Infield gelassen, um die diesjährige Eröffnung des ROCK HARZ-Festivals bildlich festzuhalten. Es bleibt noch etwas Zeit, bis mit POWER PALADIN die erste Band auf der Bühne steht. Dazu erst einmal ein paar Worte von Stefan. [Andre Schnittker]

Als junge Band ein Festival wie das ROCKHARZ zu eröffnen ist sicherlich immer ein echtes Highlight in der aufstrebenden Karriere als Live-Act. In diesem Jahr wurde diese Ehre POWER PALADIN aus Island zu Teil. Die 2017 in Reykjavik gegründete Power Metal-Band hat mittlerweile ein Album in petto und das 2022er Debüt "With The Magic Of Windfyre" Steel“ konnte direkt für einen kleinen Genre-Achtungserfolg sorgen. Und die Jungs nutzen direkt mal die knappen 35 Minuten Auftritt Zeit für einen wilden Ritt durch ebendieses Album und sprühen definitiv vor Spielfreude. Je nach musikalischer Sozialisierung verbindet das Publikum entweder alte Helden wie IRON MAIDEN oder HELLOWEEN mit dem eingängigen Kraftstahl oder hört das große Vorbild HAMMERFALL aus der Musik heraus. Und genau dieser Sound passt auf das ROCKHARZ wie die Faust aufs Auge. Unbestrittenes Highlight ist allerdings der letzte Song 'Kraven The Hunter'. Hier hat sich POWER PALADIN zwar etwas dreist bei 'Sign Of The Cross' von IRON MAIDEN bedient und das ganze mit charmanten Marvel-Lyrik garniert, aber diese fiese Ohrwurm-Melodie macht auch in der Zweitverwertung höllisch gute Laune. Gelungener Start ins Festival? Klárlega! [Stefan Rosenthal]

Ich bin 2022 eher zufällig auf "With The Magic Of Windfyre Steel", dem Debütalbum von POWER PALADIN gestoßen und war echt hin und weg von der Scheibe. Im kalten Januar hatte ich dann die Gelegenheit, die isländische Powermetal-Band zum ersten Mal live zu erleben. Wie auf dem EPIC FEST liefert POWER PALADIN einen sehr guten Auftritt und schafft es, die Crowd abzuholen. Ich bin immer noch fasziniert von Sänger Atli, der mich mit seinem Aussehen extrem an den sehr jungen Bruce Dickinson erinnert. Etwas später am Tag habe ich Gelegenheit, mich kurz mit der Band zu unterhalten und erfahre, dass es "vielleicht" im kommenden Jahr ein neues Album geben wird. Somit bin ich zu 100 Prozent bei meinem Kollegen Stefan, starker Auftritt der Isländer, gerne mehr davon!

 

Als Neuling weiß ich die beiden Stages auf dem Rock Harz zu schätzen. Diese liegen direkt nebeneinander und dementsprechend sind die Wege zwischen den Auftritten der Protagonisten sehr kurz. Dies ist auch notwendig, da die Pausen zwischen den Slots überwiegend nur fünf Minuten lang sind. Nun geht es also ca. 50 Meter nach rechts und GUTALAX entert die Bühne. Ich gebe zu, mit Grindcore kann ich so überhaupt nichts anfangen. Das sieht das Publikum auf dem Rock Harz Festival jedoch ganz anders. Vorm Wellenbrecher sehe ich eine stattliche Anzahl an weiß gekleideten Personen, welche Klobürsten!!! in die Höhe stemmen. Die tschechiche Combo erscheint ebenfalls komplett in weiß auf der Bühne und wirft Unmengen an Klopapierrollen ins Publikum. Fragt mich bitte nicht, worum es in den Texten der Band geht, ich verstehe einfach nichts. Fakt ist jedoch, dass GUTALAX für ordentlich Alarm im Infield sorgt. Wer nicht im Circle Pit mit läuft, versucht sich im Crodwsurfen und wird von den Grabenschlampen sicher auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. Mal schauen, wie Stefan den Auftritt von GUTALAX erlebt hat [Andre Schnittker]

Bei der nächsten Band in der Running Order wird Mitsingen dann dezent schwieriger. In etwa so schwierig wie es einem Außenstehenden möglich ist mir nachvollziehbar den Hype um die Grindcore-Band GUTALAX (Anspielung auf das Abführmittel Guttalax) aus Tschechien zu erklären. Was um alles in der Welt passiert hier? Das ist so hundsgemeiner Porngrind, dass man tatsächlich überhaupt nix versteht. Vielleicht ist das auch besser so, denn alleine die Erwähnung von Songtiteln, wie 'Anus Ice Cream', 'Robocock' oder 'Fart and Furious' lässt auf den schlimmsten nur denkbaren, infantilen Humor schließen. Unabhängig davon brauche ich sogar einige Zeit, bis meine Ohren sich soweit justiert haben, dass ich erkenne, dass ein Großteil der Lieder auch mit tschechischen Texten daherkommt. Mit dem Zeitpunkt der Aufgabe hier irgendeinen größeren Sinn zu vermuten, fängt die Schose dann aber doch an gute Laune zu verbreiten. Ehrlicherweise trägt zu dieser bizarren Stimmung auch das verkleidete Publikum (analog zur Band im weißen Schutzanzug) bei, welches in bester MANOWAR-Manier die besungene Battle-Axt in den Himmel reckt. Nur das es hier eben die Klobürste ist. Wer schon mal den unter Verschluss gehaltenen Cousin der DIE KASSIERER hören möchte, sollte diese Truppe mal auschecken. Nie passte geiler "Scheiß" wohl besser. [Stefan Rosenthal]

Redakteur:
Andre Schnittker

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